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Lauter und entschiedener als amtliche Berichte erhob sich unstreitig bald die Volksstimme wider die Christen. Den ersten, mächtigsten Anstoß dazu gab, wie wir aus der Schrift wissen, der Nationalstolz und Fanatismus der Juden. Wir ersehen aus dem 21. Kap. der Apostelgeschichte V. 20, 21 u. 28, daß es nicht die Christenlehre, sondern der Abfall von den jüdischen Gesetzen und Gebräuchen war, welcher die Juden gegen Paulus erbitterte, vor allem, daß er Griechen in den Tempel geführt und die heilige Stätte gemein gemacht habe. Auch die schon gläubigen Juden, weil noch »Eiferer am Gesetz«, waren ja seine Feinde. Auch das an sich vollkommen tolerante Heidentum mußte dem nachfolgen, sobald ihm einmal der prinzipiell-feindliche Gegensatz, in welchem das Christentum zu ihm stand, klar geworden war. Ob, wann, wie und welchen der vielen Götter man anbete, darum kümmerte sich die alte Welt nicht: aber das schroffe Verwerfen, ja Verdammen der ganzen Idee ihres Kultus reizte und erbitterte: (mehr noch die Verachtung ihres Staates als eines Teils der sündhaften und dem baldigen Untergang geweihten Erde. D.).
Dazu kam die strenge Absonderung der Christen, deren inniges Gemeindeverhältnis und das Geheimnis, in das sie ihre Versammlungen und Religionsübungen zu hüllen genötigt waren. Das tausendzüngige Gerücht, an Bösartigkeit und Lüge im Fortgange wachsend, bemächtigte sich der neuen Erscheinung. Blutschande und Mord, namentlich Genuß von Menschenfleisch, wozu absichtliche oder mißverständliche Entstellung des Geheimnisses der Eucharistie Anlaß gewährten, ward den Christen allgemein schuld gegeben.
(Aber vor allem: der Gott der Christen war nicht ein nationaler, er beanspruchte der Alleinige zu sein: alle bisher verehrten Götter des Staates der Weltherrschaft: Roms, wie des Volkes der Weltbildung: der Hellenen, sollten Teufel und alle gläubigen Heiden oder ungläubigen Skeptiker, welche nicht an die Mirakel der neuen Lehre glaubten, auf ewig verdammt sein. Dazu sollte des Menschen Sohn nächstens aus den Wolken niedersteigen und dem ganzen sündhaften Heidenstaat ein Ende mit Schrecken bereiten – »zugleich mit dem Teufel«. So Sankt Augustin. Patriotismus für den verteufelten und dem baldigen Untergang geweihten Römerstaat konnte kein echter Christ hegen. D.)
Hierdurch in der Tat ist es erklärlich, daß noch zu Anfang des zweiten Jahrhunderts ein so reines Gemüt, ein so klarer und tiefer Geist, wie Tacitus, von dem abscheuwürdigen Aberglauben (execrabilis superstitio) der Christen reden konnte, die das Menschengeschlecht haßten und von ihm gerechten Haß verdienten.
Indem wir nun zu der wichtigen Frage übergehen, wie sich, abgesehen von der Volksmeinung, das Christentum zu Gesetz und Verfassung des römischen Staates verhielt, haben wir die andere vorauszuschicken:
ob nicht durch Anerkennung des jüdischen Glaubens und Kultus, der vollkommenster Freiheit genoß, auch die gleiche Grundlage des Christentums – der Monotheismus – bereits Zulassung gefunden hatte?
Allerdings hätte dies der Fall sein sollen (Doch nicht: der Judengott war ein nationaler. D.): aber das Judentum hatte Rom als vollendete Tatsache mit Unterwerfung des Volkes überkommen. Einsichtsvolle Fürsten, wie August und Tiberius, fühlend, daß es hier zwischen Duldung oder gänzlicher Vertilgung des Volkes keinen Mittelweg gebe, gönnten ihnen aus Pflichtgefühl wie aus Politik Beibehaltung ihres Glaubens, ihrer Gesetze und Gebräuche. Gleichwohl blieb der Widerstreit des Judentums mit dem herrschenden Heidentum an sich unlöslich: bereits unter Caligula wäre er zum Ausbruche gekommen, wenn nicht die Umsicht des Statthalters Petronius und des Tyrannen Sturz vorgebeugt hätten: unter Nero aber begann das Ende: im Jahre 70 ward Jerusalem zerstört – unter Hadrian im Jahre 136 ward es abgeschlossen.
Auch bei fortdauernder Duldung des Judentums aber hätten sich die Christen doch nicht auf die Privilegien eines Kultus berufen können, dessen Priester den Christen-Gott an das Kreuz geschlagen hatten und die Bekenner der neuen Lehre fortwährend ausstießen und blutig verfolgten. Auch nach Hadrians Zeit blieben zwar Juden in Palästina und in vielen Teilen des Reichs, namentlich in Rom selbst, wo sie zum Teil in ähnlichem Maße wie im Mittelalter und in der Neuzeit bedeutenden Einfluß erlangt haben mögen. Aber sie bildeten kein politisches Gemeinwesen mehr, sondern wurden nur als einzelne geduldet, waren daher auf das Verhältnis der Christen zum römischen Staate ohne Einfluß.
Gleichwohl wurden die Christen von den Römern, wie dies nicht anders sein konnte, über ein Jahrhundert lang nur als eine jüdische Sekte betrachtet. Aber wie anders die Erscheinung beider Glaubensgenossenschaften! Bei den Juden ein kompaktes politisches Gemeinwesen; hier Isolierung. Nicht das erste Auftreten der Christen daher, wohl aber Grund und Idee des Christentums stellte sich in dessen Verbreitung dem Staate feindlich entgegen.
Rom kannte, wie alle Staaten des Altertums, nur eine Staatsreligion. Die oberste Reichsverwaltung umfaßte das Geistliche wie das Weltliche. Antritt und Ausübung der Ämter, selbst der Kriegsbefehl waren an religiöse Feierlichkeiten, Opfer und mannigfache Zeichendeutung geknüpft. Dem Gerichtsverfahren war der Eid bei den Göttern unentbehrlich, der Soldat war den Legionsadlern göttliche Verehrung schuldig.
Dieser ganzen Grundlage nun stand das Christentum nicht allein entgegen, nein, es verwarf sie mit größter Entschiedenheit, indem es als eine absolute, d. i. allein wahre Religion auftrat, welche jede andere Art der Verehrung höchster Wesen für Irrwahn und Sünde erklärte, ja verdammte zu ewiger Höllenqual.
So war es vom römischen Standpunkte aus eine gegen den Staatskultus, daher gegen die Staatsverfassung selbst gerichtete Verbindung, mithin Hochverrat. Es verletzte aber auch speziell die Majestät des Kaisers, indem es dessen Autorität, als Oberpriester, pontifex maximus, nicht anerkannte, vor allem auch seinem Bilde die üblichen, in gewissen Fällen vorgeschriebenen Opfer und göttlichen Ehrenbezeigungen verweigerte. Das war sonder Zweifel Majestätsbeleidigung, wodurch, wie wir wissen, Leben und Vermögen verwirkt ward.
Es bedurfte daher nicht des Zurückgehens auf unerlaubtes Vereinswesen Verordneten doch die Apostel selbst Vermeidung der ordentlichen Obrigkeit in Streitsachen der Christen unter sich, deren Austrag vielmehr durch ihren geistlichen Vorstand erfolgen solle., Geheimbündlerei (wie wir uns ausdrücken würden) und den Begriff der factio, um das Christentum nicht nur als unerlaubt, sondern geradezu als strafbar erscheinen zu lassen.
Vermöchten wir für einen Augenblick die christliche Anschauung abzulegen, die römische anzunehmen – kein Zweifel, auch wir würden es anerkennen, daß das Christentum in seinem Grundsatz Empörung gegen den Staat war.
Höchst merkwürdig nun, daß weder bei profanen, noch kirchlichen Schriftstellern jener Zeit diese Prinzipienfrage jemals auch nur erwähnt wird. Sie war so zweifellos, daß deren Erörterung niemandem in den Sinn kam.
Die wichtigsten Quellen für das Verhältnis der Christen zu Rom am Ende des ersten Jahrhunderts sind der Brief des jüngeren Plinius an Trajan und dessen Antwort.
Plinius beginnt mit seinen Zweifeln über das Verfahren gegen die Christen, sagt aber: »Wenn sie gestanden, Christen zu sein, fragte ich sie zum zweiten und dritten Male unter Androhung der Strafe. Wenn sie dann dennoch beharrten, ließ ich sie zum Tode führen.« (Perseverantes doci jussi.)
Tertullian selbst gesteht, daß die Christen den Kaiser auf die gewöhnliche – d. i. auf die gesetzliche – Weise nicht ehrten, sucht aber zu beweisen, daß sie ihn »auf ihre Art« reiner, höher und treuer ehrten, als die Heiden.
Waren aber die Christen nach Roms Gesetz und Begriffen wirklich Hochverräter und Majestätsverbrecher, wie konnte, wird man einwenden, die despotische Staatsgewalt sie doch aufkommen lassen? Warum übte man nicht wirksameren, besonders konsequenteren Nachdruck in Unterdrückung dieser Feinde des Staates?
Das erste Auftreten der Christen entging beinahe der Wahrnehmung; indem sie zahlreicher, daher bemerkbarer wurden, stellte sich gleichzeitig bei den Machthabern die doppelte Überzeugung fest, daß die neue Sekte einmal praktisch unschädlich sei, zweitens aber Zwang und Schrecknis solche Schwärmerei und Halsstarrigkeit nicht zu bändigen vermöge. Nun fügte es sich, daß vom Jahre 96 bis 180 weise, zum Teil edle Kaiser herrschten, zu mild, um zu wüten, zu klug, um ein Prinzip aus Eigensinn über das praktische Bedürfnis hinaus durchzuführen. Es war ein Kampf der Legalität gegen die Sitte, des Buchstabens gegen die Macht der Meinung, ähnlich wie in neuerer christlicher Zeit das Duell; man straft, weil das Gesetz es will, aber man verdammt und haßt nicht, entschuldigt vielmehr, oft wenigstens, den Übertreter. Tyrannen hingegen, wie Commodus und Caracalla, die kein anderes Ziel hatten, als ihren Lüsten zu fröhnen und ihre wirklichen oder vermeinten Feinde zu vernichten, fanden die Christen weder unbequem noch gefährlich. Nichts hat letztere wirksamer geschützt als die Überzeugung, daß sie sich von politischer Parteinahme und Verschwörung fern hielten.
»Wir werden verleumdet, schreibt Tertullian unter Septimius Severus, als Verächter der kaiserlichen Hoheit: doch konnte man nie, weder unter Albinianern noch Nigrianern noch auch Cassianern Christen finden.«
Endlich begann aber auch die Anerkennung christlicher Tugend und eine dunkle Ahnung des Lichtes der Wahrheit (d. h. vor allem der Überlegenheit des Monotheismus D.) in den Gemütern der Heiden sich allgemeiner Bahn zu brechen, was durch zahlreiche Schutzschriften von schlagender Beredsamkeit (von denen die Justins des Märtyrers unter Antoninus Pius und die obgedachte Tertullians die berühmtesten sind), sicherlich nicht wenig, wenn auch nur allmählich gefördert ward. Viele, gewiß nicht die schlechtesten Männer, fühlten christlich, ohne Christen zu sein, erkannten mindestens die Verwerflichkeit blutdürstigen martervollen Gewissenszwanges. Gerade diese dem Christentume günstigere Richtung aber erzeugte, so lange in der Masse noch roher Haß, bei vielen Aufgeklärten mehr historischer als philosophischer Richtung und bei Hochgestellten Dahin gehörte z. B. unter Severus Alexander der berühmte Jurist und Präfekt der Garde, Ulpian. noch grundsätzlicher Widerwille gärte, Reaktion. Verschwörer gegen christenfreundliche Kaiser suchten und fanden unter den Christenfeinden Anhang, mußten daher, wenn sie zur Herrschaft gelangten, aus Überzeugung oder Politik die Christen verfolgen.
Nach diesem naturgemäßen Entwicklungsgänge läßt sich das Verhalten des römischen Staates gegen die Christen in drei geschichtliche Abschnitte sondern, die auf eigentümliche Weise beinahe mit den Jahrhunderten zusammenfallen.
1) Die des vorherrschenden Ignorierens: etwa bis Domitian 96 n. Chr.
2) Die der legalen Bestrafung, ohne gehässige, besonders systematische Verfolgung: bis zum Tode des Septimius Severus 211 n. Chr.
3) Die des Wechsels zwischen wachsender Begünstigung und systematischer Verfolgung bis zu dem Widerrufs- und Duldungsedikte des Galerius vom Jahre 311, woran sich im Jahre 324 die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion schloß.
Am interessantesten ist die zweite Periode, weil da in edlen und weisen Kaisern der Kampf zwischen Pflicht und Gewissen am schärfsten hervortritt. Welch ein Widerspruch! Einzelne Unbescholtene und Tugendhafte, allein ihres Glaubens halber zum Tode zu führen, über Tausende, ja Hunderttausende gleichen Glaubens, daher gleicher Schuld aber die Augen absichtlich zuzudrücken! »Aufzusuchen sind sie nicht,« schreibt Trajan, »wenn sie aber angezeigt und überführt werden, zu bestrafen.« Ganz ähnlich lautet das Schreiben Hadrians an den Prokonsul der Provinz Asia, Municius Fundanus (Eusob. Hist. eccl. IV, 9), dessen Echtheit unzweifelhaft erscheint, wogegen das von Justin und Eusebius erwähnte (Hist. eccl. IV, 13 abgedruckte) von Antoninus, welches viel weiter geht und die Tatsache, daß jemand Christ sei, geradezu für straflos, den Ankläger aber für strafbar erklärt, entschieden unecht oder doch verfälscht ist, da es weder von Melito in der nachstehend anzuführenden Schutzschrift an M. Aurelius, in der er von Antonin nur bemerkt, daß er verschiedenen Städten Neuerungen wider die Christen vorzunehmen verboten, noch von dem späteren Tertullian erwähnt wird. Auch in der Profangeschichte hätte ein Gesetz solcher Wichtigkeit – förmliche Duldung des Christentums – kaum untergehen können. Gr. Stollberg erklärt es VIII, IV, 29 wenigstens für verdächtig. Und wie offen traten die Christen damals doch schon hervor. Bischöfe und Häupter der Kirche sprachen mit einer Kühnheit, die uns in Erstaunen setzt.
»Jetzt wird,« schrieb Melito, Bischof von Sardes, im Jahre 171 an M. Aurelius (Euseb. Hist. eccl. IV, 26), »was sonst niemals geschehen ist, der Haufe der Frommen verfolgt und in Asien durch neue Edikte beeinträchtigt. Denn unverschämte Verleumder und nach fremden Gütern Begierige haben durch diese Edikte Gelegenheit, öffentlich Raub zu treiben und die, welche nichts Böses getan haben, bei Tage und bei Nacht auszuplündern.
Geht dies von Dir aus, so mag es recht sein: wir bitten Dich nur, daß Du die Christen selbst kennenlernst und dann entscheidest, ob sie des Todes oder der Erhaltung würdig sind. Ist dies Edikt aber, dergleichen man nicht einmal gegen feindselige Barbaren hätte erlassen sollen, nicht von Dir, so bitten wir Dich noch viel mehr, Du wollest uns helfen.«
Diese Sprache duldete der Kaiser, obwohl er seinem philosophischen Systeme nach den Christen abgeneigt war. Sein Gewissen aber verabscheute Verfolgung selbst des Glaubens, den sein Geist verwarf, während andrerseits sein strenges Pflichtgefühl ihn anhielt, das Gesetz zu wahren und sein Amt als Kaiser und Pontifex maximus fest und treu, wenn auch ungern, zu üben. Des unter ihm erfolgten Martertums zu Lyon wird nachstehend gedacht werden. Daher kam es denn auch, daß die Christen sicherer unter seinem blutgierigen Sohne Commodus, als unter dem edlen M. Aurelius lebten.
Des Septimius Severus Sinn wandte sich erst im zehnten Jahre seiner Regierung gegen die Christen, denen er früher wohlwollend gewesen sein soll. Ob dies durch Anstiftung anderer oder aus Besorgnis ihres wachsenden Einflusses, den er im Orient persönlich wahrnahm, geschah, wissen wir ebensowenig als näheres über die, nach Spartian, wider Christen- und Judentum von ihm erlassenen Gesetze.
Mit seinem Tode 211 n. Chr. begann die dritte Periode, in welcher das Christentum, mit Ausnahme einer kurzen Verfolgung unter Maximin in den Jahren 235 und 236, zuerst beinahe vierzig Jahre lang glücklicher Ruhe, ja teilweise entschiedener Begünstigung genoß.
Im ersten Jahrhundert ganz übersehen, im zweiten mindestens noch als indifferent betrachtet ward im dritten die neue Lehre ein Gegenstand politischer Bedeutung, daher meist entschiedener Parteinahme. Mit Wohlwollen wandte sich zunächst das milde Gemüt des Severus Alexander 222–235 n. Chr. ihr zu, was dessen, besonders aber seiner so einflußreichen Mutter Abkunft aus dem Oriente, der Wiege des Christentums, gefördert haben mag.
Unter ihm ward den Christen schon der Bau von Kirchen nachgesehen.
Sowohl der natürliche Antagonismus des Nachfolgers gegen den Vorgänger, als die eigene Roheit des Thrakers Maximin 235–238 zog den Christen die erste wirkliche, d. i. grundsätzliche, Verfolgung zu, die jedoch schon im Jahre 237 mit dem Aufstande der Gordiane in Afrika geendet haben mag. Nachdem dieselben darauf sieben Jahre lang verschont worden, bestieg im Jahre 244 in Philippus dem Araber, also wiederum einem Orientalen, ein so entschiedener Christenfreund den Thron, daß ihn die Kirchenhistoriker sogar, wiewohl irrtümlich, selbst für einen Christen erklärt haben. Solche Vorliebe mußte die lebhafteste Reaktion erzeugen, welche Decius, dessen Nachfolger, 249 bis 251, gewiß zu des Philippus Sturz ausgebeutet hat: er sah sich dadurch aber auch genötigt, seine Regierung mit einer Christenverfolgung zu beginnen. Wir wollen indes nicht in Abrede stellen, daß gerade diesem edlen und begabten Kaiser wahrhaft altrömischen Sinnes das Christentum wohl auch als staatsfeindliche Neuerung persönlich verhaßt gewesen sein könne.
Während die Christen nun später unter der Regierung des Gallienus, wie unter der kräftigen der Soldatenkaiser Claudius, Aurelianus und Probus unbelästigter Duldung und freudiger Entwicklung genossen Den schlagendsten Beleg dafür liefert das im Jahre 264 gehaltene Konzil von Antiochien wider den dortigen Metropoliten, Paul von Samosata. Auffallend genug ist schon die Gestattung einer öffentlichen mehrjährigen Versammlung fast aller Bischöfe des Orients. Paul ward wegen Irrlehre und unsittlichen Lebens abgesetzt, behauptete sich aber unter Zenobias Herrschaft auf seinem Stuhle. Nach deren Besiegung wandte man sich zu dessen Entfernung an Aurelian und dieser entschied, der Bischofssitz in Antiochien solle demjenigen zustehen, mit welchem der Bischof zu Rom und die übrigen Italiens in schriftliche Gemeinschaft treten würden, in dessen Folge jener sodann durch die weltliche Macht schimpflich entsetzt wurde. Wenn aber der Staat die Ausübung der Kirchengewalt nicht nur gestattet, sondern sogar deren Urteile auf ihr Anrufen vollstreckt, so ist dies in der Tat eine offenbare, wenn auch nur mittelbare Anerkennung derselben., waren es wiederum weise Herrscher, Valerian und Diokletian, welche, nachdem sie sich den Christen jahrelang wohlwollend erwiesen und in Senatoren und Rittern, ja in ihren obersten Hofbeamten Christen um sich geduldet hatten, auf einmal zu systematischer Verfolgung derselben übergingen, Valerian 257–260 und Diokletian 303–305. (Siehe über letztere den Anhang zu diesem Kapitel.) Die unkritischen Kirchenhistoriker schreiben dies lediglich dem Einfluß der Christenfeinde, unter Valerian dem Gardebefehlshaber Macrianus, unter Diokletian dessen Mitregenten Galerius sowie der abergläubischen orakelsüchtigen Gemütsart Diokletians zu, welche das heidnische Priestertum ränkevoll gegen die Christen ausgebeutet habe. Daß damals eine so mächtige Gegenpartei mit den Ersten des Reichs an ihrer Spitze bestand, beweist zwar auf das Schlagendste die politische Bedeutung, welche das Christentum bereits gewonnen hatte, erklärt aber keinesweges genügend solchen Gesinnungswechsel der Herrscher: und zwar um so weniger, je tiefer Macrian und Galerius unter Valerian und Diokletian standen. Unstreitig war vielmehr beiden das Christentum bereits so über den Kopf gewachsen, daß deren Einsicht die Notwendigkeit erkannte, sich entweder selbst an die Spitze der Bewegung zu stellen oder dieser entschieden entgegen zu treten. Fehlte ihnen zu ersterem der Wille oder der Mut, so blieb nur das letztere übrig.
Wir haben über Diokletians Christenverfolgung nur christliche Quellen: das VIII. Buch des Eusebius, kurz in der Hauptsache, unerschöpflich in der Geschichte der einzelnen Martyrien, und Lactanz de mortibus persecutorum c. 10–16. Trefflich darüber Burkhardt in der a. d. a. St. zitierten Schrift.
Der faktische Hergang war nach Lactanz kürzlich folgender. Zuerst ward Diokletian dadurch gegen die Christen gereizt, daß eine wichtige Eingeweideschau in seiner Gegenwart angeblich durch das Schlagen des Kreuzes von Seite eines seiner Begleiter gestört worden sei.
Dadurch erbittert habe er alle Palastoffizianten zum Opfern zwingen und die sich Weigernden mit Schlägen bestrafen lassen; auch befahl er, die Soldaten dazu anzuhalten und die nicht gehorchenden des Dienstes zu entlassen. Dieser Vorgang scheint mit dem Anführen in des Eusebius Chronik vom siebzehnten Regierungsjahre Diokletians (Jahr 301/2, das siebzehnte Regierungsjahr Diokletians umfaßt Teile von 301 und 302): Veturius magister militiae christianos milites persequitur, identisch zu sein. Ebenso erwähnt dies Eusebius K.-G. VIII, 4 vor dem Vorgange in Nikodemien von einem gewissen General, wobei man deutlich sieht, daß die Maßregel vorzüglich gegen die Offiziere gerichtet war. Nach beiden letzten Quellen war sie keine allgemeine, sondern nur eine partielle.
Nachdem einige Zeit verstrichen, sei er im Jahre 302–3 nach Nikodemien in das Winterquartier gegangen, wohin sich auch Galerius begeben, um, von dem Haß seiner abergläubischen Mutter aufgewiegelt, Diokletian zu Maßregeln gegen die Christen zu bewegen.
Lange widerstand der alte Kaiser. Es sei gefährlich, sprach er, das ganze Reich zu beunruhigen und Vieler Blut zu vergießen. Genug, wenn die Christen vom Hof und aus der Armee entfernt würden. Auf fortgesetztes Andringen des Cäsars berief er einen geheimen Rat (unstreitig das gewöhnliche Konsistorium), dessen Mitglieder, teils aus Haß, teils aus Schwäche sich ebenfalls wider die Christen erklärten. Immer noch zaudernd ließ der Kaiser den milesischen Apoll befragen: da auch dieser zustimmte, gab er endlich nach: doch solle es ohne Blut geschehen.
Am Fest der Terminalien, den 24. März 303, ward nun die christliche Kirche zu Nikomedien erbrochen und geplündert, was sich an heiligen Schriften fand verbrannt, endlich das Gebäude selbst zerstört. Tags darauf ward ein Edikt angeschlagen, welches wider alle Christen Degradation in ihrer bürgerlichen Stellung, Beschränkung des Rechtsschutzes und Verbot ihrer Freilassung aus dem Sklavenstande aussprach.
Unmittelbar darauf riß ein Christ dies, unter dem spöttischen Vorgeben, es seien Goten- oder Sarmatensiege angezeigt, herunter und in Stücke, wofür er durch langsamen Feuertod bestraft wurde.
Darauf entsteht innerhalb sechzehn Tagen zweimal Feuer in Diokletians Palaste. Galerius flieht mitten im Winter, vorgeblich um sich vor dem Verbrennen zu schützen, aus Nikodemien.
Er selbst aber war (sagt Lactanz D.) der geheime Brandstifter und beschuldigte nur die Christen dieses Frevels.
Gleich nach dem ersten Brande wurde Untersuchung und Folter über das ganze Personal im Palaste verhängt, aber ohne Erfolg, »weil des Galerius Gesinde (familia) davon frei blieb«.
Nach dem zweiten Brande endlich geriet Diokletian in Wut Furebat ergo imperator jam non in domesticos tantum, sed in omnes; et primam omnium filiam Valeriam conjugemque Priscam sacrificio pollui coegit. (c. 15.), zwang erst seine Frau und Tochter sich durch Opfer zu beflecken, ließ die sonst mächtigsten Eunuchen, seine und des Hofes Hauptstützen, töten, die christlichen Geistlichen zum Bekenntnis und im Weigerungsfalle zum Tode führen, eine ganze Menge Menschen jedes Geschlechts und Alters teils verbrennen, teils haufenweis im Meer ertränken.
Von da ab verbreitete sich die Verfolgung über das ganze Reich. Die Kerker wurden gefüllt, neue unerhörte Marterweisen ersonnen. Niemand durfte, ohne geopfert zu haben, vor Gericht erscheinen, in dessen Vorhalle Altäre dazu aufgestellt waren.
In den übrigen Reichsteilen gehorchte Maximian willig, Constantius widerstrebend, indem er zwar die Kirchen zerstörte, der Menschen aber schonte.
So Lactantius. Aus Eusebius ersehen wir noch folgendes:
In die Zeit zwischen dem ersten Edikt, das (nach VIII, 2) zugleich das Niederreissen aller Kirchen und die Verbrennung aller heiligen Schriften verfügte, und der ersten Feuersbrunst setzt er (VIII, 6) den grausamen Martertod des Dorotheus und Gorgones, hoher Palastbeamten, so wie des jungen Petrus.
Von der Ursache des ersten Feuers wisse er nichts (VIII, 6). Nach diesem erwähnt er doch eines Empörungsversuches in Melitene, in Armenien und anderer in Syrien, worauf erst das zweite Edikt wegen Einkerkerung der Bischöfe und aller Kirchendiener ergangen sei (VIII, 6).
Durch ein drittes sei allen, die opfern würden, volle Freiheit zugesichert, gegen alle dies Weigernden aber der härteste Marterzwang angeordnet worden (VIII, 6). Unstreitig dieselben Maßregeln, deren Lactanz gedenkt.
Constantin endlich, der bei der Christenverfolgung selbst in Nikomedien war, sagt (in der orat. ad sanctum coetum I, 25): »Der Palast und Diokletians eignes Gemach ward verwüstet (εδηου̃το, hier wohl nur beschädigt), da ein Blitz und himmlisches Feuer es verzehrte.«
Dies ist mit den übrigen Quellen völlig unvereinbar. Wie kann das Naturereignis eines in den kaiserlichen Palast einschlagenden und zündenden Blitzes unbekannt geblieben sein, Eusebius daher von der Ursache des Feuers nichts wissen?
Wie hätte der größte Tyrann, was doch Diokletian nicht war, nach einem zündenden Blitzschlage, zu Entdeckung des böslichen Brandstifters, das ganze Palastpersonal foltern lassen können?
Burkhardt verwirft S. 327 bis 343 mit Entschiedenheit die dramatische Fiktion der Schrift de mortibus pers., für deren Urheber er den gefeierten Verfasser des Werkes Institutiones divinae, L. Caecilius Firmianus Lactantius, den man seines guten Latein halber den christlichen Cicero genannt hat, gar nicht ansieht, über welche, der gewöhnlichen widerstreitende, Meinung wir uns des Urteils enthalten.
Er nennt die Geschichte von der Eingeweideschau eine »erweisliche Unwahrheit« (dringende Unwahrscheinlichkeit würden wir gesagt haben) und findet die Nachgiebigkeit Diokletians gegen Galerius ebenso unwahr.
Er bemerkt S. 334 mit Recht, daß die der Verfolgung vorausgegangene Ausstoßung von Soldaten und Offizieren aus dem Heere keinen religiösen, sondern nur einen politischen Grund gehabt haben könne, was um so zweifelloser richtig ist, da diese Maßregel, nach obigem, keineswegs eine allgemeine war; ferner S. 337 und 338, der grausame Martertod des Dorotheus, Gorgones und Petrus könne nicht Folge des ersten Edikts gewesen sein, weil dies sich mit Degradation begnügte, hinzufügend: »Die Kaiser glaubten offenbar einem Komplott auf der Spur zu sein.«
Er nimmt S. 336 an, man habe den Aufstandsversuchen in Melitene und Syrien, welche nach Eusebius (VIII, 6) das zweite Edikt hervorriefen, mit Recht oder Unrecht einen christlichen Ursprung zugeschrieben (was hinsichtlich des zweiten mit der Erzählung des Libanius darüber freilich nicht übereinstimmt), bezieht sich S. 333 auf die bei Gruter (p. 380, N. 3) ersichtliche Inschrift zu Ehren Diokletians, welche den Christen Schuld gehe, daß sie den Staat umstürzen wollten, sowie ebenda auf den in d'Achery Spicilegium etc. III, p. 297 abgedruckten Brief eines Bischofs Theonas an den christlichen Oberkammerherrn Lucianus eines heidnischen Kaisers, womit nur Diokletian gemeint gewesen sein könne, der diesem eine Instruktion zu seines Herrn Bekehrung gibt. Auf dies alles gründet derselbe nun S. 339 folgende Vermutung:
»Einige, vielleicht sehr wenige christliche Hofleute und einige christliche Kriegsbefehlshaber in den Provinzen möchten wohl geglaubt haben, mit einem voreiligen Gewaltstreiche das Imperium in christliche oder christenfreundliche Hände bringen zu können. Es ist möglich, daß in der Tat Galerius der Sache früher auf die Spur kam als Diokletian und dieser sich wirklich nur mit Mühe überzeugen ließ.«
Wir heben zur Unterstützung obiger Ansicht noch die von Burkhardt unbeachtet gelassenen, oben vollständig abgedruckten Anfangsworte des 15. Kapitels von Lactantius hervor. Diese Stelle muß nämlich entweder völlig unwahr sein oder beweisen, daß Diokletian selbst seine Frau und Tochter (welche letztere übrigens gar nicht mehr in dessen Hause, sondern seit nahe zehn Jahren des Galerius Gemahlin war) für Christinnen oder mindestens Christenfreundinnen gehalten habe. Im ersten Falle, dem der gänzlichen Unwahrheit, würde sie daher die völlige Unglaubhaftigkeit des Autors bekunden, im zweiten die bisherige äußerste Duldsamkeit Diokletians, welche dessen plötzliche Umkehr ohne den dringendsten Grund, der eben deshalb nur ein politischer gewesen sein kann, fast undenkbar erscheinen läßt.
Hiernach sind wir im Wesentlichen mit Burkhardt einverstanden, der sich nur hie und da vielleicht etwas zu positiv ausgedrückt hat. Von der Entdeckung einer Verschwörung der Christen wider Diokletian mit Bestimmtheit zu reden, halten wir nämlich allerdings für gewagt. Darüber aber, daß keineswegs Glaubenshaß, sondern nur Staatsraison jene Verfolgung hervorgerufen habe, geht uns kein Zweifel bei. Das Christentum war der Regierung über den Kopf gewachsen und irgendwelche uns unbekannte Tatsachen oder dringende Verdachtsgründe müssen Diokletian plötzlich zu der klaren Erkenntnis geführt haben, daß er sich entweder an die Spitze der Bewegung stellen oder dieselbe mit der äußersten Energie unterdrücken müsse. Derselbe wählte letzteres – den von seinem Standpunkte aus unstreitig legaleren Weg. Verwerflich, abscheulich war nur die Form des Verfahrens. Diese aber lag in Recht und Sitte jener Zeit und wurde durch die Energie des Widerstands gesteigert. Mußte es nicht den Herrn der Welt erbittern, wenn er die Allmacht seines Willens in, wie er glaubte, gerechter Sache an dem vermeinten Trotze seiner Hofbedienten und Untertanen sich brechen sah?
Von den scheußlichen Marter- und Henkerszenen, wie sie Eusebius und die Akten der Märtyrer berichten, hier etwas wiederzugeben, ist unnötig.
Auch die Glaubhaftigkeit dieser Quellen näher zu erörtern, ist hier nicht der Ort. Zweifellos nur, daß nicht das Pflichtgefühl historischer Treue, sondern Einseitigkeit, Haß und blinder Glaubenseifer die Verfasser geleitet haben, deren große Mehrzahl wir jedoch von bewußter und absichtlicher Unwahrheit gern freisprechen wollen. Man sei aber auch billig. Wie kann man von den Opfern, oder mindestens von den Augenzeugen des schaudervollsten Gewissenszwanges, von den Verstümmelten, Gefolterten und Jahre lang Eingekerkerten, von denen, welche Glaubensbrüder und geliebte Angehörige unter den raffiniertesten Qualen ihr Leben aushauchen sahen, Unbefangenheit gegen ihre Henker erwarten!
Eines nur steht für den Historiker sicher fest, daß die Verfolgung keineswegs so ausgedehnt und so fortdauernd war noch so Viele getroffen hat, als man nach jenen Quellen allein annehmen müßte. Einen merkwürdigen Beleg dafür gibt Eusebius selbst (K.-G. de Mart. Palaest. c. 13), wo er anführt, daß die in Masse zu den Bergwerken verurteilten Christen in Palästina sich daselbst Kirchen erbaut hätten, wie denn auch ein die spätere Erbauung einer Kirche zu Tyrus feiernder Lobredner, den man für Eusebius selbst hält, vor einer zahlreichen Versammlung von Bischöfen sagt: »Nachdem die Kirche mit Maßen dem Bedürfnis gemäß gestraft worden, sei ihr von oben herab befohlen worden, aufs neue sich wieder zu freuen.« (Μέτρω δη̃τα κατὰ τὸ δέον επιστραφει̃σα, αυ̃θις άνωνεν εξ υπαρχη̃ς αγαλλια̃ν προστάτεται, wobei das επιστραφει̃σα, eversa, offenbar Züchtigung bedeutet. Euseb. K.-G. X, 4, S. 233, Tl. III der Ausg. v. Heinichen, Leipzig 1828.)
Auch gesteht er in demselben Kap. 13 am Schluß zu, daß die Verfolgung nur im Ostreiche acht Jahre, im gesamten Westreiche aber lediglich zwei Jahre gedauert habe. Gewiß aber ist dieselbe auch in letzterem nie so weit gegangen als in ersterem, wie der Mangel an Beispielen aus diesem Reichsteile annehmen läßt. Nur der Befehlshaber in Spanien Datianus mag des Constantius geheime Instruktion zur Milde nicht befolgt haben. Selbst Maximian scheint in Italien und Afrika nur das Notwendigste getan, Maxentius aber die Christen sogar mit entschiedener Milde behandelt zu haben. Vergleiche hierüber Gibbon, der auch die Märtyrer-Akten sorgfältig durchforscht hat, Kap. 16 von Not. 164 bis 171. Wenn dieser Schriftsteller aber am Schluß dieses Kapitels sich bemüht, die Gesamtzahl der Märtyrer der Diokletianischen Verfolgung auf höchstens 2000 festzustellen, während unter Alba in den spanischen Niederlanden 100 000 den Glaubenstod erlitten hätten, so lassen wir, obwohl jene Ziffer für zu niedrig haltend, diesen ganzen Versuch einer an sich unmöglichen, daher notwendig höchst willkürlichen Berechnung auf sich beruhen, bezweifeln aber allerdings nicht, daß dem Glaubenshaß der Christen unter sich weit mehr Opfer gefallen sind, als dem der Heiden gegen die Christen, welcher letztere aber freilich auch kein eigentümlich religiöser war.
Nach Beendigung dieser Arbeit kam uns noch die kleine Schrift des Prof. d. Theol. Vogel zu Jena: Diokletian, ein öffentlicher Vortrag mit Anmerkungen herausgegeben, Gotha bei Perthes 1857, zu Gesicht. Wir lassen dieser Arbeit, die ihren Zweck gewiß auf das Anziehendste erfüllt hat, alle Gerechtigkeit widerfahren, können uns auch die Hauptidee derselben vom Standpunkt eines Theologen wohl erklären, müssen ihr aber von dem des historischen und politischen Taktes aus auf das Allerentschiedenste widersprechen. Vogel sagt nämlich von Diokletian (unter VII, S. 23): »In seinem Namen Diokles, d. i. der Zeus berühmte, hatte er die Andeutung davon gefunden, daß ihn der höchste der Götter zur Herrschaft über den Erdkreis berufen habe. Endlich faßte er sein Kaisertum geradezu als Statthalterschaft des Jupiter auf, und benannte sich deshalb Jovius.«
Ferner S. 29: »Er führte nun im Namen Jupiters das römisch-griechische Volksheidentum als eine heidnische Staatskirche zur Herrschaft und mußte konsequent alle Religionsformen, welche sich ausschließend zu ihr verhielten, vertilgen.« Weiterhin bemerkt er, daß er demgemäß gegen die persische Sekte der Manichäer aufgetreten. Gleiches aber gegen die Christen zu tun, bei deren großer Zahl und Bedeutung, bedenklich gefunden und deshalb so lange gezaudert habe.
Darüber nur weniges. War Diokletian ein Glaubensschwärmer oder ein politischer Kopf? Nach unserer Darstellung desselben, welche mit allen bekannten Autoritäten übereinstimmt, ist ein Zweifel darüber nicht möglich. Nur aus Politik könnte Diokletian daher auf die Idee einer solchen Statthalterschaft Jupiters verfallen sein, dessen Vertretung ihm ja als pontifex maximus ohnehin oblag. Wo findet sich aber während dessen ganzer Regierung, außer dem schon im ersten Jahre derselben getriebenen leeren Spiele mit den Beinamen Jovius und Herculius, vor dem Jahre 303 irgend welche Betätigung jenes vermeintlichen Regierungssystems? Vogel hat eine solche nicht angeführt. Entscheidend aber ist gerade dessen mehr als achtzehnjähriges Verhalten gegen die Christen, das keineswegs bloß ein passiv indifferentes, sondern geradezu ein begünstigendes war, wie die Berufung von Christen zu den obersten Ämtern seines Hofes, und die Nachsicht gegen seine vom heidnischen Gottesdienste sich ausschließende Gemahlin und Tochter beweisen.
Wie läßt sich dies, fragen wir, mit der ihm angedichteten konsequenten Verfolgung des Christentums vereinigen? Die Wahrheit ist, daß Diokletian aus den oben entwickelten durchaus politischen Gründen den Thron über das bisherige Bürgertum erheben und mit dem Glanz einer neuen höhern Majestät schmücken wollte, die nur von den Göttern, als den Erhabensten für die Menschheit, entlehnt werden konnte. Daher jenes »Jovius« und die andern von uns a. a. O. bemerkten, auf die Gottheit bezüglichen Bezeichnungen, während von einem spezifisch heidnischen Glaubenseifer desselben vor dem Jahre 303 nicht die geringste Spur sich findet.
Die diokletianische Verfolgung dauerte jedoch (abgesehen von deren faktischer Vollziehung, welche nur im Orient streng war) überhaupt nur bis zum Jahre 311, in welchem die Duldung der Christen zum ersten Male gesetzlich ausgesprochen ward. Die späteren Bedrückungen derselben durch Maximinus Daza und Licinius, die aber nicht auf gesetzlicher Neuerung, sondern nur auf Schikane beruhten, mögen hauptsächlich in der gegensätzlichen Rivalität dieser Herrscher zu dem christenfreundlichen Constantin ihren Grund gefunden haben.
Wir wenden uns noch zu einer andern, jene drei Jahrhunderte, besonders die beiden letzteren in ihrer Gesamtheit umfassenden Betrachtung.
Verwerflicher jedenfalls als die im Grundsatze gesetzliche Bestrafung der Christen an sich erscheint die, nach glaubhaften Zeugnissen, zwar nicht immer, aber doch mehrfach angewandte Form des Verfahrens.
»Andere«, schreibt Tertullian, »martert ihr, damit sie bekennen: uns martert ihr, weil wir bekennen, damit wir leugnen sollen, Christen zu sein.«
Auf welche Weise dies aber geschah, davon gibt vor allem das Sendschreiben der Gemeinden zu Lyon und Vienne (unter Marc Aurel) an die in Asien und Phrygien einen Bericht, den man kaum mit Glauben zu lesen vermag. (Euseb. V, 1.) So auch das Martyrium der Potamiana, Euseb. V, 5, und, besonders verzerrt durch die raffiniertesten Kerkerqualen, das der Felicitas und Perpetua. Mögen aber auch die Farben in den Akten der Märtyrer stark aufgetragen sein – an der Hauptsache kann, bei so detaillierter Erzählung, nicht immer gezweifelt werden.
Um dies zu begreifen, hat man sich indes wieder Verfassung und Sitte der Römer klar vor Augen zu stellen.
Jene, der volle Absolutismus, wie sie es in den Provinzen schon unter der Republik war, in einem solchen Reich auch sein mußte: diese, selbst gesetzlich hart und grausam, die Folter namentlich ein so gewöhnliches und einfaches Erörterungsmittel, wie bei uns Konfrontation und Zeugenverhör. Ging nun so weit das Gesetz, wie weit mußte der Mißbrauch sich erstrecken!
Brach vollends, wie in jenem Lyoner Falle des Jahres 177, der Volkshaß gegen die Christen aus, ward der Statthalter, davon erschreckt und ergriffen, durch den Trotz, wie man es nannte, der Christen noch mehr erbittert – was Wunder, daß er die Frechheit des Starrsinnes, anderen zum Schreck, durch Qualen zu überbieten suchte und vor allem der Roheit seiner Schergen freien Lauf ließ. Dafür den weit entfernten Kaiser, zumal in schwerem Kriegsdrange, wie M. Aurelius damals, verantwortlich zu machen, würde höchst ungerecht sein.
Welche Scheußlichkeiten sind in der Türkei von einzelnen Unterbefehlshabern noch in neuester Zeit selbst wider des Sultans Willen verübt worden! Welch christlicher Regierung endlich, zumal der eines großen Staates, ist es noch gelungen, jedweder Unbill untergeordneter Machthaber zu steuern?
Wo aber Grundsatz, Sitte, Gefühl anders waren, als bei uns, da muß auch der Mißbrauch der Gewalt nach anderem Maße gemessen werden.
Übrigens unterliegt es auch keinem Zweifel, daß die Geschichte der » Christenverfolgungen« von den Kirchenhistorikern vielfach übertrieben und entstellt worden ist, namentlich die Reihe der zehn Christenverfolgungen, welche Schriftsteller des sechsten Jahrhunderts, wie Orosius und Sulpicius Severus, aufstellen, ein rein willkürliches Machwerk ist.
(Jedenfalls waren ihnen die Heiden-, Juden- und Ketzer-Verfolgungen, welche das zur Staatsreligion erhobene Christentum anderthalb Jahrtausende verübt hat, wie an Dauer so an Härte weit überlegen. D.)
Schon jener Ausdruck entbehrt aller juristischen Schärfe und Richtigkeit, da man einfache Vollziehung der Gesetze in einzelnen Fällen, wie sie unter Trajan, Hadrian und den Antoninen stattfand, nicht als » Verfolgung« bezeichnen und rohe Ausbrüche fanatischer Volkswut an einzelnen Orten oder isolierte Greueltaten blutdürstiger Tyrannen, denen Senatoren und Hochgestellte vielleicht mehr noch als die Christen ausgesetzt waren, mit wirklichen, gegen das Prinzip des Christentums gerichteten Regierungsmaßregeln unmöglich in eine Klasse stellen kann. Diese letzteren allein können mit Recht Verfolgungen genannt werden, da nur sie auf bewußter und absichtlicher Änderung, zwar nicht des Gesetzes, das bis zum Jahre 311 dasselbe blieb, wohl aber der Verwaltungsmaxime beruhten und gegen das Christentum im Allgemeinen gerichtet waren. Diese begannen aber, von der kurzen Regierung Maximins 235–238 abgesehen, eigentlich erst mit Decius 251 und erreichten unter Diokletian, also erst am Vorabende des bleibenden Sieges des Christentums, den Gipfel.
Von großem Interesse, besonders für die christliche Kaiserzeit, ist ferner die Frage: welche sittliche Einwirkung das Christentum während der ersten Jahrhunderte auf seine Bekenner ausgeübt habe?
Mit Eifer und Vorliebe schildern die Kirchenhistoriker die Männer, welche im Eifer voller Hingebung dem (mißverstandenen) Spruche des Herrn folgend, all ihre, oft reiche, Habe unter die Armen oder Verwandten verteilten. Aber was ist das gegen die Kraft derer, welche Blut und Leben dem Herrn freudig darbringen, unter namenlosen Martern, die ein Wort enden konnte, die Treue bewähren? In der Tat, wie klein, lässig, jämmerlich erscheint diesen Blutzeugen und Helden gegenüber der Glaube unserer Tage!
Und doch ist dies nur eine Seite des Bildes. Exaltation in großen Momenten ist oft leichter als Ablegung kleiner Fehler und Untugenden, welche Sitte, Gewohnheit und Temperament mit sich bringen.
Sagt doch Tertullian in seiner Schrift de spectaculis: »Die Christen zu Rom entschließen sich leichter zum Märtyrertode als dazu, den Kampf- und Schauspielen zu entsagen« (welche ihnen als grausam oder unsittlich verboten waren). Überdies riß eine gewisse Ansteckung die Gemüter damals zu schwärmerischer Selbstverleugnung hin, zumal im Orient, wo Selbstverleugnungsfähigkeit und Dulderkraft – man denke nur an die indischen Fakirs noch unserer Zeit – ungleich gewöhnlicher sind.
Darum werden wir nicht irren, wenn wir annehmen, daß der Einfluß des Christentums auf Umwandlung des inneren Menschen selbst in den ersten Jahrhunderten im Allgemeinen ein ungleich geringerer war, als man nach jenen edlen Bewährungen von einzelnen glauben möchte.
(Daß vielmehr gerade die Christen und zumal die Bischöfe, seit das Christentum Staatsreligion geworden, von widerwärtigen und Ekel erregenden moralischen Krankheiten in großer Ausdehnung ergriffen wurden, zeigt die Darstellung nicht etwa ihrer Feinde, sondern – ihrer eignen Kirchenhistoriker. Neue Laster oder doch alte in neuen mehr empörenden Formen treten auf, seitdem dies Bekenntnis Voraussetzung von Ansehen und Macht geworden: Heuchelei, fanatische Verfolgung der Andersgläubigen, maßlose Zanksucht und Ehrsucht und der scheußlichste Mißbrauch des Heiligsten zu allen unheiligen, weltlichen Zwecken. D.)
Am überzeugendsten wird dies durch die späteren sittlichen Zustände von des Constantius Zeiten an bestätigt, worüber Kirchen- und Profanhistoriker so reiches Licht verbreiten.
Wir sind dabei weit entfernt, den großen Unterschied zu übersehen, der in dieser Hinsicht zwischen den Zeiten der unterdrückten und denen der herrschenden Kirche stattgefunden hat. Natürlich: ein Bekenntnis, dessen Annahme nur mit schwerer Entsagung, mit Gefahr für Gut und Blut möglich war, konnte nur aus tiefem Glaubensdrange hervorgehen und die Macht solches Antriebs mußte auf den inneren Menschen überhaupt, daher auch auf den Wandel fruchtbringend einwirken. Dies wird durch des Plinius erwähnten Brief im Allgemeinen unterstützt. Das Rühmlichste, ja Erhebendste in jener Zeit scheint uns die Strenge der Kirchenzucht gewesen zu sein, welcher sich alle Christen freiwillig unterwarfen: von den Bischöfen wegen Irrglaubens oder augenblicklichen durch Martern erzwungenen Abfalls ausgestoßen und verworfen, baten sie jahrelang um Wiederaufnahme und duldeten die schimpflichsten Kirchenstrafen, obwohl ein Wort, ein Wink sie von dem Zwang einer Gemeinschaft befreien konnte, welche das Staatsgesetz verbot.
Wir beziehen uns auch zu Begründung obiger Hauptansicht nicht darauf, daß die Zahl der in der Stunde der Gefahr wieder abfallenden Christen, wie ebenfalls aus den Kirchenhistorikern hervorgeht, eine ungemein große war, sondern beschränken uns einfach auf die Behauptung, daß das Christentum im Kampfe mit heidnischen Anschauungen, Sitten und Gewohnheiten auf die Volkssittlichkeit im Allgemeinen keinen, dem Glaubenseifer der ersten Christen vollständig, ja irgendwie genügend entsprechenden Einfluß ausgeübt habe, was selbstredend zahlreiche Ausnahmen individueller wahrhafter Christentugend nicht ausschließt.
Nur dadurch ist es auch zu erklären, daß sogleich nach dem Wegfalle des äußeren Druckes mit der zunehmenden Macht und Verbreitung des Christentums in gerade umgekehrtem Verhältnis Tugend und Sittlichkeit der Christen immer mehr abnahmen. Insbesondere begannen nunmehr auch die spezifisch christlichen Fehler hervorzutreten. Hören wir, was ein Zeitgenosse, der oft erwähnte Eusebius (VIII, 1) darüber berichtet:
»Und ungeachtet das Christentum zunahm und täglich wuchs und sich ausbreitete, so zerstörte es doch kein Neid, kein böser Dämon war im Stande, durch seine Künste etwas dawider auszurichten. Allein da die Unserigen (d. i. vom Jahre 260 bis 303) durch die immer mehr zunehmende Freiheit in Nachlässigkeit und Trägheit verfielen; da wir uns einander selbst mit Worten, wie mit Schwert und Spieß, bekriegten; da unaussprechliche Heuchelei und Verstellung es bis zum höchsten Grade der Bosheit gebracht hatten: da fing das göttliche Gericht an« usw. Und weiter unten:
»Da wir aber ganz unempfindlich nicht darauf bedacht waren, Gottes Liebe und Gnade zu erwerben, da wir, wie einige Heiden, glaubten, daß Gott unser Verhalten nicht sehe, und Bosheiten auf Bosheiten häuften, da unsere vermeinten Hirten die Vorschriften der Religion verwarfen, mit Zanksucht wider einander entbrannten und weiter nichts taten, als daß sie ihre Zänkereien, Drohungen, Haß und Feindschaft immer weiter trieben und ihre Herrschaft mit vieler Heftigkeit, gleich einer gewalttätigen Regierung, zu behaupten suchten: – da versetzte der Herr in seinem Zorn die Tochter Zions in Dunkelheit und stürzte Israels Herrlichkeit aus dem Himmel auf die Erde herab.«
Wüstes Unkraut überwucherte die Saat des Glaubens und der Liebe. Unduldsamkeit, Lieblosigkeit, Neid und Eifersucht schossen üppig auf, der Hader der Bischöfe ergriff das Volk, bis in die Kirche hinein wütete der Blutkampf. (Hören wir das Zeugnis eines Mannes, der dem Christentum nicht etwa feindlich, nur nüchtern gegenüber stand: es ist der Zeitgenosse Ammianus Marcellinus, welcher über den Wahlstreit zwischen Damasus und Ursinus zu Rom und die Sitten der großen Bischöfe folgendermaßen spricht:
XXVII, c. 3. »Damasus und Ursinus, von unmenschlicher Begierde, sich des Bischofsitzes zu bemächtigen, entbrannt, standen bei den widerstreitenden Bestrebungen im heftigsten Kampf gegen einander und es kam bei den Gefechten zwischen ihrem beiderseitigen Anhang selbst zu Wunden und Totschlag. Übrigens ist bekannt, daß in der Basilika des Sicinius, wo sich die christliche Gemeinde zum Gottesdienst zu versammeln pflegt, an einem Tage hundertsiebenunddreißig Erschlagene gefunden wurden und der wütende Pöbel erst lange nachher sich zur Ruhe bringen ließ. –
Betrachte ich nun überall die Großtuerei in der Stadt, so leugne ich nicht, daß Leute, die nach so etwas Verlangen tragen, um zu ihrem Zweck zu gelangen, die ganze Kraft ihrer Lungen im Zank aufbieten mögen: denn wer es (das Bistum) einmal erlangt hat, ist für immer aller Sorge überhoben, sammelt sich Schätze von den Spenden alter Frauen, erscheint vor dem Volk nur im Wagen sitzend, mit einem Gewande, das aller Augen auf sich zieht und hält auf schwelgerische Gastmahle, die selbst die Tafel der Könige überbieten. Diese Leute könnten in der Tat ein glückliches Los haben, wenn sie, unbekümmert um die Größe der Stadt, hinter der sie ihre Fehler verbergen, nach dem Muster gewisser Provinzial-Bischöfe lebten, die durch mäßigen Genuß von Speise und Trank, durch anspruchlose Kleidung und demütigen, zur Erde gerichteten Blick sich der ewigen Gottheit und ihren wahren Verehrern als reine und sittsame Männer darstellen.« D.)
Selbst von Sünden späterer Jahrhunderte, Hoffart, Prachtliebe und Schwelgerei der Kirchenfürsten finden sich so, neben reiner Demut und Entsagung Vieler, schon in jener Zeit mehrfache Spuren. Hat doch selbst der heilige Hieronymus uns die Antwort überliefert, welche der heidnische praefectus praetorio jenem Damasus gab, der ihn bekehren wollte: »Mache mich zum Bischof Roms, so will ich gleich Christ werden.«
Damals als das Christentum in die Mode kam, was besonders vom Jahre 324 an begann, fanden sich nun auch zu Haufen die Schein- und Namenschristen ein, nicht zahlreicher freilich als die unsrer Tage.
Was Wunder daher, daß das Christentum des vierten und der nachfolgenden Jahrhunderte im Wesentlichen nur ein übertünchtes (ja stark verschlechtertes D.) Heidentum war, keine Umwandlung des inneren Menschen, keine Erneuerung des Gemüts- und Geisteslebens: der alte Mensch in neuem Kleide, mit zahlreichen neuen Lastern.