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Zweites Buch.
Die Zeit vom Auftreten der Goten an der Donau und dem Markomannenkrieg bis zum Hunnen-Einfall

 

Erstes Kapitel
Der Markomannenkrieg

a) Allgemeiner Überblick

Bereits im Jahre 165 spätestens muß (nach Kap. M. Aur. 13) der Krieg mit den Markomannen, vermutlich auch Quaden, begonnen haben, durch die Legaten jedoch bis zum Jahre 167 hingehalten worden sein. In diesem, wo nicht schon 166, überschritten die Feinde, wahrscheinlich im Bunde mit östlicheren Barbaren, die karnischen Alpen und rückten, nachdem sie den praefectus praetorio Macrinus Vindex mit einem Teil seines Heeres niedergehauen hatten, bis Aquileja am adriatischen Meere im alten Italien vor. (Kap. M. A. 14.)

Schrecken entstand in Rom, wo zugleich die Pest, man glaubte durch das orientalische Heer eingeschleppt, wütete.

Da zog Kaiser Marcus Aurelius mit dem unwillig folgenden Lucius Verus in Person gegen die Feinde aus. Als die Kaiser mit dem Heere nahten, baten diese (was aber auch vielleicht schon vorher in Folge der Kunde des Anzugs geschehen sein kann) um Frieden, den Lucius gewähren wollte, Marcus aber, die List durchschauend, verweigerte.

Beide überschritten bald die Alpen, trieben die Barbaren siegreich über die Donau zurück, stellten den Grenzschutz, im Wesentlichen wenigstens, wieder her, und kehrten darauf im Winter (nach Tillemont im Dezember 168, nach Eckhel, p. 57 und 94, im Januar 169) nach Rom zurück Galenus, der die Kaiser begleitete, sagt περὶ τω̃ν ιδίων βιβλίων T. IV, p. 362, daß die Pest zu Aquileja, wo sie sich damals aufhielten, so arg gewesen, daß sie mit wenigen Soldaten nach Rom geeilt seien., auf welcher Reise Verus bei Altinum (unweit Venedig) an einem plötzlichen Schlagfluß starb. Marcus widmete dessen Andenken die größte Verehrung, wozu damals vor allem die Apotheose gehörte, legte selbst aber die Beinamen Armeniacus, Parthicus und Medicus, da er sie nur dem Verus verdankte, sogleich wieder ab. Tillemonts Irrtum, der Verus' Tod, wahrscheinlich durch Capitol. Ver. 11 verleitet, sogar in das Jahr 924 (171) verlegt, wird durch Eckhel, p. 58, schlagend widerlegt, und erklärt sich dadurch, daß ersterer die a. a. O. beschriebene Münze nicht gekannt hat.

Der Krieg gegen die Germanen dauerte aber nicht nur fort, sondern gewann auch, anscheinend noch in diesem Jahre, durch Hinzutritt neuer Bundesgenossen (Kapit. 22) jene gefahrdrohende Ausdehnung, welche das Aufgebot so außerordentlicher Geld- und Menschenkräfte erforderte, daß Marcus Aurelius sich genötigt sah, das kaiserliche Mobiliar öffentlich versteigern zu lassen, germanische Söldner anderer Stämme anzuwerben, aus Sklaven und Gladiatoren abgesonderte Heerhaufen zu bilden, ja sogar Straßenräuber unter die Legionen zu stecken. Wie jedoch diese außerordentliche Rekrutierung auch später fortgesetzt worden sein mag, so wird auch jene Versteigerung (von Eckhel), wohl ohne Beweis, in das Jahr 170 gesetzt. Die von ihm selbst p. 57 und 58 beschriebene Münze vom Jahre 169 mit der Aufschrift: M. Antonius Aug.Tr.P.XXII. liberal. Aug. V. Cos. III. und dem Avers Prof. Aug., macht es wahrscheinlicher, daß er das Donativ, worauf sich die liberalitas bezieht, aus dem Mobiliarerlös vor seinem Aufbruch zum Heer bewilligte. Unzweifelhaft ist dies alles aber im Wesentlichen schon 169 geschehen, was auf vorhergegangene erhebliche Unfälle der Heere schließen läßt, welche auch die große Anzahl gefangener Römer, von der weiter unten die Rede sein wird, bestätigt.

Der Aufbruch muß (nach der von Eckhel, p. 58, beschriebenen Münze) noch zu Ende des Jahres 169 erfolgt sein.

In den ersten drei Jahren dieses furchtbaren Krieges muß Carnuntum (Petronell, unweit Preßburg) der Stützpunkt und das Hauptquartier M. Aurels gewesen sein. (Eutrop. VIII, 13.) Der Kampf blieb anscheinend zunächst ohne Erfolg, da erst im Jahre 171, in welches die zehnjährige Regierungsfeier M. Aurels fiel, eine Siegesmünze und der Titel Imp. VI. erscheint.

Ruhmreicher mag das Jahr 172 geworden sein, von welchem wieder eine Siegesmünze mit Darstellung eines Brückenüberganges über die Donau (wohl der von Capitol. 21 erwähnte Sieg über die Markomannen) und zuerst der Beiname Germanicus sich findet.

Das folgende Jahr scheint es gewesen zu sein, in welchem das Heer mit dem Kaiser von den Quaden eingeschlossen, dem Verdursten nahe, nach Dios umständlicher Beschreibung (c. 8) durch ein plötzliches gewaltiges Gewitter, das die Heiden der Wunderhilfe Mercurs, die späteren christlichen Schriftsteller dem Gebete der aus Christen bestehenden Legio fulminatrix zuschreiben, Rettung und Sieg, M. Aurel auch den Titel Imp. VII. gewann, der jedoch erst, weil dazu unstreitig die Genehmigung des Senats zu erwarten war, im folgenden Jahre auf den Münzen erscheint, während die des Jahres 173 die Aufschrift Germania subacta und den Tempel Mercurs mit dem eine Schale darreichenden Gott enthalten.

Vielleicht schon in das Ende dieses, jedenfalls aber in den Anfang des nächsten Jahres scheinen die Friedensschlüsse mit den Quaden, Markomannen und den kleineren Völkerschaften zu fallen, so daß im Wesentlichen nur noch die Jazygen im Felde blieben, durch deren Besiegung der Kaiser sich im Jahre 170 die Beinamen Sarmaticus und Imp. VIII. erwarb, gleichwohl aber, durch die Nachricht von dem Aufstand des Cassius in Syrien zum Friedensschluß bewogen ward, der durch mehrere vorher erfochtene Siege oder mindestens erlangte Vorteile seiner Feldherren erleichtert worden sein mag. (Dio 17 und 27.) Über die von Kap. 27 erwähnten Siege vergl. weiter unten.

Der Kaiser ward in den Orient abgerufen. Aber an der Donau war inzwischen der Krieg wieder entbrannt, den wahrscheinlich abermals die Quaden und Markomannen begonnen hatten. Gewiß ist, daß des Kaisers Legaten, die beiden Quintilier, der Aufgabe nicht mehr gewachsen waren (Dio c. 33), was wohl in dem erneuten Hinzutritte anderer Völker, jedenfalls der Jazygen, seinen Grund gehabt haben mag.

Von jetzt an verläßt uns alle Sicherheit der Chronologie. Da Capitol. c. 27 ausdrücklich sagt, daß der Krieg hierauf von M. Aurel noch während dreier Jahre geführt worden sei (triennio bellum postea egit), derselbe aber im März 180 verschied, so muß er sich schon 177 wieder zur Armee begeben haben, in welchem er auch nach den Münzen (Eckhel, p. 63 a. Schl.) Imp. IX. wurde. Gleichwohl sagt Lampridius (in Com. 12) ausdrücklich, daß Commodus erst im Jahre 178 dahin aufgebrochen sei, und aus Dio (c. 33) erhellt, daß dies, wie ohnehin selbstverständlich, in Begleitung seines Vaters geschehen sei (οι αυτοκράτορες εξεστράτενσαν, wobei sich der Plural auf Commodus, der bereits Imperator genannt wurde, bezieht). Vielleicht erklärt sich der scheinbare Widerspruch dadurch, daß M. Aurel für seine Person, zur Rekognoszierung der Sachlage, schon im Jahre 177 zur Armee ging, noch in demselben aber wieder zurückkehrte, und erst im Jahre 178, und zwar den 5. August, wahrscheinlich nach Zusammenziehung neuer Streitkräfte, mit Commodus feierlich ausgezogen ist.

Gewiß ist nur, daß er vom August 178 bis zu seinem Tode im Feldlager blieb, im Jahre 179 durch Paternus noch eine Hauptschlacht, die einen ganzen Tag dauerte (Dio 33) und den Titel Imp. X. gewann.

Bei diesem Kriege haben wir jedoch eine doppelte Aufgabe zu erfüllen, indem dessen Geschichte selbst und die Erscheinungen und Abwandlungen darzustellen sind, welche im nationalen Leben der Germanen dieser Zeit so bedeutungsvoll hervortreten.

Leider ist die erste derselben völlig unlösbar, weil es unmöglich ist, aus den verworrenen Spezialnotizen der Quellen irgendwie Ordnung, Zusammenhang und Überblick zu gewinnen: die zweite aber, wenn gleich höchst anziehend, doch sehr schwierig.

b) Die Zeitfolge der Ereignisse

Das wenige, was sich über die Geschichte des markomannischen Krieges sagen läßt, besteht, wenn wir das obige genauer untersuchen, etwa in folgendem.

Wir haben es zuvörderst hier nicht mit einem, sondern mit zwei durch die Friedensschlüsse in den Jahren 174 und 175 voneinander getrennten Kriegen zu tun.

Im ersten, der nach Capitolinus XIII. Dum Parthicum bellum geritur natum est Marcomannicum. Indes läßt der unmittelbare Nachsatz: quod diu eorum, qui aderant, arte suspensum est, auf einen noch früheren Ausbruch, vielleicht im Jahre 164, schließen. Nur bis auf die nächste Zeit nach M. Aurels Regierungsantritt kann nach Capitol. 8 nicht zurückgegangen werden. mindestens schon im Jahre 165 begonnen haben muß, lassen sich drei Abschnitte unterscheiden.

I. Vom Ausbruch bis zur persönlichen Teilnahme der Kaiser.

Der Beginn der Feindseligkeiten, über deren Veranlassung im nächsten Kapitel mehr zu bemerken sein wird, scheint von den Markomannen ausgegangen zu sein, die – etwa von Passau ab – bis zur March nördlich der Donau saßen, wie dies schon die Benennung des Krieges vermuten läßt. Höchstwahrscheinlich haben sich ihnen schon damals die benachbarten Quaden angeschlossen. Zunächst waren es vielleicht nur einzelne Gefolgschaften, welche, über die Donau setzend, auf verschiedenen Punkten räuberisch in Noricum einfielen, das nur schwach besetzt gewesen sein mag, da unter Tiberius wenigstens (nach Tacit. IV, 5) keine Legion ihren Standort daselbst hatte, die Hut dieser Provinz also wahrscheinlich den beiden pannonischen Legionen mit anvertraut war. Das dem kleinen Krieg so günstige Gebirgsterrain wird den Erfolg erleichtert und das ganze Volk nebst den Quaden zur Teilnahme verlockt haben, so daß die Germanen es bald wagten, den konzentrierten, jedoch durch Überfälle und Vernichtung einzelner Abteilungen bereits geschwächten Heerhaufen der Römer selbst entgegenzutreten: (nachdem die Schwäche der römischen Besatzungen ausgekundschaftet war, setzten sich ganze Gaue des Volkes in Bewegung, über den Boden des Reiches sich auszubreiten. D.).

Der von Vulcatius Gallicanus (in Avidius Cassius Kap. 4) berichtete Vorgang, daß dieser als Befehlshaber an der Donau die Centurionen einer Abteilung von Auxiliartruppen um deswillen habe kreuzigen lassen, weil sie ohne Ordre 3000 feindliche Sarmaten jenseits dieses Stroms überfallen und niedergehauen hätten, kann nicht in diesem Kriege stattgefunden haben.

Die Sendung des Cassius nach dem Orient muß nämlich, wo nicht schon im Jahre 161, doch spätestens 162 erfolgt sein, da sie sicherlich sogleich auf die daselbst erlittenen Unfälle verfügt ward, der Markomannenkrieg aber (s. oben) damals noch nicht begonnen haben kann. Jener Beweis von Strenge kann sich daher nur unter Antoninus Pius ereignet haben, unter welchem (nach Capitol. Anton. Pius c. 5) ebenfalls Kämpfe mit Germanen und Daken statthatten. Die Erwähnung der Sarmaten in Cass. 4, während Anton. 5 nur Daken genannt werden, ist aber bei einem an sich so unzuverlässigen Schriftsteller wie jener obige viel zu unerheblich, um als Gegenbeweis gelten zu können. Auch paßt dessen Nachsatz: die Barbaren hätten, vom Schrecken solcher Kriegszucht erschüttert, den abwesenden Antoninus um hundertjährigen Frieden gebeten, nur auf Pius, nicht auf dessen Nachfolger.

In die letzte Zeit dieses Kriegsabschnitts muß nun jedenfalls der Sieg der Germanen über den römischen praefectus praetorio, den Dio (c. 3) Macrinus Vindex, Capitolinus (c. 14) aber Furius Victorinus nennt, gefallen sein. Bei oberflächlicher Lesung der Quellen konnte es nach der Reihenfolge der Erwähnung jener Niederlage scheinen, als ob sie erst später, d. i. nach dem Eintreffen der Kaiser im Felde, erfolgt sei. Genauere Prüfung, besonders in Verbindung mit der weiter unten anzuführenden Stelle Lucians, beseitigt jedoch jeden Zweifel hierüber so entschieden, daß es unnötig scheint, dies weitläufiger auszuführen. Eben jene Niederlage und die Belagerung Aquilejas waren es ja, welche die Kaiser in das Feld riefen. Am wenigsten würde übrigens aus Lucians Anführen, daß M. Aurelius damals mit den Markomannen und Quaden in Krieg verwickelt gewesen sei, notwendig auch dessen persönliche Anwesenheit im Heere zu folgern sein. Hinsichtlich des Namens des Präfekten verdient Dio um so mehr höheren Glauben, weil er c. 3 anführt, daß M. Aurelius ihm drei Bildsäulen habe setzen lassen, die derselbe doch gewiß selbst gesehen hatte.

Es ist nach unserer Terrainkenntnis nicht unwahrscheinlich, daß dieser in Steiermark zwischen dem Semmering und Graz im Murtal erfochten worden sei, wohin die Markomannen wohl von Westen her durch die Täler der Salzach und oberen Ens nach Brück hin vorgedrungen waren.

Nun sagt Capitolinus zu Anfang des 14. Kapitels: Profecti itaque sunt paludati ambo imperatores, Victovalis et Marcomannis cuncta turbantibus, aliis etiam gentibus, quae pulsae a superioribus barbaris fugerant, nisi reciperentur, bellum inferentibus.

»Als die Viktofalen und Markomannen alles zerrütteten, auch andere, von oberen Barbaren verdrängte Völker, wenn ihnen nicht Aufnahme gewährt wurde, kriegerisch einfielen, brachen beide Kaiser im Kriegsgewand auf.«

Da nun sowohl die Viktofalen als jene anderen später genannten Völker, wie im nächsten Kapitel nachgewiesen werden wird, unzweifelhaft östliche waren, dieser ganze eben dadurch so höchst merkwürdige Krieg aber den ersten Fall offensiver Völkerbündnisse der Germanen gegen Rom darbietet, so liegt es sehr nahe, die nun folgende Niederlage des praefectus praetorio aus einem kombinierten Kriegsplan der Art zu erklären, daß ein östliches Heer, in das von Truppen entblößte Pannonien einfallend, die Römer durch das Drautal umging und im Rücken angriff. Da übrigens der Gardebefehlshaber, der mit ungefähr 20 000 Mann (Lucian, Alexander Pseudomantes. Opera. XXXII. 48) in jener Schlacht blieb, unmöglich vorher schon in Pannonien und Noricum kommandiert haben kann, so scheint er erst, der mißlichen Sachlage halber, dahin abgesandt worden zu sein. Infolge dieses Sieges, der entweder in die letzte Hälfte des Jahres 166, oder, was wahrscheinlicher, in die erste des Jahres 167 fällt, überschritten nun die Germanen die Alpen und drangen bis Aquileja im alten Italien (im heutigen Friaul), welches sie belagerten, ja dem Falle nahe brachten, siegreich vor. (Dio c. 3, Capitol. c. 14 und Lucian, Zeitgenosse, a. a. O.)

II. Vom Aufbruch der Kaiser im Jahre 167 bis zu deren Rückkehr und Verus Tod zu Anfang des Jahres 169.

Zur Verteidigung Italiens zogen pflichtgetreu M. Aurel, unwillig der schwelgerische, aber doch Folge leistende Verus in das Feld. Ein starkes Heer muß ihnen gefolgt sein, wozu die Rückkehr eines Teils des parthischen Dies ergibt sich auch aus der später genannten legio fulminatrix, deren ordentliches Standquartier in Kappadokien war. die Füglichkeit gewährt haben mag. Der Augenblick drängte, Furcht, zugleich mit Hungersnot und Pest, herrschten in Rom. Aber die bloße Erscheinung, wahrscheinlich schon die Kunde des Anzugs wirkte.

Die Schwäche des Römerheers In dem oberen Mösien wie in dem östlichen Dalmatien kann höchstens je eine Legion noch gestanden haben, ersteres aber war selbst bedroht. Die nächste westliche Legion lagerte in Vindonissa (im Kanton Argau am Zusammenfluß der Aar und Limmat), das übrige germanische Heer von noch sieben Legionen diente, neben Galliens Besetzung, hauptsächlich zur Hut der Rheingrenze, welche man nie wesentlich zu entblößen gewagt zu haben scheint. hatte den Sieg gefördert, einem frischen stärkeren Heere fühlten sich die Barbaren nicht gewachsen. Auch war ja der nächste Zweck ihrer Kriege, reiche Raubbeute, die man nun sichern wollte, bereits erreicht, an dauernde Niederlassung auf Reichsboden für jetzt nicht zu denken. Sie baten um Frieden, den Marcus verweigerte. Von dem ferneren Kriegsverlaufe wissen wir nur, daß die Germanen über die Alpen zurückgetrieben und im Jahre 168 durch Marcus selbst in einer Hauptschlacht glänzend besiegt wurden (ισχυροτάτον αγω̃νος καὶ λαμπρα̃ς νίκης Dio c. 3), indem sich der Titel Imp. V., der auf den Münzen dieses Jahres zuerst vorkommt, auf gedachte Angabe Dios beziehen muß. Aus des Capitolinus Worten am Schluß des Kap. 18: »Hierauf drangen sie, nach Überschreitung der Alpen, weit (longius) vor, und ordneten alles, was zum Schutze (ad munimen) Italiens und Illyricums gehörte«, ist ferner abzunehmen, daß die Germanen wieder über die Donau zurückgedrängt und alle befestigten Plätze wieder genommen und hergestellt wurden.

III. Von dem Tode des Verus zu Anfang 169 bis zu den Friedensschlüssen im Jahre 175.

Gebeugt, aber nicht gebrochen, waren Mut und Kraft der Donau-Germanen. Neue Bundes- oder doch Streitgenossen traten, von der im folgenden Kapitel zu erklärenden großen Völkerbewegung gedrängt, auf den Plan.

Da entbrannte, nach des Kaisers Rückkehr in die Hauptstadt, aufs neue, aber ungleich furchtbarer als zuvor, der Krieg. Gleichzeitig von allen Seiten her mögen die Angriffe erfolgt, manche Plätze und Besatzungen in die Hände der Feinde gefallen sein. Noch wütete dabei in Rom die Pest. Marc Aurel aber stand über jeglicher Gefahr, schaffte auf die oben bemerkte Weise Geld und Menschen herbei und eilte noch vor Ende des Jahres 169 wieder zur Armee.

Vom ferneren Verlauf wissen wir nur, daß er den Krieg an der Donau, wo er in Carnuntum, unweit Preßburg, dem Einfluß der March gegenüber, sein Hauptquartier hatte, zum Stehen brachte. Von diesem Operationspunkt muß er sich bald gegen diese, bald gegen jene der konzentrisch andringenden Feinde gewendet haben, wobei die Besiegung der einen ihm dann Zeit und Mittel gleichen Vordringens gegen die andern gewährte, was aber, da die weite Peripherie selbstredend nicht ganz unverteidigt bleiben konnte, Niederlagen oder mindestens Verluste seiner Unterfeldherren auf andern Punkten nicht ausschließt. Diese müssen sogar, nach der später zu erwähnenden großen Anzahl gefangener Römer, bedeutend gewesen sein.

Dio beginnt nun das offenbar von diesen Feldzügen handelnde achte Kapitel mit den Worten: »Durch viele und große Kämpfe (αγω̃σι) und Gefahren unterwarf Marcus die Markomannen und Jazygen.« Gleichwohl finden wir nur drei Hauptschlachten und Siege in den Quellen verzeichnet, deren erster im Jahre 170 (nur Es ist zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich, daß dieser Sieg mit dem von Dio schon in c. 3 erwähnten identisch sei. Man müßte denn annehmen, der Titel Imp. V., der allerdings zuerst auf den Münzen von 169 mit dem Beisatz Restitutori Italiae erscheint, sei nicht durch jenen Sieg, sondern durch das Ergebnis des Kriegs überhaupt erlangt worden.

Dies würde aber dem Brauch zuwider gewesen sein, auch finden sich M. Aurels Titel, weil er erst die Bestätigung des Senats dafür abwartete, in der Regel erst auf den Münzen des folgenden Jahres. Nicht minder sprechen andere äußere wie innere Gründe dafür, daß der (Dio 3) gedachte Sieg dem früheren Feldzug 168 angehörte.

aus einer von Eckhel, p. 58 f., beschriebenen Münze bekannt) Marc Aurel wahrscheinlich den Titel Imp. VI. verschaffte.

Unstreitig hatte dieser Schlag die Markomannen getroffen, da Dio sie in obiger Stelle ausdrücklich und zwar zuerst erwähnt, die späteren aber über Jazygen und Quaden erfochten wurden.

Der nächste ist der (von Dio c. 7 beschriebene) Sieg über die Jazygen. Dieser (nach Florus III, 4) schon über siebzig Jahre v. Chr. in den Niederungen von Donau und Theiß seßhafte, sarmatische Stamm muß im Winter 171/72, die Donau zwischen Pest und Peterwardein überschreitend, Pannonien in der rechten Flanke der Römer angegriffen haben. Zuerst auf dem Lande besiegt, glaubten sie auf der gefrorenen Donau den des Manövrierens auf dem Eis unkundigen Römern überlegen zu sein, fanden aber, nach Dios sehr umständlicher Beschreibung, auch hier ihre Meister. Die sorgsame Ausbildung der Legionssoldaten in allen Leibesübungen, besonders aber deren Geschicklichkeit im Ringkampf, da das Gefecht zuletzt in solches Ringen auf dem Eis ausartete, überwältigte die Jazygen. Auch mag die Körperkraft dieses mehr zu Rosse fechtenden Reitervolkes der der Germanen nicht gleichgekommen sein. Nur wenige des großen Haufens sollen entkommen sein.

Daß M. Aurel selbst an der Schlacht Teil genommen und einen Imperator-Titel erlangt habe, ist aus den Schriftstellern nicht zu ersehen, obwohl eine (p. 60 von Eckhel beschriebene) Münze, welche den Donauübergang des Kaisers auf einer Schiffbrücke darstellt, dies anzudeuten scheint.

Wenn überdies auf sämtlichen Münzen dieses Jahres der Name »Germanicus« vorkommt, so kann sich dies nur auf obigen Sieg über die Markomannen, nicht aber auf den über die Jazygen beziehen, da M. Aurel erst nach deren gänzlicher Überwindung im Jahre 175 den Ehrennamen Sarmaticus empfing

Durch den Sieg über die Jazygen in seiner rechten Flanke gesichert wandte sich M. Aurel nördlich gegen die Quaden, die in Oberungarn westlich der Gran seßhaft waren, an welcher derselbe, wahrscheinlich im Winter 172/73, sein Winterlager hatte, wie sich aus der Unterschrift des II. Buches seiner Selbstbetrachtungen ergibt. Diesen gelang es aber, in den dortigen Gebirgen im Hochsommer 173 dessen Heer durch Übermacht dergestalt ein- und namentlich von allem Wasser abzuschließen, daß die Quaden in der Hoffnung, Hitze und Durst allein würden die Römer vernichten, bereits im Kampf nachließen, als ein furchtbares Gewitter mit ungeheurem Regenguß letzteren Rettung brachte. Die Wundersucht der Alten, wie der Heiden so der späteren Christen, schrieb dies Naturereignis einem Wunder zu, das nach Dio ein ägyptischer Magier durch Anrufung Merkurs und anderer Dämonen, nach Xiphilin, einem Christen des elften Jahrhunderts, der dies lächerlich macht, das Gebet einer ganz aus Christen bestehenden Legion, die eben deshalb den Beinamen κεραυνοβόλον, fulminatrix (falminata), erhalten, hervorgerufen haben soll. Letzterer hat hierbei dadurch, daß er den Ursprung jener Bezeichnung, welche die zwölfte Legion bereits unter August führte Dio nennt solche IV, 23 κεραυνοφόρον (i. e. τάγμα), was dasselbe ist. In den von Beck.-Marq. III, 2 S. 353, not. 2007 zitierten Inschriften wird sie fulminata genannt., von jenem Vorfall ableitet und die Möglichkeit einer schon im Jahre 173 ausschließlich aus Christen bestehenden Legion annimmt, sich eines groben Mangels an Kritik schuldig gemacht. Das in alten Kirchenvätern, jedoch nicht von Eusebius, der die Sache nur als Gerücht erwähnt, uns aufbewahrte, Xiphilins Anführen bestätigende Schreiben Marc Aurels an den Senat trägt aber so unverkennbar den Charakter der Fälschung an sich, daß es zu dessen Unterstützung nicht dienen kann. Gründliche Widerlegung Xiphilins und zwar durch einen streng katholischen Schriftsteller findet sich schon in Fr. L. Graf zu Stollberg, Geschichte d. Relig. Jesu 8. Bd. XVII, S. 77–91.

Die auf jenen Sieg bezügliche Münze vom Jahre 173 (s. Eckhel, p. 60) stellt den Merkur dar, dem ein Opfer gebracht wird, während auf der Denksäule M. Aurels in Rom der in der Luft schwebende Jupiter Pluvius (ein Greis mit triefendem Haar, dem Blitze entströmen) jenes Ereignis andeutet.

Das Heer rief den Kaiser sofort zum Imperator VII. aus, obwohl dieser Titel erst auf den Münzen des Jahres 174 erscheint. (Dio 9 und 10. Capitol. 24.)

Die römische Waffenehre, der Zauber römischer Macht war wiederhergestellt: die Völker baten um Frieden, dessen Verhandlungen nebst deren Folgen von Dio (Kap. 11–16, 18 und 19) ausführlich berichtet, jedoch erst unten näher zu beleuchten sein werden.

Nächst der aus dieser Kriegsgeschichte unzweifelhaft hervorgehenden Tatsache des Bündnisses der verschiedenen Völker gegen Rom, ist besonders die große Zahl gefangener Römer bemerkenswert, welche nach Dios Angabe auf zahlreiche, aus den Quellen gleichwohl, bis auf jene erste im Jahre 167, nicht ersichtliche Niederlagen und Unfälle der Römer, im kleinen Kriege besonders, schließen läßt.

Die Quaden, mit welchen zuerst abgeschlossen ward, versprachen Überläufern und Gefangenen zunächst 13 000 (c. 11), und nach dem dies, wenn auch nicht vollständig, bereits geschehen war, später bei erneuter Verhandlung (c. 13) noch 50 000 auszuliefern. Von den Markomannen, obwohl sie nur unter denselben Bedingungen Frieden erhielten, wird die Zahl (c. 15) nicht angegeben, die Jazygen aber stellten allein 100 000 Gefangene zurück, so daß die Gesamtzahl, zumal die Friedensschlüsse mit kleineren Völker- und Gefolgschaften nicht speziell erwähnt sind, auf 200 000 anzuschlagen ist. Man hat jedoch zu vermuten, daß hierbei die östlichen Völker gotischvandalischen Stammes unter den Jazygen, als deren Bundesgenossen, mit begriffen worden sind, da es schon nach der eigenen durch die bekannte Ausdehnung ihres Gebiets bedingten Volkszahl dieses Sarmatenstammes nicht denkbar ist, er habe für sich allein 100 000 Gefangene in Besitz gehabt. Auch mag der größte Teil letzterer nicht aus römischen Bürgern, sondern aus Auxiliartruppen keltischer und germanischer Abkunft, so wie aus dem im Drange der Not ausgehobenen Gesindel bestanden haben, zumal aus c. 13 hervorgeht, daß ein Teil der Gefangenen im feindlichen Lande Familienverbindungen eingegangen hatte, was von echten Römern minder wahrscheinlich ist.

Da übrigens den Jazygen der Friede nach c. 16 zunächst verweigert und erst im Jahre 175 auf die Nachricht von Cassius Aufstand gewährt ward (c. 16 und 17), dürften die Kämpfe mit ihnen noch bis in letzteres Jahr siegreich gedauert haben, was durch die Titel Sarmaticus und Imp. VIII. auf einem Teile der Münzen dieses Jahres (Eckhel, p. 64) bestätigt wird, wobei jedoch erstere Bezeichnung auch auf deren durch den Frieden bekundete Überwindung allein sich beziehen könnte.

Wenn nach Dio (c. 27) aber Marcus noch im Augenblick seines Aufbruchs nach dem Orient gleichzeitig mit der Meldung von dem Tode des Cassius viele Siege seiner Legaten über verschiedene Barbaren angezeigt wurden, so können diese nicht vor, sondern erst nach dem bereits c. 18 berichteten Frieden mit den Jazygen erfochten worden sein. Dies ergibt nämlich nicht nur die Reihenfolge der Erwähnung, sondern auch die Natur der Sache, da Marcus nach c. 18 zu jenem Frieden wider seine Überzeugung (παρὰ γνώμην) nur durch des Cassius Aufstand bewogen ward, der Vertrag also vor der Nachricht von dessen Ermordung geschlossen worden sein muß.

Wohl aber scheinen hierauf, selbst nach den Friedensschlüssen mit den Hauptvölkern, von einzelnen Gefolgschaften anderer Völker noch Feindseligkeiten auf eigene Faust fortgesetzt worden zu sein. Jedenfalls ersehen wir aus c. 20, daß die zum Grenzschutz ergriffenen Maßregeln die Quaden und Markomannen bald wieder erbitterten. Der Frieden bedang, daß sie nur in der Entfernung einer deutschen Meile (die Jazygen zwei Meilen) von der Donau ab wohnen durften. Um dies zu überwachen, waren zahlreiche Kastelle, in denen 20 000 Mann lagen, jenseits des Stroms und zwar (nach Dio LXXII, 2) teilweise auch im innern Lande der Germanen, errichtet worden, deren Befehlshaber nun die Völker nicht nur an der ökonomischen Benutzung dieses Grenzstreifens hinderten, sondern auch Überläufer und Gefangene von ihnen aufnahmen. Darüber erbittert wollten die Quaden zu den Semnonen auswandern, wurden aber durch Besetzung der Pässe daran behindert. Das dürfte in der Richtung der jetzigen Straße nach Prag geschehen sein und beweist ebenfalls die Aufstellung zahlreicher und leicht disponibler Streitkräfte in den festen Plätzen des Innern.

Von dem zweiten Kriege, seinem Anlaß und Verlauf wissen wir noch ungleich weniger als von dem früheren. Dio sagt nur (c. 33), daß die Sachlage, weil des Kaisers Legaten, die beiden Quintilier, obwohl tüchtige Feldherren, den Krieg nicht zu beendigen vermocht hätten, dessen eigene Gegenwart wieder erfordert habe. Mutmaßlich mochte, nach des Kaisers Abmarsch in den Orient, der Friede die Germanen gereut, daher die vorbemerkten und andere Gründe sie um so leichter wieder zu allgemeinerer Erneuerung der Feindseligkeiten gereizt haben. M. Aurel dürfte aber bereits im Jahre 177 und sodann anderweit mit Commodus am 5. August 178 in das Feld gezogen sein. Auch ist nach Dios Äußerung anzunehmen, daß der durch den Titel Imperator IX. auf mehreren Münzen des Jahres 177 (s. Eckhel, p. 63 f.) bezeugte Sieg nicht schon vor, sondern erst nach des Kaisers Ankunft erfochten worden sei. Dagegen gehört der Hauptsieg durch Paternus, bei dem der Kampf einen ganzen Tag gedauert und das feindliche Heer durchaus niedergehauen worden sein soll, welchen Dio allein speziell hervorhebt, offenbar erst dem Ende des Jahres 179 oder dem Anfang des Jahres 180 an, da nur auf den Münzen dieses letzteren M. Aurelius noch vor seinem Tode als Imperator X. aufgeführt wird. Capitolinus gedenkt (c. 27) lediglich dessen dreijähriger Kriegführung gegen die Markomannen, Hermunduren, Sarmaten und Quaden, deren Länder er, bei nur ein Jahr längerem Leben, zu Provinzen gemacht haben würde. Des Casaubonus Vermutung, daß sich das Triennio bellum postea des Capitol. c. 27 nicht auf den zweiten, sondern auf den vorhergehenden Krieg beziehe, welche der gründliche Salmasius aber nicht billigt, ist offenbar falsch, da, abgesehen von dem postea, welches sich auf das vorhergehende: Deinde ad conficiendum bellum conversus bezieht, der frühere Krieg ja nicht bloß drei, sondern sechs Jahre dauerte.

Wie lange nach des Marcus Tode der Krieg unter Commodus fortgesetzt wurde, wissen wir nicht.

Nach Herodians bestimmtem Anführen ist zwar der Beschluß des Thronfolgers, Frieden zu schließen – vielleicht auch der Friede selbst, wenigstens mit den Markomannen, welche zuerst mit ihm in Verhandlung traten – unstreitig noch vor dessen Rückkehr nach Rom, wo er jedenfalls noch vor dem 22. Oktober 180 eintraf (s. Eckhel, 109), erfolgt, die weitere Ausführung und Vollziehung des Friedenswerkes aber doch wohl dessen Legaten überlassen und von diesen der Krieg gegen die meisten Völker noch einige, wenn auch nicht lange Zeit erfolgreich fortgesetzt worden. Hiernach dürfte der Friede erst im Jahre 181 zu vollständigem Abschluß gelangt sein.

c) Wesen und Bedeutung des Markomannenkrieges

Der Zusammenstöße mit den Germanen hatte es bereits viele gegeben. Aber verschieden waren sie gewesen von diesem. Damals einzelne Unternehmungen letzterer, meist Überfälle, auf die Gunst augenblicklicher Umstände gebaut, bisweilen selbst vorübergehende glanzvolle Siege unter großen Führern wie Armin und Civilis aber alle, kleine Raubzüge ausgenommen, doch nur defensiver Seit den Kimbrern und Ariovist. ( D.) oder aufständischer Natur, hauptsächlich ohne bleibende Folge. Hier zum ersten Male ein großer, mindestens fünfzehnjähriger Offensivkrieg, angelegt nicht ohne Einsicht, ausgeführt mit bisher unerhörter Zähigkeit der Ausdauer.

Über die Entstehungsursachen sagt ein hoher Meister (J. Grimm, Gesch. d. d. Sprache, S. 306, Nr. 437):

»Seit dem Schluß des ersten Jahrhunderts hatte sich die Ohnmacht (? D.) des römischen Reichs, wenn auch seine Flamme einige Mal noch aufleuchtete, entschieden, und in den unbesiegbaren Germanen war das Gefühl ihres unaufhaltsamen Vorrückens in allen Teilen Europas immer wacher geworden; jetzt erhob sich statt des langsamen und verweilenden Zugs, den sie von Asien her unvordenkliche Jahrhunderte hindurch eingehalten hatten, ein rascherer Sturm, den die Geschichte vorzugsweise Völkerwanderung nennt. Nur die wenigsten Stämme blieben in ihrem Sitze haften.«

(Das war in der Tat das neue, das Wesentliche dieses und der meisten nun folgenden Kämpfe (s. die Einleitung): die Folge der Seßhaftigkeit ward nun Übervölkerung, und diese hob die Seßhaftigkeit insofern wieder auf, als sie zur Ausbreitung zwang. D.)

Roms Schwäche hatte sich nun bereits unter Domitian im Jahre 85 dadurch kundgegeben, daß dieser seine Niederlage durch die Markomannen ungerächt ließ und von Dekebalus, dem Dakerkönige, den Frieden um schweres Geld erkaufte. Diese Schmach hatte indes der große Trajan wieder gesühnt, während Hadrians wachsamtätige und Antonins gewinnende Politik den Frieden unverletzt zu bewahren gewußt hatten. Möglich nun, daß nach des letztern Tode der Regierungswechsel in den Germanen, die des langen Friedens müde waren, die Erinnerung an frühere Siege geweckt, daher in Verbindung mit der gleichzeitigen Schwächung der römischen Streitkräfte durch den parthischen Krieg zum Losbruche gereizt habe.

Wenn Hadrian ferner den Frieden nicht allein durch den Schreck der Waffen, sondern auch durch Geldzahlung, wiewohl gewiß in ehrenhafter Form, an die Völker sicherte (s. Dio LXIX, c. 10) und Antonin unzweifelhaft darin fortfuhr, so könnte die Vermutung entstehen, M. Aurelius habe durch Versagung des ihm schimpflich dünkenden Tributs zum Krieg Anlaß gegeben. Dies aber würden die in dessen Lob so eifrigen Biographen sicherlich nicht verschwiegen haben.

Der Krieg hat gar nicht als ein großer, durch Offensivangriff verbündeter Völker, sondern nur als ein kleiner, durch Raubzüge einzelner Gefolgführer, begonnen Wenn Capitolin c. 14 sagt: »Dum Parthicum bellum geritur (d. i. von 161 bis 166), natum est Marcomannicum, quod diu eorum, qui aderant, arte suspensum est, ut finito jam orientali bello Marcomannicum agi posset«, so ist kaum zu bezweifeln, daß der Krieg bereits im Jahre 164 ausgebrochen sei, während dessen noch früherem Beginn die unterlassene Erwähnung in Capitol. 8, wo von den bald nach dem Regierungsantritt entstandenen die Rede ist, entgegensteht. Gewißheit ist aber auch hierin nicht möglich., und dann erst, nach diesen gewaltsamen Rekognoszierungen, durch versuchtes Überwandern ganzer Gaue in das römische Gebiet größere Verhältnisse angenommen.

Lag doch der Hauptgrund aller dieser germanischen Einbrüche und Kriege in dem oben (in der Einleitung) entwickelten Grund.

Über die Anfangszeit des eigentlichen großen Krieges ist nicht einmal Vermutung gestattet, obwohl darüber, daß dieser mindestens bereits in das Jahr 166 fallen müsse, nach dem Ergebnisse der Kriegsoperationen kein Zweifel möglich ist.

Der Bestimmungsgrund zu dem Angriff der Markomannen aber ist, nächst den Erfolgen des kleinen Krieges, unzweifelhaft in denselben Umständen zu suchen, welche ihn später genährt und ihm jene gefahrdrohende Ausdehnung wie Dauer verliehen haben.

Hinsichtlich der in den Quellen aufgeführten fünfundzwanzig Namen der einzelnen Völker, welche an diesem Kriege teilnahmen, auf die Anmerkung verweisend Dio erwähnt LXXI. nächst den Markomannen, Quaden und Jazygen noch c. 12 Astingi, Costuboci, Dancrigi und Cotini, c. 18 (u. LXXII, c. 3) Buri, c. 21 Naristae und in LXXII, c. 2 noch Vandili.

Capitolinus (die Lesart der neuen Ausgabe von Peter, welche Müllenhoffs [Z. f. D. A. IX.] Vorschläge verwertet, hat den größten Teil der Ausführungen der I. Auflage gegenstandslos gemacht D.) nennt die Jazygen überhaupt nicht, bezeichnet sie aber unzweifelhaft durch Sarmatae und führt außer den Markomannen und Quaden noch an: c. 14 Victuali, c. 17 Vandali, c. 22 Varistae, Hermunduri et Quadi, Suevi, Sarmatae, Lacringes et Burei: Vandalique cum Victualis Osi, Bessi, Cobotes, Roxolani, Basternae, Halani, Peucini, Costoboci. Vorher zu Anfang des Kapitels heißt es: Gentes omnes ab Illyrici limite usque ad Galliam conspiraverant. C. 27 Triennio bellum postea cum Marcomannis, Hermunduris, Sarmatis, Quadis etiam egit. In Commod. c. 13 sagt er noch: Victi Daci. Eutrop. VIII, 13 nennt nur Marc., Quadi, Vandali, Suevi atque omnis barbaries.

, versuchen wir jene zuerst in gewisse Hauptgruppen zu sondern, was um so notwendiger scheint, da nicht allein bei Capitolinus, sondern selbst bei Dio keine Spur ethnographischen Geistes sich findet, diese also Volks- und Gaunamen zu unterscheiden weder wußten noch beabsichtigten.

Wie nun unzweifelhaft unter den Genossen des markomannischen Kriegs ganze Völker waren, die ihn durch ihren Heerbann als National- oder Staatskrieg führten, so haben doch wohl hin und wieder auch bloße auf eigene Faust fechtende Gefolgschaften teilgenommen.

Zu ersteren gehören vor allem die Markomannen, Quaden und Jazygen. Das mächtige Markomannenvolk saß vom Erzgebirge herab bis zur Donau, zwischen Hermunduren und Quaden begrenzt. (S. Anhang.)

Unter den Quaden ist hier offenbar nicht der im Jahre 19 n. Chr. auf altquadischem Gebiet gegründete Klientelstaat zu verstehen Siehe Tac. II, 63 und XII, 29 und 30 (egregia adversus nos fide). Hist. III, 5 und 21. Aus Tac. II, 63 erhellt zwar zweifellos, daß in dem gedachten Landstrich ein besonderer Staat gegründet wurde: dato rege Vannio gentis Quadorum – (hätte das ganze Volk der Quaden sich unterworfen, so würde die wichtige Tatsache von Tacitus gewiß erwähnt worden sein) – aber der hundertundvierzigjährige Fortbestand dieses kleinen gekünstelten Staates beweist nichts: denn es ist reine Willkür und ein Zirkelschluß, anzunehmen, daß der in Cass. Dio c. 13 erwähnte König der Quaden eben jenem nie wieder, überhaupt nur noch von Plinius, genannten Klientelstaat angehört habe. sondern das im Jahre 19 freigebliebene Volk. Daß das gesamte dieses Namens am Krieg Teil hatte, ist nach dessen Wucht und Bedeutung nicht zu bezweifeln.

Die Jazygen, die Plinius und Tacitus stets Jazyges Sarmatae nennen, waren Sarmaten. Über die anderen hier genannten Völker und ihre Sitze siehe den Anhang.

Die Costuboken, welche Geten oder Daken waren, saßen innerhalb der römischen Provinz Dakien, müssen also römische Untertanen gewesen sein. Letztere umfaßte (nach Ptolem. III, X) unzweifelhaft das ganze Land zwischen Theiß und Pontus, Donau und Karpaten. Dagegen rechnet Jordanis (c. 12) in seiner freilich sehr unklaren Begrenzung des alten Dakiens, d. i. des Getenreichs, nur Siebenbürgen und die Wallachei, letztere mindestens größtenteils, dazu. Wahrscheinlich standen daher die in den Ebenen der Moldau und Bessarabiens wohnhaften Völker, wozu unstreitig die Costuboken (κιστοβω̃κοι des Ptol.) gehörten, nur in einem Untertänigkeits- und Tributverhältnis zu dem Getenkönige: und dies mag auch unter Rom fortgedauert haben. Gewiß wenigstens war der westliche Teil der Gesamtprovinz vorzugsweise militärisch besetzt, mit zahlreichen Festungen versehen und kolonisiert. Vergl. M. J. Ackner: Die Kolonien und militärischen Standlager der Römer und Dakier. Wiener Staatsdruckerei 1857. Kaemmel, römische Standlager .. an der Donau. Grenzboten 1880, Nr. 14 und die Literatur daselbst. Diese scheint auch, während des ganzen Kampfes von den Römern behauptet, ja nicht einmal dessen Schauplatz Nach Dio c. 11 ist zwar am Ende des ersten Krieges der Dynast Trabes Geld fordernd in Dakien eingefallen, aber gleich wieder vertrieben worden. gewesen zu sein, indem sich dieser, abgesehen von jenem ersten Einbruch in Italien, im Wesentlichen auf Niederösterreich, Steiermark, Ober- und Mittel-Ungarn beschränkt haben dürfte. (S. Dio 11, 12 und 19.)

Daß nun die Costuboken ganz oder teilweise durch die Karpaten dem westlich von Dakien gefochtenen, großen Unabhängigkeitskampf zuzogen, ist natürlich. Sie wurden aber später von den Asdingen, wie es scheint, auf Anstiften der Römer, dafür gezüchtigt, wonach deren Sitz in der Nähe des westlichen Dakiens, also in der Moldau gewesen zu sein scheint.

Bastarnen und Peukinen, nicht Germanen, saßen früherhin unzweifelhaft ebenfalls in Dakien nördlich der Donau. S. die zahlreichen von Zeuß, S. 127–130 angeführten Stellen, und überdies noch Dio LI, c. 23–25; auch Dahn, Könige I, S. 98. Bausteine II, S. 133. Da aber Ptolem. sie später (III, 5) über Dakien und Sarmatien, also im neuern Podolien aufführt Derselbe erwähnt zwar III, 9 auch in Niedermösien im Donaudelta Peukinen. Da aber dieser Name ein Ortsname von der Insel Peuke ist, so kann derselbe ebensogut auf andere Bewohner übergegangen, als ein Rest der wirklichen Peukinen unter römischer Herrschaft daselbst zurückgeblieben sein., so müssen dieselben bei der Eroberung Dakiens unter Trajan dahin sich zurückgezogen haben.

Die Alanen und Roxalanen saßen jenseits des Tyras (Dnjestr) im südlichen Russland. Über die schwierige Frage ihrer Nationalität s. Dahn, Könige I, S. 261.

Von den Vandalen ist anzunehmen, daß, weil Strabo, Tacitus und Ptolemäus kein Einzelvolk dieses Namens kannten, derselbe im Markomannenkrieg, wo er zuerst (Vindili) auftaucht Dies ist ein Irrtum, schon Tac. G. c. 2 u. Plinius IV. 14, 28 nennen sie. ( D.), auch nicht als die Bezeichnung eines solchen, einer bestimmten civitas, sondern nur als die einer neugebildeten Waffengenossenschaft, aus der späterhin freilich, wie aus Franken und Alemannen, ein Volk geworden, zu betrachten ist: (es war der Gesamtname für die beiden Völkerschaften der Asdingen und Silingen. S. Dahn, Könige I, S. 141; irrig identifiziert sie Zeuß, S. 444 f. mit den Lugiern. D.).

Betrachten wir nun die Eigentümlichkeit dieses Krieges im Gegensatz zu den früheren Kämpfen zwischen beiden Nationen, die schon im Beginn dieses Kapitels hervorgehoben ward: es war der erste größere, dauernde, planmäßige Angriffskrieg der Germanen seit den Kimbrern und Ariovist.

Verschlagenheit im Kampf – allen Völkern in der Vorkultur eigen – zeichnete insbesondere die Germanen aus, die Vellejus Paterculus die verschlagensten aller Sterblichen nennt.

Tiefere Politik aber, d. i. planvolle Berechnung, geschickte, vor allem konsequente Ausführung war unter einem vielköpfigen Volksregiment, bei einem durch Sonderinteressen zwiespaltigen Adel, nicht möglich. Wohl lebte diese in großen, besonders römisch gebildeten Männern: gerade diese aber gingen eben deshalb zugrunde, weil ihre Zeit sie nicht begreifen, vor allem ihnen nicht folgen konnte und wollte.

Zwietracht lähmte die Kraft, hemmte den Aufschwung.

Anders im Markomannenkrieg. Kein großer Mann begegnet unter den Germanen, in den Völkern selbst aber seltene Bewußtheit, seltenere Eintracht. Jener Krieg beruht auf einem Völkerbündnis. So schon der treffliche Bünau im II. Buch des 1. Teils der deutschen Reichshistorie vom Jahre 1728.

(Freilich lag diesem Bündnis und Plan das gemeinsame Bedürfnis nach Ausbreitung zugrunde: die gleiche Nötigung, welche später Alemannen und Franken über den Rhein drängte, warf damals Markomannen und Quaden über die Donau: und als entscheidend, als Hauptursache, ist dabei anzuschlagen der Druck, den die damals vom Norden her anziehenden Goten aller Stämme auf die Donauvölker übten. D.)

Forschen wir aber nach dem Quellenbeweise für diese Annahme, so finden wir dafür die Stelle Capitolins (c. 22): »Alle Völker von Illyriens Grenze bis Gallien hatten sich verschworen.« Dann die Zeugnisse Dios (c. 11), daß die Quaden den Frieden erhielten, »um sie von den Markomannen abzuziehen«, was ein Bündnis unter beiden voraussetzt (so wie mittelbar die Stelle c. 18). Die Jazygen hatten (nach c. 16) unter der Bedingung Frieden geschlossen, den Römern 8000 Mann Hilfstruppen zu stellen, von denen auch der Kaiser sogleich 5500 nach Britannien sandte. Der weitern Vollziehung des Friedens aber (c. 18) entbrachen sie sich, erhielten auch Nachlaß an dessen Bedingungen, weigerten aber dennoch, weitere Truppen zu stellen, wenn M. Aurelius nicht eidlich versichere, den Krieg mit den Feinden (d. i. den Quaden, wohl auch Markomannen) fortzusetzen, weil sie fürchteten, daß letztere nach ihrer Versöhnung mit Rom sie, die Jazygen selbst, mit Krieg überziehen würden. So dunkel diese Stelle, die Xiphilin oder dessen Quelle schon mangelhaft exzerpiert haben muß, unverkennbar ist; so scheint doch unzweifelhaft daraus hervorzugehen, daß es die Furcht vor der Ahndung eines Bundesbruches war, welche jenes Verlangen der Jazygen hervorrief. Die wahrscheinlichste Erklärung dürfte in der fehlenden Chronologie und dem Durcheinanderwerfen der Nachrichten, das bei Xiphilin gerade hier so oft vorkommt, zu suchen sein. Der frühere Friede mit den Quaden (c. 11) war schon wieder gebrochen, oder im Begriff gebrochen zu werden (c. 13). Da mochten die Jazygen den Quaden Versprechungen gegeben haben, durch deren Verletzung sie sich nun deren Rache zuzuziehen fürchteten.

Wesentlich verstärkt und vervollständigt noch wird der Beweis für die Gemeinsamkeit und Planmäßigkeit dieses Krieges auf germanischer Seite durch die Geschichte der militärischen Operationen selbst, so z. B. durch das konzentrierte Vorgehen bei des Vindex Niederlage. (Fragen wir aber nach der Ursache dieser merkwürdigen und folgenreichen Wandlung im Volksleben der Germanen, so kann diese nur in der inneren, wiederholt erörterten Entwicklung gefunden werden: in der Not; das natürliche Zusammenwachsen der früher isolierten Siedlungen führte dann auch zu höherer politischer Reife oder doch zunächst zur Erkenntnis der Ersprießlichkeit von größeren Verbänden und Einungen, welche nicht mit bewußter Absicht zuerst geschlossen, sondern unwillkürlich und notwendig erwachsen waren. Auch der Verkehr mit Rom mag diese Entwicklung gefördert haben – durch Vorbild und durch Gefahr. D.)

Gewiß hat aber dazu, vor allem zu der so ungewöhnlich langen Dauer dieses Krieges, auch ein äußerer Anstoß Anlaß gegeben, auf den nunmehr überzugehen ist.

Von der größten Wichtigkeit ist die Stelle Capitolins (c. 14): vom Aufbruche beider Kaiser zum Heere, welcher erfolgte:

»als die Viktofalen und Markomannen alles zerrütteten: und auch andere Völker, die, verdrängt von oberen Barbaren, geflohen waren, und wenn sie nicht (von den Römern) aufgenommen würden, Krieg erklärten.«

Diese oberen, d. i. nördlichen Barbaren waren die Völker der großen gotischen Familie.

Also ganze aus ihren heimischen Sitzen verdrängte Völker begehrten Aufnahme und Niederlassung im römischen Gebiete, sei es in Güte oder durch Gewalt, und erhielten sie auch auf ersterem Wege wirklich, wie Dio (c. 11 und 12) ausdrücklich bestätigt, dadurch zugleich obige Angabe des an sich minder zuverlässigen Capitolin verbürgend. (Es begreift sich sehr wohl, daß nicht nur die Donauvölker, auch die bedeutend weiter nordwestlich »bis an den Rhein« (Capitolin) hin wohnenden Völker (Hermunduren, Burier, Narisker und deren Nachbarn) in Erschütterung und Bewegung gebracht wurden durch den Zug der zahlreichen Goten von der Ostsee den ganzen Lauf der Oder und Weichsel aufwärts und von da bis an den Pontus.

Ebenso wurden Völker, die schon im römischen Gebiet saßen, die Costuboken, Bastarnen, Peukinen, Alanen und Roxalanen, dann oder ohne Willen in diese Bewegungen gezogen. D.)

Noch ist hinsichtlich der Zahl derselben zu bemerken, daß der von Dio (c. 11) für die Landempfänger gebrauchte Ausdruck: die vielen übrigen (έτεροι συχνοί) auf eine bedeutende Anzahl derselben schließen läßt, daher auch manche, in den Quellen gar nicht namentlich angegebene, besonders einzelne Gaue, darunter sich befunden haben können.

Welche von diesen Namen nun der gotischen Völkerfamilie angehören, ist mit voller Sicherheit nicht zu bestimmen.

Unzweifelhaft gehören dahin die Taifalen und Gepiden oder Gipeden (hinsichtlich deren beider freilich gerade die Lesart nicht feststeht), die Vandalen, Asdingen, Viktofalen. Vergl. Schaffarik, slavische Altertümer I, S. 432. Über Viktofalen und Taifalen s. Eutrop. VIII, 2.

Es liegt auf der Hand, daß ein solches Heranwogen gotischer Germanen von Norden her, das dadurch erzeugte Drängen und Schieben der im Wege stehenden, wie das Mitfortreißen aller beweglichen Elemente der angrenzenden Völker unter allen Umständen mit größter Gewalt gegen Roms Grenze – dem ersten festen Widerstandspunkt – anprallen mußte. (Fand nun der Völkerstrom diesen Damm bereits von Stammesbrüdern unterwühlt, erschüttert, ja teilweise gebrochen, da mußte das Drängen im Rücken und die Aussicht, auf römischem Boden eine »quieta patria«, Landraum für die wachsende und aus den bisherigen ohnehin zu engen Gebieten verdrängte Bevölkerung zu gewinnen, alle diese Völker über die römische Grenze ziehen. D.)

Der anfängliche Bundeskrieg der Markomannen, Quaden und Jazygen, dem diese Bewegung stets neues Material zuführte, ward dadurch nicht nur zu immer hellerer und allgemeinerer Lohe angefacht, sondern vorzüglich auch so nachhaltig genährt.

Man erinnere sich der Geschichte dieses Krieges. War doch der ersten Unglücksperiode für Rom, in welcher es wegen des Partherkrieges schwach war, in den Jahren 167–169 schon wieder die zweite gesühnter Waffenehre und siegreichen Vordringens gefolgt. Mußten dadurch nicht Mut und Streitkraft der Feinde äußerst geschwächt sein? Und doch, sobald nur der Kaiser den Rücken gewendet, sofortiger neuer Losbruch des Offensivkrieges: und zwar des furchtbarsten S. Kapit. c. 13 und 17. Eutrop. VIII, 12 und Dio c. 36, der es bewundert, daß M. Aurelius die Republik gerettet habe. seit dem punischen, der nur durch die verzweifeltsten Mittel zum Stehen gebracht werden konnte. Dies würde, da jene drei bis vier Grenzvölker Rom in seiner Vollgewalt doch nur wie Zwerge dem Riesen gegenüberstanden, undenkbar sein, wenn nicht die frische mächtige Bundeshilfe gotischer Germanen die materielle Kraft und die lebendige Erkenntnis der entscheidenden Wichtigkeit dieses unwiederbringlichen Moments den Verzweifelungsmut jener ersten Völker erhöht und gestählt hätten: (vor allem aber: jeder Vordermann wurde durch das Schwert des Nachmanns und durch den Hunger vorwärts getrieben. D.).

Noch mehr bestätigt dies der oben geschilderte Kriegsschauplatz, bei welchem Carnuntum des Kaisers Operationsbasis war, um sowohl den westlichen als den östlichen Völkern die Spitze bieten zu können. Letztere müssen daher durch die Karpaten, wo jetzt die Liptauer, Zipser (dessen Name sogar von den Gepiden abgeleitet wird), Saroscher, Sempliner und Unghvarer Comitate liegen, in die offene, zehn bis fünfzehn Meilen breite und gegen vierzig Meilen lange Lücke eingebrochen sein, welche der Sitz des Jazygenvolkes zwischen Donau und Theiss, d. i. zwischen Pannonien und Dakien bildete.

Sicherlich hätte dagegen, wäre der Hauptstoß von Nordost gekommen, das so stark befestigte westliche Dakien In der schon oben angeführten Monographie Ackners werden die jetzt noch erkennbaren Standorte von zehn jedenfalls stark befestigten, zum Teil sehr großen Städten, und von dreiundzwanzig römischen castris, d. i. befestigten Lagern und Kastellen fast durchaus im jetzigen Siebenbürgen nachgewiesen. – (Hauptwerk jetzt: Kaemmel, die Anfänge deutschen Lebens in Österreich, I. Leipzig 1879. D.) (Siebenbürgen) der Verteidigung zum Hauptstützpunkt dienen müssen.

Von besonderer Wichtigkeit ist, daß Capitolin (c. 14) schon in der ersten Kriegsperiode die Viktofalen neben den Markomannen als Haupturheber der römischen Unfälle, daher besonders der Niederlage unter Vindex anführt, welche, wie wir oben sahen, fast nur durch eine kombinierte Operation von West und Ost her erklärt zu werden vermag.

Nur im Bund mit den dort sitzenden Jazygen aber können die Viktofalen von dieser Seite her angegriffen haben. Eben diese aber werden von demselben Schriftsteller (c. 22) an die Spitze der zweiten östlichen Völkerreihe gestellt. Wirklich ist auch die so kühne Operation der Jazygen in der römischen Flanke, vor allem aber die erstaunliche Zahl der Gefangenen nur durch das Vertrauen auf die Bundeshilfe der gotischen Völker und durch deren Mitwirkung zu erklären.

Wir haben daher die Teilnahme letzterer am Markomannenkrieg auch für dessen Erfolge als höchst wesentlich zu betrachten.

Bei den Friedensschlüssen mit diesen Grenzvölkern befolgte Rom ein trefflich berechnetes System militärischer Grenzverteidigung und polizeilicher Überwachung: Fernhaltung von der Donau durch einen nicht zu betretenden Grenzrayon, Besetzung und Beobachtung ihrer Gebiete im Innern durch eine Reihe von Festungen, was wir freilich nur von dem der Markomannen und Quaden Von den Buren ist, wegen Ähnlichkeit der Verhältnisse, dasselbe vorauszusetzen, nicht aber von den Jazygen, weil isolierte Kastelle im Flachland nicht von sonderlicher Wichtigkeit waren, während sie im Gebirge die Pässe beherrschten. mit Sicherheit wissen, und strenge Regelung des Markt- und Reiseverkehrs.

Merkwürdig scheint nun, daß M. Aurelius den jenen beiden Völkern auf solche Bedingung gewährten Frieden den Jazygen so hartnäckig verweigerte, letztere vielmehr gänzlich vernichten wollte (παντάπασιν εκκόψαι) (sie waren ein Erzraubgesindel und ihre raschen Gäule machten sie den Grenzbewohnern besonders gefährlich. D.).

Als aber der Kaiser durch des Cassius Aufstand dennoch zum Frieden auch mit ihnen gezwungen ward, hatten sie sich den nämlichen, hinsichtlich der Entfernung von der Grenze sogar noch härteren Bedingungen als jene erstern, zu unterwerfen, wovon ihnen jedoch später vieles erlassen ward. Auch ward ihnen (nach Kap. 20) der Handelsverkehr mit den Roxalanen durch Dakien, wiewohl nur mit jedesmaliger Spezialerlaubnis des Statthalters, gestattet.

Außer den gedachten drei Völkern wurden nun auch noch die Buren anscheinend auf gleiche Weise behandelt. (Vergl. Dio c. 11, 13, 15, 16, 18, 19 und 20, sowie LXXII, c. 2 und 3.)

Den aus der Ferne zugewanderten heimatlosen Völkern hingegen (wenigstens manchen derselben D.) ward gewährt, was sie zu erbitten oder zu erzwingen gekommen waren – Aufnahme in das römische Gebiet.

Ausdrücklich wird dies von den Asdingen und Dankrigen (Dio c. 12), welche in Dakien Land empfingen, und von den Nariskern berichtet. Da aber derselbe Schriftsteller (c. 11) anführt, daß die um Frieden Bittenden teils in Dakien, teils in Pannonien, teils in Mösien und Germanien, teils in Italien selbst angesiedelt worden seien, so erhellt hieraus, daß die Zahl der Aufgenommenen eine große war.

Verschieden waren, je nach Verdienst und Leistungsfähigkeit, die Bedingungen der Kolonisation, indem einigen sogar das römische Bürgerrecht, einigen Grundsteuerfreiheit (ατέλεια, jus italicum), andern bleibender oder zeitweiliger Erlaß der Kopfsteuer (φόρος), andern auch fortwährende Getreidelieferung aus römischen Magazinen bewilligt ward.

Der Zweck dieser Maßregel war – der Feinde weniger, der Untertanen, vor allem der kriegstüchtigen, mehr zu bekommen. Obschon von den Angesiedelten die, welche um Ravenna wohnten, in aufständischem Gelüste sogar dieser Stadt sich zu bemächtigen strebten, daher von da in entferntere Kolonien Zeuß, S. 594 f., glaubt sogar noch in den in Quellen des 6. bis 9. Jahrhunderts am Abhang des Jura und an der Saone vorkommenden Warasci die Abkömmlinge jener, von Marc Aurel angesiedelten Narisker wiederzufinden. versetzt wurden, so scheint doch im ganzen die Sache sich bewährt zu haben (wie das ganze System, so lange das Reich stark genug war. den dann drohenden Gefahren zu begegnen – anders schon ein Jahrhundert später. D.).

Die Kolonien müssen auf kaiserlichen, durch Sklaven oder kündbare Kolonnen bebauten Domainen, hauptsächlich aber wohl auf Rodeland in Wäldern, wo dann auch wohl Getreidelieferung versprochen ward, gegründet worden sein, da M. Aurelius an Privateigentum auch Provinzialen sich gewiß nicht (bis zu völliger Entziehung D.) vergriffen hat: (vermutlich wurde das Prinzip der hospitalitas und der Teilung der Früchte angewendet D.; s. Einleitung).

Minder wichtig ist die Frage, ob der Friede von den Germanen durch römisches Geld erkauft wurde, wie dies Herodian (I, 6) von Commodus ausdrücklich anführt. »Die meisten Barbaren, sagt er, wurden durch die Waffen bezwungen; einige aber durch große Versprechungen leicht zum Frieden gebracht. Denn die Natur der Barbaren liebt das Geld: und die Gefahr gering achtend verschaffen sie sich entweder durch Überfälle und Einbrüche ihren Lebensbedarf oder bieten für hohen Lohn den Frieden feil. Dies wußte Commodus, erkaufte sich daher, des Geldes nicht schonend, gern die Ruhe, indem er ihnen das Geforderte vollständig bewilligte.«

Dies läßt sich auch mit Dio vereinigen. Jene Bezwungenen waren die Grenzvölker, welche nach dieses letzteren genauerem Berichte über die ersten Friedensschlüsse unter M. Aurelius nur zu leisten, nicht aber zu empfangen hatten Die Quaden hatten nach LXXI, c. 11 Pferde und Ochsen, die Markomannen nach LXXII, c. 21, nächst teilweiser Abgabe der Waffen, auch Getreide zu liefern, was ihnen jedoch später erlassen ward. Die zweifelhafte Stelle in Dio 15 von Abtretung der Hälfte des Grenzgebiets dürfte wohl nur so zu verstehen sein, daß M. Aurelius diese zuerst von den Markomannen gefordert, dies aber nachher auf den Streifen längs der Donau beschränkt habe, wogegen es nach der lateinischen Übersetzung scheinen könnte, als hätten sie umgekehrt Land empfangen. Das Anführen Capitolins in der verworrenen Stelle c. 22: accepitque in deditionem Marcomannos, plurimis in Italiam traductis kann hinsichtlich einer kleinen Abteilung wahr sein., wenn nicht vielleicht für die zu stellenden Militärkontingente außer dem Solde derselben Diese Kontingente, welche ja in ferne Provinzen dislociert wurden (wie nach in obigem in Britannien), gehörten offenbar zu denen, die als geworbene zu verstehen sind und jedenfalls Sold empfingen. auch an das Volk etwas gezahlt worden ist. Unter denselben Bedingungen im Wesentlichen schloß aber (nach LXXII, 2 und 3) auch Commodus ab mit dem einzigen, aber folgenschweren Unterschiede, daß er die festen Plätze im Innern der germanischen Volksgebiete ganz aufgab. Dagegen wird von Battarius (c. 11), von den Asdingen (c. 12) das Empfangen und von den Cotinen (ebenda) wenigstens das Verlangen von Geld so bestimmt versichert, daß wir das bei denen, welchen Aufnahme bewilligt wurde, als etwas allgemein Hergebrachtes – gewissermaßen als ein Handgeld, dem künftigen Solde unbeschadet, – zu betrachten haben.

Daher dürfte sich denn auch Herodians Tadel des Commodus wohl mehr auf den wider Marc Aurels Absicht (der, so oft getäuscht, völlige Vernichtung, mindestens unbedingte Unterwerfung der Feinde anstrebte) geschlossenen Frieden überhaupt als auf dessen Bedingungen beziehen.

Schließlich bedarf es noch der Bemerkung, daß von den östlichen Völkern die Costuboken wieder in ihrer Heimat erscheinen, wo sie (nach Dio 12) von den Asdingen besiegt wurden, von den Bastarnen und Peukinen aber sowie von den Alanen und Roxalanen hier zunächst gar keine Nachricht weiter sich findet. Sie mögen sich daher wohl von der Grenze zurückgezogen haben, wenngleich einzelne derselben, mindestens von den ersteren, auch wohl Aufnahme gefunden haben können.

Überblicken wir nun noch einmal das Gesamtergebnis dieses Kapitels, so tritt uns in solchem entgegen in lebendiger Fortentwickelung der geschilderten Urkeime der germanischen Verfassung die Entstehung neuer Gruppen und Bündnisse, aus Waffengenossenschaft hervorgegangen; hierin ein politischer Fortschritt der Germanen – dies alles aber, teils zusammenfallend mit, teils hervorgegangen aus der ersten großartigen Wanderung germanischer Völker, der Zweige aller Goten, von den Mündungen der Weichsel zur niederen Donau, vom baltischen zum schwarzen Meere.

Dies Zusammenwirken innerer und äußerer Bewegung ist es nun, durch welches der Markomannenkrieg zu einem wichtigen vorbereitenden, ja bereits ausführenden Schritt des großen Zertrümmerungs- und Neugestaltungswerkes geworden ist, welches wir die Völkerwanderung nennen.


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