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NAME="voe1213_Anm1">Für Constantins Leben treten drei neue Quellen hinzu: Zosimus, dessen Lücke nun aufhört, Eusebius Leben Constantins des Großen und die Exzerpte eines Ungenannten, die Valesius herausgegeben hat (Anonymus Valesii).
Zosimus ist wie immer ungleich: vollständig und anziehend in manchem, namentlich den Kriegen der Mitherrscher unter sich, aber lückenhaft, nicht Unwichtiges ganz übergehend, endlich voll fanatischen Christenhasses, daher in seinen Urteilen über Constantin kein Geschichtsschreiber, sondern Parteimann und Pamphletist. Wie unähnlich darin dem würdigen Eutrop, der ebenfalls Heide, aber doch unbefangen und gerecht ist (Eutrop, Ausg. v. Grosse, Leipzig 1825, Prooem. S. XIV; jetzt ed. Droysen in Monum. Germ. hist. 1879).
Eusebius will, wie er (T II der Vita C.) sagt, keine politische Geschichte, sondern nur die von Constantins religiöser Wirksamkeit schreiben. Diese Äußerung und dasjenige, was wir zur Entschuldigung der Parteinahme und Leidenschaftlichkeit der christlichen Schriftsteller jener Zeit sagten, entwaffnet die Kritik.
Wollten wir aber dessen Werk aus einem andern Gesichtspunkt betrachten, so würde kaum ein Verdammungsurteil genug sein, was der Begründung nicht bedarf, da es wohl noch kein unbefangener Geschichtsforscher je bezweifelt hat.
Als Geschichtsquelle ist dasselbe bis auf wenige einzelne Notizen völlig unbrauchbar.
Eusebius war für seine Person übrigens weit mehr Hofmann als Glaubensschwärmer, mehr politisch als fanatisch, wie sein Verhalten in der arianischen Streitsache bewiesen. Das Christentum, aber mehr wohl noch seine Person, den Söhnen Constantins zu empfehlen, war der Zweck jener Lebensbeschreibung. Dies Urteil über ihn wird selbst von kirchlichen Schriftstellern alter wie neuerer Zeit bestätigt. Der gegen achtzig Jahre spätere Sokrates sagt in seiner Kirchengeschichte I, 1: dem Eusebius habe, wie in dergleichen Lobreden zu geschehen pflege, die Lobpreisung Constantins mehr am Herzen gelegen, als die genaue Erzählung der Tatsachen.
Der so strengkatholische Friedrich Leopold Graf Stolberg sagt X, S. 222 von ihm: »Er war, bei großem Verstande und erstaunlicher Gelehrsamkeit, schwach und eitel und haschte nach Hofgunst.«
Die Kirchengeschichte des Sokrates selbst sowie die des Sozomenos können wir für die politische Geschichte Constantins als selbständige Quellen kaum betrachten, da sie für solche fast nur ein Abklatsch des Eusebius sind.
Der Anonymus Valesii ist eine wertvolle Quelle, für manches die einzige, kurz, aber klar. Der Verfasser muß, wenn die Exzerpte de Odoacro et Theodorico von demselben sind, dem Ende des sechsten Jahrhunderts angehören, aber gute Nachrichten gehabt haben. Er ist Christ, beweist dies aber mehr in dem, was er verschweigt, als in dem, was er sagt.
Gründlicher als vorstehend geschehen, hat Manso, Leben Constantins des Großen, in der ersten seiner Beilagen die Quellen dieser Zeit behandelt, worauf wir verweisen.
Er steht mehrfach in entschiedenem Gegensatze zu Gibbon, der, durch Geist und Urteil verleitet, freilich nicht selten Geschichte erst macht, aber nicht schreibt.
Je länger man Tillemont benutzt, um so mehr wächst das dankbare Anerkenntnis seines seltenen Forscherfleißes. Sein Urteil aber ist durch blinde Ehrfurcht vor der Autorität der Kirchenväter dergestalt beschränkt, daß es, wo er irgend auf solcher Quelle fußt, ohne allen Wert ist.
Burkhardts Werk hat minder Constantins Regierungs- und Lebensgeschichte als die Schilderung der damaligen Zeitverhältnisse überhaupt zum Zwecke.
Dieses Kapitel ist in drei Abschnitte zu sondern, je nachdem zuerst nur ein kleinerer, dann ein größerer Teil, endlich das gesamte Reich Constantin unterworfen war.
A. Vom 12. Mai 305 bis zu des Maxentius Sturz 312
Zwei Kaiser hatten freiwillig, wenn auch der eine ungern, den Purpur mit dem Bürgerkleide vertauscht. Aber noch galt Diokletians Regimentsordnung. Daher rückten die bisherigen Cäsare, Constantius im Westen und Galerius im Osten, ohne weiteres zu Imperatoren und Augusten auf, an deren statt nun wieder zwei Cäsaren zu ernennen waren.
Die Wahl letzterer ward selbstverständlich mit Diokletian beraten: die Entscheidung aber hat dieser sicherlich, wenn auch gegen seine Überzeugung, den neuen Kaisern überlassen.
Nachdem Constantius, dem zuverlässigen Eutropius (X, 1 u. 2) zufolge, jede Erweiterung seiner Herrschaft abgelehnt hatte, ernannte Galerius diese allein. (Galerius etc., cum Italiam quoque, sinente Constantio, administrationi suae accessisse sentiret, Caesares duos creavit.)
So nahe es ihm dabei lag, zunächst auf Maximians Sohn, seinen eigenen Schwiegersohn Maxentius, und, wenn dieser nicht würdig war, jedenfalls auf des Constantius Sohn, den hochausgezeichneten Constantin, die Wahl zu lenken, so stand doch beiden gerade das eigne Recht, letzterem überdies die Überlegenheit seiner Persönlichkeit entgegen. Galerius wollte nur unterwürfige Kreaturen, berief daher zu Mitherrschern seinen Schwestersohn Daja oder Daza, der nun Maximin genannt ward, einen Hirtensohn, der vom gemeinen Soldaten zum Protector, dann zum Tribun aufgerückt, so wie den Severus, der wahrscheinlich ein rechtschaffener und tüchtiger General, aber dem Trunk ergeben war (Lact. c. 18): diesen für Italien und Afrika, jenen für den Orient. Dem Severus ward der Name Flavius, wahrscheinlich um Constantius zu schmeicheln, beigelegt.
Constantin ward im Jahre 274 zu Naissus in Obermösien, wo kurz zuvor Claudius gesiegt, dem Constantius von Helena geboren. Ob diese dessen rechtmäßige Frau oder nur Konkubine gewesen, darüber widersprechen sich die Quellen, selbst die christlichen, und die Forscher, indem Tillemont (S. 534) für und Manso (S. 235) gegen deren Legitimität eigene Abhandlungen geschrieben haben.
Wir halten, ohne in diese Frage tiefer einzugehen, mit Gibbon (C. 14, not. 9) nach dem einstimmigen Zeugnisse Eutrops (X, 1 ex obscuriori matrimonio), des Aurelius Victor (de Caes. 39, c. 22) und des Anonymus Valesii Tillemonts Ansicht für die richtigere. Spätere Schriftsteller haben aus Irrtum oder Haß aus der Mißheirat mit einer Person niedrigen Standes ein Konkubinat gemacht.
Seit des Constantius Ernennung zum Cäsar unstreitig hatte Diokletian dessen Sohn, unter dem Vorwande der Ausbildung und Auszeichnung, in Wahrheit aber als Geisel, bei sich behalten, sicherlich indes auch den jungen Mann bald geschätzt.
(In Palästina sah ihn Eusebius, durch Größe, Schönheit und Kraft vor allen hervorragend, zur Rechten des Kaisers reiten, vit. Const. I, 19.)
Anders Galerius, dem solche Persönlichkeit höchst drückend gewesen und gefährlich erschienen sein mag. Durch Anreizung seines Kriegsmuts und Ehrgeizes mag er den jungen Mann, der ihn gewiß auf Feldzügen begleitete, in allerlei Gefahr gestürzt haben.
Der furchtlose Held aber gewann im Zweikampf über den Barbarenfürsten wie über einen Löwen und in einem tiefen Sumpfe über Sarmaten den Sieg. (Pan. VI, 3, 3. Anon. Val.; ein Fragm. des Praxagoras bei Müller, V, S. 2 d. Pariser Ausgabe v. 1851 und Lact. S. 24.)
Offener oder geheimer Gewalttat wider Constantin mag des Galerius Gewissen aber doch entgegengestanden haben, da wir deren Unterlassung bloßer Furcht vor dessen so weit entferntem und zuletzt schon körperschwachem (Lact. c. 20) Vater oder vor den Soldaten, die jenen liebten, kaum zuschreiben können.
Nun aber forderte Constantius, der erste der beiden Kaiser, wiederholt seinen Sohn zurück. Galerius durfte nicht entschieden weigern, nur hinhalten. Eines Tages aber, nach Empfang des Postpasses, reiste Constantin vor der erst auf den nächsten Tag bestimmten Abschiedsaudienz mit Anbruch der Nacht heimlich ab und hinderte seine Einholung bei der vorausgesehenen Verfolgung durch Lähmung oder Tötung der Postpferde. (Aurelius Victor d. C. 40, 2; Zosimus II, 8; Lact. c. 24.) Im Flug erreichte er seines Vaters Gebiet und traf diesen im Begriff, nach Britannien abzusegeln, unstreitig im Spätsommer 305, noch in Boulogne. (Pan. VI, 7 a. Schl. u. Anon. Val.) Ein Frühjahrsfeldzug gegen die Caledonier in Schottland im Jahre 306 schloß den Heldenlauf des edlen Constantius: am 25. Juli 306 verschied er in York. (Pan. VI, 7, 1 und über den Tag Tillem., Not. 9, S. 545.)
In dessen Preise stimmen Heiden und Christen überein. (Eutrop. X, 1 und Eusebius V, Const. I, 13–17.) Der ruhmvolle Sieger ward S. 273 f. geschildert, des Cäsars weiser Sinn war mehr auf Bereicherung der Untertanen als des Fiskus gewandt, des Menschen mildes und liebevolles Gemüt gewann ihm alle Herzen, so daß er nur von den Feinden gefürchtet ward. Dabei war er ohne Ehrgeiz und Herrschsucht und hierin vor allem reiner und edler als sein Sohn, wie sehr ihn dieser auch an äußerer Herrschergröße übertroffen hat.
Unstreitig hat Constantius ihn selbst zu seinem Nachfolger gewünscht, wozu der älteste seiner Söhne zweiter Ehe, etwa 294 geboren, noch nicht reif war; auch riefen die Soldaten Constantin gleich im ersten Augenblick seines Erscheinens dazu aus (Pan. VI, 8), wozu nach der Epit. A. Vict. C. 41, 3 der in dessen Geleit befindliche Alemannen-Fürst Krokus wesentlich beigetragen haben soll.
Galerius, so erbittert er auch schon über jene Flucht gewesen, mußte gute Miene zum bösen Spiele machen, gestand ihm aber nur Rang und Titel eines Cäsars zu. Bald jedoch traf Galerius ein härterer Schlag. Maxentius, der Gemahl seiner Tochter aus früherer Ehe (vergl. Lact. c. 50), der Sohn des Maximian, dessen Legitimität jedoch bezweifelt ward (Epit. A. Vict. c. 40, 13 u. Anon. Val.), usurpierte am 27. Okt. 306 (Lact. c. 44) die Kaiserwürde in Rom, in dessen Nähe er auf einer Villa wohnte (Epit. A. V. c. 40, 2). Constantins Vorgang mochte reizen: die Mißstimmung der durch die Erhebungsweise der neuen Steuern erbitterten Römer, vor allem aber die der schon von Diokletian zurückgesetzten Prätorianer gegen Galerius erleichterte das Unternehmen. (Lact. c. 26 u. Zosim. II, 9.)
Maxentius rief seinen in Lucanien weilenden Vater, auf der Soldaten Anhänglichkeit vertrauend, zu Hilfe, der mit Freuden den ungern abgelegten kaiserlichen Purpur wieder annahm. Wir folgen hierin Lact. c. 26, gegen Zosim. c. 10 u. Anon. Val., welche dies erst nach des Severus Niederlage erwähnen, weil die erstere Meinung ungleich wahrscheinlicher ist.
Sofort sandte Galerius den Cäsar Severus, der eigentlich der unmittelbar Beraubte war, von Mailand aus wider Maxentius ab. Severus führte Maximians alte Truppen, welche, für ihren Kaiser und dessen Sohn leicht gewonnen, von dem neuen Herrscher abfielen. Severus floh nach dem festen Ravenna, aus dessen Mauern und Sümpfen der alte Maximian ihn mit trügerischen Versprechungen hervorlockte, ihn dann eidbrüchig als Gefangenen nach Rom bringen und zu tres tabernae auf der Via Appia im Jahre 307 töten ließ. (Anon. Val.)
Des Galerius Rache fürchtend, eilte derselbe hierauf nach Gallien, Constantin für sich zu gewinnen. Dieser hatte inzwischen schon in seinen ersten Waffentaten als Feldherr das Pfand künftiger Siege gegeben. Frankenscharen waren nach des Constantius Tod in römisches Land eingebrochen. Constantin siegte und nahm, wahrscheinlich im Rücken angreifend, deren Führer Askarich und Gaiso gefangen, die er bei einem feierlichen Festspiele den – wilden Tieren vorwerfen ließ. (Eutrop. X, 3; Pan. V, 4, 2; VI, 10, 2 und 11 und IX, 16, 5.)
Unser Gefühl empört sich: die römische Kriegsraison aber glaubte, daß Abschreckung der Führer das sicherste Mittel gegen vertragsbrüchige (Daß die »treulose« Verletzung abgezwungener Verträge von den Germanen nicht immer aus Mutwillen, sondern meist wohl aus zwingender Not geschah, erstaunte oder würdigte man nicht. Seine christliche Frömmigkeit hat den großen Constantin, den »Heiligen«, von Scheußlichkeiten gegen Christen und Heiden nicht abgehalten. D.) Germanen sei. Auch Alemannen, deren Eutrop ebenfalls als Besiegter gedenkt, müssen sich damals geregt haben. Dies geschah, wo nicht noch Ende des Jahres 306, spätestens Anfang 307.
Maximian gab seine Tochter Fausta Constantin, der sich deshalb von seiner frühern Gattin Minerva trennte, zur Gemahlin und gab ihm mit ihr den Titel eines Augustus (was der V. Panegyricus feiert), vermochte ihn aber, wie man mit Sicherheit annehmen darf, zu sofortigem Angriffe gegen Galerius nicht zu bewegen, kehrte vielmehr allein nach Rom zurück, um mit Maxentius der Herrschaft zu pflegen.
Unstreitig fand Constantins Scharfblick es geratener, die Machtgenossen sich untereinander aufreiben zu lassen und nachher erst selbst auf den Plan zu treten.
Inzwischen war Galerius in Person gegen Rom aufgebrochen, sein Heer aber nicht stark genug, die Stadt, in welche sich Maxentius, jedwede friedliche Unterwerfung ablehnend, eingeschlossen, zu belagern: ja ein Teil der Truppen ging, verlockt, zu diesem über, so daß er, Severus Schicksal fürchtend, eilend wieder abzog und den Soldaten, diese zu versöhnen, das vom Marsche betroffene Italien zur Plünderung preisgab.
Erst nachher wohl traf Maximian wieder in Rom ein, gefiel sich aber neben seinem Sohne so wenig, daß er aus Begier nach Alleinherrschaft diesem vor versammeltem Heere den Purpurmantel abriß. Allein der Staatsstreich mißlang: die Soldaten, denen sich Maxentius in die Arme warf, mochten die Schwäche des Sohnes des Vaters Strenge vorziehen, so daß dieser, aus Rom verbannt, wieder nach Gallien flüchtete. (Eutrop. X, 3; Pan. VI, 14, 6; Lact. c. 28 und Zosim. II, 11.)
Da Galerius bald darauf Diokletian in Carnuntum aufsuchte, eilte auch Maximian dahin, diesen zu Wiederannahme der Regierung zu bewegen. »Wenn ihr, erwiderte ablehnend der Weise, meinen in Salona gepflanzten Kohl sehen könntet, würdet ihr mir dies Wagnis nicht anraten.«
Darauf ernannte Galerius seinen alten Waffengefährten im Perserkriege, Licinius, und zwar sofort zum Augustus, Maximian aber kehrte nach Gallien zurück.
Diese Ereignisse von Severs Niederlage an werden von Tillemont (Not. 19 über Const., S. 559) und von Manso (S. 289) alle in das Jahr 307 gesetzt, was kaum möglich scheint. Wir nehmen mit Idatius Fasten den 11. November 308 für des Licinius Erhebung an. Dessen Bevorzugung aber erbitterte Maximin, der schon seit drei Jahren Cäsar war: Galerius wollte dadurch nachhelfen, daß er die Cäsarwürde ganz aufhob und Maximin nebst Constantin zu Kaisersöhnen (filios Augustorum) ernannte: der Gekränkte aber beharrte auf seinem Willen und nahm eigenmächtig den Kaisertitel an (Lact. c. 32), was Galerius niemals anerkannt hat, wie dies das unten anzuführende Widerrufsedikt vom Jahre 311 außer Zweifel setzt.
Der herrschsüchtige Alte ruhte nicht; was gegen den Sohn mißglückte, mochte gegen den Schwiegersohn gelingen. Liebevoll nahm ihn dieser, der eben am Rheine kriegte, auf und eilte, auf des kriegserfahrenen Maximian Rat, mit einem nur schwachen Heere wieder dahin zurück. Kaum aber war er hinreichend entfernt, als der Treulose die Herrschaft usurpierte, des Schatzes sich bemächtigte und damit wenigstens einen Teil des Heeres gewann. Auf die Nachricht, daß Constantin zurückkehre, warf er sich in das feste Marseille. Mit Blitzes-Schnelle folgte dieser nach, Maximians Soldaten öffneten ihm die Tore: dem Verräter ward der Purpur entrissen, das Leben aber vergönnt. (Pan. VI, 20, 3 und Lact. 29.) Der Vergebung unwürdig sann er, offener Gewalt nicht mehr fähig, auf Meuchelmord. Die von Lact. (c. 30) erzählte Geschichte, wie er seine Tochter Fausta beredet, des Gemahls Schlafgemach offen zu lassen, diese zusagt, es letzterem aber verrät, Maximian hierauf an Constantins statt einen Eunuchen in dessen Bett ermordet, auf der Tat ergriffen und sich selbst zu töten genötigt wird, klingt zu romanhaft, um vollen Glauben zu verdienen, obwohl die Hauptsache feststeht. (Aur. Vict. d. C. c. 21, 22 u. Epit. 40, 5.)
So endete im Jahre 310 der Mann, der zwanzig Jahre hindurch, so lange er von Diokletians Geist und Willen getragen ward, wenn auch nicht fleckenlos, doch ruhmvoll regierte, von seinem guten Genius verlassen aber zum Spielball des niedrigsten Ehrgeizes herabsank, durch welchen er in gleicher Verblendung wie Verruchtheit unterging.
Während dieser Zeit 307 bis 310 strebte Constantin, Gallien gründlich gegen die Germanen zu sichern.
Die Quellen darüber sind nur die Panegyriker Eumenes (VI, 12 13) und Nazarius (IX, 18 u. 19), so wie, äußerst dürftig, Euseb. K.-G. I, 25. Die Sprache der Lobhudelei verwirrt und verwischt die Tatsachen, der Hergang scheint indes folgender gewesen zu sein.
Constantins Sieg über Franken, mehr noch dessen Verfahren wider deren Fürsten, mag alle Germanen am Rhein, von jenen aufgewiegelt, zu einem Gesamtbunde gegen ihn getrieben haben. »Wie erwähne ich, sagt Nazarius c. 18, die Brukterer, wie die Chamaver, wie die Cherusker, Vangionen (nach anderen Handschriften Chabionen), Alemannen, Tubanten? Diese alle, zuerst einzeln, dann gleichmäßig in Waffen, waren in bundesgenössische Verschwörung entbrannt.«
Solche Vereinigung bedurfte der Zeit: und noch ehe sie vollbracht war, fiel der Cäsar, wahrscheinlich bei Köln übergehend, in das Gebiet der Brukterer ein. (Exercitu repente trajecto inopinantes adortus es. Eum. VI, c. 12.) Sofort dringt er auf deren Hauptheer vor, reitet verkleidet mit nur zwei Begleitern an die feindlichen Vorposten heran, redet mit ihnen und beteuert die Abwesenheit des Cäsars. Plötzlich aber greift er die sicher Gewordenen an und schlägt sie auf das Haupt. Innumerae simul gentes ad bellum coactae, sed uno impetu tuo fusae, dum collativam vim comparant, compendiosam victoriam praestiterunt. Nazar. c. 18 a. Schl.) Darauf ergoß sich das Heer in jene systematische Verheerung des Brukterer-Landes, wofür die Römer so furchtbares Geschick hatten. Unzählige wurden niedergehauen, sehr viele gefangen, alle Dörfer verbrannt, was sich an Vieh fand, genommen oder getötet, alle erwachsenen Männer, weil zum Kriegsdienste zu unzuverlässig, zur Knechtschaft zu trotzig, in Festspielen den wilden Tieren vorgeworfen, »welche sie durch ihre Menge ermüdeten«.
So der Lobredner Eum. c. 12: er spricht die Sprache der Übertreibung, aber Sieg und Züchtigung waren gewiß bedeutend.
Damit aber sein Schwert fortwährend über ihren Häuptern hänge, erbaute Constantin eine stehende Brücke über den Rhein, mit der er eben beschäftigt gewesen sein muß, als die Ankunft seines von Rom verbannten Schwiegervaters ihn im Jahre 308 für einen Augenblick in das Innere, etwa in die Gegend von Besancon oder Lyon, zurückrief.
Von weiteren Taten in Gallien wissen wir nichts, können aber nicht zweifeln, daß die Vollendung jener Brücke (welche nach Fiedler, Geschichte und Altertümer des unteren Germaniens, 1824, S. 105, noch zu Kaiser Ottos I. Zeiten bestanden und dann zum Bau der Pantaleonskirche abgebrochen worden sein soll) und vermehrte Grenzbefestigung ihn vor allem beschäftigt haben. Gewiß war der Grenzschutz damals, besonders auch durch eine starke Rheinflotte, wieder vollkommener als seit langer Zeit (Eum. VI, 13 und Pan. VIII v. J. 313, c. 2.)
Aber auch im Innern mag er sorglich, weise und milde gewaltet haben, was wir, wenigstens vom Autuner Bezirk (aus Eumenes Dankrede vom Jahre 311) mit Sicherheit wissen, nach welcher derselbe hier die Grundsteuer um ein Vierteil herabsetzte und fünfjährige Rückstände erließ. (Pan. VII, 11, 3 und 13, 1.)
Es ist hier der Ort, im Rückblick auf die Entwicklungsgeschichte der Franken die fortdauernde politische Sonderexistenz der Brukterer und der übrigen von Nazarius (c. 18) genannten Völker hervorzuheben. »So viel Staaten (regna), so viel Völker, so großer Nationen Vereinigung«, sagt er bald darauf (c. 18) von obigen gegen Rom verbündeten Germanen.
Das Hauptvolk in diesem Kriege müssen die Brukterer gewesen sein, weil Eumenes (VI, c. 12) diese und die Verwüstung ihres Landes allein erwähnt; auch die anderen bekannten Nachbarvölker mögen mit Heerbann zugezogen sein, von den so entfernten Cheruskern (Alle diese Namen für bloße archaisierende Rhetoren-Phrasen zu erklären sind wir doch kaum befugt. D.) gewiß aber nur einzelne Gefolgsscharen, ebenso von den Chaibonen, in denen wir die Reste der von Maximian vernichteten Raubfahrer zu erkennen haben, indem wir diese Lesart der »Vangionen« vorziehen, da letztere römische Untertanen waren, obwohl allerdings auch ein Teil von ihnen, vielleicht im Anschluß an Alemannen, auf das rechte Rheinufer übergesiedelt haben könnte.
Von den übrigen Reichsteilen wissen wir aus jener Zeit wenig. Galerius erwarb sich durch (teilweise) Trockenlegung des Plattensees in Pannonien ein Verdienst und bildete in der Umgegend eine neue Provinz unter dem Namen seiner Gemahlin: »Valeria«. (Aur. Vict. d. C. c. 40, 9.) Maxentius schwelgte und raubte in Rom, hatte aber in Afrika einen schweren Kampf mit dem Empörer Alexander zu bestehen, den er erst nach mehreren Jahren besiegte, worauf er an dem unglücklichen Karthago und den schönsten Teilen Afrikas furchtbare Rache übte. (Aur. Vict. a. a. O. 17, 19; Zosim. II, c. 12 u. 13.)
Im Jahre 310 hatte Galerius ein krebsartiges Übel ergriffen, dessen Fortgang Lactantius (c. 33) und Eusebius (VIII, 16) mit der ekelhaftesten Umständlichkeit beschreiben. Auf dem Gipfel der Schmerzen und Gewissensangst erließ er nun am 30. April 311 in seinem, Constantins und Licinius Namen Hieraus erhellt, daß Galerius Constantins Erhebung zum Augustus durch Maximian anerkannt, Maximin aber fortwährend nur als Cäsar behandelt haben muß, obwohl dies mit Lactantius (c. 32 a. Schl.) nicht übereinstimmt. Das Widerrufungsedikt aber ward auch von letzterem anerkannt. jenen merkwürdigen Widerruf des Diokletianischen Edikts gegen die Christen, den uns Eusebius (VIII, 17) und (minder vollständig) Lactantius (c. 34) aufbewahrt haben, worin er zwar die Rechtmäßigkeit und gute Absicht des ersteren wieder hervorhebt, dessen Zweck aber für verfehlt erklärt, daher aus Milde die Rückkehr zu der früheren Duldung der Christen verordnet.
Wenig Tage nachher starb der Kaiser, über dessen Persönlichkeit die Urteile der Quellen im schroffsten Gegensatze stehen.
Nach Lactantius (c. 21, 23, 25, 31 u. 32) ein Ungeheuer, wie kaum eines zuvor den Thron der Welt besudelt, war er nach Eutrop (X, 2) ein Mann, wohlgeartet (oder rechtschaffen, probe moratus) und ausgezeichnet im Kriegswesen. Die Epitome (c. 40, 15) nennt ihn gerecht, wenn auch in roher und bäurischer Weise (inculta agrestique justitia), hinreichend lobenswert, schön und so hervorragend wie glücklich als Kriegsführer: auch Aurelius Victor scheint (de Caesaribus c. 40), obwohl die Stelle etwas dunkel ist, von dessen glücklichen Anlagen zu sprechen.
Wir würden, wenn es der Mühe lohnte, einem Schriftsteller wie Lactantius gründliche Widerlegung zu widmen, selbst aus einer eignen Stelle desselben (c. 20), sowie aus des Eusebius Schweigen über Galerius, Waffen gegen erstern entnehmen können, beschränken uns aber auf unser eignes Urteil. Nach diesem war Galerius keineswegs bösartig, vielmehr das Gute wollend und ohne Herrschsucht: denn wie hätte er sonst drei Vierteile seiner Gewalt abtreten können? aber ungebildet, ohne Seelenadel, nur physischen, aber nicht moralischen Muts.
Sogleich nach seinem Tode eilte Maximin sich der erledigten Lande zu bemächtigen, gelangte aber, da Licinius ihm entgegentrat, nur zum Besitze von Bithynien, während alle europäischen Provinzen Licinius verblieben.
Maximin vertraute sich des Galerius Witwe und deren Mutter Prisca mit dessen natürlichem, damals siebzehnjährigen Sohne Candidianus an (Lactantius c. 20), wobei die nicht zu lösende Frage nahe liegt, ob diese zu Diokletian, ihrem Vater und Gemahl, nicht zurückkehren wollten oder nicht durften.
Noch in demselben Jahre bereitete sich einer der Kämpfe vor, die den Wendepunkten der Menschengeschichte angehören – der zwischen Constantin und Maxentius. Wir haben darüber (in den Pan. VIII u. IX) gute, aber ihres Zweckes halber nicht unbefangene Quellen. Dies gilt besonders von des Krieges Veranlassung.
Maxentius, der an Frevel wollüstiger Begier, an Raubsucht und schonungslosem Morden den schlechtesten der schlechten Kaiser nahe gestanden haben mag, muß doch viel politischen Verstand, namentlich großes Geschick für Bildung einer furchtbaren Armee, für Gewinnung und Erhaltung nicht nur der Soldaten, denen er alles nachsah, sondern auch tüchtiger und treuer Führer besessen haben. Seine Herrschaft umfaßte lange Zeit hindurch nur Italien, da sich der Tyrann Alexander Afrikas bemächtigt hatte (s. Zosimus II, 12 u. Aurelius Victor de Caesaribus c. 40, 17–20), welches er erst im Jahre 311 (wie auch Eckhel VIII, p. 60 annimmt) ganz wieder erobert haben kann, während das zu seines Vaters Reichsteil noch gehörig gewesene westliche Illyricum nach Zosimus (II, 14) in des Licinius Besitz war. Gleichwohl wagte Galerius, vielleicht auch weil er wegen seines Zerwürfnisses mit Maximin auf diesen nicht rechnen durfte, keinen neuen Angriff. Sicher nach dieser Seite mag daher Maxentius mit Recht den gefährlichsten Gegner seiner Zukunft in dem kriegerischen Constantin erkannt haben. Indes muß die erste Berührung zwischen beiden nach Nazarius (Pan. IX, c. 9, 1) von letzterem ausgegangen sein, der »obwohl von Maxentius noch nicht gereizt, doch ein Feind seiner Laster gewesen sei«. Verlangte Constantin vielleicht, der andere solle sich ihm, dem Augustus, als Cäsar unterordnen?
Wir wissen nur, daß Maxentius (nach c. 10, 3) alle Anträge zurückwies, worin der Panegyriker allein hinlänglichen Grund zu dessen Bekriegung findet. Vermutlich rüsteten nun sowohl Constantin als sein Gegner, der diesem unter anderem auch die Tötung seines Vaters vorgeworfen haben soll. (Zosim. II, 14.) In dieser Zeit offenen Haders ließ nun auch Maxentius Constantins unstreitig durch obige Gesandtschaft ihm übersandte Bilder herabnehmen und verunzieren. (Naz. a. a. O. c. 12, 2.) Darauf entbrannte der Krieg, in welchem sich Constantin ebenso tüchtig zum Siege, als mild nach dem Siege bewährte.
Des Maxentius Heer hatte (nach Zosimus c. 15) die Stärke von 170 000 Mann Fußvolk und 18 000 Reitern, Constantin, der bedeutende Streitkräfte zu Galliens Deckung zurücklassen mußte, aber doch auch wieder viel Germanen angeworben hatte, nur 90 000 zu Fuß und 8000 zu Roß. Diesen Zahlen steht freilich das Zeugnis des Paneg. VIII, 3, 3: »vix enim quarta parte exercitus contra centum millia hostium Alpes transgressus est« entscheidend entgegen. Auch verdient derselbe, der nur ein Jahr nachher gehalten ward, an sich mehr Glauben, als der so viel spätere Zosimus. Der Lobhudelei allein kann auch nur die Schwäche von des Constantius Heer im Verhältnis zum feindlichen, die sicherlich höchst übertrieben ist, nicht aber die bestimmte Angabe der Stärke dieses letzteren beigemessen werden. Zosimus muß aber für diesen Krieg eine gute Spezialquelle gehabt haben, da er nicht allein die Truppenzahl des Gesamtheeres, sondern auch die der einzelnen Bestandteile desselben anführt. Wir haben daher kein Bedenken gefunden, die genauere Berechnung, die an sich nicht unverhältnismäßig ist, der völlig vagen des Panegyrikers vorzuziehen, obwohl erstere gewiß auch von der in römischen Angaben so gewöhnlichen Übertreibung nicht ganz frei ist.
Im Fluge zog letzterer über den Mont-Cenis und nahm sogleich die Grenzfestung Susa mit Sturm, wobei er das ausgebrochene Feuer, zur Rettung der Stadt, mit größter Anstrengung wieder zu löschen suchte.
Vor Turin stieß er im Po-Tale auf das feindliche Heer, dessen Kern die im Zentrum aufgestellte schwere Reiterei (Clibanarier, Cataphracten) bildete, die, Mann und Roß gepanzert, durch gewöhnliche Waffen unverwundbar waren. Er aber bewehrt seine Truppen mit schweren eisenbeschlagenen Keulen und weicht vor diesen Panzerreitern, wie sie in keilförmiger Schlachtordnung auf ihn eindringen, so weit zurück, bis er die auf der Verfolgung unstreitig schon in einige Unordnung Geratenden mit seinen ungleich beweglicheren Truppen umzingelt hat. Da dringen diese, mit ihren Keulen auf die Köpfe schlagend, gegen sie ein, die plumpe Masse verliert Schluß und Haltung, wodurch sie allein gefährlich war, über einen Niedergeschlagenen stürzen viele andere, wieder aufstehen kann keiner, so daß endlich alle, wie der Panegyriker Nazarius (c. 24) wohl nicht ohne Übertreibung sagt, auf dem Platze bleiben.
Turin und Mailand nehmen den Sieger mit Freuden auf. Des Maxentius Heer wirft sich in das feste Verona – merkwürdiger Beweis für den gleichen Kriegsverlauf in alter und neuer Zeit, wo die Natur der Strategie die Bahnen vorzeichnet. (Pan. VIII, 5, c. 6 u. 8 u. IX, 21 bis 21)
Bei Brescia stieß Constantin noch auf ein starkes Reiterkorps, das sich aber, anscheinend ohne ernstlichen Widerstand, sogleich nach Verona zurückzog (IX, 25, 1.)
Hier kommandierte Ruricius, des Maxentius tüchtigster Feldherr. Das linke Ufer der Etsch war wohl verteidigt, Constantin aber setzte, die feindlichen Positionen umgehend, oberhalb derselben über den Strom und schloß die Festung auf beiden Ufern ein. Ruricius machte, eine bedeutende Verstärkung an sich zu ziehen, einen Ausfall, der auch vollkommen gelungen sein muß, da der Succurs in die Festung gelangte. Bald darauf, wenn nicht noch am Abend desselben Tages, brach er unerwartet mit vermehrter Kraft aufs neue aus. Weit in die Nacht hinein wütete die Schlacht. O nox illa aeternis seculis mandanda! ruft Nazarius c. 26 aus. Constantin muß in äußerster Bedrängnis gewesen sein: denn dies nur, nicht gemeine Tollkühnheit, kann ihn getrieben haben, sich persönlich in das dichteste Schlachtgewühl zu stürzen, um anfeuernd und mit riesiger Kraft Bahn brechend Sieg oder Tod zu suchen. Ruricius fiel – das entschied. (VIII, 8–10, IX, 26.)
Über das weitere Schicksal des Platzes findet sich nichts, indes scheinen die Anfangsworte des 11. Kap. Pan. VIII: »Als Du, nach der den Belagerten gewährten Zeit zur Reue, auch Aquileja eingenommen«, auf Übergabe beider Städte zu deuten. Diese muß auf Gnade und Ungnade erfolgt sein: denn es wird von Constantin gerühmt, daß er den Besatzungen das Leben geschenkt und sie nur, zur Verhütung der Desertion, in Fesseln habe schlagen lassen, welche, weil es an fertigen Ketten gebrach, aus den Schwertern der Soldaten geschmiedet wurden, worüber Eumenes drei Kapitel (11, 12 u. 13) verliert.
Fest war die Treue der Maxentianer gegen ihren unwürdigen Herrn! Des Severus und Galerius Soldaten gehen zu ihm über, keiner der Seinen zu Constantin.
Nachdem dieser hierauf Modena eingenommen (IX, 27, 1), zog er gegen Rom. Die Apenninen waren unverteidigt.
Maxentius unterdrückte die bösen Nachrichten, versteckte sich, verließ sogar zwei Tage vor Constantins Anmarsch den Palast (VIII, 16, 5). Rom war mit großen Getreidevorräten versehen: eine langwierige Verteidigung der Stadt, wie gegen Galerius, schien zu erwarten.
Da plötzlich wandelt sich des Tyrannen Sinn: nach sechsjährigem feigen Schwelgen fährt ein Blitz von Mut in seine Seele: am 26. Oktober 312, dem Vorabende seines sechsjährigen Regierungsantritts, führt er (mutmaßlich durch mißverstandene Anzeichen getrieben) sein immer noch außerordentlich starkes Heer in die Schlacht und stellt es gegen Constantin so auf, daß es den Tiber mit der milvischen Brücke im Rücken hat. Das tut nur ein Feldherr, der, um des Sieges sicher zu sein, einen Platz wählt, auf dem er siegen oder fallen muß. Über den Verlauf der Schlacht wissen wir wenig: nach Paneg. (VIII, c. 17, 1) hielten nur die Prätorianer, welche keine Verzeihung hoffen durften, tapfer Stand, die Walstatt mit ihren Körpern deckend, während die anderen, bald fliehend, sich in den Tiber stürzten; nach Nazarius (c. 29) scheint es indes heißer hergegangen zu sein, da wiederum von Constantins Heldentaten auf dem bedrohtesten Punkte der Schlachtlinie die Rede ist.
Nach Zosimus (II, 16) wichen zwar die aus Italien herbeigezogenen Truppen, welche den Tyrannen haßten, bald: die übrigen, besonders die Reiterei, fochten tapfer, und erst als auch diese nach ungeheurem Menschenverluste unterlagen, zog sich Maxentius mit dem Reste zurück.
Unzählige verschlang der Tiber: unter ihnen Maxentius selbst, dessen Roß, wahrscheinlich von dem steilen, bereits erreichten jenseitigen Ufer abgleitend, sich rückwärts mit ihm in den Strom überschlug (VIII, 17, 2 »frustra conatum per abrupta ulterius ripae evadere«).
Des Maxentius Körper ward, wohl wegen seiner schweren Rüstung, tags darauf an derselben Stelle gefunden.
Eusebius (V. C. I, 38) erzählt, die geschlagene Schiffbrücke (gewiß mehrere außer der steinernen milvischen) sei, um die Feinde zu verderben, in der Mitte durch eiserne Bolzen verbunden gewesen, durch deren Herausnahme die nächsten Kähne, Spannung und Tragkraft verlierend, unter der Last sinken mußten, und in dieser Fallgrube sei Maxentius selbst untergegangen: dem folgt auch Zosimus (c. 16), der jedoch die Brücke brechen läßt.
An dieser Geschichte, die auf den ersten Blick beinahe mit Rücksicht auf Psalm 57, 7 Ps. 57, 7: »Sie graben vor mir eine Grube und fallen selbst darein.« erfunden zu sein scheint, mag so viel wahr sein, daß eine ähnliche Vorrichtung für den Rückzugsfall gegen den verfolgenden Feind getroffen worden: daß aber Maxentius selbst deren Opfer geworden, ist sicherlich unwahr, da der ungenannte Panegyriker, der seine Lobrede nur ein Jahr später hielt, diesen gerade für seinen Zweck so denkwürdigen Umstand nicht erwähnt und es ohnehin ungleich wahrscheinlicher ist, daß Maxentius aus Furcht, im ungeheuren Gedränge eines solchen Brückenübergangs (Anon. Val.) gefangen zu werden, im Durchschwimmen sich retten zu können glaubte.
Das war jener durch Raphaels berühmtes Gemälde im Vatikan verherrlichte, denkwürdige Sieg, den man als den Triumph des Christentums über das Heidentum dargestellt hat. Nicht mit Unrecht, wenn man denselben als das Fundament von Constantins Größe betrachtet, der das Christentum zur Staatsreligion erhob: irrtümlich aber, insofern man Maxentius als Vertreter des Heidentums betrachten wollte, was er niemals gewesen ist. In wie weit bei der Entscheidung übrigens das christliche Element unmittelbar eingewirkt habe, wird später bei der allgemeinen Erörterung von Constantins Verhältnis zum neuen Glauben Erwähnung finden.
Lauter Jubel in Rom, als der Befreier, dem des Tyrannen Haupt vorangetragen ward, feierlich, einzog. Und nicht bloß vergänglicher Rausch des Augenblicks, Milde krönte den Sieg. Nur des Maxentius Stamm ward ausgerottet (Pan. IX, 6, 6), dessen vertrauteste Freunde wurden getötet (Zosim. c. 17) und die Prätorianer, unter Schleifung ihres Festungslagers, ganz aufgehoben, im übrigen aber die Rache- und Reaktionsgelüste der Römer unterdrückt. Blieb in so enger Grenze die Strafe, so ergoß sich desto breiter der Strom der Rettung über des Maxentius unglückliche Schlachtopfer, die Kerker öffneten sich, die Verbannten kehrten heim, geraubte Güter wurden erstattet.
Constantins Politik entsprach es, dem Senat zu schmeicheln, dem er (nach Pan. VIII, 20, 1) seine frühere Autorität wieder gegeben haben soll, was jedoch eine leere Phrase ist; der Sieger ward aber auch von diesem, dessen Lücken – Folge so vieler Tötungen – er durch ausgezeichnete Männer aus den Provinzen ergänzte, mit Dankbezeugungen überschüttet: des Maxentius Bauwerke wurden ihm gewidmet, Statuen in Masse aufgestellt und die Errichtung jenes heute noch stehenden Triumphbogens beschlossen.
B. Von des Maxentius Tod am 27. Oktober 312 bis zu des Licinius Sturz im Jahre 324
Bereits zu Anfang des Jahres 313 (s. Tillemont IV, S. 232) trat Constantin die Rückkehr nach Gallien an. In Mailand traf er Licinius, mit dem er sich schon vor Beginn des Krieges mit Maxentius verständigt und dem er die Hand seiner Schwester Constantia zugesagt hatte, welche ihm daselbst vermählt ward. Der zu dieser Feier geladene Diokletian entschuldigte sich mit Altersschwäche, was ihm als Begünstigung Maximins ausgelegt worden sein soll. (Epitom. c. 391 7.) Bald darauf endete der würdige Mann.
In Gallien angelangt, eilt Constantin an den Niederrhein, jenseits dessen die Franken ein Heer drohend zusammengezogen hatten. Um sie herüber zu locken, gebraucht er die Kriegslist eines plötzlichen Abzugs gegen stromaufwärts eingebrochene Scharen, verbirgt aber ein angemessenes Korps in der Nähe: dieser Plan gelingt: nach einer Niederlage der Franken folgt ein verheerender Strafzug durch deren Gebiet, übrigens das ganze Vorgänge von anscheinend geringerer Bedeutung, der Panegyriker VIII, 22–24 ihnen beilegt. Auch diesmal wurden die Gefangenen den wilden Tieren vorgeworfen (a. a. O. 23, 3).
Maximin, der schon auf die Nachricht von des Licinius Verlobung mit Constantins Schwester nach Lactanz (c. 33) ein geheimes Bündnis mit Maxentius abgeschlossen haben soll, merkte nach der Vermählung die Absicht und eilte, dem drohenden Ungewitter zuvorzukommen, noch in den ersten Monaten des Jahres 313 unter den größten Marschhindernissen nach Bithynien, von wo er, über den Bosporus setzend, in Thrakien einfiel, Byzanz und Korinth oder Heraklea einnahm und zwischen diesem Orte und Adrianopel auf den im Fluge herbeigeeilten Licinius stieß, der dessen 70 000 Mann nur 30 000 entgegenzusetzen hatte. Vor der Schlacht soll, nach Lactantius c. 46, der einzigen Spezialquelle über diesen Krieg, Maximin dem Jupiter die Vertilgung aller Christen gelobt haben, Licinius aber in der Schlacht ein Engel erschienen sein, der ihm das neun Zeilen lange deistisch-christliche Gebet vorsagte (– selbst in der Legende ein ungewöhnlich langes Mirakel! D.) –, welches der Kaiser am andern Morgen mit der Parole an die Soldaten ausgeben läßt, was diese mit Siegvertrauen erfüllt haben soll. Am 30. April 313, dem Vorabende seiner sechsjährigen Regierungsfeier, führt Maximin sein Heer zur Schlacht. Die Licinianer nehmen die Helme ab, erheben die Hände und sprechen dreimal das ihnen vorgesagte Gebet nach. Ein Gespräch der Imperatoren führt zu keinem Verständnis.
Des Licinius Truppen, welche Maximin fruchtlos ihm abtrünnig zu machen versucht, greifen mutig an: die des letztern vermögen, erschrocken, weder das Schwert zu ziehen, noch ihre Geschosse zu werfen, werden daher ungestraft in so großer Zahl von so wenigen niedergehauen.
Die Hälfte bleibt, die andere ergibt sich oder flieht: Maximin selbst entweicht in Sklaventracht über die Meerenge und zwar in sechsunddreißig Stunden vom Schlachtfeld bis zu dem zweiunddreißig deutsche Meilen entfernten Nikomedien.
So Lactantius (c. 36–37), dessen Darstellung wir hier genau wiedergeben, deren Kritik unsern Lesern anheimstellend, mit dem Bemerken jedoch, daß einige Hinneigung zum Christentume bei dem soeben von Constantin gekommenen Licinius nicht unwahrscheinlich ist. Eusebius (K.-G. IX, 10) drückt sich nur so aus, wie ein Christ es darf und soll, indem er dem Herrn auch diesen Sieg im Allgemeinen zuschreibt; Zosimus (c. 17) läßt in der Schlacht erst Maximin im Vorteil sein, dann aber Licinius siegen.
Lactantius läßt diesen erst im nächsten Jahre seinen Gegner verfolgen, welche Unwahrscheinlichkeit selbst Tillemont, sonst dessen blindem Nachbeter, zu stark ist. (IV, S. 247.)
Maximin floh von Nikomedien über den Taurus, besetzte dessen Pässe, suchte in Syrien und Ägypten ein neues Heer zu sammeln, starb aber, wie man vermutet, bereits im August desselben Jahres 313, anscheinend zu derselben Zeit, da Licinius den Taurus zu forcieren suchte. Qualvoll war, nach Eusebius (X, 10) und Lactantius (c. 4), der ihn Gift nehmen läßt, dessen Tod, dem aber in den letzten Tagen noch Bekehrung zum Christentume vorausgegangen sein soll.
Auch Maximin wird von den christlichen Schriftstellern unstreitig schlimmer dargestellt, als er war. Die Epitome (Aur. Vict. c. 40, 18) legt ihm Sinn für Bildung, ruhigen Geist, aber Trunksucht bei, so daß er, was ihm jedoch zur Ehre gereicht, befohlen habe, die Vollziehung seiner im Zustande der Trunkenheit gegebenen Befehle bis zu dem der Nüchternheit zu verschieben.
Die Christen mag er gründlich gehaßt und deshalb auf administrativem Wege die Wirkungen der durch des Galerius Edikt vom Jahre 311 ausgesprochenen Duldung möglichst zu schmälern gesucht, sogar Intrigen gegen sie veranlaßt haben. Auch mögen Freveltaten gegen einzelne, namentlich drei Bischöfe (Euseb. IX, 16), unter irgendwelchem Vorwande verübt worden sein. Nur Mißverstand der offenbar einseitigen und haßerfüllten Berichte des Eusebius (IX, 2 bis 8) und des Lactantius (c. 36) aber würde die Erneuerung einer allgemeinen Christenverfolgung unter ihm behaupten können.
Des Galerius Witwe, die würdige Valeria, wurde (wieder nur nach Lact. c. 39–41) durch das stürmische Verlangen nach ihrer Hand in Verzweiflung gesetzt, so daß sie in der syrischen Wüste ein Versteck gesucht haben soll: Diokletians wiederholtes Verlangen um deren Rücksendung wurde angeblich zurückgewiesen.
Noch Härteres aber stand der Ärmsten bevor, als sie in des Licinius Hand gefallen war. Unzweifelhaft wilderen Gemüts als Maximin ließ er nicht nur des letzteren Haus, Gemahlin und zwei Kinder, wie dessen vertrauteste Beamte, sondern auch den Sohn des Galerius, Candidianus, und den Severs, Severianus, vor allem aber die unglückliche Valeria, seines Freundes und Wohltäters Galerius Witwe, und deren Mutter, nachdem sie sich fünfzehn Monate lang vor ihm verborgen hatten, töten. (Lact. c. 50 und 51; Euseb. IX, 11.)
So war nun die Zahl der Herrscher im Reiche von sechs Maximian, Galerius, Constantin, Licinius, Maximin und Maxentius. auf zwei herabgesunken: Constantin aber war nicht der Mann, sich mit der Hälfte zu begnügen.
Treffend sagt Eutrop (X, 5): »Der gewaltige Mann, alles zu vollbringen strebend, was er im Geiste vorbereitet und nach der Gesamtherrschaft über die Welt Begier tragend, begann den Krieg wider Licinius, obgleich seinen nahen Verwandten.«
So im Wesentlichen auch Zosimus (c. 18). Der Anonymus des Valesius dagegen berichtet: Constantin habe dem Gemahl seiner zweiten Schwester Anastasia, Bassianus, die Cäsarwürde und Italien versprochen, Licinius aber seine Zustimmung verweigert, zugleich aber den Bassianus durch dessen ihm befreundeten Bruder, Senecio, gegen Constantin aufgewiegelt, worauf derselbe, im Versuche des Aufstands betroffen, getötet worden sei. Darauf habe Constantin Senecios Auslieferung von Licinius verlangt und als diese abgelehnt, überdies auch jenes Bildsäule bei Aemona herabgeworfen worden sei, demselben den Krieg erklärt. Gibbons Scharfsinn erläutert diese, wie sie erzählt wird, schwer erklärliche Geschichte durch die Vermutung, Constantin, den das voreilige Versprechen gereut, habe falsches Spiel mit Bassianus getrieben und letztern, als Licinius ihm die Augen darüber geöffnet, dadurch zur Wut und Empörung gereizt. Eine reine Conjectur, sicher aber eine ansprechende. Daß um diese Zeit übrigens eine Verschwörung der Verwandten des Kaisers wider ihn entdeckt worden sei, bestätigt auch Eusebius (V. C. I, 47).
Constantin, der (nach dem Anon. Vales.) nur 25 000 Mann hatte, drang in Pannonien auf der Militärstraße bis Cibalis an der Drave, etwa 1½ deutsche Meilen von der Donau entfernt, in der Nähe des jetzigen Esseck vor, wo er auf Licinius stieß. Von des Zosimus ausführlicher Beschreibung der Schlacht absehend bemerken wir nur, daß diese, von Tagesanbruch bis zum Abende dauernd, eine der hartnäckigsten war, die man je erlebt. Nur im Nahkampf ward gefochten, die illyrischen Legionen zeigten sich den gallo-germanischen, Licinius Constantin ebenbürtig. Ganz spät erst schlug Constantin, der den rechten Flügel selbst befehligte, seine Gegner – mutmaßlich Reiterei und leichte Truppen – worauf des Licinius anscheinend noch unerschütterte Legionen, zumal sie auch den Feldherrn selbst zur Flucht sich anschicken sahen, in guter Ordnung zurückgingen und sich in das acht deutsche Meilen entfernte Sirmium warfen.
Licinius ernannte Valens, Grenzbefehlshaber in Obermösien, um dessen Treue und wirksameren Beistandes sicher zu sein, zum Cäsar und setzte den Rückzug bis Thrakien fort. Constantin entsandte sofort 5000 Mann Legionssoldaten, wohl eine Legion, zur Verfolgung und rückte nach Wiederherstellung der abgebrochenen Savebrücke (bei Semlin) mit der Hauptarmee nach. In Thrakien (wahrscheinlich unseren Philippopel) fand er den inzwischen wieder verstärkten Licinius gelagert. Am Morgen nach Constantins Ankunft Angriff und Schlacht mit gleicher Ausdauer und Tapferkeit beider Heere. Selbst als nach längerem Verlaufe des Kampfes jene früher zur Verfolgung abgesandte Legion unerwartet von der Höhe herab in des Licinius Flanke und Rücken erschien, hielt derselbe noch, auch gegen diese Front machend, die Schlacht, so daß sie schließlich, unentschieden, mit dem Rückzuge beider Teile endigte.
Am nächsten Morgen Waffenstillstand und Frieden: Constantin mochte seinen Gegner kennen und fürchten gelernt haben. Licinius trat ihm die europäischen Provinzen Noricum, beide Pannonien, Obermösien, Makedonien und Griechenland ab, nur Niedermösien mit Kleinskythien (Dobrutscha) und Thrakien behaltend (ungefähr das heutige Bulgarien und Rumelien). (Zosimus II, c. 18–20, wovon jedoch der Anonym. Valesius, was die Hergänge vor dem Frieden betrifft, etwas abweicht.)
Valens, der neue Cäsar, ward als Opfer der Eintracht getötet. Dieser Krieg fällt nach den Fasten, in welchen Constantin und Licinius im Jahre 315 als Konsuln erscheinen in Verbindung mit einer Stelle des Anon. Vales., unzweifelhaft in das Jahr 314.
Von dem an aber wird die Zeitrechnung teils wegen Lückenhaftigkeit, teils wegen offenbaren Widerspruchs der Quellen, ganz unsicher. Wir folgen den gründlichen Forschungen des Jac. Gothofredus und Tillemonts und der fast durchaus nach diesen mit guter eigener Kritik und großem Fleiß entworfenen, sehr übersichtlichen Zeittafel, welche Manso seinem Leben Constantins des Großen (unter II, S. 274–304) beigefügt hat.
Nachdem Constantin im Jahre 316, wahrscheinlich zu Rom, seine Decennalien gefeiert hatte, für welche der ihm im Jahre 312 gewidmete Triumphbogen vollendet worden war, erfolgte am 1. März 317 im Einverständnis mit Licinius die Ernennung von drei Cäsaren, nämlich des etwa sechzehn- bis achtzehnjährigen Crispus, Constantins Sohn erster Ehe, des ihm aus der zweiten kurz zuvor geborenen Constantins des Jüngern und des Licinius zwanzigmonatlichen Sohnes Licinianus.
Constantin wählte von nun an die neuerworbenen Donauprovinzen zu seinem Aufenthalte, teils um Grenzschutz und Verwaltung, ebenso wie er dies früher am Rheine getan, hier zu ordnen, teils aber gewiß auch, um Licinius für Beobachtung und künftigen Angriff, der sicherlich schon in seinem geheimen Wunsche lag, näher zu sein.
Seinem hoffnungsvollen Sohn Crispus übertrug er die Hut des immerwährend bedrohten Gallien.
Den Vater scheint damals, nächst den laufenden Regierungsgeschäften, vor allem die allgemeine Reichsgesetzgebung beschäftigt zu haben, deren wir, weil außerhalb unseres Bereiches liegend, späterhin nur kurz gedenken werden.
Von den Ereignissen jener Zeit wissen wir nur, daß Crispus anscheinend im Jahre 320 seine erste Waffenprobe gegen die Germanen ruhmvoll bestand (Pan. IX, 37, 2 u. 38, 3). Näheres darüber entbehrend haben wir darin nur die Zurückschlagung und Züchtigung einiger fränkischer und alemannischer Scharen (s. Eckhel VIII, p. 100) vorauszusetzen. Bald darauf, unstreitig um sich im Schmucke des ersten Lorbeers dem Vater vorzustellen, eilte er im rauhesten Winter durch tiefen Schnee im Fluge zu diesem, der damals wahrscheinlich zu Sirmium Hof hielt. (Pan. IX, 365.)
Am 1. März 321 hielt nun Nazarius zu Rom, in Abwesenheit Constantins und seines Sohnes (IX, 38, 6), die gedachte Lobrede (I, X) zur fünfjährigen Gedenkfeier des Antrittes der beiden Cäsaren, von denen Constantin der Jüngere freilich noch Kind war. Mit ihm hören leider für diese Zeit die Panegyriker auf.
Daß Constantin bei diesem festlichen Anlaß nicht in Rom erschien, erklären wir durch den damals bereits ausgebrochenen oder drohenden Krieg gegen die Goten, den wir (mit Tillemont S. 293 und Gothofredus in der daselbst angeführten Stelle, gegen Manso, Beil. II, S. 297 Manso gründet seine den gewichtigsten Autoritäten widersprechende Ansicht, daß auch der Gotenkrieg vor 321 stattgefunden habe, im Wesentlichen nur darauf, daß schon in Nazar. (Paneg. IX) vom 1. März 321 der Kriege wider die Sarmaten und Franken gedacht werde, begeht aber dabei nicht nur den Fehler, diese Stelle nicht speziell zu zitieren, sondern hat sich auch in der Sache selbst geirrt.
Wenigstens kann die Stelle c. 3, 3: »cumque aliae felicissimae tuae prius (d. i. vor dem Sieg über Maxent.) et deinceps expeditiones non minus in se operis amplexae sunt, quam ex ipsis faucitus fati Roma servata« obige Behauptung nicht rechtfertigen. Unter den spätern Feldzügen sind hier nämlich offenbar der unerheblichere gegen die Franken im Jahre 313 und wohl auch der wider Licinius im Jahre 314 gemeint, den Nazarius aus Anstandsgefühl damals, da zwischen beiden Kaisern und Schwägern noch äußerliche Freundschaft bestand, nicht näher hervorheben wollte und durfte. Hätte der Kaiser aber unmittelbar vor dem Jahre 321 wesentliche Siege über die äußeren Reichsfeinde erfochten, so hätte der Lobredner, der doch dessen viel frühere über Franken und andere germanische Völker (von c. 16–20) umständlich erwähnt, diese wahrlich nach dem Maxentiussiege (also von Kap. 36 an) nicht verschwiegen, während daselbst im Wesentlichen nur noch von den Cäsaren, dessen Söhnen die Rede ist, indem sich die Worte (c. 38, 3): Jacet in latere Galliae aut in sino suo fusa barbaria offenbar nur auf Crispus und dessen Siege über Germanen beziehen, wobei übrigens die Franken, die Manso ebenfalls anführt, gar nicht einmal genannt werden, wenngleich daran, daß Crispus auch Vorteile über diese erfocht, selbst abgesehen von dem (in Jägers Ausgabe II, S. 17 zu c. 3, 5 angeführten) Zeugnis des Porphyrius, nicht im geringsten zu zweifeln ist.
) erst in das Jahr 321 oder 322, vielleicht in beide setzen.Nur Zosimus (II, 21) enthält darüber Näheres, hat dafür aber unstreitig keine vollständige Quelle, sondern nur das Bruchstück einer solchen vor sich gehabt und verwirrt alles durch seine bekannte ethnographische und geographische Unwissenheit.
Die Goten, teils durch des Claudius und durch Aurelians Siege geschreckt, teils, und dies war die Hauptsache, durch die Abtretung der großen Provinz Dakien, die gegen 4000 deutsche Quadratmeilen umfaßte, befriedigt, hatten seit nahe fünfzig Jahren Rom nicht beunruhigt (Man sieht: bei Gewährung hinreichenden Landes ruht der Andrang dieser Völker, wie sie Mangel an Ackerland zur gewaltsamen Ausbreitung und Landerkämpfung zwingt. D.) Ob der kluge Diokletian Frieden und Freundschaft von diesem gefährlichsten Grenzfeinde durch einen jährlichen Tribut erkauft habe, wissen wir nicht, halten dies aber für nicht unwahrscheinlich., werden namentlich auch unter den Nordvölkern, mit welchen Galerius vom Jahre 292 an kriegte, nicht genannt.
Zosimus berichtet nun (am g. O.): Nachdem Constantin erfahren, daß die dem Mäotischen Pfuhl benachbarten Sarmaten in Schiffen über die Donau gegangen seien und sein Gebiet (τήν ου̃σαν υπ' αυτω̃ χώραν) plünderten, zog er gegen sie zu Felde.
Das Unhaltbare dieser Erzählung liegt auf der Hand. Die östlichste Grenze von Constantins Gebiet war noch über sechzig Meilen vom Pontus entfernt. Nördlich dieser, jenseits der Donau, saßen die so mächtigen als kriegerischen Goten. Wie hätten irgendwelche Anwohner der so viel entlegeneren Mäotis es wagen können, das ganze Gotenland quer zu durchziehen, um von diesem aus die Römer anzugreifen? Gibbon (Kap. 14 vor Not. 99) hilft sich dadurch, daß er die Sarmaten als Untertanen oder Bundesgenossen der Goten darstellt, was aber mit Zosimus, der eben jene ausschließlich als Feinde anführt, nicht übereinstimmt. Die Sache würde sich, wenn wir nicht noch eine andere Quelle darüber hätten, durch eine jener so häufigen Namensverwechselungen bei Zosimus erklären lassen. Die Goten werden von ihm ja sonst Skythen genannt, Skythen und Sarmaten aber häufig als identisch gebraucht. Die Nachbarschaft der Mäotis kann sich eben so gut auf die Goten selbst beziehen, welche ursprünglich bis an deren Ufer hin saßen und die Herrschaft über jene Ostlande, großenteils wenigstens, gewiß auch nach Besetzung Dakiens noch behaupteten.
Noch findet sich aber eine Hindeutung auf diesen Krieg bei dem abgeschmackten Verskünstler Optatianus, welche wir in Anm. Publilius Optatianus Porphyrius war von Constantin verbannt und suchte durch sechsundzwanzig kleinere Gedichte, die er Panegyricus nannte, dessen Gunst wieder zu gewinnen. Welcher Art diese sind, wird die Beschreibung des hier fraglichen zweiundzwanzigsten ergeben. Dasselbe bildet ein Quadrat von fünfunddreißig Buchstaben, d. i. fünfunddreißig Zeilen zu je fünfunddreißig Buchstaben, durch welches die beiden Verse:
Dissona Musarum vinciri stamine gaudens
Grandia conabor Phoebeo carmina plectro |
mittelst rotgeschriebener Buchstaben ausgezeichnet, sich in regelmäßigen mathematischen Figuren mehrfach durchziehen, wovon in den nochmals in der Schreibart des Originals besonders beigefügten beiden Ecken der sieben letzten Verse ein Beispiel durch Buchstaben in gesperrter Schrift gegeben ist. Bei solchem Spielwerke mußte es nun selbstredend mehr auf Zahl und Wahl der Buchstaben als auf Sinn und Grammatik ankommen.
Das betreffende Gedicht lautet nun, in Worte abgeteilt, von der vierzehnten Zeile an, wie folgt:
Ostentans artem vinciri scrupea praebet
Sarmaticus usum strages sed tota peracta Vota precor faveas sub celio condita visu Factorum gnarum tam grandia dicere vatem Jam totiens Auguste licet Campona cruore Hostili post bella madens artissima toto Corpora fusa solo submersas amne repleto Victrix mirotur turbas aciemque ferocem Plurima conabor phoebeo carmine gaudens Margensis memorare boni coelestia facta Introitus et bella loqui perculsa ruinis Quis devicta jacet gens duro marte caduca Testis magnorum vicina Bononia praesens Sit voti compos excisaque agmina cernens Det juga captivis et ducat caetera praedas Grandia victori molimur praelia plectro Dicere n ec satis est votum si comp l eat ore Musa su o quaecunque parat sub leg e sonare Scrupo s is innexa modis perfecta c amenis Vult re s onare meis et testis nota t ropaea Depict i s signare metris cum mune r e sacro Mentes d evotae placari in fata pr o cellas. |
Wiederholung der sieben letzten Verse in der Schreibart des Originals:
Grandiavictorimolimurpraelia
plectro
Dicere necsatisestvotumsicomp leatore Musasu oquaecunqueparatsubleg esonare Scrupo sisinnexamodisperfecta camenis Vultre sonaremeisettestisnota tropaea Depict issignaremetriscummune resacro Mentes devotaeplacariinfatapr ocellas. |
Die roten Buchstaben ergeben links Dissona, von unten auf gelesen und Grandia, die Anfangsworte der beiden Hauptverse sowie rechts plectro doppelt.
Dieses Zitat, nebst der Beschreibung der ganzen Quelle, schien um deswillen angemessen, weil Gibbon, der doch großen Wert darauf legt, gar nichts, Tillemont (IV, S. 293 und 253) wenigstens nur Allgemeines und Oberflächliches bemerkt.
aus der nur mit größter Schwierigkeit leserlichen Scriptura continua in Worte abgeteilt wiedergeben.Nach dem schon in der neunzehnten seiner fast sinnlosen Buchstabenspielereien Sarmaten und Geten, freilich aber auch Meder und Franken genannt werden, erscheinen in der zweiundzwanzigsten wiederum sarmatische Niederlagen, sowie die Städte Campona (bei Ofen), Margus (bei Semandria an der gr. Morava) und Bononia (bei Neusatz). Da das Gedicht dem Jahre 326 angehört, so können sich diese Erwähnungen nur auf obigen Krieg beziehen. Wollte man in dessen Worten einen tieferen Sinn suchen, was aber bei einem Autor, dem es nur auf Zahl und Folge der Buchstaben ankam, nicht gerechtfertigt sein würde, so könnte man annehmen, Campona habe eine längere, blutige Belagerung erlitten (totiens cruore hostili madens), Margus sei zwar von den Feinden genommen, aber wiedererobert worden (Margensis introitus et bella loqui perculsa ruinis) und bei Bononia sei eine siegreiche Schlacht gewesen.
So unklar und wertlos diese Erwähnungen an sich sind, so gewinnen sie doch dadurch große Bedeutung, daß nach der bekannten Lage jener Städte, deren Namen hier doch sicherlich nicht willkürlich erdichtet, sondern aus der Zeitgeschichte entlehnt sind, der Angriff des römischen Gebietes nur von den sarmatischen Jazygen ausgegangen sein kann.
Hiernach würde des Zosimus Irrtum darin bestehen, daß er den in seiner Quelle gefundenen Ausdruck: Sarmaten, unter welchem so häufig die sarmatischen Jazygen genannt werden, auf ferne Ostsarmaten, von denen er gehört hatte, bezogen habe.
Die Wahrheit ist nicht zu ermitteln, am wahrscheinlichsten aber, daß die Jazygen mit Goten, wenn auch nicht mit dem ganzen Volke verbündet, die Angreifer waren.
Den Hergang berichtet nun Zosimus, Kap. 21, wie folgt: Zuerst griffen die Barbaren unter ihrem Könige Rausimodus (unstreitig Rausimut, ein germanischer Name) eine mit genügender Besatzung versehene Stadt an, die auf der unteren Seite nach der Ebene hin eine steinerne, auf der oberen aber nur eine hölzerne D. i. eine doppelte Wand von starken Balken, deren Zwischenraum durch Stein und Erde ausgefüllt und von hinlänglicher Breite war, um sich hier aufzustellen, so daß das Ganze wohl mehr einem mit Holz bekleideten Walle zu vergleichen war. Mauer hatte. Die Sarmaten glaubten nun am leichtesten das Holzwerk, unter Beschießung der Verteidiger mit Wurfspeeren, in Brand stecken zu können. Diese wehrten sie aber von oben her durch Herabschleudern von Wurfgeschossen und Steinen mit großem Verluste derselben ab, bis der zum Entsatz eilende Constantin die Belagerer im Rücken angriff, viele derselben niederhieb und eine größere Zahl gefangen nahm, so daß nur der Rest sich durch Flucht rettete. Nach diesem Verluste des größten Teils seines Heeres ging Rausimut über die Donau zurück, in der Absicht (woher kennt diese Zosimus?), eine neue Raubfahrt in das römische Gebiet zu unternehmen. Als dies Constantin erfuhr, verfolgte er ihn über den Strom Gibbon C. 14 vor Note 100 läßt Constantin auf der von Trajan errichteten Brücke über die Donau gehen, während Zosimus II, 21, die einzige Spezialquelle über jenen Krieg, nur sagt: er überschritt den Ister. Diese Kleinigkeit charakterisiert Gibbons Manier.
Derselbe hat aber dabei vergessen, daß schon Hadrian nach Cassius Dio (LXVIII, 13 a. Schl.) den oberen Teil dieser Brücke, d. i. sämtliche Bogen, da zu Dios Zeit nur noch die Pfeiler standen, wieder abbrechen ließ.
Am wenigsten hätte dieselbe nach der Abtretung Dakiens noch beibehalten werden können.
und griff ihn an einem mit dichtem Walde bewachsenen Hügel mit solchem Erfolge an, daß der König mit vielen blieb, viele zu Gefangenen gemacht wurden, das übrige Heer sich ergab und der Kaiser mit einer großen Menge Gefangener in das Hauptquartier zurückkehrte.Offenbar kann dies Ereignis weniger Wochen, wenn Optatians Nachricht irgendwie begründet ist, nicht den ganzen Krieg ausgefüllt, sondern nur dessen Schluß gebildet haben, indem Zosimus nach diesem, Kap. 22, sogleich der Verteilung der Gefangenen in verschiedene Städte gedenkt und dann Constantin nach Thessalonich sich begeben läßt.
Dürfen wir eine Vermutung aussprechen, so scheint uns der erste, von Zosimus nicht erwähnte Teil des Krieges längs der Südrichtung der Donau von Ofen-Pest bis Neusatz zwischen den Jazygen und den Römern verlaufen zu sein, erst gegen dessen Ende aber der von erstem in Bedrängnis zu Hilfe gerufene Gotenführer Rausimut jene verunglückte Diversion auf Bononia unternommen zu haben, nach deren Fehlschlagen dann auch die Sarmaten Frieden geschlossen, mindestens jede weitere Feindseligkeit aufgegeben haben werden.
In Thessalonich legte Constantin nach Zosimus (II, 23) sogleich einen ganz neuen Hafen an, worüber das Jahr 322 und ein Teil von 323 verstrichen sein dürfte.
Wohin das zielte, liegt auf der Hand, da eine hier versammelte Flotte sowohl Thrakien als Asien, also des Licinius Besitz, aber auch nur diesen, bedrohte.
In der Tat begann denn auch schon im Jahre 323 der Krieg zwischen ihm und Licinius, über dessen wahren Grund kein Zweifel sein kann. Derselbe war nur der zweite und letzte Akt des ersten, wie denn auch Eutrop seine angeführte treffliche Motivierung für beide zugleich ausspricht.
Gewiß aber hatte auch das Ergebnis jenes ersten tiefen Haß in des Licinius Brust gesät, der nach dessen wilder Gemütsart aufwuchernd, wenn gleich scheinbar verdeckt, doch in mancher Feindseligkeit sich offenbart haben mag. Namentlich trug letzterer seine Gesinnung gegen Constantin auf dessen Schützlinge, die Christen, über, eben so wenig zwar, wie Maximin im Wege offener Rücknahme ihrer gesetzlichen Duldung, aber in dem der Schikane. Er verbot die Versammlungen der Bischöfe, entfernte die Christen von seinem Hofe und aus seinem Heere (gewiß nur teilweise), gestattete deren gottesdienstliche Versammlungen nur unter Absonderung der Geschlechter, sowie im Freien u. a. m., die Grausamkeit, mit der man gegen Angeklagte dieses Glaubens, selbst Bischöfe verfuhr, ungerechnet. (Euseb. K.-G. X, 8. V. C. 1, 51–56; II, 1 u. 2.) Deshalb läßt denn auch der angeführte Schriftsteller (V. C. II, 3) seinen Constantin nur zum Schutze der Christen die Waffen ergreifen, wobei er vergessen hat, daß er in seiner Kirchengeschichte (X, 8) Kriegsentschluß und Erklärung von Licinius ausgehen läßt.
Von den übrigen Quellen erwähnt allein der Anon. Valesii folgenden Anlaß zum Kriege: »Während Constantin in Thessalonich war, brachen die Goten in des Licinius Gebiet über die nachlässig bewachte Grenze (Donau) und begannen Thrakien und Mösien zu plündern. Darauf durch Constantins schreckenden Angriff zurückgetrieben gaben sie ihm in dem erlangten Frieden die gemachten Gefangenen zurück. Darüber aber habe Licinius als einen Vertragsbruch geklagt, weil ein anderer sich seines Amtes angemaßt habe. Hierauf bald bittende, bald stolze Botschaften sendend, habe er endlich Constantins gerechten Zorn erregt.«
Es liegt jedoch sehr nahe, hierin nichts anderes als eine kürzere Erwähnung des vorstehend berichteten Gotenkrieges vom Jahre 322 zu erblicken, in dessen späterem Verlaufe möglicherweise allerdings auch des Licinius Gebiet berührt worden sein könnte. Wie aber der Ausdruck des Ungenannten: Thrakien und Mösien jedenfalls ungeschickt ist, da umgekehrt das Vorland Mösien zuerst genannt werden mußte, so erscheint es auch, bei dem damaligen Zustande der Grenz- und Heerverfassung, höchst unwahrscheinlich, daß die Goten nicht allein über die Donau, sondern sogleich über den Hämus (Balkan) nach Thrakien vorgedrungen sein sollten. Diese Vermutung wird auch dadurch noch unterstützt, daß die von derselben Quelle angeführten mehrfachen Verhandlungen doch geraume Zeit weggenommen haben müssen, die Hauptschlacht des zwischen Constantin und Licinius ausgebrochenen Krieges aber, der doch die letzte Vorbereitung und ein Marsch von nahe sechzig Meilen vorausgehen mußte, schon am 3. Juli 323 stattfand Tillemont bezieht sich (S. 298), um erst das Jahr 323 für den Krieg gegen die Goten zu rechtfertigen, auf zwei den 28. April 323 erlassene Gesetze (C. J. XII, 36, 9 und 40, 1), findet aber selbst (Note 44, S. 599) diesen Grund schwach. Das ist er auch in der Tat. Das erste verpönt, bei Strafe des Feuertodes, die Begünstigung der Räubereien der Barbaren, das zweite die eigenmächtige Beurlaubung von Soldaten durch die Grenzbefehlshaber, und zwar, wenn diese zur Zeit eines Barbareneinfalls erfolge, bei Lebensstrafe. Gab es denn an den mehr als tausend Meilen langen römischen Grenzen keine andern Barbaren als Goten? Tillemont hätte noch für sich anführen können, daß der Anon. Val. ausdrücklich den Einfall in die Zeit setzt, wo Constantin in Thessalonich war, wohin dieser aber nach Zosimus erst nach Rausimuts Besiegung sich begeben hatte. Kann aber Constantin nicht auch schon im Jahre 321 oder 322 bei Beginn des von Zosimus geschilderten Krieges behufs der Vorbereitung des Hafenbaues in Thessalonich gewesen sein, das er, wie die Folge ergibt, zur Basis seiner Operationen gegen Licinius machen wollte?
Jedenfalls ist hier der Anonymus, der den ganzen Krieg mit den Sarmaten verschweigt, viel zu ungenau, um gegen die aus speziellen Quellen und der Natur der Sache geschöpften Gründe etwas beweisen zu können.
, daher für einen längern Krieg Constantins gegen östlichere Goten, wobei er des Licinius Gebiet berührte, kaum Zeit gewesen sein dürfte.Von dem mit Sicherheit niemals zu erörternden nächsten und unmittelbaren Anlaß oder Vorwande des Krieges absehend, woran es den Herrschsüchtigen aller Zeiten niemals gefehlt hat, gehen wir zu diesem selbst über, für den wir uns ganz an den ausführlichen Zosimus (II, c. 22–26 u. 28) halten.
Mächtig war die Rüstung auf beiden Seiten. Constantin brachte nur 200 Dreiruderer, anscheinend aus Griechenland, zusammen, während Athen allein in seiner Blüte deren 300 bis 400 gehabt hatte, über 2000 Transportschiffe aber für das Heer Jedenfalls für den Übergang nach Asien: wahrscheinlich aber ging er, statt den so beschwerlichen Landweg zu wählen, teilweise wenigstens, schon zu Schiff an die Südküste Thrakiens, was Zosimus, der ihn mit dem Landheere nach Adrianopel marschieren läßt, nicht widerstreitet, weil bis dahin immer noch ein langer Landweg war., 120 000 Mann Fußvolk, nebst 10 000 Mann Schiffssoldaten und Reiterei; Licinius dagegen, der ungemeine Tätigkeit entwickelt haben muß, 350 Schiffe aus dem küstenreichen Orient, 150 000 Mann Fußvolk und 15 000 Reiter aus Phrygien und Kappadokien.
Nicht die Zahl aber, die Tüchtigkeit entscheidet: und darin welch anderes Verhältnis, als das frühere im Jahre 314, da Constantin nunmehr auch die kriegerischen Illyrier, Licinius nichts als Orientalen hatte.
Bei Adrianopel am Hebrus (Marutza) trafen sich die Heere: Licinius lagerte auf einer Höhe oberhalb der Stadt, rechts des Hebrus, da wo sich der Tonus (Tundscha) in diesen ergießt, Constantin links des Hebrus, wo beide mehrere Tage beobachtend einander gegenüberstanden. Constantin lockt die Feinde nach einem Punkte, an dem er einen Scheinübergang vorbereitet, setzt aber plötzlich auf der vorher dazu rekognoszierten geeignetsten Stelle (wahrscheinlich einer Furt), in deren Nähe er 16 000 Mann Fußvolk mit achtzig Reitern in dichtem Walde verborgen hatte, über und stürzt sich in Person mit nur zwölf Reitern auf die dort aufgestellten überraschten Feinde, die sofort niedergehauen oder in die Flucht geschlagen werden. Die von Zosimus hier angegebenen Zahlen von nur achtzig und zwölf Reitern sind höchst unwahrscheinlich, beruhen daher entweder auf unrichtiger Lesart oder Mißverständnis seiner Quelle.
So ist namentlich vielleicht im zweiten Falle das regelmäßige, gewiß ziemlich starke persönliche Gefolge des Kaisers nicht mit berechnet worden.
Nachdem hierauf die übrigen Reiter mit dem ganzen Heere übergesetzt sind, wird die Schlacht allgemein, in welcher 34 000 Licinianer bleiben und bei Sonnenuntergang das unstreitig gut befestigte Lager selbst genommen, Constantin aber am Schenkel leicht verwundet wird, während Licinius nach Byzanz zur Flotte entflieht.Am andern Morgen ging der ganze Rest des Heeres, selbst der mit Licinius geflohene, aber etwas zurückgebliebene Teil desselben, zu Constantin über.
Europa war verloren: aber die Flotte und mit ihr Asien blieb dem Besiegten. Constantin belagerte Byzanz und gab nun seinem tapfern Sohne Crispus, der die Flotte kommandierte, Befehl und Instruktion zum Angriff auf die feindliche. Crispus drang mit nur achtzig der leichtesten Schiffe, zu je dreißig Rudern, von Süden her in den Hellespont ein, wo ihn Abantus, des Licinius Admiral (den der Anon. Vales. Amandus nennt), seine geringe Macht verachtend, nur zweihundert erwartete. Klug aber hatte jener die Enge des Meeres berechnet, dieser sie außer Acht gelassen. Dadurch an freiem Manövrieren behindert gerieten des Abantus Schiffe bald in Unordnung, stießen an einander, wodurch die Ruder zerbrochen werden mußten, und boten so dem in guter Ordnung angreifenden Feinde Gelegenheit zur Versenkung und verschiedenartigen Zerstörung derselben. Die Nacht endete den Kampf, aus dem ein Teil von des Licinius Flotte sich nach Eläunt in Thrakien (an der Südspitze des Hellespont), ein anderer nach dem gegenüberliegenden Hafen des Ajax, auf der asiatischen Seite, zurückzog, woraus zu entnehmen ist, daß deren Schlachtordnung von Crispus im Zentrum durchbrochen und in zwei Teile getrennt worden war.
Am andern Morgen verließ Abantus mit einer steifen Nordbrise letztgedachten Hafen, um die Schlacht zu erneuern. Weil ihm aber die nach Eläunt gesegelten fünfzigruderigen Schiffe fehlten, auf deren Wiederanschluß er gerechnet haben mochte, zauderte er, die Stärke der feindlichen Flotte fürchtend, mit dem Angriffe.
Da schlug gegen Mittag der Wind plötzlich in einen so heftigen Sturm aus Süden um, daß seine Schiffe teils auf den Strand, teils dergestalt gegen Klippen getrieben wurden, daß deren hundertunddreißig samt der Mannschaft und 5000 Mann Soldaten, welche aus der Garnison des überfüllten Byzanz detachiert worden waren, untergingen, Abantus selbst aber mit nur vier Schiffen nach einem asiatischen Hafen sich rettete.
So war des Licinius letztes Bollwerk auch verloren. Bereits hatten Handelsschiffe Constantin, der Byzanz belagerte, mit Proviant versorgt, woran es ihm wegen Verwüstung der Gegend fehlen mochte: da erschien nun seine gesamte Flotte und schloß die Stadt auch von der Seeseite ein.
Mit größtem Geschick und Eifer ward die Belagerung betrieben und war bereits, nach modernem Ausdrucke, bis zur letzten Approche gediehen, als Licinius in äußerster Bedrängnis mit den tüchtigsten und zuverlässigsten seiner Truppen nach dem gegenüber liegenden Chalkedon entfloh (was Constantins Flotte halber wohl nur bei Nacht geschehen sein kann).
In der Hoffnung, für den Kampf um Asien noch ein Heer zusammenzubringen, ernannte er, wie im Jahre 314 Valens, nun Martinianus, seinen Magister officiorum (welches Amt also damals schon bestand), zum Cäsar und nahm, diesen zur Deckung der Ufer des Hellespont nach Lampsatus entsendend, in Person eine feste Stellung bei Chalkedon am Bosporus.
Constantin, die Schwierigkeit der Landung an der asiatischen Küste für größere Transportschiffe erkennend, setzte auf kleinen Leichtseglern und Yachtschiffen über, und gewann auch glücklich das nur fünf deutsche Meilen von Chalkedon entfernte heilige Vorgebirge am Ausgange des Bosporus, von wo er bei Chrysopolis, dem Hafen von Chalkedon (jetzt Scutari), auf einigen Hügeln eine gute Stellung einnahm. Licinius, den Kopf nicht verlierend, rief eilig Martinian zurück und rückte aus der Stadt zum Angriff gegen den Feind vor. So tapfer aber auch sein Heer in der letzten heißen Entscheidungsschlacht für ihn focht, war doch das Übergewicht, besonders das moralische des Siegesbewußtseins, zu sehr auf Seiten der Gegner. Von seinen 130 000 Mann entrannen nach Zosimus kaum 30 000 dem Blutbade, während derselbe nach der etwas unklaren Angabe des Anon. Vales. nur 25 000 verloren zu haben scheint.
Der Schlag aber war entscheidend: sofort ergab sich Byzanz und Licinius entfloh mit dem Rest der Reiterei und wenigen Tausenden Fußvolkes nach Nikomedien.
Über die Zeit dieser Ereignisse verweisen wir auf Tillemont, der den Abmarsch von Thessalonich auf den 25. Mai, die Schlacht bei Adrianopel auf den 3. Juli und die bei Chalkedon auf den 18. Sept. 323 setzt, des Licinius Tod aber vor dem 16. Mai 324 erfolgen läßt (S. 300, 301, 308 u. 309). Ist das Datum der Schlacht bei Chalkedon richtig, so müßte des Licinius Ergebung unzweifelhaft noch in das Jahr 323 fallen, obwohl wir, der gewöhnlichen Meinung folgend, das Jahr 324 annehmen.
Der Krieg war aus: nur die Bitte um das Leben blieb übrig. Dessen Erhaltung sagte Constantin seiner Schwester, des Licinius Gemahlin, eidlich zu und wies diesem Thessalonich zum Aufenthalt an, während Martinian sofort getötet ward.
Bald darauf aber ließ er eidbrüchig (contra religionem sacramenti sagt Eutrop X, 6) auch Licinius erdrosseln.
Diesen dunkeln Fleck in Constantins Leben entschuldigt der christliche Anon. Vales. damit, daß derselbe, eingedenk seines Schwiegervaters Maximian, damit nicht auch Licinius aufs neue ihm nachstelle, dies der Forderung aufständischer Soldaten bewilligt habe, naiv übersehend, daß, wenn das Verlangen dieser wirklich ein zwingendes gewesen wäre, die Anführung des ersten Grundes völlig überflüssig war. Dagegen führt der gegen siebzig Jahre spätere Sokrates in seiner Kirchengeschichte (I, 4) an: Licinius habe sich in Thessalonich eine Zeitlang ruhig verhalten, darauf aber einige Barbaren zusammengebracht, um den Krieg wieder zu beginnen, was dessen Tötung veranlaßt habe. Dies widerstreitet jedoch, abgesehen von der hohen Unwahrscheinlichkeit, daß man Licinius die Freiheit zu solchem Beginnen gelassen habe, den gedachten Quellen, namentlich der zuverlässigsten aller, Eutrop, zu entschieden, um irgendwelchen Glauben zu verdienen. Auch ist des Eusebius Schweigen hierüber ein beredtes, da er solche Rechtfertigung seines Helden gewiß nicht unerwähnt gelassen hätte, während er (V. C. LI, 18) nur sagt: Der Gotteshasser habe die verdiente Strafe empfangen.
So hatte denn der Gewaltige mit unendlichem Blute den Alleinbesitz der Weltherrschaft errungen, deren sich sein Vorgänger Diokletian freiwillig, erst stückweis, dann gänzlich entäußert hatte.
C. Von des Licinius Sturz im Anfange des Jahres 324 bis zu Constantins Tod am 22. Mai 337
Mit des Licinius Fall erlischt der hohe dramatische Reiz in Constantins Leben. War er bisher bewundernswert als Held, Feldherr und Politiker, so mußte nun seine Tatkraft erlahmen, als sie kein Ziel mehr hatte.
Wir vertauschen daher in diesem Abschnitte die chronologische Darstellung mit der realen, indem wir zuerst die Kriege, dann die Familienereignisse, endlich das Wesentlichste der inneren Verwaltung Constantins behandeln, dessen Charakteristik als Christ und Mensch aber dem folgenden Kapitel vorbehalten.
Die Epitomatoren stimmen insgesamt darin überein, daß Constantin in der Zeit seiner Alleinherrschaft siegreich gegen die Goten focht (Eutrop. X, 7; Aur. Vict., der auch die Sarmaten erwähnt, d. C. c. 41, 12; Epitom., nur seines wunderbaren Kriegsglücks gedenkend, 41, 11 und Sext. Rufus c. 26. Dasselbe bestätigen die christlichen Schriftsteller Eusebius V. C. IV, 6; Sokrates, Kirch.-Gesch. I, 18 und Sozomenos K.-G. I, 8.)
Darüber findet also, ungeachtet des Schweigens und anscheinend selbst entgegengesetzten Zeugnisses von Zosimus, das weiter unten zu erwähnen sein wird, kein Zweifel statt.
Jene Anführungen sind aber insgesamt nur ganz allgemeine. Näheres, wiewohl Ungenügendes, findet sich allein im Anonym. Vales. Aus diesem, einer wichtigen Stelle bei Ammian Marc. (XVII, 12) und einer andern bei Jordanis c. 22 hat nun Gibbon (Kap. 18, Not. 35–45) mit seinem gewohnten Scharfsinn eine Geschichte dieser Kriege geschaffen. Dankbar würden wir darin die sehr gelungene Lösung eines historischen Problems begrüßen, wenn nicht dem trefflichen Mann eines fehlte: gründliches Studium der germanischen und anderer Nachbarvölker in ihren Berührungen mit Rom. Dies ist unsere Hauptaufgabe, war nicht die seinige: wird uns vor allem aber auch durch Hilfsmittel wesentlich erleichtert, deren jener entbehrte. Auf diesem Grunde nun befestigten und vervollständigen wir, was Gibbon nur dunkel geahnt und begründen dies ausführlich in folgendem:
Zwischen Donau (von Waitzen unterhalb Gran ab) und Theiß erstreckt sich ein nahe vierzig deutsche Meilen langer und gegen fünfzehn breiter Landstrich von Norden nach Süden herab, der infolge des mäandrischen, trägen Laufes dieses letzteren Stromes heute noch großenteils Sumpfland ist und dessen Trockenlegung durch Regulierung der Theiß in neuerer Zeit wiederholt versucht ward.
In dies Gebiet wanderte in unbekannter, aber doch schon historischer Zeit, weil Plinius der Ältere (IV, c. 12, sect. 25) dessen gedenkt, ein sarmatischer Stamm ein, dessen Nomadenweise des Landes Beschaffenheit mehr zusagen mochte als den Urbewohnern thrakischen Stammes, von denen es daher gewiß auch nur sporadisch und dünn besetzt war.
Zuerst im Jahre 74 vor Chr. kamen diese Sarmaten mit Rom in Berührung (Florus III, 4). Aus Tacitus (Ann. XII, 29, 30 und Hist. III, 5) ersehen wir deren Spezialnamen: »Jazygen«, aus ersterer Stelle und Cassius Dio (LXVII, 5) zugleich deren enge Verbindung mit den unter Roms Klientel stehenden Sueben oder Quaden zwischen March und Gran, aus des Tacitus zweiter Stelle aber deren Waffenbündnis mit Rom, während sie nach obiger des Cassius Dio zwar, durch die beleidigten Sueben aufgereizt, in römisches Gebiet einzufallen beabsichtigt haben sollen, dies aber, weil es nicht erwähnt wird, anscheinend doch nicht ausgeführt haben.
Erscheinen sie sonach schon im ganzen ersten Jahrhundert, über das doch die Quellen so viel reichlicher fließen als im zweiten, nirgends als Feinde Roms, wie entscheidend mußte sich deren Stellung verändern, als vom Jahre 106 ab auch ganz Dakien von der Theiß bis zum Dnjestr von Trajan zur Provinz gemacht wurde. Sie waren nun eingekeilt in langer Zunge zwischen römischem Gebiet, das sie jetzt auf drei Seiten umschloß: so ergibt der erste Blick auf die Karte die Unmöglichkeit einer feindselig selbständigen Stellung derselben gegen Rom. Noch stand dies in höchster Blüte unerschütterter Kraft, als wir im markomannischen Kriege dieselben Jazygen plötzlich eine Rolle spielen sehen, die mit ihrer Vorgeschichte, geographischen Lage und Gebietsgröße nicht recht vereinbar erscheint. Indem wir deshalb auf die Geschichte dieses auf einem Völkerbündnisse beruhenden furchtbaren Offensivkrieges der Germanen gegen Rom im HREF="#voe1201">1. Kapitel des II. Buches verweisen, heben wir hier nur das Wichtigste wiederum hervor. Schon bei der ersten Hauptniederlage der Römer unter dem Praefectus Praetorio Macrinus Vindex, im Jahre 166 oder Anfang 167, müssen die Jazygen, bis in das Innere Steiermarks vordringend, wesentlich mitgewirkt haben. Wiederum im Winter 171/2 griffen diese den bereits siegreichen M. Aurelius in seiner rechten Flanke im Innern Pannoniens an. Zweimal auf das Haupt geschlagen, erlahmte ihr Kriegseifer dennoch nicht, ja wir sehen sie noch im Felde, nachdem der Kaiser bereits den Markomannen und Quaden den erbetenen Frieden gewährt hatte. Sie sind dessen Hauptfeinde (Cass. Dio LXXI, 13 u. 16): darum will er sie gänzlich vernichten und schließt nur, nach nochmaligen Siegen, durch des Cassius Aufstand dazu gezwungen, im Jahre 170 Frieden mit ihnen, wobei sie 100 000 gefangene Römer zurückgeben (s. a. a. O. S. 127).
Durch welchen Zauberschlag nun soll jenes mehr als 1½ jahrhundertelang so friedliche, von Rom fast rings umschlossene Reitervolk, dessen ganzes Gebiet kaum sechshundert Quadratmeilen umfaßte, plötzlich nicht nur in dessen erbittertsten, sondern auch in dessen furchtbarsten Feind verwandelt worden sein? Nicht das Jazygenvölkchen an sich und allein wahrlich kann dies gewesen sein: es waren die starken Söhne des Nordens, die heranwogenden Völker und Scharen gotischen Stammes, welche, im Bunde mit jenen, teilweise vielleicht wohl nur unter deren Namen auf eigene Faust, Rom so bedrängten. Dieselben erschienen daher auch im zweiten Kriege wieder auf dem Plan.
Als Commodus endlich bleibenden Frieden, und zwar meist gewiß gegen jährliche Geldzahlung mit den Barbaren schloß, mag es das eigene Interesse der römischer Rache mehr als alle anderen Völker ausgesetzten Jazygen gefordert oder doch wesentlich gefördert haben, die Mitstreiter gotischen Stammes im Lande zu behalten.
Welchem Spezialvolke diese angehörten, wissen wir nicht, werden aber durch Capitolin (M. Anton. Phil. c. 14) auf Viktofalen, sowie durch spätere Quellen, schon Cassius Dio (LXXVII, 20), auf Vandalen hingewiesen. Über fünfzig Jahre lang, in die des Septimius Severus kraftvolle Regierung fällt, scheinen die Nordvölker, durch Geld befriedigt, den Frieden bewahrt zu haben.
Bei dem Losbruche dieser und der Westvölker gegen Rom im Jahre 233 unter Severus Alexander waren sicherlich auch diese Ost-Germanen und die Jazygen beteiligt und beharrten seitdem auch in Feindseligkeit. (Vergl. oben 2. Buch, 5. Kap.) Unter Valerian und Gallienus haben wir nur deren Teilnahme an dem gemeinsamen Einbruch der Nordvölker in römisches Gebiet (a. a. O.) vorauszusetzen.
Einem Fragmente des trefflichen Dexippus verdanken wir nun die Nachricht, daß im Jahre 170 die Vandalen, unstreitig (? D.) um den Juthungen, mit denen Aurelian kriegte, durch eine Diversion beizustehen, diesen in Pannonien angriffen, was nur von Osten her aus dem Jazygenlande geschehen sein kann Jenseits der Donau nördlich saßen die Quaden, die unter den bei dem Triumph aufgeführten Gefangenen nicht erwähnt werden. Auch war der Angriff von Osten her in Flanke und Rücken der Römer ungleich militärisch richtiger., geschlagen aber, sofort Frieden erbaten und erhielten. Das zweite Volk nun, mit dem Aurelian kämpfte, nennt Flav. (Marc. Aur. Kap. 18) Sarmaten und erwähnt (c. 33) sowohl vandalischer als sarmatischer Gefangenen bei dessen Triumphe: Dexippus gedenkt ausdrücklich zweier Könige, die nach jenem Frieden ihre Söhne als Geiseln stellten: doch wohl zwei vandalische.
Verbündete Feinde also waren es, auf die sowohl der Name Vandalen als Sarmaten paßte, und die im alten Jazygenlande saßen, in dem aber der vandalische Bestandteil der wichtigere sein mußte, weil Dexippus der Zeitgenosse, der beste und bestunterrichtete Historiker jener Zeit, nur die Vandalen als Hauptvolk erwähnt. (Die erste Auflage nahm völlige Verschmelzung beider Völker an, gab aber gleichwohl den einen König den Jazygen. D.)
Im Vorübergehen bemerkend, daß nach Aurelian sowohl Probus als Carus, vor allem aber und zwar vielfach Diokletian und Galerius mit den stets unruhigen Sarmaten zu schaffen hatten (s. oben HREF="#voe1209">2. Buch, 9. u. HREF="#voe1210">10. Kap.), kommen wir sofort auf die schon oben angeführte in der Anm. NAME="voe1213_Anm20">Die im Texte angezogenen Quellenzeugnisse lauten:
1. Ammianus Marc. XVII, 12:
Potentes olim ac nobiles erant hujus indigenae regni: sed conjuratio clandestina servos armavit in facinus. Atque ut barbaris esse omne jus in viribus assuevit, vicerunt dominos ferocia pares, sed numero praeminentes. Qui, confundente metu consilia, ad Victohalos (1. -falos) discretos longius confugerunt, obsequi defensoribus, ut in malis, optabile, quam servire suis mancipiis arbitrati.
2. Anon.Valesii. S.301, 2:
Deinde adversum Gothos bellum suscepit, et implorantibus Sarmatis auxilium tulit. Ita per Constantinum Caesarem centum prope millia fame et frigore exstincta sunt. Tunc et obsides accepit, inter quos et Ariarici regis filium. Sic cum his pace firmata, in Sarmatas versus est, qui dubiae fidei probantur. Sed servi Sarmatarum adversum omnes dominos rebellarunt: quos pulsos Constantinus libenter accepit, et amplius trecenta millia hominum mixtae aetatis et sexus per Thraciam, Scythiam, Macedoniam, Italiamque divisit.
3. Jordanis d. reb. Getic. c. 22:
Gebericus primitias regni sui mox in Vandalica gente extendere cupiens contra Visumar eorum regem,... (die folgenden bereits anderwärts von uns angeführten Stellen gehören nicht hierher). Hic ergo Vandalis commorantibus bellum inductum est a Geberich rege Gothorum, ad littus praedicti amnis Marisae, ubi tunc diu certatum est ex aequali. Sed mox ipse rex Vandalorum Visumar magna cum parte gentis suae prosternitur. Geberich vero ductor Gothorum eximius superatis depraedatisque Vandalis ad propria loca, unde exierat, remeavit. Tunc perpauci Vandali, qui evasissent, collecta imbellium suorum manu, infortunatam patriam relinquentes, Pannoniam sibi a Constantino principe petiere, ibique per IX annos plus minus sodibus locatis, Imperatorem decretis ut incolae famularunt etc.
abgedruckte Stelle des Ammianus Marcellinus. Bei Darstellung der Feldzüge des Kaisers Constantius gegen die Sarmaten im Jahre 358 unterscheidet derselbe zuvörderst zwei anscheinend völlig getrennte Gemeinwesen (civitates) derselben:1) die nördlichen, an die Quaden grenzenden in der Gegend von Pest;
2) die südlichen, in dem Winkel zwischen Donau und Theiß bis Peterwardein herab, die er Limigantes nennt.
Von erstern sagt er nun am Schluß des 12. Kapitels:
Mächtige und Edle waren einst (olim) die Eingeborenen dieses Reiches. Eine geheime Verschwörung aber waffnete die Sklaven (servos) zur Missetat. An wilder Kraft ersteren gleich, an Zahl überlegen, besiegten sie die Herren. Diese flohen zu den entfernteren Viktofalen, um lieber ihren Verteidigern zu gehorchen, als ihren Sklaven zu dienen.
Wiederum sechsundzwanzig Jahre rückschreitend berichtet nun der Anonym. Valesii von Constantins Zeit aus den Jahren 332 bis 334 in der Anm. 267 ebenfalls abgedruckten Stelle folgendes:
»Hierauf unternahm er (Constantin der Große) einen Krieg gegen die Goten, indem er den Sarmaten auf ihre Bitte Hilfe leistete. Da wurden von Cäsar Constantin dem Jüngeren deren gegen 100 000 durch Hunger und Kälte vernichtet. Da erhielt er auch Geiseln, unter welchen sich der Sohn des Königs Ariarich befand. Nachdem er so mit ersteren Frieden geschlossen, wandte er sich gegen die Sarmaten, die sich zweifelhafter Treue erwiesen. Die Sklaven der Sarmaten aber empörten sich wider ihre Herren, welche Constantin der Große gern aufnahm und deren mehr als 300 000 in Thrakien, Skythien (Dobrutscha), Makedonien und Italien verteilte.«
Von demselben (Sehr zweifelhaft. D.) Kriege nun handelnd (s. HREF="#note267">Anm. 267), bemerkt Jordanis (c. 22), daß der Gotenkönig Geberich den Vandalenkönig Visumar in einer Hauptschlacht besiegt habe: und das ist es, worauf Gibbon (Not. 43) die Vermutung stützt, die Sarmaten hätten einen Vandalenfürsten, asdingischen Geschlechts, zu ihrem Könige gewählt, weil Jordanis sonst mit den übrigen Quellen völlig unvereinbar sein würde. Dagegen verschweigt Jordanis den Krieg der Goten mit den Römern, wohl auch wegen der von ersteren erlittenen Niederlage, seiner bekannten Tendenz gemäß, gänzlich.
Eusebius endlich erwähnt (V. C. IV, 5) zunächst in höchst unklarer Weise der Niederlage der Skythen (d. i. Goten) und dann c. 6 des Aufstandes der Sklaven der Sarmaten gegen ihre Herren. Diese hätten erstere gegen die Skythen, welche ihnen den Krieg erklärt, bewaffnet. Nachdem aber diese Sklaven den Sieg erfochten, hätten sie sich gegen ihre Herren empört und diese vertrieben, worauf dieselben bei Constantin Aufnahme gefunden.
Die Wahrheit und Dichtung in dieser Erzählung weiterer Kritik vorbehaltend, gehen wir, obiges zum Teil wiederholend, zur eignen Darstellung über.
Das unbedeutende Jazygenvolk, schon unter Vespasian (Tac. Hist. III, 5) sich den Römern anschließend, kann seit Dakiens Eroberung wohl noch in einem Klientelverhältnis zu Rom sich erhalten haben. Wie hätte der große Trajan in Mitten des Reiches einen Feind dulden können? Auch der Kaiser Constantius sagt ja (nach Amm. Marc. a. a. O. c. 12), daß sie immer der Römer Klienten gewesen seien (ut semper Romanorum clientes). Mit dem markomannischen Krieg aber drangen nordöstliche Germanen, gotischen Hauptstammes, in das offene Land ein: da blieb den Jazygen nur die Wahl zwischen freiem Anschluß an diese wider Rom oder an Rom wider die Germanen, da neutrale Selbständigkeit im Zusammenstoß ihnen so überlegener Kräfte nicht mehr denkbar war.
Sie wählten ersteres: aus den Bundesgenossen mochten aber allmählich Gebieter werden.
Die Völker jener Zeit gönnten den Unterworfenen oft jedoch volle innere Freiheit, sogar eigne Könige, wie das bald selbst Attilas Beispiel ergeben wird. Daher kann denn auch jener zweite König, dessen Dexippus bei dem Frieden der Vandalen mit Rom gedenkt, füglich der der Jazygen gewesen sein. (Die erste Ausgabe nahm an, die »Herren« bei dem neuen gotisch-sarmatischen Mischvolk seien diese Germanen, die »servi« die Jazygen gewesen – was unhaltbar ist: privatrechtliche »Herren« wie privatrechtliche »Sklaven« waren Jazygen: dagegen fehlte es nicht an Fällen, in welchen germanische Fürsten (Quaden, vielleicht auch Vandalen) über unterworfene oder durch Bündnis abhängige Sarmaten staatsrechtliche Gewalt übten. D.)
Ammian unterscheidet, wie oben bemerkt ward, genau zwei sarmatische Sonderstaaten, spricht Kap. 12 lediglich von dem nördlichen, der an die Gebiete der Quaden und Viktofalen grenzte, und geht erst im 13. auf das südliche Volk, die Sarmati limigantes, über, bei denen er zwar auch der früheren Vertreibung ihrer Herren, aber nicht des Landes oder Volkes gedenkt Die Stelle lautet: locorum confisi praesidio ubi lares post exactos dominos fixere securi., wohin sich letztere retteten, während Hieronymus in seiner Fortsetzung der Chronik des Eusebius vom achtundzwanzigsten Regierungsjahre Constantins ausdrücklich anführt, daß in diesem die Sarmatae limigantes ihre Herren, welche jetzt Arcaragantes genannt würden, auf römisches Gebiet vertrieben hätten.
Nach Tillemont (IV, S. 393) dessen Chronologie in der Regel diejenige Sicherheit gewährt, welche für jene Zeit überhaupt erreichbar ist, wurden die Goten am 20. April 332 von den Römern geschlagen, wonach der Beginn des Krieges ersterer gegen die Vandalen in das Jahr 331 zu setzen ist, erst im Jahre 334 aber die Herren der Sarmaten von ihren Sklaven vertrieben, was nach den zwischenliegenden Ereignissen: Friedensschluß und Abzug der Römer, Vorbereitung und Ausbruch der Verschwörung, sowie Dauer des gewiß harten Kampfes, vollkommen glaubhaft erscheint.
Dagegen bildet dieses Schriftstellers Geschichte derselben Ereignisse in Art. 70 (S. 392 u. f. und Art. 73, S. 405 u. f.) um deswillen ein merkwürdiges Gemisch von Wahrheit und Irrtum, weil ihm jede Nachricht einer christlichen Quelle, selbst einer späteren, ein Evangelium ist, vor dem alle Kritik zu verstummen hat. Desto klarer ist Gibbon. Darin aber, daß die Vandalen des Jordanis auf die Sarmaten des Anon., Eusebius und Ammian zu beziehen seien, stimmt mit ihm (und der ersten Auflage D.) auch Tillemont S. 307 überein, während jene beiden einen zweiten Krieg der Goten mit den Sarmaten im Jahre 334 annehmen, der von keiner Quelle bezeugt und an sich mehr als unwahrscheinlich ist. Der Anon. Valesii (s. HREF="#note248">Anm. 248), unsere einzige spezielle Quelle über diese Ereignisse, kennt nur einen Krieg zwischen Goten und Sarmaten. In diesem rufen letztere die Römer zu Hilfe, welche die Goten besiegen und dann Frieden mit ihnen schließen (pace firmata). Im folgenden Satze erwähnt er lediglich den Krieg der sarmatischen Sklaven gegen ihre Herren.
Tillemonts wunderbare Ansicht von dem zweiten Kriege der Sarmaten gegen die Goten gründet sich daher einzig auf Eusebius (V. C. 5 und 6). Dieser sagt (c. 5), Constantin habe die Skythen und Sarmaten an das römische Joch gewöhnt, das sie vorher immer abgeworfen. Weil es ihn schimpflich gedünkt, den von seinen Vorgängern den erstern (d. i. den Goten) entrichteten Tribut fortzuzahlen, sei er unter der Fahne des Erlösers gegen sie gezogen, habe die, welche ihm widerstanden, durch die Waffen bezwungen, den wilden Sinn der andern aber durch seine Gesandten besänftigt. Im 6. Kapitel fährt er fort: Gott selbst habe die Sarmaten ihm unterworfen. Diese hätten ihre Sklaven bewaffnet, um die Skythen zu bekämpfen, welche ihnen den Krieg erklärt. Nach dem Siege aber hätten diese sich gegen ihre Herren erhoben und solche vertrieben usw.
Weil nun Eusebius, dem Tillemont blind folgt, erst im 6. Kapitel von einem Kriege zwischen Goten und Sarmaten, im 5. aber schon von dem Kampfe zwischen Römern und Goten spricht, läßt er ohne weiteres auch den zwischen Geberich und Visumar, nach Jordanis Kap. 22, erst auf letztern folgen. Da jedoch, nach des Anon. bestimmtem Zeugnisse, der Krieg zwischen Römern und Goten nur eine Folge des dieser letzteren mit den Sarmaten war, weiß er sich nicht anders zu helfen, als daß er (S. 393 und 407) zwei Kriege zwischen Goten und Sarmaten annimmt.
Wer nur einen Blick auf des Eusebius fragliche Schrift geworfen hat (s. Anm. 248), der wird über die Verwirrung und die Anachronismen derselben in Bezug auf politische Geschichte außer Zweifel sein, wie denn Eusebius unter anderem (I, c. 48) von den Decennalien Constantins (315 oder 316), c. 50 von der Kriegserklärung des Licinius gegen jenen (314), c. 57 von Maximians, d. i. des Galerius Widerrufsedikt (311), c. 58 und 59 von Maximins Krieg und Tod (313) handelt, und endlich II, c. 3–18 wiederum weitläufig auf den schon vorher erwähnten Krieg Constantins gegen Licinius (314) zurückkommt, den er diesmal aber im Widerspruch mit I, 50 von Constantin ausgehen läßt.
Merkwürdig bleibt dabei nur, wie sich der sonst so kritische Gibbon diesmal durch seinen Vorgänger hat blenden lassen.
Von dem, was sich an einzelnem in obigen Begebenheiten noch in den Quellen findet, halten wir nur folgendes für sicher und wichtig genug, hier Erwähnung zu verdienen.
Der Sieg über die Goten ward unzweifelhaft durch des Kaisers ältesten Sohn Constantin den Jüngern erfochten (Anon. Val. u. Julian Or. I. ad Const.), doch scheint sich der Vater, seiner Abwesenheit bei dieser Schlacht unerachtet, sonst doch persönlich am Kriege und namentlich bei dem Friedensschluß beteiligt zu haben.
Zosimus, der in der Geschichte dieses Zeitabschnittes fast nur von Constantins Person handelt, sagt (am Schluß von II, 31) nachdem er von Einrichtung der neuen Residenz gesprochen: »Constantin habe von dem an keinen Krieg weiter geführt (wahrscheinlich meint er in Person). Als ihn die Taifalen einst mit fünfhundert Reitern angegriffen, habe er sich diesen nicht allein nicht entgegengestellt, sondern sich auch, nach Verlust eines großen Teils seiner Truppen, als er sie bis an den Wall (d. i. des Lagers) heran alles verwüsten sah, nur mit Mühe durch Flucht gerettet.«
Diesen jedenfalls dem Kriege vom Jahre 332 angehörenden, von keiner anderen Quelle erwähnten Vorfall, unter dem wir uns vielleicht einen unerwarteten Überfall von Constantins Bedeckung auf dem Marsche zu denken haben, benutzt Zosimus, einen Vorwurf auf den bitter Gehaßten zu werfen. Dadurch aber unterscheidet sich ja eben der Feldherr vom Abenteurer, daß jener zwar um großer Zwecke willen persönliche Gefahr nicht achtet, nutzlose Preisgebung aber vermeidet.
Constantin Porphyrogenetes (de administrat. imper. c. 53) berichtet von einer durch die Völker des Chersones (der Krim) auf Constantins Anstiften gegen die Goten (vermutlich um die Ostgoten vom Zuzuge abzuhalten) unternommenen Diversion, welche in das Jahr 332 zu setzen sein dürfte, und ihnen durch Ehrenbezeigungen, Zollbefreiungen und Naturalspenden reichlich vergolten worden sei. Die Nachricht ist wahrscheinlich, aber nicht wichtig und beglaubigt genug, um nähere Beachtung zu verdienen. (Vergl. den ähnlichen Vorgang unter Diokletian S. 279.)
Von dem Frieden mit den Goten wissen wir nichts Näheres. Nach Jordanis Kap. 21 hat jedoch Constantin ein Födus mit ihnen geschlossen, was ihnen den Namen Foederati verschafft und bis zu des Jordanis Zeit bestanden habe.
Nach dessen Worten soll dies bereits vor jenem Krieg unter den Gotenkönigen Ariarich und Aorich erfolgt sein. Des Jordanis Auszug aus Cassiodor ist jedoch, zumal in Nebenumständen, viel zu unverläßlich, um darauf mit voller Sicherheit fußen zu können. Mindestens ist es ungleich wahrscheinlicher, daß jenes Födus den Krieg beendet habe, als daß es ihm vorausgegangen und sofort gebrochen worden sei. Ein solches war in der Regel mit einer jährlichen Geldzahlung verknüpft und wenn Eusebius (V. C. IV, 5) umgekehrt sagt, daß der Krieg durch Constantins Weigerung, den bisherigen Tribut fortzuzahlen, veranlaßt worden sei, so ist dies sicherlich wieder eine von dessen zahlreichen Entstellungen der Wahrheit, die aus einer vorübergehenden Einstellung oder irgendeiner Veränderung in der Form der Zahlung hergeleitet worden sein dürfte. Die Bestätigung dieser Nachricht durch spätere Kirchenhistoriker beweist nichts, da diese in der Regel nur Eusebius nachschreiben.
Dunkel und widerwärtig ist die tragische Geschichte der kaiserlichen Familie in dieser Zeit.
Bald nach der Feier von Constantins zwanzigjähriger Regierung, in der Mitte des Jahres 326 zu Rom, an welcher dessen Sohn Crispus wahrscheinlich noch teilnahm, beschloß jener den Tod des jugendlichen Helden, der, des Volkes Stolz, auch der des Vaters hätte sein sollen. Zu Pola in Dalmatien ward er umgebracht.
Über Familiengreueln schwebt oft ein unerforschliches Dunkel. Alle Quellen, christliche wie heidnische, gedenken der Tat: des Grundes nur Zosimus (II, 29), der den Verdacht unerlaubten Umganges mit seiner Stiefmutter Fausta auf ihn fallen läßt (εις υποφίαν ελθόντα τοὺ Φαύστη τη̃ μητρυία συνει̃ναι) und die Epitome des Aurelius Victor, nach welcher man letztere für die Anstifterin gehalten habe (Fausta conjuge, ut putant, suggerente). Beide Zeugnisse widersprechen sich, da nach ersterem Fausta die Mitschuldige, nach dem zweiten die Anklägerin, und zwar eines nicht angegebenen oder auch nur angedeuteten Verbrechens gewesen sein soll. Es ist daher reine Willkür, wenn man auf Grund der Epitome Fausta zu einer Phädra gemacht hat, welche, für den Stiefsohn entbrannt und von ihm verschmäht, durch die Anklage, daß er ihr nachstelle, sich gerächt habe. Zosimus macht sein Haß gegen Constantin überdies zu einer höchst verdächtigen Quelle.
Bleibt hier daher nichts als Vermutung, so können wir zwar die fertige Geschichte, die Gibbon (Kap. 18, Not. 9–26) auch diesmal wieder bringt, ebenfalls nicht billigen, finden aber wenigstens mehr Geist darin, als in Mansos Tadel derselben (S. 53 u. f.).
Auch wir halten es für wahrscheinlich, daß Crispus durch seine Siege und Verdienste sowie durch die allgemeine Bewunderung und Verehrung, welche ihm gezollt wurden, des Vaters Eifersucht erregt habe und aus solcher Mißstimmung Kälte und Zurücksetzung hervorgegangen seien. Hierdurch verletzt mag auch der Sohn seine Gefühle nicht besonnen genug verborgen und dadurch einem wachsenden Mißverhältnisse Raum gegeben haben, dessen sich die am römischen Hofe jederzeit blühende, niederträchtige Verleumdungssucht bemächtigte, die verblendete Leidenschaft des Vaters zur Wut zu steigern. Woran die Verleumdung sich heftete, wissen wir nicht; näher aber liegt gewiß, daß man Crispus eines Buhlens um die Macht als um die seit neunzehn Jahren verheiratete Gemahlin des Vaters zu verdächtigen suchte. Daß letztere übrigens bei der Intrige mitwirkte, ist, abgesehen von obiger Stelle der Epitome, nach der Strafe, welche sie später traf, nicht zu bezweifeln: ihr Motiv aber dürfte weit natürlicher in der Mutterliebe für ihre Söhne zu suchen sein, deren Thronfolge sie durch des Stiefsohns bedeutende Persönlichkeit gefährdet erachtete, als in dem Stolz und Haß der gekränkten Frau, welche ihre ehebrecherische Leidenschaft zurückgewiesen sah.
Nur eines: der ungeheuere Frevel dieses Mordes ist als zweifellos anzusehen, da es noch im letzten Jahre der von Eusebius selbst herrührenden, von Hieronymus nur übersetzten Chronik heißt: Crispus, Constantins Sohn und der jüngere Licinius wurden auf das Grausamste (crudelissime) umgebracht.
Die Wahrscheinlichkeit eines politischen Motivs dürfte auch durch die nach Eutrop und des Eusebius Chronik bald darauf erfolgte Tötung von des Licinius Sohn, Constantins Neffen, erhöht werden, da für Umbringung dieses elfjährigen Knaben persönliche Motive doch kaum vorhanden gewesen sein können.
Schmerz und Rachedurst ergriff Helena, Constantins fast achtzigjährige Mutter, die zur Zeit der Tat wohl abwesend war, bei dem Verlust des geliebten Enkels, während auch in des Vaters Seele dem Jähzorne der Leidenschaft beschämende Reue gefolgt sein mag. Der Einfluß ihrer gewiß bedeutenden Persönlichkeit auf den Sohn muß ein großer gewesen sein. Leicht möglich auch, daß Fausta von der verderbten sinnlichen Begier vornehmer Römerinnen jener Zeit nicht frei war und davon nun Grund zu deren Anklage genommen wurde. Genug: Constantin ließ sie, um die Mutter zu befriedigen, in einem heißen Bade ersticken, eine Untat, wie Zosimus sagt, durch eine größere wieder gutmachend. (Zosim. II, 29; Epitom. A. Vic, c. 41, 12.)
Auch »zahlreiche Freunde« (numeroses amicos, Eutrop. X, 6) fielen darauf seiner erwachten Mordlust, was kaum außer Zusammenhang mit dem vorher Erwähnten gestanden haben kann und die Vermutung über den politischen Anlaß zu des Crispus Tötung noch mehr bestätigen würde, wenn Eutrop es nicht ausdrücklich erst nach der von Fausta erwähnte. Es scheint daher mehr deren Mithelfer bei der gegen den Stiefsohn gespielten Intrige getroffen zu haben.
Gewiß in Verbindung mit jenen Ereignissen aber stand die noch im Jahre 326 angetretene Reise Helenens nach dem gelobten Lande. Dem Sohne mochte ihre Gegenwart drückend, der Mutter diese mit höchsten Ehren und fast unbeschränkter Verfügung über Staatsgelder ausgestattete Sendung anziehend und schmeichelhaft sein. Sie wirkte bei Entdeckung der Grabstätte und des wahren Kreuzes des Herrn mit – wobei erstere ohne Schwierigkeit, letzteres aber nach Sokrates (I, 17) nur durch ein Wunder ermittelt wurde – baute Kirchen auf dessen Geburts- und Himmelfahrtsstätte, sammelte eine Fülle heiliger Reliquien und starb bald nach ihrer Rückkehr. Die Kirche hat ihren frommen Eifer durch Heiligsprechung geehrt.
Unzweifelhaft war das Wichtigste in der Zeit, da der Kaiser, nachdem alle inneren und äußeren Feinde zu seinen Füßen lagen, ungeteilte Sorge dem Wohle des Volkes und der Kirche, zugleich aber freilich auch seinem Nachruhme widmen konnte, die Verwaltung des Innern. Wir erwähnen hier zuerst die Gründung der neuen Residenz, eine Tat, deren Nachwirkung bis in die Gegenwart hineinreicht.
Nicht die im byzantinischen Reiche fortvegetierenden Reste alter Staats- und Kriegskunst, nur die wunderbare Lage der Hauptstadt haben die letzten Trümmer der alten Welt, den letzten Herd antiker Kunst und Wissenschaft, bis zum Jahre 1453 erhalten, bis der Boden des Abendlandes tragbar für die klassische Aussaat geworden war. Wie ungleich ärmer wären wir, wenn Rom oder selbst Nikomedien des Reiches Hauptstadt geblieben wäre.
Es gibt auf der ganzen Erde nur ein Konstantinopel.
Zwei Weltteile verbindend, an einem offenen überaus fischreichen Meere von zweihundert Quadratmeilen, das nach Nord und Süd durch uneinnehmbare Pforten gesperrt ist, mit einem ausgezeichneten Hafen, von der Landseite die Füglichkeit einer verhältnismäßig kurzen und erleichterten Befestigung bietend Die Lage von Byzanz war es auch, welche Septimius Severus, den Zerstörer der Stadt, nach Zosimus (II, 30) schon wieder zu deren Wiederherstellung bewog. Auch Tacitus XII, 63 setzt der Lage von Byzanz ein Ehrendenkmal, indem er dabei anführt, der pythische Apoll habe die Gründer von Chalkedon (Byzanz gegenüber) als Blinde bezeichnet, weil sie jenes vor Augen das Schlechtere erwählt hätten. Bestätigung unserer Hauptansicht haben wir übrigens fast allein in dem geistreichen Werke des Prinzen (Duc) Albert von Broglie, l'eglise et l'empire Romain au IV indisieren oder – siecle I, 2, S. 261 gefunden., ist es vor allem auch diese Lage, welche jetzt noch das innerlich verfaulte Türkenreich, den »kranken Mann« unserer Tage (Geschrieben 1860; gilt wohl auch noch 1880. D.), erhält, weil keine der europäischen Großmächte den Besitz dieser Stadt einer andern gönnt.
Häufig, oft jahrelang belagert, ward Konstantinopel doch vor Mohammed II. in 1125 Jahren nie von einem äußern Feinde allein eingenommen. Die Eroberung durch die Lateiner im Jahre 1204 hing mit einem Bürgerkrieg im Inneren zusammen. Nahe sechzig Jahre herrschten dort die Abendländer: aber, soviel uns bekannt, damals noch ohne Frucht für Kultur und Wissenschaft, wofür es ihnen an heftigem Sinn gebrach.
Das Todesurteil über die alte Residenz Rom hatte schon der weise Diokletian ausgesprochen und Nikomedien erwählt, dessen durch eine lange Bucht mit dem Marmarameer verbundene Lage ebenfalls eine sehr glückliche, der von Byzanz aber doch auf keine Weise vergleichbar war, da es namentlich zur Verteidigung des damals noch wichtigsten, zugleich aber gefährdetsten Reichsteils, des europäischen, völlig ungeeignet gewesen wäre. Gleichwohl soll Constantin, nach des Zosimus bestimmter Versicherung (II, 30), zuerst die Gegend zwischen dem alten und neuen Troja (Alexandria Troas) zur neuen Residenz ersehen haben, ja die daselbst begonnene Mauer noch zu dessen Zeit sichtbar gewesen sein. Bald darauf aber habe ihn das gereut und die Lage Konstantinopels, welche er bewundert, seine Wahl entschieden.
Wohl mag der mythische Zauber, der an dem Namen Trojas, der sagenhaften Mutterstadt Roms, haftete, den Gedanken in Constantin erzeugt haben, den Bruch mit den geheiligtsten Erinnerungen, der in dem entschiedenen Aufgeben der alten Residenz lag, durch Erhebung von deren vermeinter Wiege zur Weltstadt zu sühnen: aber auch ein ungleich blöderes Auge als das seinige, hätte den Mißgriff bald erkennen müssen. Die Stätte lag am Ausgang des Hellespont: und selbst wenn der Plan auf dessen Sperrung und Gründung einer gegenüberliegenden Stadt am europäischen Ufer gerichtet gewesen wäre, blieb er immer im Vergleich zu Byzanz ein schlechter.
Dem welthistorischen Moment in Konstantinopels Gründung waren wir diese Hervorhebung schuldig; topographische Details über die alte und neue Stadt, mit denen Gibbon sein 17. Kapitel beginnt, gehören nicht hierher.
Genug, daß Constantin seine neue, anscheinend im Jahre 328 begonnene Schöpfung am 11. Mai 330, selbstredend noch unvollendet, feierlich einweihte (Idatius Descr. Consul. J. 330; Chronic. Paschale I, p. 529 der Bonner Ausg.), unermeßliche Summen auf öffentliche und Privatgebäude verwendete Nach Codinus, einem noch am byzantinischen Hofe lebenden Schriftsteller der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, der mindestens gute Quellen haben konnte, für Mauern, Säulengänge und Wasserleitungen allein über sechzig Millionen Mark. (Antiquit. Constant., S. 11.) und zu deren Schmucke mit Statuen und Kunstwerken alle Städte des Reichs, vor allem Griechenlands und Kleinasiens, namentlich auch die heidnischen Tempel, plünderte. Nicht mindere Schwierigkeit als der Bau, zu dessen Förderung noch im Jahre 334 die Errichtung von Bauschulen selbst in Afrika angeordnet ward (Cod. Theod. XIII, 4, 1), mag die Herbeischaffung der Bevölkerung geboten haben. Eiserner Wille und Geld wußten auch diese zu besiegen: Getreide- und andere öffentliche Spenden, Arbeitsverdienst, wie die Genüsse des Müßiggangs lockten die Ärmeren, Freigebigkeit und der Zwang kaiserlicher Wünsche die Reichen und Großen herbei.
Die Stadtverfassung ward nach Roms Muster geordnet, auch ein Senat errichtet, Doch blieb das Konsulat in Rom, wie denn Constantin auch nie daran gedacht hat, die Tiber-Stadt ihres, wenn auch nur noch idealen und historischen, Vorranges als Welthauptstadt jemals ausdrücklich zu entkleiden.
Constantins Ruf erfüllte den Erdkreis. Sehr glaublich daher, daß Gesandtschaften selbst der entferntesten Völker, wie Inder und Äthiopen, mit reichen Geschenken vor ihm erschienen, wie dies Eusebius (IV, 7) als Augenzeuge versichert.
Nur von Persien her drohte ein verhaltenes Ungewitter. Nicht die Aufnahme und Auszeichnung indes, welche des Narses Enkel und Hormisdas des Zweiten ältester Sohn, Hormisdas der Jüngere, bei Constantin gefunden, als er, der Thronfolge beraubt und eingekerkert, auf wunderbare Weise im Jahre 323 oder 324 zu Constantin entflohen war (Zosim. II, 27), sondern der Groll um den Verlust von fünf Provinzen, welche Galerius seinem Großvater entrissen, gärte in der Seele des kriegerischen Sapor des Zweiten. Gleichwohl heuchelte auch dieser, die Kriegsrüstung zu verbergen, Frieden und Freundschaft, Constantin im Jahre 333 oder 334 mit einer Ehrengesandtschaft beschickend. Erst gegen Ende des Jahres 336 oder Anfang 337, also kurz vor Constantins Tode, forderte er jene Provinzen zurück und begann, zurückgewiesen, den Krieg, der, unsicheren Anfangs, erst der Geschichte der folgenden Regierung angehört.
Fühlte sich auch Constantin der mühsam erlangten Gesamtherrschaft über das Reich gewachsen, so erkannte er doch gewiß die Weisheit, ja die Notwendigkeit von Diokletians Reichsordnung, ernannte daher seine Söhne zu Cäsaren, nicht nur, um sich treue und gehorsame Organe zu schaffen, sondern unstreitig auch im Hinblick auf die einstige Thronfolge. Von Crispus und Constantin II. ward dies bereits oben erwähnt; im Jahre 323 ward Constantius, sein anderer Sohn zweiter Ehe, sechs- bis siebenjährig, im Jahre 333 der jüngste, Constans, ungefähr dreizehnjährig, dazu berufen. Dies kann nur Titel gewesen sein: doch hat Constantin seine Söhne sobald irgend möglich mit Staats- und Kriegsangelegenheiten beauftragt, wie denn Constantin II. im Jahre 332 siegreich gegen die Goten focht und Constantius damals an dessen Statt, wiewohl erst fünfzehnjährig (wohl unter einem tüchtigen Führer), nach Gallien gesandt ward. (Julian Orat. I. p. 20 der Pariser Ausg. von 1630.) Erst im Jahre 335 scheint er ihnen bestimmte Reichsteile überwiesen zu haben.
So natürlich dies erschien, so fiel es doch auf, daß er dabei im Jahre 335 auch seinen Neffen Dalmatius, den Sohn seines ältesten Halbbruders gleichen Namens, der einen Aufstand auf Kypros unterdrückt hatte, gleichfalls zum Cäsar ernannte.
War es die von Eutrop (X, 9) gerühmte besonders glückliche Anlage dieses dem Onkel nicht unähnlichen jungen Mannes, die ihm Constantins Wohlwollen gewann oder der dringende Wunsch der Truppen (Aurel. Vict. d. C. c. 41, 14), – regte sich dabei vielleicht auch ein Billigkeitsgefühl gegen den Stamm seiner Halbbrüder, welche, gleichen, wo nicht durch ihre Mutter Theodora, Maximians Tochter, höhern Rechtes als er selbst, durch ihn gleichwohl von der Thronfolge ausgeschlossen worden waren, – oder schwebte ihm dabei nur Diokletians Anordnung vor: – wir wissen es nicht. Gewiß ist aber, daß die nach des Crispus Tod jenen Cäsaren zugewiesenen Reichsteile dieser letztern entsprachen.
Das Land jenseits der Alpen, weiland seines Vaters Bezirk, gab er Constantin II.; das Maximians, Italien und Afrika, Constans; die Donaulande erhielt, wie einst Galerius, nun Dalmatius, und den von Diokletian damals vorbehaltenen Orient Constantius; alle freilich, insbesondere der noch völlig unreife Constans, nicht mit der Selbständigkeit der frühern Cäsaren, sondern nur als Werkzeuge in der Hand des alleinigen unbeschränkten Gesamtherrschers.
Zugleich verlieh er seinem zweiten Neffen, des Dalmatius Bruder, Annibalianus, königliche Gewalt in der Provinz Pontus mit Kappadokien und Kleinarmenien, wahrscheinlich, wie nach diesem Titel zu schließen ist, da es ja früher schon viele untergeordnete Könige im Reiche gegeben hatte, mehr nach Art eines Paragiums, als mit voller Souveränität, worin wir nur einen Ausfluß der oben angedeuteten Pietät erkennen können, die sich jedoch auf seinen zweiten Halbbruder, Julius Constantius, nicht erstreckt hat. (Anon. Vales. a. Schl. u. Zosimus II, 39.)
Diese Anordnung soll nun Constantin nach Sokrates (I, 39) und Sozomenos (II, 34) durch sein Testament, das er einem arianischen Priester übergeben, bestätigt haben.
Was Constantin in Behördenorganisation, Militär- und Finanzwesen im Geiste Diokletians wirkte, ward, so weit es sich mit Sicherheit auf ihn zurückführen läßt, schon oben entwickelt. Unzweifelhaft hat sich derselbe großes und glänzendes Verdienst durch konsequente und verständige Fortbildung der geschilderten Staatsreform erworben.
Nur zwei von Zosimus (II, 34 u. 38) ihm gemachte schwere Vorwürfe sind hier nicht zu übergehen.
Constantin soll den von Diokletian so trefflich eingerichteten Grenzschutz mutwillig zerstört haben, indem er den größten Teil der Soldaten aus den Grenzfestungen und Lagerburgen weggezogen und in Städte, die des nicht bedurften, verlegt, diese den Brutalitäten der Soldaten preisgegeben, letztere aber verweichlicht habe, so daß hierdurch der Grund zu Roms Untergange gelegt worden sei.
Unglaubliche Verblendung der Leidenschaft dieses sonst nicht Übeln, nur mit Haß wider Constantin erfüllten Schriftstellers. Nie, selbst unter Diokletian nicht, hat sich das Reich einer so großen, vor allem dauernden Sicherheit gegen äußere Feinde zu erfreuen gehabt. Die Maßregel, welche Zosimus so bitter schmäht, war sonder Zweifel nichts anders als die Bildung der oben abgehandelten pseudocomitatensischen Legionen. Ein Teil der Linienarmee, ungefähr derselbe, der später die palatinischen Truppen umfaßte, deren Stärke in Buch 2, 11. Kap. angegeben ist, mag von jeher in oder bei den Hauptstädten des Reichs in der Nähe der Herrscher und kommandierenden Generale stationiert gewesen sein, der Rest derselben aber, vielleicht nahe drei Viertel, nur an der Grenze in Festungen und Lagerburgen gelegen haben, teils um den Grenzdienst unmittelbar zu versehen, teils um der kolonisierten Grenzmiliz zum Soutien zu dienen. Aus diesem mußten nun aber selbstredend die Hauptstreitkräfte für jeden großen Krieg entnommen werden, deren Zusammenziehung bei solcher Zerstreuung schwierig und aufhältlich war, während andererseits bei deren Abmarsch die Entblößung der Grenze sichtbarer hervortrat.
Hier traf nun Constantin die Einrichtung, den größten Teil derselben, wie Zosimus ausdrücklich sagt (nach der Not. dign. etwa zwei Drittel), von der Grenze zurück, mehr in das Innere zu verlegen, welche man nun comitatenses nannte, den kleinern aber, die pseudocomitatenses, allein zu bleibender Grenzbewachung zu bestimmen.
Dies mochte der durch furchtbare Züchtigungen und den Schreck seines Namens gesicherte Zustand der Grenze damals gestatten, während handgreifliche militärische und disziplinare Rücksichten eine stärkere Konzentrierung der Linienarmee empfahlen.
Des Zosimus weitere Gründe, welche nur den Beweis liefern, daß ihm jedes militärische Urteil abgeht, hier zu erörtern, würde müßig sein. Waren namentlich die Bewohner größerer Städte den Bedrückungen der Soldaten ausgesetzt, so mußten es doch vorher die der kleineren Städte und des platten Landes ungleich mehr gewesen sein.
Der fiskalische Druck, als dessen Urheber und weiteren Erfinder Lactantius (d. m. p. c. 7 u. 23) Diokletian und Galerius, Zosimus aber (II, 38) Constantin anklagt, ward bereits oben erwähnt und im Wesentlichen zugestanden. Daß auch Constantin, als er zur Befriedigung seiner Baulust und übergroßen Freigebigkeit ungeheurer Summen bedurfte, dawider vielleicht nicht so energisch eingeschritten sein mag, als eines guten und weisen Herrschers Pflicht erfordert hätte, würde zu tadeln sein. Ihn allein und vorzugsweise aber des fiskalischen Druckes anzuklagen, ist um so ärgere Verblendung oder Unwissenheit, da gerade umgekehrt Constantin durch ein an das ganze Volk erlassenes Edikt oder Manifest (C. Just. X, 19, 2) die Anwendung von Kerker, Schlägen oder andern Zwangsmitteln gegen Steuerrestanten, »welche die Unverschämtheit der Richter erfunden«, verboten und die Beitreibung auf die noch heute üblichen Exekutionsmittel beschränkt hat, wie denn auch Aurelius Victor (c. 41, 4) ihm Unterdrückung der fiskalischen Plackereien nachrühmt. Ja er soll sogar nach Eusebius (V. C. IV, 2) die Grundsteuer um ein Vierteil ermäßigt haben, was, wenn auch vielleicht entstellt und übertrieben, doch unmöglich ganz unwahr sein kann. Mag dessen unerachtet, besonders in der spätern Zeit, wohl noch mancher Mißbrauch vorgekommen sein, so ist doch mindestens das Verschweigen obigen Gesetzes durch Zosimus unverantwortlich.
(Schwerer wiegt ein anderer Vorwurf: Julian beschuldigt ihn Amm. Marc. XXI, 10), zuerst massenhaft Barbaren, zumal Germanen, in den höchsten Zivil- und Militärdienst des Reiches befördert zu haben: das war freilich die Barbarisierung des Reichs von Innen heraus, die Anerkennung, daß die Römer dem Reich nicht mehr genügten: aber er hat nicht angefangen, nur vielleicht gesteigert, was nicht mehr zu vermeiden war und was auch Julian tat und tun mußte. D.)
Aufzählung und Kritik von Constantins Gesetzen gehört nicht hierher. Eutrop sagt darüber (X, 8) im Allgemeinen: »Gesetze gab er viele, einige gut und billig, mehrere überflüssig, einige hart.«
Dies ist in der Tat richtig. Besonders das Jahr 320 zeichnet sich hierin aus, in welchem er außer dem vorstehend gegen die Greuel des römischen Gefängniswesens schritt. (C. J. IX, 4, 1–3.)
Auch was er zu Gunsten armer Schuldner und zur Erleichterung letztwilliger Verfügungen sowie zum Besten der natürlichen Kinder (aus Nov. 89 zu folgern) verfügte, zählt hierher.
Wahrhaft drakonisch dagegen ist das Gesetz gegen gewaltsame Entführung von Jungfrauen und Ehefrauen (C. Th. IX, 24 u. 25), das Todesstrafe und Vermögensentziehung nicht nur für den Entführer, sondern auch für alle Mithelfer desselben verordnete, ja selbst die Entführte ihres elterlichen Erbes beraubte.
Wir haben darin einen Ausfluß kaiserlicher, unstreitig durch prägnante Fälle gereizter Laune zu erblicken.
Überhaupt war er gegen alle Keuschheitsvergehen streng: auf unerlaubten Umgang einer Herrin mit ihrem Sklaven setzte er einfache Todesstrafe für erstere, den Flammentod für letztern. (C. Th. IX, 9 1. un. u. Just. IX, 11.) Die nach römischer Sitte erlaubten Konkubinate verbot er gänzlich (C. J. V, 26).
Auch anderes ging aus christlicher Anschauung hervor: wie z. B. das Gesetz wegen beinahe gänzlicher Abschaffung der Strafen der Ehelosigkeit (C. Th. VIII, 16).
Daß Constantin gleichwohl Diokletians gesetzgeberische Tätigkeit nicht erreicht, ward bereits oben bemerkt.
Wir kommen zum Schluß seiner Geschichte.
Am 25. Juli 335 beging Constantin zu Konstantinopel die dreißigjährige Feier seiner Regierung, zu welcher Eusebius seine noch vorhandene Lobrede auf ihn hielt.
In der Osterwoche 337 erkrankte der Kaiser und starb am letzten Pfingstfeiertage, d. i. den 22. Mai desselben Jahres zu Nikomedien, nachdem er kurz vorher daselbst die heilige Taufe empfangen.
Keiner seiner Söhne war um ihn: der nächste derselben, Constantius, den er herbeirief, kam erst nach seinem Tode an.
Seine Regierung brachte er auf dreißig Jahre, neun Monate und zwei Tage, sein Lebensalter (angenommen, daß er am 27. Februar 274 geboren ward) auf dreiundsechzig Jahre, zwei Monate und fünfundzwanzig Tage.
So lange hat, außer Augustus, dem Gründer der Monarchie, kein römischer Kaiser vor und nach ihm regiert.