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Drittes Kapitel.
Die Kriege der Germanen mit Rom bis auf die Varusschlacht

(113 v. Chr. bis 9 n. Chr.)

Eine vollständige Geschichte der Kriege zwischen Germanen und Römern, welche der Zeit, die wir beschreiben, vorausgingen, würde hier nicht am Platze sein; ein gedrängter Überblick des Verlaufs und der Hauptmomente derselben darf jedoch nicht fehlen, hat sogar da ausführlicher zu sein, wo es sich um Nachweis eines Zusammenhanges mit der Folgezeit handelt.

In Fortsetzung ihrer Wanderbewegung von Ost nach West (siehe oben Einleitung) drangen die Germanen gegen ihre keltischen Nachbarn in Belgien und Helvetien vor: und zwar mit solchem Erfolge, daß um Cäsars Zeit (58 v. Chr.) schon ein großer Teil des linken Rheinufers, einschließlich des Elsaß, und das gesamte rechte, vormals keltische, Rheintal vom Main bis Basel in deren Besitze, die keltischen Außenstämme zwar durch die Schule dieser langen Kämpfe die tapfersten aller Gallier geworden waren, die Bewohner des innern Landes aber, wie Cäsar I, 39 diese selbst sagen läßt: »nicht einmal das Antlitz der Germanen, noch den Blitz ihres Auges zu tragen vermochten«. Cäsar VI, 24: ac fuit antea tempus, cum Germanos Galli virtute superarent, ultro bellum inferrent et propter etc. trans Rhenum colonias mitterent. Schon Tacitus (Germ. 28) erläutert diese Stelle dahin, daß die Gallier vormals einen Teil von Germanien erobernd besetzt hätten. (Daraus folgt aber nicht, daß dieser damals schon von Germanen bevölkert war. Daß übrigens bei dem ersten Zusammenstoß der Germanen und Kelten, nördlich des Mains, letztere durch bessere Bewaffnung und Kriegskunst jenen anfangs überlegen gewesen seien, ihren Andrang einige Zeit lang erfolgreich abwehrten, ist leicht möglich; ebenso sind einzelne Rückflutungen von Kelten nach Osten zweifellos: die späteste ging in das römisch Zehntland. D.)

Der erste Zusammenstoß mit Rom erfolgte um das J. 114 v. Chr., als die Kimbrer und Teutonen aus ihren Sitzen von Jütland bis Holstein durch Nahrungsmangel wegen Übervölkerung, vielleicht bei durch Überschwemmung vermindertem oder doch bedrohtem Ackerland, vertrieben, gegen Süden zogen, bald mit keltischen Zuzüglern gemischt. ( D.)

Zunächst zwar lenkten sie, obwohl siegreich, vor den Alpen freiwillig wieder ab: nur Süddeutschland, Gallien, ja selbst Hispanien ausraubend, schlugen sie auf dreizehnjährigen Hin- und Herzügen fünf konsularische Heere, bis sie endlich, jenseits der Alpen an des Marius Kriegserfahrung zerschellend, ihren Untergang fanden.

Dieser Zusammenstoß war es, welcher für Rom zuerst die Erkenntnis eines neuen, eigentümlichen Volksstammes von wilder Urkraft aus dem dunkeln Gesamtbilde der transalpinischen »Kelten« loslöste, welcher mit einem keltischen Namen Germanen genannt ward.

Es war der erste Wellenschlag der Völkerwanderung. ( D.)

Entdeckt war nun Roms furchtbarster Feind, vor dem es auf dem Gipfel seiner Größe zweimal erzitterte, den es zwar, wie Tacitus unter Trajan mit bitterer Ironie sagt, »schon seit 210 Jahren besiegte, im Kriege aber nie bezwang«, bis endlich die Rollen wechselten, die Germanen der Hammer, Rom der Amboß wurde, dessen Zertrümmerung nach langem zähen Widerstände den Kampf endete.

Es war 42 Jahre nach der Niederlage der Kimbrer im raudischen Blachfelde, als Ariovist, ein suebischer König, den gallische Zwietracht selbst zuerst in das Land gerufen, zu bleibender Eroberung des südöstlichen Galliens sich anschickend, auf Cäsar stieß. Grauen ergriff die Legionen: aber des großen Juliers Heldenseele überwand zuerst die Furcht seiner Römer und dann die wilde Kraft der Germanen.

Mit diesem Siege beginnt die 74jährige Periode der Offensivkriege Roms gegen Germanien, in dem die Hauptbegebnisse folgende waren:

Zweimal, in den Jahren 55 und 53 (de b. g. IV, 16 u. VI, 9. 10 u. 29), ging Cäsar über den Rhein, nicht um zu erobern, sondern nur um abzuschrecken. Lange Zeit hatten die Germanen diesen Strom überschritten, bald auf Eroberungs- oder Raubzügen, bald als Hilfsvölker. Dasselbe geschah um jene Zeit gegen Cäsar, der deshalb des Reiches neue Grenze durch den Schrecken römischer Kriegskunst und Waffen wirksamer zu sichern beschloß.

Mag nun auch jene fabelhaft schnelle Überbrückung des Niederrheins den Germanen kaum minder bewunderungswürdig als den Amerikanern das erste Feuergewehr erschienen sein, so vermochte doch nichts erstere zu schrecken und zu zügeln. Noch im Herbst des J. 53 zogen 2000 Sugambrer über den Strom, um an der Ausraubung der Eburonen, die Cäsar den benachbarten Galliern preisgegeben, teilzunehmen, überfielen dabei aber ein schwach besetztes römisches Lager, das kaum der Vernichtung entging, und kehrten beutebeladen in die Heimat zurück. Noch erfolgloser erwies sich Cäsars weiteres Vordringen über den Rhein. Die Germanen wichen in ihre Wälder zurück und Cäsar zog, nach Verheerung des wenigen, was es zu zerstören gab, ruhmlos wieder ab.

Diese Unternehmungen stellten es fest, daß eine Eroberung Germaniens im gewöhnlichen Sinne dieses Wortes, der Freiheitsliebe des Volkes und der Beschaffenheit des Landes gegenüber, fast ein Unding sei.

Auf Cäsar folgte im Wesentlichen eine vierzigjährige Waffenruhe zwischen Römern und Germanen, auch dadurch gefördert, daß die unbändige Kriegslust dieser letzteren in römischem Solddienste Ableitung und Befriedigung fand.

Cäsar selbst hatte deren hohe Kriegstüchtigkeit anerkannt, sie errangen ihm in den verzweifeltsten Gefechten des gallischen Krieges (VII, 67. 70 u. 80) den Sieg, wirkten in den Kämpfen um die Weltherrschaft bei Pharsalus und Alexandrien entscheidend mit, stritten bei Philippi für und wider Brutus, und bildeten Augusts Leibgarde.

Gleichwohl mag es auch an der Rheingrenze, die Rom immermehr zu sichern strebte, an kleineren Raubzügen und Neckereien nicht gefehlt haben, obwohl die Geschichtsquellen, in jener Zeit vorzugsweise mit den Bürgerkriegen beschäftigt, nur eines Vorfalls der Art im J. 29 oder 30 (Cassius Dio LI, 21), und später, im J. 16 v. Chr., der Clades Lolliana erwähnen. Wiederum zogen da Sugambrer raubend über den Rhein, schlugen römische Reiter, ja Lollius selbst, den Legaten von Gallien, in schimpfliche Flucht, und nahmen dabei den Adler der fünften Legion.

Nachdem August die Gewalt in Rom unter dem Titel des Principats erlangt und genügend befestigt hatte, wandte sich in den letzten dreißig Jahren seiner Herrschaft dessen Blick den äußeren Verhältnissen des Reiches zu, das allein im Nordwesten noch bedroht erschien. Nicht Erweiterung, nur Erhaltung und Sicherung der Grenze war sein klar erkanntes Ziel.

Zu letzterem Zwecke lediglich rückte er dieselbe im Norden Italiens bis zur Donau vor, das keltische Süddeutschland in den Jahren 15–14 v. Chr. sich unterwerfend.

Gegen die Germanen aber hatte sich der Rhein, zumal nach der Schmach der Lollianischen Niederlage, als ungenügende Schutzwehr ergeben. Und doch war eine bessere, selbst deren Erkämpfung vorausgesetzt, nirgends zu finden, da weder Weser noch Elbe hierzu geeigneter gewesen sein würden. Da gab es denn kein anderes Mittel als das friedlicher Unterwerfung. Indem man den Nachbarstämmen rechts des Rheines mit der einen Hand die Schrecken römischer Waffen, mit der andern die mannigfachen Vorteile freundlicher Verbindung mit Rom, neben fast ungeschmälerter nationaler Selbständigkeit, zeigte, durfte man hoffen, sie zu Bündnissen zu bewegen. Gelang dies, so schien die leichte Fessel um so sicherer allmählich zu einer schweren, ja endlich zur Sklavenkette werden zu müssen, je mehr steigende Kultur und Zivilisation andre Lockungen und Reize als den wilder Freiheit in den Germanen wecken mußten.

Dies war unstreitig Augusts geschickter Plan, gefördert übrigens durch persönliche Vorliebe für den tapferen Drusus, dem er die Ausführung übertrug.

Meisterhaft, wie die Anlage, war die Ausführung, durch Drusus von 13–9 v. Chr. begonnen, durch Tiberius bis 6 v. Chr. und dann wieder von 3–6 n. Chr. fortgesetzt (und der Vollendung so nahe, daß nur Armins geniale List und Kraft sie hinderte D.). Der Aufstand der Pannonier und Illyrier, der Mißgriff in der Wahl des Quinctilius Varus zum Legaten (und zuletzt Armins dämonische Größe D.) retteten die germanische Freiheit. Mit einem Schlage fiel da im J. 9 n. Chr. das Werk zweiundzwanzigjähriger Politik und Siege in Trümmer, drei römische Legionen im blutigen Schutte begrabend.

Betrachten wir zunächst die Angriffe und Erfolge des Drusus. Es ist nötig, über seine Persönlichkeit einiges zu bemerken. August vermählte sich bekanntlich zum zweiten Male mit Livia, der Gemahlin des Tiberius Claudius Nero, welchen er, von Leidenschaft zu dieser ergriffen, von ihr sich zu trennen zwang. Als er Livia in den Kaiserpalast einführte, trug diese ihren jüngsten Sohn Drusus unter dem Herzen. Unter des Kaisers Augen geboren und erzogen, ward er bald ein Gegenstand inniger Zärtlichkeit desselben; man hielt ihn zu Rom für des Kaisers eignes Kind. Dieser Drusus nun ward im Jahre 13 nach Gallien gesendet. Da stand der sechsundzwanzigjährige Held, Angesichts des Rheins, auf dem Boden, auf welchem der große Cäsar die Palme unsterblichen Ruhmes sich erworben; ihn nannte er seinen Großvater, weil derselbe den Octavianus adoptiert hatte. Ihm fühlte er sich nicht unebenbürtig an Mut und an Geist, dabei aber im Besitze größerer Macht, als der beginnende Cäsar, weil er der Lieblingssohn des Weltherrschers war. Was Wunder nun, daß heißer, glühender Ruhmesdurst, kühner Unternehmungsgeist die jugendliche Seele ergriff? Wie aber, wird man einwenden, konnte der bedächtige August diesem jungen Manne eine solche Stellung anvertrauen? Darauf wirkte wohl zuvörderst das dynastische Streben und der Wunsch, die Herrschaft auf sein Haus zu vererben. Zwar hatte Augustus damals noch selbst Blutserben in den Söhnen seiner Tochter Julia, Cajus und Lucius, aber immerhin konnte es seine Pläne nur fördern, wenn Drusus Sieg und Ruhm und vor allem die Liebe und Treue des mächtigsten der römischen Heere sich erwarb. Aber nicht bloß aus dynastischer Schwäche, gewiß auch mit kluger Berechnung handelte er so. Sicherlich wußte August sehr gut, daß Germanien nicht, wie Gallien, erobert werden konnte. Erobern kann man überhaupt nur ein Land, dessen Volk den Verlust der Freiheit geringer achtet als den seines unbeweglichen Eigentums an Häusern und Land. Anders bei den Germanen. Die Germanen waren einst als Nomaden von Asien aus eingewandert und hatten von nomadischer Sitte noch viel, namentlich aber die bewahrt, daß sie ihre bewegliche Habe, Rosse, Herden, Unfreie, höher achteten, als ihr unbewegliches Eigentum an Häusern und Ackern. Bot nicht der weite Urwald überall Material genug, um sich Häuser aus Stämmen zu zimmern, nicht Raum genug, um durch Rodung neues Kulturland zu gewinnen? Deshalb geschah es, daß, als Cäsar zweimal über den Rhein gegangen war, die Sugambrer und Sueben sich vor ihm in die Wälder zurückgezogen hatten, wohin sie zu verfolgen er nicht wagte. Es war also auf dem Wege gewöhnlicher direkter Eroberung kaum etwas auszurichten, wohl aber schien es möglich, durch Bündnisse die Germanen dahin zu bringen, daß sie Roms Schutz und Oberherrlichkeit anerkannten. Schon die Republik hatte auf diesem Wege vieles bewirkt. Sie kannte zwei Arten von Bündnissen, das foedus aequum mit gleichen Rechten; das andere, in welchem die Klausel vorkam, majestatem populi romani comiter colunto: die Macht des römischen Volkes freundlich zu ehren. Durch derartige Bündnisse mochte er die Germanen nach und nach zu unterwerfen sich schmeicheln.

Die Quellen über des Drusus Feldzüge sind äußerst dürftig. Einen chronologisch geordneten Bericht finden wir nur bei Cassius Dio, einem römischen Schriftsteller aus dem Anfange des dritten Jahrhunderts, der leider häufig äußerst kurz und unvollständig ist. Erschöpfenderes könnten wir von Vellejus Paterculus erwarten, der als Zeitgenosse schrieb, wenn er nicht zu rhapsodisch und phrasenhaft, vor allem aber ein zu großer Schmeichler des Tiberius wäre, um die früheren Leistungen von dessen Bruder Drusus in das volle Licht zu stellen. Nächst diesen finden wir noch bei mehreren anderen Schriftstellern abgerissene Notizen, unter denen die des Florus aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts die bedeutendsten sind. Gegenstand der Operationen war der Teil Germaniens, welcher westlich von dem Rheine, der Yssel und dem Zuydersee; östlich bis etwa Hannoverisch Minden von der Weser, und von da an vom nördlichen Harze; gegen Mitternacht aber von der Nordsee, sowie südlich von dem Waldgebirge der Werra, des Eichsfeldes und des südlichen Harzes bis etwa Eisleben begrenzt war.

An der Seeküste wohnten im westlichen Holland die Friesen bis zur Ems; in dem jetzigen Ostfriesland und Oldenburg bis zur Weser ein Teil der Chauken; südlich ersterer zunächst am Rheine die Usipier, nebst einigen andern kleineren Völkerschaften; dann in dem östlichen Münsterlande und der Grafschaft Ravensberg die Brukterer; südlich der Lippe vom Rhein aus zunächst das große Volk der Sugambrer; hinter diesen auf beiden Seiten der Weser etwa von unterhalb Preussisch Minden an die Cherusker, welche nebst ihren Bundesgenossen zugleich das ganze Gebirge von Süd-Hannover, Braunschweig und des Harzes innehatten; weiter nach Süden lag zunächst dem Rheine, in dem jetzigen Nassauischen, das vormalige Land der Ubier, welche 10–15 Jahre vorher auf das linke Rheinufer in die Umgegend von Köln, welches ihr Hauptort war, versetzt worden waren, jenes Gebiet aber, wenn sie es auch vermutlich faktisch nicht mehr innehatten, doch immer noch als ihr Eigentum beanspruchten; hinter diesen im jetzigen Hessenlande die Chatten, zwischen beiden aber etwa aus der Gegend von Fulda her zog sich wie ein Keil ein Streifen des Gebiets der Sueben, etwa in der Richtung nach Koblenz oder Bonn, gegen den Rhein hin.

Als Drusus im Jahre 13 in Gallien anlangte, war sein erstes Geschäft, den Rhein mit der Yssel durch einen Kanal zu verbinden, der von unfern Arnheim nach Doesberg führte und heute noch, wenn auch nicht mehr fahrbar, unter dem Namen der neuen Yssel den Rhein mit dem Zuydersee verbindet. Um diesen Kanal mit der nötigen Wassermasse zu füllen, wurden ungeheure Dämme in den Rhein geworfen, diesen zu zwingen, einen Teil seiner Wassermasse der neuen Straße zuzuführen. Der Grund dieses Riesenbaues war die Schwäche der Nautik der Römer. Es war für sie so beschwerlich und gefährlich, auf dem jetzigen Wege über Rotterdam oder Antwerpen in die Nordsee zu gelangen, daß sie jenen kolossalen Aufwand nicht scheuten, den Wasserweg abzukürzen. Im Jahre 12 nun ging Drusus im Frühjahre unweit Wesel über den Rhein und durchzog verheerend das Land der Usipier und Sugambrer. Wir ersehen daraus, daß damals auch ein Teil der Sugambrer nördlich der Lippe gewohnt haben muß. Von da wandte er sich nach der Mittelems, an deren Ausfluß er sich mit der Flotte vereinigte, welche indessen auf der neuen Wasserstraße in die Nordsee gesegelt war, die Inseln längs der holländischen Küste entdeckt und deren letzte, Burchana, jetzt Borkum genannt, besetzt hatte. Indem er auf diese Weise das Gebiet der Friesen von Süden und Norden her umzog, brachte er dieselben zu einem Bündnis mit Rom, welches indes schon früher, wenn auch noch nicht abgeschlossen, doch eingeleitet war: (wie der Kanalbau schon voraussetzt D.). Von der Ems zog er mit der Flotte und Armee in das Gebiet der Chauken nach Ostfriesland und Oldenburg: die Flotte blieb in den dortigen Watten auf dem Trocknen sitzen, ward aber durch Hilfe des mitziehenden Fußvolks der Friesen, welche hier also schon als römische Bundesgenossen erscheinen, wieder flott gemacht. Hier schließt Dios Bericht. Man Wilhelm, die Feldzüge des Drusus. vermutet, daß auch schon damals mit den Chauken ein Bündnis geschlossen worden sei, war doch dieses Volk gegen siebzig Jahre lang mit wenig Unterbrechungen ein treuer Bundesgenosse der Römer. Strabo erwähnt noch eines Schiffsgefechtes auf der Ems mit den Brukterern, welches notwendig in dieses Jahr zu setzen ist, woraus man wieder folgert, daß auch mit den Brukterern ein Bündnis geschlossen worden sei. Am Schlusse dieses Jahres noch muß Drusus ferner das Volk der Chatten dadurch für Rom gewonnen haben, daß er ihnen das von den Ubiern verlassene Land, das gegenwärtige Nassauische, einräumte.

Wie er im Jahre 12 seinen Angriff gegen die rechte Flanke des Feindes gerichtet hatte, so im Jahre 11 gegen das Zentrum desselben. Er ging wieder über den Rhein, überbrückte die Lippe und zog quer durch das Gebiet der Sugambrer bis in das der Cherusker, an die Weser. Er fand hier keinen Widerstand, weil die ganze Macht der Sugambrer gegen die Chatten ausgezogen war, mutmaßlich um sie wegen ihres Bündnisses mit Rom zu züchtigen. An der Weser blieb Drusus eine Zeitlang stehen; aber böse Vorzeichen, Mangel an Lebensmitteln und die Nähe des Winters, wie Dio berichtet, vielleicht aber auch die Nähe der Feinde, bewogen ihn zum Rückmarsche. Diese hatten ihn indessen von allen Seiten umstellt. Die Sugambrer waren zurückgekehrt, die Cherusker aufgestanden und die Sueben hatten sich zahlreich eingefunden. Auf dem Rückmarsche fügten ihm daher die Germanen durch plötzliche Überfälle, vermutlich besonders einzelner Abteilungen, große Nachteile zu. Endlich hatten sie ihn in ein tiefes, enges Tal gelockt, wo sie ihn schon ganz für vernichtet hielten und deshalb im kecken Übermute ohne weitere Vorbereitungen von allen Seiten ungeordnet auf das Römerheer zustürzten; allein an der Geistesgegenwart des Feldherrn und an der geregelten Kriegskunst der Römer brach sich – wie später so oft noch – der unbesonnene Angriff. Sie wurden auf das Haupt geschlagen und der Feldherr setzte seinen Rückzug unbelästigt fort. Nach Plinius fand diese Schlacht bei Arbalo, einem mit einiger Sicherheit nicht mehr aufzufindenden Orte, statt. Florus berichtet von diesem Ereignisse noch, die vereinten Germanen hätten bei der Asche von zwanzig wahrscheinlich lebendig verbrannten Centurionen oder Hauptleuten den Schwur der Rache geleistet und wären ihres Sieges so sicher gewesen, daß sie schon die Beute verteilt hätten, so daß den Cheruskern die Rosse, den Sueben das Silber und Gold und den Sugambrern die Gefangenen zugewiesen worden. Als Drusus im Flachlande an der Lippe angelangt war, schlug er Lager und errichtete am Zusammenfluß der Lippe mit dem Aliso eine Festung, welche später unter dem Namen Aliso bekannt ward. Über den Ort dieser Festung ist viel gestritten worden. Die einen suchen ihn ungefähr anderthalb Stunden unterhalb Paderborn bei Neuhaus und dem Dorfe Elsen, woselbst man altes römisches Mauerwerk entdeckt haben will. Aber schon Ledebur hat dieselbe südlich von Lippstadt am Zusammenfluß der Glenne, in welche sich zuvor die Lise ergießt, mit der Lippe finden zu müssen geglaubt.

Damit schloß der zweite Feldzug. Zugleich aber ließ Drusus noch eine andere Festung Arctaunus (arx Tauni?) an der Grenze des den Chatten überlassenen Ubierlandes über der jetzigen Stadt Homburg a d. Höhe bauen. Der Feldzug des Jahres 10 mag wahrscheinlich mit Vollendung der Festungsbaue und der Herstellung der Militärstraßen hingebracht worden sein. Nur im Frühjahr überfiel Drusus die Chatten, welche wohl wegen des Festungsbaues gegen Rom aufgestanden waren, und züchtigte sie ihres Bundesbruches wegen.

Über des Drusus letzten Feldzug, im Jahre 9 v. Chr., sagt Cassius Dio wörtlich: »Ungeachtet der bösen Vorzeichen in Rom, fiel doch Drusus im Frühjahre in das Land der Chatten ein und drang vor bis in das Land der Sueben, welches er, soweit er es auf seinem Marsch berührte, nicht ohne Schwierigkeit einnahm (das Original heißt: τήν ὲν ποσὶν »das vor seinen Füßen«), wobei er die Feinde, so oft sie auf ihn stießen, nicht ohne Blutvergießen besiegte. Darauf machte er eine Wendung nach Cheruskien, überschritt die Weser und rückte bis zur Elbe vor. Er beabsichtigte auch über diese zu gehen, vermochte es aber nicht, sondern trat, nachdem er Trophäen errichtet, seinen Rückmarsch an. Denn ein Weib von mehr als menschlicher Größe trat ihm entgegen mit den Worten: »Wohin, o unersättlicher Drusus, drängst du? Dir ist nicht alles zu sehen beschieden. Hebe dich weg von hier: denn dein, deiner Taten und deines Lebens Ziel steht nahe bevor.« Cassius Dio fügt bei: Diese Götterstimme klinge etwas wunderbar, er müsse ihr aber doch Glauben beimessen, weil der Erfolg sie bestätigt habe. In der Tat brach Drusus auf dem Marsche durch einen Sturz mit dem Pferde das Bein und starb dreißig Tage darauf, nach Strabo, zwischen der Saale und dem Rheine. Florus sagt von diesem Feldzuge, daß Drusus die Markomannen in einer Hauptschlacht auf das entschiedenste geschlagen und aus den erbeuteten Waffen einen Trophäenhügel errichtet habe. Darauf sei er durch den bisher ganz unbekannten und noch von keinem Römer betretenen herkynischen Wald gezogen.

Über diesen Feldzug des Drusus ist viel gestritten worden. Manche Schriftsteller gründen ihre Vermutung auf das Auffinden römischer Münzen. Es ist kaum nötig, die Grundlage solcher Beweise näher zu prüfen. Die Germanen hatten nämlich damals und noch viele Jahrhunderte später keine eignen Münzstätten. Sie bedienten sich der allgemeinen Handelsmünze, welche die römische war, die Handel, Solddienst und Beute ihnen reichlich zuführten. In der Tat, man könnte mit gleichem Grunde annehmen, daß die chursächsische Armee im oberen Niltale kampiert habe, weil sich dort sehr viele altsächsische Speziestaler finden. – Wie Drusus im ersten Feldzuge die rechte Flanke des Feindes bedrohte und die dortigen Völker dadurch gewonnen hatte, wie er im zweiten und dritten das Zentrum angegriffen, so hatte der letzte Feldzug den Zweck, die linke Flanke des Feindes zu umgehen und ihn dadurch zu bedrohen, zuletzt aber sogar an der Elbe sich in dessen Rücken aufzustellen. Indem er nun von dem Chattenlande nach Suebien vordrang, mußte er notwendig auf die Straße kommen, welche zu jener Zeit schon zur Elbe führte. Diese Straße führte von der Elbe bis beinahe nach Fulda in fast durchaus ebener Fläche hin und durch die fruchtbarsten Gegenden, welche daher gewiß auch zuerst kultiviert worden sind. Auf eben dieser Straße unstreitig waren die Sueben, von Osten kommend, bis zum Rhein und von da bis zur Schweizer Grenze gezogen, wo Cäsar sie fand. Diese Straße mußte Drusus nun, indem er aus dem Lande der Chatten nach Suebien vordrang, erreichen. Hier wollte man ihm zuerst den Weg streitig machen. Drusus zog der Saale entlang an die Elbe, die er hiernach in der Gegend von Calbe erreichte.

Als die Kunde von des Drusus frühem Hinscheiden nach Rom gelangte, ergriff allgemeiner Jammer und die tiefste Teilnahme die römische Welt, in welche sogar die Germanen, dessen Feinde, mit einstimmten: August und Livia waren aufs tiefste erschüttert. Tiberius eilte mit staunenswerter Geschwindigkeit von Pavia nach Deutschland und kam noch rechtzeitig genug an, den letzten Atemzug des Sterbenden zu empfangen. Im folgenden Jahre (8 vor Christo) erhielt jener den Kriegsbefehl in Gallien, wo sich auch Augustus selbst eingefunden hatte. Des Drusus Feldzüge waren nicht ohne Wirkung geblieben. Die Germanen sandten Abgeordnete, um über Frieden zu unterhandeln, welches aber August so lange verweigerte, bis nicht auch die Sugambrer sich eingefunden hätten. Endlich erschienen auch diese, von den anderen gedrängt; August aber bemächtigte sich ihrer Sendboten und ließ sie in verschiedene gallische Städte abführen. Ob dazu irgendein völkerrechtlicher Grund vorlag, erhellt nicht aus den Quellen. Diese Gefangenen aber, um ihre Bundesgenossen von jeder Rücksicht zu befreien, töteten sich selbst, worauf der Krieg entbrannte, der nicht ohne Verluste für die Römer war, zuletzt aber, in Verbindung mit dem darauffolgenden Feldzug des Jahres 7, doch zu einem sehr günstigen Ergebnis führte: Vellejus Paterculus gibt an, daß Tiberius damals ganz Deutschland beinahe in eine tributpflichtige Provinz verwandelt habe. Dies » beinahe« ist im Munde des Schmeichlers ein sehr beredtes und kann nur den Sinn haben, daß die Germanen zu Bündnissen bewogen wurden, wodurch sie eine Art von Oberherrlichkeit Roms anerkannten. In dieselbe Zeit fällt das wichtige Ergebnis, daß Tiberius 40 000 Sugambrer und Sueben dahin brachte, daß sie sich auf das linke Rheinufer überführen ließen, was sich (vielleicht D.) dadurch erklärt, daß dies die der Fortsetzung des Kriegs abgeneigte Partei jener Völker war.

In die nächste Zeit fallen nun zwei merkwürdige Ereignisse: zunächst die Gründung von Marobods großem Reiche, sodann der Zug des Domitius. Marobod, der Markomanne, ein großer Mann, war in Rom gebildet und daselbst von August ausgezeichnet worden. Die Markomannen, das vorderste Volk der Sueben (daher auch ihr Name Mark- oder Grenz-Mannen), saßen zu Cäsars Zeiten im Rheintal bis zur Schweizer Grenze. Als Rom bis zur Donau und jenseits des Rheines vorgerückt war, konnten sie sich daselbst nicht mehr sicher halten, zogen sich daher nach Franken zurück. Des Drusus Feldzug vom Jahre 9 mag sie gelehrt haben, daß sie auch dort vor Rom nicht mehr sicher seien. Darauf drang Marobod, der sich an ihre Spitze gestellt hatte, nach Böhmen vor, wohin, wahrscheinlich in sehr dünner Bevölkerung, damals bojische Stämme aus Süddeutschland sich zurückgezogen hatten. Von hier aus brachte er teils durch Krieg, teils durch Vertrag fast alle Stämme der Sueben, einschließlich der Semnonen im Nordosten und der Langobarden im Nordwesten, unter seine Botmäßigkeit, wozu der Erwerb des suebischen Nationalheiligtums im Semnonenwalde, woselbst sich jährlich Abgeordnete aller suebischen Stämme versammelten, wesentlich beigetragen haben mag.

Einige Zeit später (man glaubt im Jahre 2 vor Christo) zog nun Domitius Ahenobarbus, Großvater des Kaisers Nero, der in der Provinz Rätien kommandierte und in Augsburg sein Hauptquartier hatte, mit einer anscheinend nicht starken Armee durch Nordschwaben und Franken bis an die Elbe. In Franken traf er einen Haufen Hermunduren, die ihr Vaterland verlassen hatten. Er wies ihnen die von den Markomannen verlassenen Ländereien an. Darauf überschritt er die Elbe, zog, wie man vermutet, bis zur Havel und von da westwärts an den Rhein. Auf diesem Marsche wandten sich einige aus ihrer Heimat vertriebene Cherusker, unstreitig Edle, um Hilfe an ihn, worauf er den Cheruskern deren Wiederaufnahme befahl. Diese achteten jedoch nicht darauf und da dies ungeahndet blieb, zog er sich hierdurch die Geringschätzung der Cherusker und anderer Völker zu. Auf dem Rückwege zum Rheine legte er die sogenannten »pontes longi«, eine Art von Knüppeldämmen, durch die Sümpfe zwischen Borken und Dülmen, etwa sechs Meilen vom Rheine, an. Über die Richtung dieses Zuges wissen wir nichts, müssen jedoch vermuten, daß dieser von Franken (auf der alten Nürnberger Handelsstraße über Hof, Weida, Gera) längs der Elster und Saale erfolgt sei. Das höchst merkwürdige Unternehmen an sich aber beweist deutlich, daß damals eine schon begründete Oberherrschaft der Römer in Germanien stattfand. Nicht nur der Marsch selbst wäre bei feindlicher Gesinnung unmöglich gewesen, sondern auch die Landanweisung an die Hermunduren und das Hilfsgesuch der vertriebenen Cherusker sprechen dafür; andererseits aber erweist sich die römische Herrschaft auch vielfach als eine nur nominelle (da die Widerstrebenden nicht immer zum Gehorsam gebracht werden konnten D.). Noch interessanter ist dieser Zug durch den Aufschluß, den er uns über die Völker im innern Germanien gewährt. Wir sehen, daß die Hermunduren von den Quellen der Elbe an längs dem Riesen-, dem Lausitzer und dem Erzgebirge ihre Wohnsitze hatten. Als aber Marobod sein großes Reich begründete, welchem namentlich auch die (im Wittenberger Kreise, der Niederlausitz und dem Brandenburgischen sitzenden) Semnunen angehörten, in deren Mitte (wie man glaubt, bei Sonnenwalde) das Nationalheiligtum der Sueben sich befand, muß er entweder durch das Elbtal oder durch die Pässe in der Gegend von Zittau dahin vorgedrungen, also auf die Hermunduren gestoßen sein. Diese mögen nun weder zur Unterwerfung geneigt noch des Widerstandes mächtig gewesen sein, was dieselben, teilweise wenigstens, zur Auswanderung veranlaßt haben mag. Gewiß ist, daß sie im Jahre 99, als Tacitus die Germania schrieb, in Nordschwaben und Franken bis zur Donau, dann aber auch in Thüringen saßen.

Von 1 bis 3 nach Christo kommandierte Marcus Vinucius in Germanien, woselbst er mehrmals teilweise mit Glück focht: er ward durch Triumphalinsignien belohnt. Ihm folgte Sontius Saturninus. Um diese Zeit mag aber wiederum eine große Gährung in Germanien, vermutlich durch Anstiften der Völker jenseits der Weser und Elbe, entstanden sein, welche Tibers erneuerte Absendung dahin erforderte. In den Jahren 4 und 5 nach Christo unternahm dieser daher wiederum die großartigsten Züge, überschritt im ersten die Weser und erneuerte das »Bündnis« mit den Cheruskern. Auch Sontius Saturninus, der unter ihm am Oberrhein befehligte, brachte die nächsten Völker wiederholt zu Friedensschlüssen. Im Innern war bald die Ruhe so gesichert, daß Tiber mitten in Germanien bei Aliso Winterquartiere nahm. Noch merkwürdiger war der Feldzug des nächsten Jahres, über den sich Vellejus in folgenden Worten ausdrückt: »O ihr guten Götter! Welche Fülle von Taten haben wir unter Anführung des Tiberius Cäsar verrichtet! Ganz Germanien mit den Waffen durchforscht; Völker, deren Namen man nicht kannte, besiegt; die Unterwerfung aller Stämme der Chauken zustande gebracht! Ihre ganze Jugend, zahlloser Menge, von ungeheuerem Körperbau, durch ihre Wohnsitze völlig geschützt, sahen wir nach niedergelegten Waffen mit ihren Führern im Kreise der glänzendsten Heeresmusterung vor des Kaisers Bilde niederknien; gebrochen die Kraft der Langobarden, eines Volkes, wilder als selbst germanische Wildheit; endlich, was nie weder gehofft noch versucht worden war, drang das römische Kriegsheer bis zur Elbe vor, wo durch wunderbares Glück und das Geschick des Feldherrn auch die Flotte anlangte, welche nach Besiegung mehrerer Völker von den unbekanntesten Küsten des Ozeans mit einem ungeheuern Vorrat von Lebensmitteln aller Art in die Elbe einlief und sich mit dem Cäsar und dessen Heere vereinigte. Ich führe noch einen kleinen Vorfall an. Als wir am diesseitigen Ufer lagerten und das jenseitige im Glanze feindlicher Waffen leuchtete, warf sich ein Greis der Barbaren, edeln Anstandes und vornehmer Haltung, ganz allein in einen gehöhlten Baumstamm und schiffte bis zur Mitte des Flusses vor. Auf die Frage, ob er ohne Gefahr landen dürfe, ward dies bejaht. Lange den Cäsar ansehend, sprach er darauf: ›Unsere törichte Jugend verehrt zwar in der Abwesenheit eure göttliche Macht, fürchtet aber lieber die Gegenwart eurer drohenden Waffen, als daß sie die Treue bewahre; ich aber, Cäsar, habe nun mit deiner Vergünstigung die Götter, von denen ich bisher nur hörte, gesehen, und habe einen glücklicheren Tag meines Lebens weder gewünscht noch genossen.‹ Nachdem er hierauf noch dem Cäsar, wie er bat, die Hand hatte reichen dürfen, kehrte er, ohne das Auge von ihm abzuwenden, zu den Seinen zurück. Darauf zog sich der Besieger aller Völker und Länder, die er berührt hatte, mit dem unversehrten Heere zurück, nur einmal, da er durch Hinterlist der Feinde überfallen wurde, eine große Niederlage anrichtend. Nachdem er die Truppen hierauf in dieselben Winterquartiere in Germanien zurückgeführt, eilte er nach Rom.«

Obwohl Cassius Dio versichert, daß in diesen Feldzügen nichts Bemerkenswertes vorgefallen, so können wir doch an jenem Berichte des Augenzeugen über Tatsachen, die von Hunderttausenden gesehen worden waren, nicht zweifeln.

Tiberius sah nun ein, daß die Unterwerfung der Rheingermanen so lange nicht gesichert sei, als Marobods Macht ungeschwächt aufrecht stehe. Dieser soll ein stehendes Heer von 70 000 Mann zu Fuß und 4000 Mann Reitern gehabt haben. Marobod hatte die strengste Neutralität bewiesen, jede Unterstützung der Rheingermanen abgelehnt, andrerseits aber auch Rom gegenüber die vollständigste Souveränität behauptet, namentlich die Auslieferung von Überläufern beharrlich zurückgewiesen. Es lag auf der Hand, daß dieser Fürst es in seiner Macht hatte, die Rheingermanen durch Unterstützung wieder gegen Rom aufzuwiegeln, daher erst jetzt, nach vollständiger Demütigung dieser letzteren, der geeignetste Zeitpunkt, auch Marobod anzugreifen, vorhanden zu sein schien. Der großartigste Feldzug ward projektiert, mehr wie 150 000 Mann wurden gegen ihn aufgeboten. Tiberius rückte mit acht Legionen aus der Gegend von Preßburg bis etwa nach Linz, wohin Sontius Saturninus von Mainz her über Regensburg beordert war. Schon waren beide Heere nur noch zehn Meilen voneinander und ebenso weit von Marobods Vorposten in Böhmen entfernt, als in den von Truppen entblößten Pannonien und Illyrien der fürchterlichste Aufstand ausbrach. 800 000 Menschen ergriffen die Waffen.

Tiberius hatte das Glück, Marobod zum Frieden zu bewegen und eilte nun, den Aufstand zu dämpfen, was erst nach sehr blutigen Feldzügen gelang.

Wir wenden uns nun nach Westgermanien zurück. Dort war besonders unter der klugen und umsichtigen Verwaltung des Sontius Saturninus ein merkwürdiger Wechsel eingetreten, den römische Schriftsteller so schildern. Cassius Dio sagt: »Die Römer hatten einzelne, aber zusammenhängende Punkte besetzt, ihre Heere überwinterten in Germanien, Städte wurden gegründet, zahlreiche Märkte und friedliche Volksversammlungen abgehalten. Der Adel erwarb das römische Bürgerrecht. Vom Volke traten viele in den Solddienst ein. Augustus selbst hielt in Rom eine starke germanische Leibwache. Die Germanen nahmen immer mehr von römischer Sitte und römischem Wesen an und wurden durch geschickte Behandlung dahin gebracht, daß sie dies nicht nur ohne Unmut taten, sondern daß sie selbst nicht einmal wahrnahmen, wie sie sich veränderten, obwohl sie doch ihre angestammte Tapferkeit und Freiheitsliebe nicht verleugneten.« Florus sagt: »Es herrschte der tiefste Friede, die Gestalt der Erde änderte sich, selbst der Himmel wurde milder.«

Da trat ein Wendepunkt ein: auf Sontius Saturninus – das Jahr wissen wir nicht, vermutlich Ende des Jahres 7 oder 8 – war Quintilius Varus gefolgt, der vorher die Provinz Syrien verwaltet und sich durch Habsucht dort berüchtigt gemacht hatte. Varus war von vornehmem, aber tatenlosem Geschlechte, gutmütig, aber nicht von durchdringendem Geiste. Er verwarf das umsichtige Verfahren seines Vorgängers und meinte auf direktem Wege, indem er die Germanen wie die Syrer behandelte, viel weiter zu kommen und sie bald ganz zu römischen Untertanen stempeln zu können, zumal dies auch seinen Erpressungsgelüsten diente. Er ließ unter anderm Rechtsgelehrte aus Rom kommen und die Streitigkeiten der Germanen nach römischen Formen und römischen Gesetzen entscheiden. Armin Ein noch nicht zweifellos erklärter Name: keinesfalls »Hermann«; vielleicht römisch. ( D.), der Sohn des Cheruskerfürsten Segimer, damals sechsundzwanzig Jahre alt, trat ihm gegenüber. Armin war römischer Bürger und Ritter und hatte die letzten Feldzüge in Pannonien mitgemacht. Er hatte römische Künste studiert, wohl früh schon mit der bewußten Absicht, Rom durch seine eigenen Waffen zu schlagen und das Vaterland zu befreien. Als er in Germanien vermutlich erst Ende des Jahres 8 oder Anfangs 9 anlangte, welchen Wechsel fand er da vor! Volk und Edle im höchsten Grade gereizt, ja erbittert. Gleichwohl war durch Gewalt nichts auszurichten. Drei Legionen lagerten bei einer Festung mitten im Lande. Wie hätten die Germanen ein Heer, solcher Macht gewachsen, ohne Aufsehen zu erregen zusammenziehen können? Wie wäre es möglich gewesen, ohne die Wechselfälle eines großen Krieges, der bisher immer ungünstig ausgefallen war, hervorzurufen, in offenem Kampf Rom zu überwinden? Da mußte List helfen. Armin verband sich zunächst mit einigen und dann mit mehreren und legte einen fein ersonnenen Plan zum Verderben der Römer an. Vor allem suchten sie Varus durch Schmeichelei zu betören und sicher zu machen: waren sie doch seine täglichen Gesellschafter und Tischgenossen. Dabei wußten sie auf vielfache Art die Stärke seines Heeres zu schwächen, indem sie ihm unter allerlei Vorspiegelungen, bald um seinen Befehlen Nachdruck zu verschaffen, bald um Räuber zu verjagen oder Lebensmitteltransporte zu decken, kleine Abteilungen abforderten. Vor allem aber trachteten sie dahin, daß das Lager bei Aliso verlassen und an der Weser aufgestellt werde. Wo dies war, wissen wir leider nicht. Die Militärstraße führt bei Rehma zur Weser. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß er in einiger Entfernung oberhalb nach Rinteln zu sein Lager aufgestellt haben mag. Vorsichtigere und weisere Männer ahnten Verrat, aber Varus achtete dessen nicht, schmähte sie vielmehr, daß sie aus Neid und Mißgunst seine treuesten Freunde und Anhänger verdächtigten. Endlich, am Vorabende der Ausführung, entdeckte ihm Segest, ein anderer Gaukönig der Cherusker, die Verschwörung: er sagte ihm, daß es noch Zeit zur Rettung sei, wenn er ihn selbst, zugleich aber auch Armin und die übrigen Fürsten in Fesseln schlage, weil das Volk ohne Führer nichts unternehmen werde. Varus, wahngeblendet, verwarf die Warnung.

Die Ausführung erfolgte so: als alles fertig, besonders aber auch die geheimen Rüstungen der Germanen vollendet waren, kam die Nachricht, daß ein entferntes Volk gegen die Römer aufgestanden sei. Das kann nur ein südliches oder südwestliches gewesen sein, weil nur dahin der Weg in die Berge, wohin man die Römer locken wollte, führte: vermutlich die Chatten. Varus entschloß sich, vielleicht wieder auf Zureden der Verschworenen, sogleich auf direktem Wege gegen die Empörer aufzubrechen. Am Morgen des Aufbruchs entschuldigten sich die Fürsten, daß, da ihre Hilfsvölker noch nicht eingetroffen wären, sie nicht sogleich folgen könnten, binnen kurzem aber würden sie nachkommen. Da – es war die Zeit des Sommerlagers verstrichen und wahrscheinlich schon Ende September oder Anfang Oktober – wurde das Lager abgebrochen und alles, was von Nichtbewaffneten im Lager gewesen, mitgeführt: Zivilpersonen, Weiber, Kinder, zahlloses Gesinde von Sklaven und Freigelassenen, daher ein unermeßlicher Zug von Troß, Wagen und Saumtieren aller Art. Varus, sich im tiefsten Frieden wähnend, vernachlässigte sogar in der Anordnung der Marschkolonne die gewöhnliche militärische Vorsicht. Untermischt zogen Bewaffnete und Unbewaffnete untereinander. Bald gelangte das Heer in ein pfadloses Waldgebirge, von tiefen Tälern und Schluchten durchschnitten. Da mußten die Zimmerleute vor, eine Straße durch den Wald zu hauen, die Pioniere, Brücken zu schlagen und nicht passierbare Wegstellen zu bessern. Jetzt brach ein furchtbares Ungewitter aus. Der Regen schoß in Strömen herab, der Sturm brauste durch den Wald, altersmorsche Riesenbäume niederschmetternd und dadurch bald die Marschkolonne beschädigend, bald den Weg versperrend. Schon war das Heer durch diese Hindernisse in die höchste Not gekommen, als plötzlich die Germanen erschienen, aber nicht Hilfe, sondern Tod und Verderben bringend, zuerst aus der Ferne durch Speerwürfe, dann in der Nähe mit Geschick überall da angreifend, wo der Bewaffneten weniger waren. Ehe diese von vorn oder hinten Verstärkung bekamen, waren sie meist niedergehauen und die Germanen wieder verschwunden, an einer andern Stelle mordend hervorzubrechen. Das Heer erlitt sehr starke Verluste schon an diesem Tage; endlich machte es Halt auf der Spitze eines bewaldeten Hügels, wo Varus sein Lager aufschlug. Seine erste Sorge war nun, sich von dem entbehrlichen Trosse zu befreien, weshalb er eine große Menge Wagen und Gepäck verbrannte oder zurückließ; am andern Morgen trat er in guter militärischer Ordnung seinen weiteren Marsch an. Er gelangte bald in eine baumlose Ebene, unstreitig eines der dortigen Bach- oder Flußtäler, wo er zwar auch angegriffen wurde, aber wenig Verlust erlitt. Noch gegen Abend des Tages aber gelangte das Heer wieder in einen Wald, wo plötzlich die Germanen, die sich inzwischen sehr verstärkt hatten, dasselbe von allen Seiten angriffen. Die Örtlichkeit war so beschränkt, daß Varus seine Streitkräfte nicht gehörig entwickeln konnte, daher sich Reiter und Fußvolk gegenseitig hinderten und durch Überreiten, wie Geschoßwerfen einander beschädigten. Dieser Tag ward noch verhängnisvoller und mag besonders die Folge gehabt haben, daß das Heer demoralisiert wurde. Das niederdrückende Gefühl des Verrats der Verbündeten und das Bewußtsein einer ungenügenden Führung mag die Römer völlig entmutigt haben. Als der Morgen graute, setzte das Heer seinen Marsch fort. Inzwischen waren in der Nacht die Germanen, die schon der Beute halber allerwege herzuströmten, noch stärker geworden, so daß nunmehr, wie vorher schon das moralische, allmählich auch das numerische Übergewicht auf Seite der Angreifer glitt. Dazu brach wieder ein Unwetter los. Der Regen war so stark, daß die Römer keinen festen Stand hatten, dessen sie, um mit Vorteil ihre Wurfgeschosse zu schleudern, so dringend bedurften. Die schlaffen Sehnen der Bogen versagten den Dienst: das römische Heer fühlte sich in jeder Hinsicht verlassen. Varus, verwundet, an Rettung verzweifelnd, scheute vor allem, seinen bittersten Feinden lebend in die Hände zu fallen; er tötete sich selbst. Dieses Beispiel ward von vielen der Führer und manchen Soldaten nachgeahmt. Andere, in dumpfer Verzweiflung, legten ihre Waffen ab und ließen sich wehrlos niederstoßen. Da begann ein ungeheures Schlachten. Erst nachdem der heiße Blutdurst der Germanen gesättigt war, mögen sie daran gedacht haben, Gefangene zu machen. Viele Grausamkeiten sollen sie nach der Römer Berichten geübt haben, was auch wohl glaublich ist. Vor allem wird angeführt, daß man einem der verhaßtesten Advokaten den Mund aufgerissen, die Zunge abgeschnitten und sie ihm mit den Worten vorgeworfen habe: »Nun endlich, Natter, höre auf, zu zischen.« Ein Teil der Reiterei schlug sich mit ihrem Befehlshaber, Vala Numonias, durch; er selbst blieb später. Ob dessen Truppe sich rettete, wissen wir nicht; wohl aber gelang es vielen einzelnen aus dem Hauptheere, darunter Weibern und Kindern, zu entfliehen, was ihnen der Beutedurst der Germanen erleichtert haben mag, der es anziehender erscheinen ließ, sich mit der Beute zu beschäftigen als einzelne Flüchtlinge zu verfolgen. Diese kamen glücklich in Aliso an. Nach dem Siege zog das Germanenheer vor diesen Platz. In der Belagerungskunst unerfahren vermochten sie mit Gewalt nichts auszurichten: und da die Bogenschützen und die schweren Geschosse der Römer ihnen empfindlichen Nachteil brachten, beschränkten sie sich auf Einschließung der Festung. Nachdem die Lebensmittel aufgezehrt waren, gelang es den Belagerten, in der ersten Frühstunde einer stürmischen Winternacht, zu entrinnen: glücklich hatten sie bereits die beiden ersten Postenlinien durchschritten, als bei der dritten durch das Geschrei und das Gewimmer der Weiber und Kinder die germanischen Wachen geweckt wurden. Auch hier wäre kaum jemand entronnen, wenn nicht ein Teil der Reiterei vorausgesprengt wäre und einige Trompeter derselben, voll Geistesgegenwart langsam zurückreitend, zum Anmarsch geblasen hätten. Als die Germanen diese ihnen wohlbekannten Töne hörten, wähnten sie, daß Asprenas mit Entsatz vom Rhein heranrücke, und liefen in wilder Flucht von dannen, wodurch die Rettung der Römer möglich ward.

Über die Örtlichkeit der Varusschlacht ist viel geschrieben und gestritten worden. Siehe die Literatur im Anhang. Zum Verständnis der Frage ist eine kurze Schilderung jener Gegend vorauszuschicken. Parallel mit der Weser, etwa vier Meilen von ihr entfernt, zieht sich eine Bergkette, der Osrung oder Teutoburger Wald hin, die in Osten nach Pyrmont und nach dem Hessischen zu sehr breit, nach Westen zu immer schmäler und niedriger wird. Durch diese führen vorzüglich drei Pässe: westlich der von Bielefeld, durch welchen jetzt, der Stadt wegen, die Eisenbahn führt; etwa drei Meilen östlicher der sogenannte Dörenpaß, offenbar eine Naturpforte zur Weser, wie das auch der Name Döre (oder Türe) beweist. Das Gebirge ist hier in seiner Basis höchstens eine Viertelstunde breit, der Paß selbst ein 400 Ellen breites, offenes Terrain. In ihrer Längenrichtung steigt die Straße hier von beiden Seiten her so mäßig an, daß man sie im Trabe und Galopp passieren kann. Die Berge zur Seite sind nicht etwa steil oder hoch, sondern mäßig aufsteigende bewaldete Anhöhen von nur etwa 300 bis 400 Fuß. Zwei Stunden weiter östlich, zwischen Detmold und Paderborn befindet sich ein Paß, durch welchen jetzt die Chaussee von Detmold, gegen drei Stunden lang, durch enge Bergschluchten und über eine bedeutende Höhe nach Paderborn führt. Nach Cassius Dio und Vellejus Paterculus steht fest, daß Varus an der Weser sein Lager hatte, daher von der Weser aus aufgebrochen ist. Ebenso ist nicht zu bezweifeln, daß die große Militärstraße von Aliso nach Rehma führt. Es ist nur nötig, einen Blick auf die Gegend oder Karte zu werfen, damit jeder Zweifel darüber schwinde. Es ist der geradeste und von der Natur gebahnteste Weg, der von Aliso durch den Dörenpaß nach Rehma zur Weser führt. Ebenfalls als gewiß müssen wir ferner annehmen, daß Varus nicht unmittelbar an der Militärstraße sein Lager hatte, sondern weiter oberhalb, weil die Beschreibung, die Dio von den Wirren des ersten Marsches macht, auf die gebahnte Straße nicht passen würde. Leider ungewiß ist aber, wo das Lager stand. Für wahrscheinlich hält man es, daß dies nicht über eine Tagesmarschweite von der Militärstraße entfernt war. Wer kann aber mit Sicherheit bestimmen, ob es nicht noch weiter oberhalb, nämlich vielleicht über Hameln, wo sich am Einfluß der Humme in die Weser eine geeignete Stelle dazu findet, gewesen ist. Wäre diese Ungewißheit nicht, so würden wir über die Örtlichkeit der Varusschlacht kaum im Zweifel sein. Daß aber das Lager in der Nähe der Militärstraße das wahrscheinlichste ist, muß man hierauf gründen. Klostermeier nimmt dasselbe in der Nähe von Vlotho an: wahrscheinlich ist es wenigstens anderthalb Stunden weiter oberhalb zu suchen, von Varenholz nach Rinteln. So wenig übrigens Namen Konjekturen beweisen, ist doch die Vermutung, daß das Holz, in oder an welchem Varus gelagert, vom Volke »Varenholz« und später auch die dort gegründete Stadt so genannt worden sei, wenigstens keine ganz unmögliche. (? D.) Klostermeier läßt den Varus von hier erst rechts oder südwestlich nach dem Orte Uffeln oder Salzuffeln, marschieren und oberhalb dieses Ortes im Walde das erste Lager aufschlagen, am folgenden Morgen aber die Militärstraße erreichen. Er sei auf einer baumlosen Ebene, wie Dio berichte, als wohl auf dieser, bis gegen Lage vorgedrungen. Hier war er kaum noch anderthalb Stunden vom Dörenpaß entfernt, doch habe er diesen Weg nicht gewählt, sondern links abgeschwenkt und sei aufwärts nach Detmold marschiert, jenseits dessen im Gebirge die zweite Schlacht und Lagerstätte gewesen, auf der südlichen Abdachung des Gebirges aber zwischen den Dörfern Schlangen und Haustenbeck am dritten Tage die gänzliche Vernichtung erfolgt sei. Klostermeier fühlt sehr gut, daß er hier etwas schwer Denkbares ausspricht: er sucht sich aber dadurch zu rechtfertigen, daß er behauptet, der Dörenpaß sei von den Germanen besetzt gewesen, Varus habe also auf diesem Weg nicht entrinnen können. Wenn man den Dörenpaß kennt, wird man sich überzeugen, daß es selbst einer modernen Armee mit ihren Hilfsmitteln ohne längere Vorbereitung kaum möglich gewesen wäre, diesen Paß gegen ein taktisch überlegenes, entschlossenes Heer zu halten. Die Hauptsache aber ist, daß, wenn die Germanen diesen Paß besetzt hätten, sie ganz gewiß den viel schwierigeren, drei Stunden lang durch tiefe Schluchten über steile Berge führenden andern nicht unbesetzt gelassen haben würden.

Endlich, wenn es anfangs an Streitkräften hierzu gefehlt hätte, so war doch der Dörenpaß nur zwei Stunden von dem Detmolder entfernt, und während des Römermarsches nach letzterem konnten die Germanen auf dessen Südseite ganz bequem dahin ziehen und auch diesen gegen die Römer sperren.

Der Weg zur Rettung war also dem Varus wohl nur durch den Dörenpaß gegönnt, auf jedem andern Wege aber diese geradezu undenkbar. Es ist unter diesen Umständen am wahrscheinlichsten, daß Varus am ersten Tage in südlicher Richtung bis über die Höhen der (jetzigen) Stadt Lemgo gezogen und dort Lager geschlagen habe. Von da marschierte er am zweiten Tage in das Tal der Bega, eine baumlose Ebene, bis gegen Lage hin. Vor Lage hatte er wieder eine bewaldete Wasserscheide zu überschreiten, wohin der Wahlplatz der zweiten Schlacht versetzt wird. Am dritten Tage aber zog er auf der Militärstraße nach und durch den Dörenpass, was dadurch noch wahrscheinlicher wird, daß Cassius Dio, der von den beiden ersten Tagen das Terrain, dessen Schwierigkeit und Beschaffenheit so ausführlich beschreibt, am dritten Tage darüber, namentlich über dessen Schwierigkeiten gar nichts berichtet. Auf der Reimannschen Karte, Sektion Paderborn, ist die Örtlichkeit der Varusschlacht gerade da verzeichnet, wohin nach Obigem die letzte Schlacht versetzt wird, nämlich jenseits der Dörenschlucht, nur etwas zu weit östlich.

So viel über die Varusschlacht.

Als die Kunde von der Vernichtung der Legionen nach Rom gelangte, flog ein Schrei des Schreckens durch die Römerwelt. Augustus zitterte, zerriß seine Kleider, schlug mit dem Kopfe an die Wand und rief: »O Varus, gib mir meine Legionen wieder!« Schon sah er im Geiste die Germanen über den Rhein ziehen, ganz Gallien aufstehen und die Barbaren in wilder Flut über die Alpen strömen. Er versäumte indessen nichts, verstärkte durch gewaltsame Aushebung das Heer, unter das er sogar Veteranen und Freigelassene steckte. Er verwies seine Leibwache und was germanischen Ursprungs war von Rom, vor allem aber sandte er Tiberius nach Germanien. Jedoch was er gefürchtet, geschah nicht. Die Germanen waren des Sieges mächtig gewesen, der Disziplin und des Gehorsams nicht. Sie verliefen sich nach allen Seiten, jeder kehrte in seine Heimat zurück: von Fortsetzung des Krieges war keine Rede. Tiberius übrigens entwickelte am Ende dieses und im folgenden Jahre imponierende Umsicht und Tätigkeit. Das Gefährlichste war, daß Mut und Selbstvertrauen des römischen Heeres schwer gelitten hatten. Darum führte er sein Heer wieder über den Rhein, ging dem Feinde entgegen, ließ dasselbe lange Zeit im feindlichen Lande verweilen, überall aber mit solcher Geschicklichkeit und Vorsicht, daß er es nur da zu kleineren Gefechten kommen ließ, wo er gewiß war, daß die Römer im Vorteil blieben. Damit endigt der erste Abschnitt der Geschichte der Römerkriege in Germanien.


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