Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel.
Römer und Germanen von der Varusschlacht bis zum Ende des batavischen Aufstandes

Sehr zu beklagen ist der Verlust genauer und zuverlässiger Nachrichten über diese Zeit, wie sie namentlich Livius und der ältere Plinius, wären diese uns erhalten, gewährt haben würden.

Des Varus Niederlage ward ein Wendepunkt der römischen Politik gegen die Germanen für immerdar.

Nur als ein Nachspiel jener zweiundzwanzigjährigen römischen Angriffe treten noch die Feldzüge des Germanicus in den Jahren 14, 15 und 16 n. Chr. auf. Sühnung römischer Waffenehre bot den Vorwand, das persönliche Verhältnis des edeln Germanicus zu Tiberius, dem Vater und Herrscher, gab den Schlüssel zum Beginn wie zum Aufgeben dieses Krieges. Hohen Ruhm erwarb der jugendliche Feldherr, nicht minder Armin, sein ebenbürtiger Gegner.

Tiberius kannte die Germanen genauer als August, fürchtete aber zugleich, was dieser gewünscht: die Siege eines Anerben des Throns. Daher verfolgte er eine andere Politik, deren Kern darin bestand:

die Germanen ihren inneren Zerwürfnissen zu überlassen, diese letzteren aber durch Diplomatie und Geld auf jede Weise zu schüren.

Kein Zweifel auch, daß Roms Einfluß auf die Germanen unter ihm und lange nachher noch ein ungleich tieferer und wirksamerer blieb, als es nach nur oberflächlichem Studium der Quellen erscheint. Über die Feldzüge des Germanicus, namentlich dessen letzten im Jahre 16, vergl. v. Wietersheim im ersten Band der Abhandlungen der K. S. Gesellsch. d. Wissensch. zu Leipzig, Weidmannsche Buchhandlung. 1850.

Vom Jahre 16 n. Chr. bis zu Anfang des markomannischen Krieges kennt die Geschichte keine Angriffs-, sondern nur noch Verteidigungs- oder Züchtigungskriege Roms gegen die Germanen, deren wichtigste Begebnisse nachstehend, teils ganz kurz, teils ausführlicher hervorzuheben sind.

Im Jahre 29 n. Chr. erhoben sich die Friesen, in deren Gebiet die Römer das Kastell Flevum besetzt hatten, weil sie zwar das althergebrachte Maß der Unterwerfung, nicht aber den neuen gesteigerten Druck römischer Habsucht dulden wollten: nach fruchtloser Klage griffen sie zu den Waffen; zwar ward das von ihnen belagerte Flevum bald entsetzt, die beschlossene Züchtigung derselben aber mißlang dergestalt, daß die ausgesandte Reiterei und leichten Truppen nur durch die zur Hilfe gesandte Legion einer völligen Niederlage entrannen, ja zwei von dem römischen Hauptcorps abgeschnittene Abteilungen zu 900 und 400 Mann niedergemetzelt wurden.

Der römische Feldherr L. Apronius ließ dies ungerächt, Tiberius suchte es zu verheimlichen, um, wie Tacitus sagt, niemandem die Nacht zu größerm Kriege zu überlassen. (Tac. IV, 72–84.)

Dieser Vorgang beweist schlagend, daß die Germanen, mindestens die Rom näheren und ausgesetzteren Stämme, zwar wohl eine gesetzliche Oberherrschaft, nicht aber tyrannische Willkür duldeten und selbst nach vierzigjähriger friedlicher Unterwerfung, der Urkraft unentwöhnt, den Römern furchtbar blieben.

Unzweifelhaft erachtete ferner Apronius, daß nachdrückliche Züchtigung der Aufständischen einen Verzweiflungskampf, Teilnahme der Nachbarstämme und zuletzt einen großen Krieg herbeiführen würde, wozu er sich nicht ermächtigt wußte.

Gewiß wirkte nun auf Tibers Politik auch persönliche Eifersucht ein: ebenso gewiß aber war es, abgesehen vom Ehrenpunkte, weiser, eine durch eignen Frevel veranlaßte Demütigung zu übersehen, als um nutzloser Rache willen vielleicht jahrelangen Krieg, mit ungleich größerem Blutvergießen, herbeizuführen.

Auch wurden die Friesen, wenn auch zunächst gewiß zweifelhaften Gehorsams, durch Corbulo, einen so gerechten als kräftigen Feldherrn, wenigstens im Jahre 47 wiederum vollständig zur alten Unterwerfung gebracht. (Tac. XI, 19.)

Die von Cassius Dio (LX, 8) für das Jahr 41 nur kurz erwähnten Siege des Sulpicius Galba über die Chatten und des Publius Gabinius über die Chauken In den Handschriften steht allerdings Μαυρουσίους, was jedoch, da unmittelbar darauf des bei den Besiegten wiedererlangten Adlers aus der Varusschlacht gedacht wird, sinnlos ist. Da wir nun aus Sueton (Claud. 24) wissen, daß Gabinius die Chauken besiegte, so ist die Richtigkeit obiger Lesart nicht zu bezweifeln. Auch ist eine Namensverwechslung der Feldherren, daher die Besiegung der Marusier durch Galba um deswillen nicht denkbar, weil dieser nach Sueton (Galba 7) den Befehl über Afrika erst nach dem britannischen Feldzug im Jahre 43 erhielt.

In meiner Abhandlung über die Marsen (Verhandl. d. G. d. Wissensch. zu Leipzig, 1849, I, S. 178) habe ich allerdings die Ansicht aufgestellt, Galba habe in Afrika über die Maurusier gesiegt, weil ich, Mannert folgend, hierin die natürlichste Wiederherstellung der verfälschten Lesart erkannte. Aber mit Unrecht, da Galba nach Sueton (Galba 7) bei Caligulas Tode noch in Germanien befehligt haben muß, indem der Anreiz, sich des Throns zu bemächtigen, wohl für den Legaten in Germanien, nicht aber für den in Afrika anzunehmen war; endlich auch zu Anfang des Jahres 42 Suetonius Paulinus ausdrücklich als Kommandierender in Afrika genannt wird (Cass. Dio LX, 9). Auch paßt dasjenige, was ich a. a. O. über den Mangel an chronologischer Folge bei Sueton überhaupt gesagt, doch gerade nicht auf den Anfang von Galbas Lebensbeschreibung, weil er hier dessen Erlebnisse vor der Thronbesteigung unzweifelhaft der Zeitfolge nach anführt. Endlich ist, um jedem Zweifel zu begegnen, noch zu bemerken, daß die Mauren in Afrika vor Dio zwar Μαυ̃ροι genannt werden, ein Stamm derselben aber auch Maurusier geheißen haben kann, jedenfalls aber auch beide Namen leichter verwechselt werden konnten, als Maurusier und Marsen, wie andere annehmen. Bei den Marsen wird übrigens (nach Tac. II, 25) bereits ein Adler aus der Varusschlacht aufgefunden und es ist höchst unwahrscheinlich, daß sie deren zwei, die Chatten aber gar keinen erhalten haben sollten.

Nicht ohne Wahrscheinlichkeit übrigens ist in obiger Stelle eine so leicht mögliche Verwechslung der Zeilen durch den Abschreiber, so daß das Auffinden des Adlers statt auf die Chauken auf die Chatten zu beziehen sein würde.

werden ohne Zweifel durch Übergriffe und Feindseligkeiten derselben veranlaßt worden sein, wie dergleichen überhaupt, ohne in den Quellen erwähnt zu werden, zahlreich vorgekommen sein mögen, wovon auch unter Caligula (Sueton. Cal. 51 und Galba 6) sich Andeutungen finden.

Im Jahre 47 suchte Gannasko, Kanninefate, der lange und mit Auszeichnung unter den römischen Hilfsvölkern gedient, dann aber fahnenflüchtig geworden war, mit chaukischen Freiwilligen die gallischen (etwa die jetzt flandrischen) Küsten mit argem Seeraube heim Obgleich Tacitus zuerst sagt: Chaucu, duce Ganasco, inferiorem Germaniam incursavere, so geht doch aus dem Folgenden: qui (i. e. Gannascus) levibus navigiis praedabundus, Gallorum maxime aram vastabat, wie aus der Natur der Sache zweifellos hervor, daß hier nicht von einem Volkskrieg der größeren Chauken, sondern lediglich von einem privaten Raubzug die Rede sein kann. Wie hätte das Volk der Chauken unter dem Befehl eines Kanninefaten und römischen Deserteurs und zwar jenseits der Weser, an den Ufern des Rheins und seiner Nebenflüsse, kriegen können? Auch setzt die spätere Stelle, et Corbulo semina rebellionis (Chaucis) praebebat, außer Zweifel, daß ein Aufstand der Chauken nicht vorher bereits ausgebrochen war., ward aber von Corbulo, der mit großem Geschick und Ruhm die feindlichen Fahrzeuge vernichtete, vertrieben und, nachdem er zu den (großen) Chauken geflohen, daselbst meuchlerisch getötet, was gegen einen Deserteur, wie Tacitus meint, nicht unedel erschien. Dieser Mord aber regte die Chauken auf und drohte zu allgemeinem Aufstande und ernstem Kriege Anlaß zu geben, welchem Claudius jedoch durch Untersagung aller Feindseligkeiten und Zurückziehung der Festungsbesatzungen über den Rhein zuvorkam. Es würde ganz irrig sein, vollständige Ausführung dieser Anordnung für die ganze Rheingrenze anzunehmen, vielmehr ergibt die Geschichte das Gegenteil. (S. z. B. schon nachstehend Anm. 6) (Tacitus XI, 18 und 19.)

Merkwürdig erscheint übrigens, daß das später so furchtbar an denselben Küsten betriebene Piratengewerbe der Sachsen genau an den Vorgang ihrer Altvordern, der Chauken, sich schloß.

Als die Chatten im Jahre 50 wiederum einen ihrer Raubzüge in das römische Gebiet zwischen dem Grenzwalle und Rhein Da ein immer schwieriger Rheinübergang der Chatten nicht erwähnt wird, ist dies anzunehmen, möglich aber auch, daß die verfolgende Truppe erst nach deren Rückzuge über diesen sie erreichte. Auch das Land jenseits (Nassau und Frankfurt) mag aber sehr kultiviert und bewohnt gewesen sein. ausführten, ließ sie der Legat Pomponius bei und nach der Rückkehr in ihr Land durch rasches Aufgebot des Landsturms der Rom unterworfenen Germanen, von Hilfsreiterei unterstützt, überfallen, indes er selbst mit den Legionen zum Rückhalt an den Taunus (wohl bei Homburg) nachrückte. Die Ausführung gelang trefflich, da ein Teil im Schwelgen und Schlafe überrascht, ein anderer noch auf dem Rückmarsch nachdrücklich geschlagen und reiche Beute wieder abgenommen und gewonnen wurde. Am erfreulichsten galt, daß dabei auch einige seit der Varusschlacht gefangene Römer aus vierzigjähriger Sklaverei erlöst wurden. (Tac. XII, 27 und 28.)

Im Jahre 58 Obwohl dies Ereignis gewöhnlich unter denen des Jahres 59 berichtet wird, ist kaum anzunehmen, daß es mit der von Tacitus (ebenda c. 55) berichteten Besitznahme derselben Ländereien durch die Amsivarier in ein und dasselbe Jahr falle. Wir nehmen daher an, daß Tacitus hier nur örtlich Zusammengehöriges, aber nicht in demselben Jahre Geschehenes nebeneinander erwähne, stellen daher diesen Vorgang – allerdings nicht ohne Willkür – in das Jahr 58, den zweiten in das Jahr 59. bemächtigte sich eine Schar von Friesen der anscheinend ziemlich ausgedehnten Landstrecke, welche die Römer am rechten Ufer des Niederrheins – zwischen Arnheim und Wesel – für Militärzwecke noch innehatten (s. v. Wietersheim, der Feldzug der Germ. G. 8, S. 440 und 441), wurden aber, da Nero friedliche Überlassung verweigerte, mit Gewalt daraus wieder vertrieben. Anziehend ist hierbei der Stolz der zur Unterhandlung nach Rom gereisten Führer Verrit und Malorich, welche, fremde Gesandte im Theater auf den Bänken der Senatoren erblickend, flugs die ihnen angewiesenen verlassend, dort ebenfalls Platz nahmen, weil kein Volk der Erde, wie sie laut sagten, den Germanen an Treue und Heldentum vorgehe. (Tac. XIII, 54.)

Dem folgenden Jahre wahrscheinlich gehört der Versuch der von den Chauken aus ihren früheren Sitzen verdrängten Amsivarier an, sich in der vorbemerkten, von ihnen eingenommenen Landstrecke bleibend zu behaupten. Da jedoch der Weg der Bitte fruchtlos blieb, regten sie die Tenchterer, Brukterer und andere hinterliegende Stämme zum Bündnis und Kriege auf. Allein diese wurden durch unmittelbaren Frontangriff wie durch Bedrohung in ihrem Rücken durch das obere, wahrscheinlich unterhalb Bonn über den Rhein gegangene Heer abgeschreckt und die Amsivarier, zum Rückzuge genötigt, der Hilflosigkeit und Vernichtung durch andere Stämme preisgegeben. So berichtet Tacitus. Da aber Amsivarier noch späterhin erwähnt werden, muß entweder deren Vordrängung durch die Chauken nicht allgemein oder letztere Nachricht übertrieben gewesen sein. (Tacitus XIII, 55 und 56.)

Die Zeitfolge führt uns nun zu dem Aufstande des Civilis, dem schwersten Kampfe, den Rom während der ersten dritthalb Jahrhunderte unserer Zeitrechnung, innerhalb seiner alten Grenze, zu bestehen hatte und den wir seiner Wichtigkeit auch für die Folgezeit halber ausführlicher abhandeln. Vielleicht wird die ausführliche Schilderung dieses Aufstandes nach Tacitus über Plan und Zweck gegenwärtiger Arbeit hinausgehend gefunden werden. Zur Entschuldigung, wo nicht Rechtfertigung, diene folgendes:

1. Fast drei jahrhundertelang, von Vespasian (Tacitus) bis Julian (Ammian. Marcellin,) fehlt es in den Quellen an jedem militärisch-detaillierten Bericht über Roms Kämpfe mit den Germanen, daher an einem Bild voll Leben und Wahrheit.

Das letzte dieser Art hier aufzunehmen schien aber um so wichtiger, weil Vorgänge, Motive und Mittel ähnlicher Art sich auch in den späteren Kriegen erneuert haben mögen.

2. So vollständig und trefflich Tacitus hierin ist, so bleibt er doch oft, ohne Kenntnis der Örtlichkeiten unverständlich. Für letztere nun hat sich ein Bewohner des Kriegsschauplatzes, A. Dederich, Oberlehrer am Gymnasium zu Emmerich, durch seine Monographie »Geschichte der Römer und Deutschen am Niederrhein« das größte Verdienst erworben, indem er vor allem die Veränderungen des Rheinbettes und seiner Arme seit jener Zeit festgestellt hat.

Da er gleichwohl nur einzelne Momente des Kampfes umständlich beschreibt, schien eine vollständige Darstellung desselben auf Grund der von ihm festgestellten Örtlichkeiten eine nicht unwichtige Lücke in der Geschichte auszufüllen, was den Verfasser um so mehr anzog, als er bereits die Feldzüge des Drusus und Germanicus beschrieben, welcher letztern (früher erschienen) Arbeit Dederich übrigens, obschon unter irrtümlicher Bezeichnung des Verfassers durch einen Militärcharakter, hohes Lob spendet.

Auf Neros Fall folgte dreizehnmonatlicher Bürgerkrieg. Drei Heerkaiser, Galba, Otho, Vitellius, bestiegen und verloren in rascher Folge den Thron, den Vespasian endlich, der tüchtigste, behauptete. Als sich die germanischen Heere, nur unwillig für Galba gewonnen, bald wieder gegen diesen für ihren Feldherrn Vitellius erhoben, hatten sie den Krieg allein zu führen. Beide Heere zählten, abgesehen von der achten, die zu Vindonissa unweit Basel stand, sieben Legionen, von denen, einschließlich der Hilfsvölker, zuerst 70 000 Mann unter Fabius Valens und Cäcina (Tac. Histor. I, 6) über die Alpen zogen, denen später Vitellius selbst mit dem Reste des Heeres folgte. »Da blieben (sagt Tac. II, 50) wenige der alten Soldaten in den Winterlagern zurück, die neue Aushebung in Gallien aber ward möglichst beschleunigt, um die dem Namen nach zurückgelassenen Legionen zu ergänzen.«

Noch schwächer als die Truppe war deren Führer, Hordeonius Flaccus, von dem Tacitus (H. I, 9) sagt: »Invalid aus Alter und Schwäche der Füße, ohne Festigkeit und Ansehen, nicht einmal dem Kommando über ein ruhiges Heer gewachsen.«

Diese Gelegenheit benutzte Civilis, als Präfekt einer Kohorte römischer Stabsoffizier, der durch seine Geburt aus einem der edelsten batavischen Geschlechter wie durch ungewöhnliche Geistesschärfe ausgezeichnet und dabei durch fünfundzwanzigjährigen Kriegsdienst so militärisch als politisch vollkommen römisch geschult war. Er verglich sich dem Sertorius und Hannibal, zumal er, wie jene, einäugig war. (Tac. H. IV, 13, 16 und 32.)

Schon bei dem ersten Aufstande der Heere, als Fontejus Capito, des Vitellius Vorgänger, auf Geheiß oder mindestens im Interesse Galbas, weil anscheinend für sich nach der Herrschaft trachtend, ermordet ward, mag Civilis der Mitwissenschaft verdächtig geworden sein, indem er nach des Vitellius Erhebung mit seinem Bruder Paulus Daß Paulus sein Bruder war, dürfte aus Tac. H. IV, 32 in Verbindung mit IV, 13 und I, 59 sich ergeben; er selbst wird bald Julius, bald Claudius Civilis genannt. verhaftet und nach des letztern Hinrichtung nur aus Furcht vor den Batavern, auf die er den größten Einfluß hatte, wieder entlassen ward.

Als nun Vespasian, dem Civilis als früherer Waffengenosse befreundet war (V, 26), wider Vitellius aufstand, ward Civilis von Mucian (Vespasians Stellvertreter in Rom) aufgefordert, durch Anstiftung eines Aufruhrs in Germanien die dortigen Heere zurückzuhalten. Auch Hordeonius Flaccus suchte ihn für Vespasian zu stimmen.

So trat Civilis scheinbar als Römer für römische Parteizwecke auf den Plan.

Er strebte aber nach Höherem als nach dem zweifelhaften und gefährlichen Verdienst eines bloßen Werkzeugs für fremde Herrschsucht: durfte er doch nimmermehr in Rom, – wohl aber in seinem Volke der Erste zu werden hoffen. Da vereinten sich in ihm Ehrgeiz und Nationalgefühl, dem scheinbar für Vespasian angeregten Aufstande ein anderes Ziel vorzustecken.

Die jährliche Aushebung bei den Batavern (IV, 14), zu welcher er wohl mit kommandiert ward, an sich lästig genug, durch die gröbsten Mißbräuche noch drückender gemacht, bot die Gelegenheit. In begeisterter Rede von dem alten Ruhme und dem neuen Joche, ja Hohne, wie von der nie erlebten gegenwärtigen Schwäche des römischen Heeres reißt er die in heiligem Hain zum nächtlichen Male – offenbar einem Opferfest – versammelten Vornehmsten und Wackersten des Volks mit sich fort. Der Nachbarstamm der Kanninefaten und acht in Mainz stehende batavische Kohorten, die sich in Britannien mit Ruhm bedeckt hatten, werden gewonnen.

Mit großer Klugheit läßt Civilis den Kanninefaten Brinno zum Heerführer ernennen. Dieser zieht Friesen jenseits des Rheins an sich, überrumpelt von der See her das zunächst gelegene römische Winterlager und gibt es der Plünderung preis. Zugleich greift er die einzelnen Kastelle an, welche von den Besatzungen, zu schwach für Abwehr, verlassen und angezündet werden, indem diese sich auf dem oberen Teile der Insel konzentrieren, mehr dem Namen als der Tüchtigkeit nach eine Kriegerschar: weil Vitellius nur die ersten besten Belgier und Germanen ohne Auswahl mit Waffen belastet hatte.

Da es Civilis, der (als Römer) die Offiziere des Verlassens der Kastelle anklagt, nicht gelingt, die Besatzungen, unter dem Vorgeben, den kanninefatischen Aufstand mit seiner Kohorte selbst unterdrücken zu wollen, wieder vereinzelt dahin zurückzuführen, geht er nun selbst hervortretend zu offenem Angriffe auf Landtruppe und Flotte über, der, weil in jener eine tungrische Kohorte, in letzterer die batavischen Ruderknechte abfallen, mit völliger Vernichtung der Römer endigt, den Germanen aber vierundzwanzig Schiffe und eine Menge Waffen zuführt.

Wie der Windstoß die Flamme, so fachte der erste Sieg den Aufstand an: der Freiheitskrieg entbrannte überall. Die Germanen des rechten Ufers erboten sich zur Hilfe, Civilis aber suchte vor allem die Gallier durch List und Geschenke zu gewinnen.

Hordeonius Flaccus sendet nun Mummius Lupercus, den Befehlshaber über zwei Legionen, der vermutlich zu Vetera im Lager gestanden, mit einer starken Abteilung Legionssoldaten und allen in der Nähe verfügbaren Hilfstruppen, darunter auch ein noch Treue vorgebendes batavisches Reiterregiment, wider die Meuterer ab, worauf Lupercus letztere sofort in der batavischen Insel Diese von der gewöhnlichen abweichenden Ansicht stellt Dederich in seiner oben erwähnten Schrift S. 116 u. f. auf. So scharfsinnig deren Begründung ist, so schienen doch zuerst erhebliche Bedenken dieser Annahme entgegenzustehen. Sowohl der offensive Übergang, als der ungehinderte Rückzug über den Rhein oder die Waal, nach dem Verlust der römischen Hauptflotte, schienen kaum erklärlich. Nach wiederholter Erwägung trat v. W. solchem bei, wiewohl mit folgenden Erläuterungen:

1. Tacitus' offenbare Unklarheit in Kap. 18 scheint in dessen eigener Quelle begründet zu sein, was völlige Sicherheit des Verständnisses allerdings wesentlich erschwert.

2. Ward die frühere Schlacht unzweifelhaft auf der batavischen Insel im engeren Sinne – zwischen Rhein und Waal – geschlagen, so kann die jetzige (zweite) füglich auch auf der unterhalb anstoßenden, damals von dem westlichen und östlichen Rheinarm gebildeten, zweiten Insel stattgefunden haben. Dafür spricht sogar hohe Wahrscheinlichkeit, Civilis möchte sein zusammengelaufenes Volk mit gutem Grunde zur Ergreifung einer kräftigen Offensive gegen ein besseres Römerheer noch nicht für diszipliniert genug erachten, sich daher zunächst auf die Defensive in tunlichst gesicherter Stellung beschränken. Diese fand sich aber auch auf jener zweiten Rheininsel, welche sich zugleich, nur durch den Fluß getrennt, bis Vetera hinaufzog. Dies wird namentlich durch die Worte: »Et fuit interim effugium legionibus in castra vetera« unterstützt, welche, wenn letzteres 2½ bis 3 Meilen vom Übergangspunkt entfernt gewesen wäre, offenbar unglücklich gewählt gewesen sein würden. Die Lokalität läßt sich übrigens nur aus Dederichs Karte ersehen, da das jetzige Bett der Arme des Rheins von dem früheren wesentlich verschieden ist.

angreift.

Die Schlachtreihen stehen geordnet. Civilis hat sich mit den Fahnen der gefangenen Kohorten umgeben, damit sein Volk den frischen Ruhm, der Feind die erlittene Niederlage entmutigend vor Augen habe. Hinter der Front stehen seine Mutter und Schwestern, mit allen Weibern und Kindern, als Sporn zum Siege, als Beschämung für Überwundene. Vom Schlachtgesang der Männer wie vom Geheul der Weiber ertönt die Reihe; nur schwach erwidern die Römer.

Da entblößt die batavische Reiterei, in plötzlichem Übergange, den linken Flügel, und wirft sich sofort, mit dem Feinde angreifend, auf die römische Linke. Die Legionstruppe, obwohl hart bedrängt, behauptet sich in Reih und Glied, die Hilfsvölker aber zerstreuen sich in Flucht über die weite Ebene.

Auf letztere nun werfen sich, gefahrlose Verfolgung dem Angriffe des geordneten römischen Schlachthaufens vorziehend, die Germanen, und gewähren letzterem dadurch die Möglichkeit, nach Vetera zu entrinnen, wo sicherlich noch eine Rheinflotille zu deren Übersetzung bereitlag. (Tac. IV, 18.)

Um dieselbe Zeit ereilte der Sendbote des Civilis die bereits auf dem Marsch nach Rom begriffenen batavischen Kohorten, nach dem gewöhnlichen Stand etwa 4000 Mann stark. Unter der Voraussetzung, daß es quingenariae zu 500, und nicht miliariae zu 960 Mann gewesen seien. Da noch die batavische Kohorte des Civilis, batavische Reiterei und Ruderknechte erwähnt werden, und die Aushebung für Rom nicht erfolgt war, möchten nach dem Umfange des Landes wohl nur schwächere Kohorten hier anzunehmen sein. Auch würde H. Gallus 8000 Mann bewährte Truppen nicht mit 3000 Mann anzugreifen gewagt haben. Sofort weigern diese den Weitermarsch, unter der mit jeder Nachgiebigkeit gesteigerten Forderung höheren Soldes und Geschenkes, und ziehen, weil unbefriedigt, nach dem Niederrheine ab. H. Flaccus wagt die Meuterer nicht selbst anzugreifen, befiehlt zwar dem Herennius Gallus, der mit der ersten Legion in Bonn stand, dies bei deren Vorbeimarsche in der Front zu tun, während er selbst nachfolgend sie im Rücken fassen würde, nimmt aber bald darauf die Order wieder zurück. Da wittern die Soldaten Verrat der Führer und zwingen den Gallus zum Angriff. Aus allen Toren werden die Vorbeiziehenden von 3000 Legionssoldaten, mit mehreren belgischen Kohorten und zahlreichem bewaffneten Trosse, umzingelt. Aber die kriegserprobte Kerntruppe formiert sich in Vierecke, durchbricht die schwache Schlachtreihe, treibt die Belgier in die Flucht und die Legion geschreckt in das Lager zurück, vor dessen Wall und Toren nun das Hauptblutvergießen beginnt, weil die Fliehenden sowohl von Feind als Freund, der das Lager gegen die nachdringenden Bataver zu verteidigen hat, angegriffen werden.

Die Kohorten, sich mit der Notwehr gegen unveranlaßten Angriff entschuldigend, ziehen friedlich weiter und werden von Civilis für Vespasian in Pflicht genommen. Zu gleicher Huldigung läßt er hierauf die nach Vetera zurückgewichenen beiden Legionen auffordern. Vergeblich; sie erklären, Vitellius sei ihr Herr, nicht ein batavischer Überläufer.

Da ruft dieser, zornentbrannt, das ganze batavische Volk zu den Waffen, die Brukterer und Tenchterer schließen sich ihm an, die Germanen werden zur Teilnahme an Ruhm und Beute aufgeregt.

Die Legaten der Legionen verstärkten die Festung, zerstörten die Vorstädte, sorgten aber ungenügend für Verproviantierung, wobei Unordnung und Vergeudung im Anfang einrissen.

In stolzem Zuge rückt nun Civilis heran, die Bataver im Zentrum, die andern Germanen auf beiden Flügeln und Rheinufern, Reiterhaufen durchschwärmen das Feld. Römische Fahnen neben der Germanen wilden Feldzeichen: ein wunderbares Gemisch von Bürger- und Barbarenkrieg.

Zu Verteidigung der für zwei Legionen mit Hilfstruppen und Troß, also mindestens gewiß für 20 bis 25 000 Mann, angelegten Festung waren nur 5000 vorhanden, die jedoch aus der Masse dahin geflüchteter Troßknechte tunlichst ergänzt wurden. Hier aber bewährte sich die Überlegenheit der römischen Kriegskunst; Beschießung und wiederholter Sturm, selbst mit Anwendung von Maschinen, blieb ohne Erfolg Die spezielle Beschreibung dieser Stürme bei Tac. c. 23 beweist um so schlagender die bewunderungswürdigen Leistungen des römischen Geniecorps, da deren Gegenmaschinen und Anstalten im Wesentlichen gewiß doch erst im Augenblick geschaffen, mindestens in Stand gesetzt worden sein können, indem man kaum vorher an eine kunstgerechte Belagerung gedacht haben kann., daher nichts als Blockade zum Aushungern übrig.

Noch war Roms Unstern nicht erschöpft: zur äußeren Bedrängnis gesellte sich innere Empörung. Mißtrauen gegen Flaccus, der aus Vorliebe für Vespasian dem Civilis geheimen Vorschub leistete, bemächtigte sich des im ganzen treu an Vitellius hängenden Heeres. Ängstliche, unmilitärische Rechtfertigung des Feldherrn verschlimmerte die Sache. Vocula indes, der Legat der achtzehnten Legion, den er zum Entsatz von Vetera kommandiert hatte, ein tüchtiger Mann, unterdrückte den ausbrechenden Aufstand. Flaccus trat ihm den Oberbefehl ab. Indes wuchs die Bedrängnis immer mehr, Mangel an Sold und Proviant riß ein, die Gallier weigerten Steuer und Mannschaft, ja des Rheins unerhörte Seichtigkeit lud die Germanen zum Übergang ein, machte daher durch verstärkte Bewachung Zersplitterung der Streitkräfte nötig.

Vocula an der Spitze einer auserlesenen Abteilung vereinigte sich in Neuß mit der dreizehnten Legion unter Gallus' Befehl, wagte aber noch nicht den Angriff, sondern verschanzte sich in Gelduba (zwischen Neuß und Vetera am Rhein). Während er von hier Aufständische durch Plünderung züchtigte, hatte Gallus ein unglückliches Gefecht mit den Germanen, die sich eines Proviantschiffs auf dem Rheine bemächtigten, zu bestehen, was den Argwohn der Truppe wieder anfachte, so daß nur Voculas Persönlichkeit, dem alles gehorchte, den mißhandelten Legaten rettete.

Indes verstärkte den Civilis ungeheurer Zulauf aus ganz Germanien, den er zunächst auf Raubzüge gegen Ubier, Trierer und andere Rom Treuverbliebene ableitete, den feindlichen Führer nach allen Seiten schreckend und beunruhigend. Der günstige Erfolg ermutigte ihn zu neuem nächtlichen Sturme auf Vetera, der aber mit großer Bravour der Verteidiger und schwerem Verluste der Angreifer abgeschlagen ward.

Um diese Zeit kam die Nachricht von Vitellius' Niederlage zum Heere: die gallischen Hilfsvölker gingen sofort, der alte Soldat nur widerstrebend zu Vespasian über: Civilis aber, nunmehr zu Niederlegung der Waffen aufgefordert, warf endlich die Maske völlig ab und schritt sofort zum Angriff gegen Vocula durch einen Teil seiner Streitkraft, den er der Führung seiner Schwestersöhne J. Maximus und Claudius Victor anvertraute. Vocula läßt sich auch so völlig überfallen, daß er die Truppe gar nicht genügend zu ordnen vermag. Die ausfallende Reiterei, die Hilfsvölker werden geschlagen oder fliehen, schon werden die Legionen, die sich mit Verlust der Feldzeichen in das Lager zurückziehen Dies ergibt sich nicht nur aus dem ganzen Schlachtbericht, sondern auch aus den Worten c. 34: eoque simul egressus vietus. Die Feldzeichen aber kann die Linie nur durch den während ihrer Entwicklung außerhalb des Walles auf sie gemachten Angriff verloren haben, indem dies, wenn sie innerhalb des Lagers geblieben, kaum denkbar gewesen wäre., aufs äußerste bedrängt, als plötzlich der Schlachtengott die Geschicke wendet. Aquitanische Kohorten, die, von Galba neu ausgehoben, zur Hilfe beordert waren, hören heranziehend den Schlachtlärm, greifen die Bataver im Rücken an: der Schreck, die Gefahr vergrößernd, bemächtigt sich dieser: Hoffnung ermutigt die Römer: der Kern des batavischen Heeres, alles Fußvolk, wird mit schwerem Verlust geschlagen, nur die Reiterei rettet sich mit den gewonnenen Feldzeichen und Gefangenen.

Hatte auch Civilis dadurch, daß er den Angriff mit zu geringer Streitkraft und ohne Reserve ausführen ließ, gefehlt, so fügte auch Vocula jenem ersten Verstoß den zweiten dadurch hinzu, daß er nicht sogleich nach dem Siege zum Entsatz von Vetera aufbrach. NAME="voe1104_Anm14">Der Tadel liegt nahe, die Entschuldigung wissen wir nicht. Weniger Menschenverlust indes, der bei den Römern zwar der Zahl, bei den Batavern dem Werte nach größer war, als Proviantmangel, mag dabei mitgewirkt haben.

Inzwischen suchte Civilis durch die Zeichen seines Sieges, die eroberten Fahnen und Gefangene, die Belagerten zur Übergabe zu vermögen, bis einer der Gefangenen, nach ruhmvollem Tode dürstend, sie durch laute Verkündung der Niederlage enttäuschte und brennende Dörfer Voculas Anrücken verkündigten.

Angesichts der Festung will dieser erst selbst sich verschanzen: aber die meuterische Truppe verlangt und beginnt ungeordnet und ermüdet die Schlacht, teils mit Schmach, teils ruhmvoll fechtend, bis ein zweiter Angriff sie dem Platze so weit nähert, daß nun auch die Belagerten aus allen Toren hervorbrechen; da entscheidet Civilis' Sturz mit dem Pferde, den beide Heere tot oder verwundet glauben, jenes entmutigend, dieses anfeuernd, die Schlacht für die Römer. Vocula aber, der auch hier wieder hart angeklagt wird (s. Anmerkung 53), verfolgt den Feind nicht, denkt vielmehr nur an Verstärkung der Werke des entsetzten Platzes. Am schwersten litt das Heer nun an Proviantmangel, zumal der Fluß in der Gewalt der Feinde war. Indes glückt die erste mit dem gesamten Train und Trosse nach Neuß abgesandte Fouragirung. Bei der zweiten hingegen greift Civilis, der wieder Mut gewonnen, die lange Kolonne geordnet an: die Nacht endet das unentschiedene Treffen: die Kohorten erreichen, sich zurückziehend, das noch schwach besetzte Lager bei Gelduba. Sie waren unfähig, von hier ohne Hilfe nach Vetera zu gelangen: da zog ihnen Vocula mit seinem durch tausend Mann, die er aus den Belagerten erlesen, verstärkten Heere zu. Wiederum Insubordination: Viele marschieren eigenmächtig mit aus: die Ausgezogenen verweigern die Rückkehr nach Vetera, die Zurückgebliebenen wähnen sich verraten. Es ist, obwohl Tacitus dies nicht ausdrücklich sagt, nicht zu bezweifeln, daß das in Gelduba eingeschlossene Fouragirungscorps von Vocula entsetzt ward, und der Transport der Lebensmittel nach Vetera nur durch die Auflehnung des Heeres verhindert ward.

Vetera wird aufs neue umlagert, Vocula zieht sich von Gelduba, das nun Civilis einnimmt, nach Neuß zurück.

Immer wilder bricht nun der Aufstand aus; die durch einen Teil der Belagerten verstärkten Legionen fordern, da Vitellius vor seinem Tode noch Geld gesendet habe, ihr Geschenk, das ihnen H. Flaccus gibt, aber in Vespasians Namen: dies steigert im Rausche eines nächtlichen Gelages die Erbitterung so hoch, daß sie Flaccus niederstoßen und Vocula selbst verkleidet fliehen muß.

Dem Frevel folgt nun die Furcht: sie erflehen Geld und Hilfsmannschaft von den Galliern, greifen, da Civilis anrückt, unüberlegt zu den Waffen und wenden sich plötzlich zur Flucht. Endlich zerfallen sie unter sich selbst: die Truppen des oberen Heeres richten des toten Vitellius Bilder wieder auf: die der ersten, fünften und achtzehnten Legion des niederen Heeres kehren reumütig unter Voculas Befehl zurück und werden sogleich zum Entsatz von Mainz geführt, das inzwischen ein zusammengelaufener Haufe von Chatten, Usipiern und Mattiakern umlagerte, der sofort nicht ohne Verlust verscheucht ward, wobei die Trierer noch tätige Hilfe und vorzügliche Treue bewiesen. (Tac. 37.)

Mit Flaccus Tode und der allgemeinen Verlautbarung von Vitellius' Untergang in Rom beginnt der zweite Akt von Civilis' Aufstand. Die vitellianischen Legionen wollen, haßentbrannt, lieber Fremden, als Vespasian dienen. Der Brand des Kapitols, ungünstige Gerüchte aus allen Enden des Reichs regen auch durch ganz Gallien die Gemüter auf.

Dieser Bewegung bemächtigt sich des Civilis hochstrebender Geist: nichts Geringeres als Aufwiegelung und Befreiung des gesamten Westens vom Joche Roms wird sein Ziel. Classicus, einer der edelst-geborenen, reichsten und angesehensten Gallier Daß auch Classicus Trierer war, ist kaum zu bezweifeln, da nur der Trierer und der unbedeutenderen Lingonen als Aufständischer gedacht wird. Auch unterstützt die Stelle V, 19 diese Annahme., wird zuerst gewonnen: ihm schließen sich Tutor, der Trierer, als römischer Präfekt mit der Hut der oberen Rheingrenze betraut, und der Lingone (um Langres) Julius Sabinus an, der sich mit außerehelicher Abstammung vom großen Cäsar brüstet. Indes sie Gallien zum Kriege aufregen, heucheln sie noch Gehorsam gegen Vocula, dessen Heer nach Zahl und Verläßlichkeit zu schwach ist, dem wohlerkannten Truge zu begegnen.

Unter diesem Schein rücken die Gallier in Voculas Nähe, folgen ihm aus der Umgegend von Vetera nach Neuß und erkaufen in ungehemmtem Verkehr mit den Römern immer mehr Centurionen und Soldaten, sich ihnen anzuschließen. Noch einmal spricht Vocula in kräftigen Römerworten (Tac. 58) zu den von Hoffnung, Furcht und Scham erfüllten Gemütern: aber mit so beschränktem Erfolge, daß er verzweifelt: durch einen von Classicus gesandten Mörder wird er getötet.

Classicus läßt nun, umgeben von dem Gepränge römischer Herrschaft, das Heer » dem Reiche der Gallier« Treue schwören, und rückt hierauf vor Vetera, wo er selbst die Belagerten zu gleicher Huldigung auffordern läßt, welche sie, angesichts des sonst unvermeidlichen Hungertodes, leisten: auf dem Abmarsch aber werden sie dennoch von den Germanen kapitulationswidrig überfallen und teils niedergehauen, teils in das Lager, d. i. in die Festung, zurückfliehend, mit dieser verbrannt.

Tutor an der Spitze eines zweiten Haufens hatte indes die agrippinische Kolonie und was noch von Römern am Oberrhein stand, zur Unterwerfung gebracht.

So war nun Germanien frei, gebrochen die Macht des stolzen Roms bis zu den Alpen, vernichtet oder dem Feinde dienstbar das Heer von sieben Legionen, gleiche Freiheit allen gallischen Völkern von Meer zu Meer, von Alpen zu Pyrenäen geboten, wenn sie diese nur wollten.

Da legte Civilis Haar und Bart, die er bis zum Siege ungeschoren zu tragen gelobt, wieder ab: da ward der hochgefeierten Seherin Velleda im Brukterer Land, die all dies geweissagt, unter andern Geschenken auch der römische Legat Mummius Lupercus übersandt, der jedoch unterwegs schon niedergestoßen wurde.

Weder Civilis noch der Germanen einer ließ sich herab, den Galliern zu schwören (IV, 60).

Nicht der Trierer und Lingone allein auch, nur die Gesamtheit der für Freiheit oder Untergang zusammenstehenden Stammbrüder durfte sich der Hoffnung anmaßen, das mehr als hundertjährige, durch mannigfache Partikularinteressen mit dem Volk eng verwachsene, römische Joch dauernd abzuwerfen. Aber eh' noch der Sieg vollständig errungen war, fand sich schon die Zwietracht über dessen Benutzung.

Schamerfüllt, in glanzlosem Zug, zur Augenweide der eben vorher noch vor ihnen zitternden, nun sie höhnenden Gallier werden indes die zwei Legionen von Neuß und Bonn nach der Stadt Trier abgeführt, vor dessen Mauern sie ihr Lager aufschlagen. Nur das Reiterregiment der Picentiner trägt die Schmach nicht, sondern reitet, vermutlich weil es zu deren Verfolgung an Kavallerie fehlte, ruhig nach Mainz ab und rächt unterwegs Voculas Mord an dem begegnenden Mörder (IV, 62).

Unter den Siegern beginnen schon Übermut und Leidenschaft sich zu regen: die Zerstörung und Plünderung des blühenden, schon sehr stark romanisierten Kölns kommt in Frage.

Bezeichnend für germanische Anschauung und Sitte ist die Botschaft der Tenchterer an die Agrippinenser (Ubier), welche sich also vernehmen lassen.

»Dank den gemeinsamen Göttern und dem obersten derselben, dem Mars, daß ihr zurückgekehrt seid zu Germaniens Gemeinschaft und Namen; unsern Glückwunsch auch, daß ihr nun endlich wieder frei unter Freien leben werdet. Denn Wasser und Land, ja beinah auch den Himmel hatten ja die Römer uns abgesperrt, so daß sie das Zusammenkommen und Gespräch mit euch behinderten oder, was für Männer, zu den Waffen geboren, ungleich schimpflicher ist, nur unbewehrt und fast nackt, sowie unter Aufsicht und um Geld gestatteten. Damit aber Freundschaft und Bündnis mit euch in Ewigkeit dauern möge, fordern wir von euch die Schleifung eurer Mauern (der Colonia Agrippinensis, Köln), dieser Kennzeichen der Knechtschaft: denn auch die Tiere des Waldes, wenn du sie einsperrst, entwöhnen sich der Kraft. Eben so Tötung aller Römer in eurem Bereiche. Hab und Gut der Erschlagenen aber werde Gemeingut und jedes Versteck oder Absondern der Beute sorgfältig verhütet. Uns wie euch stehe es gleichmäßig frei, beide Ufer zu bewohnen, wie vordem unseren Altvordern. Nehmt auch den Brauch und die Tracht eurer Väter wieder an und tut sie ab, die Wollüste, durch welche die Römer wirksamer als durch Waffen zu unterwerfen wissen.«

Mit Geschmeidigkeit und Klugheit wandten die Ubier diese Forderung roher Wildheit ab, auf Civilis und der Velleda Ausspruch sich berufend. Jener war ein zu politischer Kopf, um solcher Leidenschaft sich hinzugeben, bewies auch seltene Gewandtheit darin, wie er sich die Völker des nördlichen Belgiens zu unterwerfen wußte, von denen ihm mehrere noch, von seinem Stammgenossen, aber erbitterten Feinde, Claudius Labeo, aufgeregt, widerstanden.

So warf er sich einmal inmitten der Schlacht unter seine Feinde, die Tungrer, laut ausrufend: »Nicht darum fechten wir, damit Bataver und Trierer über die Völker herrschen. Fern sei uns solche Anmaßung! Bundesgenossenschaft nehmt an. Zu euch gehe ich über, mögt ihr mich nun als Führer oder nur als Mitstreiter aufnehmen.«

Da steckten die Tungrer die Schwerter ein und unterwarfen sich, ihre Häuptlinge an der Spitze, dem Civilis.

Bei den Galliern waltete gleicherweise Neid und Eifersucht, aber kein Mann, der, wie dieser, zu beschwichtigen und zu leiten gewußt hätte.

Julius Sabinus ließ sich unter dem Namen »Cäsar« Ehrfurcht bezeigen und warf sich mit einem zahlreichen, aber wenig disziplinierten Haufen auf die ihm widerstrebenden Sequaner. Übereilt begann er die Schlacht, aus der er schimpflich entfloh. Derselbe J. Sabinus, der, nachdem er die Nachricht seines Todes verbreiten lassen, neun Jahre lang mit seinem treuen Weibe unter der Erde lebte, im letzten Jahre von Vespasians Regierung aber doch entdeckt und hingerichtet ward. Diese Niederlage brachte viele zu ruhigerer Besinnung. Die Remer (um Rheims) luden alle Stämme zu gemeinsamer Beratung über Krieg oder Frieden ein. Als die Tagsatzung zusammentrat, war schon die Kunde des heranziehenden Römerheers angelangt. Mit Begeisterung sprach der Trierer Valentinus für den Krieg, mit Gewandtheit der Remer Ausper für den Frieden. Valentins Rat ward gepriesen, aber der des Ausper befolgt. So beharrten außer den Germanen nur Trierer und Lingonen im Aufstande, ohne sich jedoch im Handeln der Höhe der Gefahr gewachsen zu zeigen. Immer noch durchzog Civilis Belgiens Wälder und Sümpfe nach seinem erbitterten Gegner Labeo spürend: Classicus genoß in träger Muße seines Triumphes: Tutor dachte nicht einmal daran, das obere Germanien und die Alpenpässe zu sperren.

Durch diese rückte nun, von Mucianus gesandt, der, den achtzehnjährigen Domitian mühevoll zügelnd, damals noch an Vespasians Statt in Rom befehligte, Petilius Cerealis mit drei Legionen, zu denen zunächst noch die von Vitellius Heere allein treu gebliebene 21. Legion zu Vindonissa (Windisch in der Schweiz) sowie später noch die 14. aus Britannien und die 16. aus Spanien stoßen sollten. Die 21. Legion, Sextilius Felix mit den rätischen Hilfsvölkern und das Geschwader der Singularier Der Name für die aus erwählten freiwilligen Söldnern verschiedener Stämme gebildeten Truppen, der wohl daher führt, daß sie nicht in ganzen Genossenschaften, sondern nur als einzelne (singulares) angeworben wurden., von Brigantinus, Civilis Neffen, aber haßerfülltem Feinde, geführt, drangen zuerst von Rätien her in die Provinz. Tutor verstärkte das Triersche Heer durch neue Aushebung bei den Vangionen (Germanen: bei Worms D.) und niederrheinischen Völkern, besonders aber durch alles, was er durch Hoffnung oder Furcht von Legionssoldaten an sich ziehen konnte. Wirklich hauen diese auch die Avantgarde, die erste römische Kohorte, welche ihnen entgegengesandt wird, nieder, gehen aber bald darauf, als die kaiserlichen Heere selbst mit den Führern anrücken, wiederum zu diesen über. Tutor zieht sich, Mainz umgehend, bis hinter die Nahe bei Bingen zurück, wo er sich nach Abbruch der Brücke gesichert glaubt, wird aber von Felix, dem eine Furt verraten wird, daselbst angegriffen und geschlagen. Schon verlieren die Trierer den Mut, das Volk wirft die Waffen weg, viele der Vornehmen entweichen zu römisch gesinnten Völkerschaften, die bei Trier stehenden zwei römischen Legionen schwören freiwillig dem Vespasian Treue, – als der rückkehrende Valentin das Volk wieder unter die Waffen bringt, indes jene Legionen zu den Rom treuen Mediomatrikern (um Metz) abziehen. Cerealis, der inzwischen vor Mainz angelangt ist, sendet zunächst mit der Versicherung, daß Roms Legionen dem Kriege genügten, die gallischen Hilfsvölker in ihre Heimat zurück, greift in Eile das feindliche Heer in einer durch Natur und Kunst stark befestigten Stellung an der Mosel an, nimmt diese mit Sturm und macht durch seine auf einer wegsameren Stelle in den Rücken der Feinde gesandte Reiterei Valentin selbst nebst vielen der edelsten Belgier zu Gefangenen. Auch nach dem Siege beweist er sich edel und klug, versagt dem Heere die stürmisch begehrte Plünderung der Stadt Trier und richtet die gebeugten, bebenden Gemüter der abtrünnigen Legionen, die nun vor ihm erscheinen, durch milde Nachsicht und strenges Verbot scheltender Anklage der Kameraden wieder auf: Trefflich und wirkungsvoll ist die Rede, mit welcher er (d. h. Tacitus D.) den Trierern und Lingonen die Torheit eines Aufstands vorhält, der sie selbst nach dem Sieg über Rom nur den Germanen untertänig machen würde.

So war die gallische Empörung mit einem Streiche abgetan.

Aber Civilis, bei dem auch Classicus und Tutor, der ebenfalls wieder Mannschaften gesammelt, sich noch aufhielten, mit seinen Germanen, ein Gegner andern Schlages, stand noch unbesiegt.

Von allen Seiten ziehen sich dessen Scharen wider das Römerheer zusammen, Cerealis verschanzt sich im Lager: Civilis will die Schlacht bis zu Ankunft der überrheinischen Germanen aussetzen, Tutor und Classicus aber fürchten mehr die weitere Verstärkung der Römer und sagen von den Germanen, »daß sie weder Kommando noch Leitung annähmen, sondern überall nach eigner Willkür handelten, Geld und Geschenke aber, wodurch sie allein gewonnen würden, mehr von den Römern, als von ihnen zu erwarten hätten.« Diese Ansicht, mutmaßlich vom Heere unterstützt, gewann die Oberhand.

In der Nacht überfällt Civilis das römische Lager, in dem Cerealis selbst nicht anwesend ist, dringt sofort ein, schlägt die Reiterei in die Flucht und besetzt die für die Kommunikation der Römer unentbehrliche Moselbrücke. Mit römischer Kraft wirft Cerealis sich ihm entgegen, nimmt die Brücke wieder, sammelt die Zerstreuten und Fliehenden, die sich allmählich von Neuem, obwohl, weil im beschränkten Räume des Lagers gefochten wird, nur unvollkommen formieren. Noch war der Feind überall im Vorteil, als die 21. Legion, die sich inzwischen auf einem freieren Platz vollständiger geordnet hatte, die Fliehenden aufnimmt und bald die Verfolger selbst zurücktreibt, indes die gewichenen Kohorten sich im Rücken wieder sammeln und die Höhen wieder besetzen.

Die Germanen aber, die bereits Sieger waren, schlug nichts wirksamer, als der unwürdige Streit über die Beute, indem sie, statt vereint gegen die Römer zu stehen, unter sich zerfielen.

Cerealis, der durch Energie wiedergutmachte, was er durch Sorglosigkeit verschuldet, benutzte sein Glück, indem er noch an demselben Tage das feindliche Lager nahm und zerstörte.

Sofort erheben sich nun auch die Agrippinenser (Ubier von Köln) wieder für Rom, töten einzelne Germanen, bitten aber dringend um Hilfe gegen den anrückenden Civilis. Noch vor dessen Ankunft aber entledigen sie sich der germanischen Kohorte, welche die Stadt noch besetzt hält, indem sie das Gebäude, worin die Bataver, des Weines voll, zu einem Gelage vereinigt sind, bei verschlossenen Türen in Brand stecken: während Civilis durch den in Eilmärschen heranziehenden Cerealis um so mehr zum Abzüge genötigt wird, als er die Bedrohung seiner Heimat von der See her durch die britannische Legion und Flotte fürchtet. Wirklich war diese bereits gelandet und mit Unterwerfung der Nervier und Tungrer (um Tongern) beschäftigt, als die Kanninefaten aus eigner Bewegung die Flotte angreifen und größtenteils vernichten, auch zu Land die für Rom zu den Waffen greifenden Nervier schlagen, wie denn auch Classicus die von Neuß vorausgesandte Avantgarde in einem Reitergefecht wirft (Tacit. IV, 77–79).

Im V. Buch der Historien des Tacitus, in dem die Erzählung nun fortgeht, gewinnt der Krieg eine neue Gestalt, indem Civilis, den Römern sich nicht mehr gewachsen fühlend, dasselbe Mittel zur Hilfe ruft, wodurch der Bataver Nachfahren so oft mächtigeren Feinden widerstanden; – die künstliche Überschwemmung der Niederungen durch Abdämmung der Flüsse wie durch Durchstechung der Dämme, was nur in einem Lande möglich ist, dessen ganze Bodenkultur auf Eindeichung beruht, wie sie daher unzweifelhaft schon damals bei den Batavern stattfand.

Die erste Aufstellung nahm er bei Vetera im Bereiche der Inundation, wo, da Cerealis dennoch den Angriff wagte, aller Vorteil so entschieden auf germanischer Seite war, daß die Römer nach vergeblicher Anstrengung sich zurückziehen mußten und nur um deswillen nicht noch größeren Verlust erlitten, weil man meist im Wasser focht und die Beschaffenheit des Terrains die Konzentrierung eines größeren Nahegefechts auf einem Punkt nicht gestattete, man sich daher großenteils nur gegenseitig mit Wurfpfeilen beschoß. Am nächsten Morgen ward die Schlacht von beiden Seiten mit der größten Anstrengung erneuert: obwohl aber die Römer, diesmal mehr in der Defensive verharrend, die Germanen aus dem Wasser herauslockten, setzten ihnen diese doch, nach Verschießung der Wurfpfeile, mit ihren langen Spießen sehr bedenklich zu: ja eine Schar Brukterer, durch den Rhein schwimmend, hatte bereits die Schlachtreihe der Hilfsvölker gebrochen und zum Weichen gebracht, als die Legionen die Schlacht wieder zum Stehen brachten. Da zeigt ein batavischer Überläufer dem Cerealis den Weg zu Umgehung des Feindes auf einer höhern, von den Gugernern nicht sorgsam bewachten Stelle, was, sofort ausgeführt, durch einen kühnen Reiterangriff in den Rücken der Germanen den Sieg auf das vollständigste für die Römer entschied.

Die Germanen flohen über den Rhein und der Krieg wäre an diesem Tage beendet worden, wenn die römische Flotte ihre Ankunft beschleunigt hätte. So ward selbst die Reiterei durch Regengüsse und Einbruch der Nacht an der Verfolgung behindert.

Am folgenden Tage Hinsichtlich der Vorgänge nach der Schlacht bei Vetera folge ich (v. W.) im Wesentlichen, zum Teil wörtlich, Dederich a. a. O., S. 122 bis 137, dessen Ansicht über die Lage der oppida Batavorum und über das weitere Kriegstheater der nächsten Zeit im Allgemeinen (denn über Gegenstände spezieller Ortskunde habe ich kein Urteil) so unzweifelhaft richtig ist, daß ich deren Begründung sogar für unnötig weitläufig ansehen muß. Wirklich haben verdiente Forscher, wie Cluver und andere, die abweichendes aufgestellt, sich durch Namensähnlichkeit und sonst verleiten lassen, gerade das entscheidendste und wichtigste bei der Sache, das strategisch-politische Urteil, ganz beiseite zu lassen.

Wie kann man glauben, daß Civilis nach jener Schlacht schon zu Preisgebung der ganzen batavischen Insel sich entschlossen habe, über die noch so lange gestritten ward, was man doch annehmen müßte, wenn man mit Cluver die oppida Batavorum auf das rechte Rheinufer verlegt.

ergänzte man auf beiden Seiten die Heere; Cerealis, welcher die 14. Legion nach der oberen Provinz detachiert hatte, durch die zehnte spanische Legion, Civilis durch Hilfsscharen der Chauken.

Dennoch aber fühlte sich dieser nicht stark genug, die Städte der Bataver gegen den nun unaufhaltsam heranrückenden Cerealis mit den Waffen zu schützen; er raffte daher aus den genannten Ortschaften mit sich fort, was sich fortschleppen ließ, verbrannte das übrige und entwich auf die Insel, sich auf dieser sicher glaubend gegen die Verfolgung der Römer, denen es, wie er wußte, an Schiffen fehlte, um eine Brücke über den Fluß (d. h. die Waal) zu schlagen. Um jedoch seine Verfolger aufzuhalten, traf er zwei Veranstaltungen.

Erstens zerstörte er den Damm (diruit molem) des Drusus, d. h. den von Drusus am Clevischen Spyck zur Ableitung der Waal nach dem Rhein erbauten Wehrdamm. Das geschah hauptsächlich, um den Feind von Arenacum (Rindern) abzuhalten, indem durch die Zerstörung der Moles die Waal in ihr altes, vor Drusus inne gehabtes Bett stürzen, und Arenacum vom Feinde abschneiden sollte.

Die zweite Veranstaltung bestand darin, daß Civilis den Rhein, welcher nach der gallischen Seite hindrängte, durch Wegräumung der Dämme über den Boden der batavischen Insel nach der Waal und Mas hinstürzen ließ, um dem Cerealis das Vordringen auf diese unmöglich zu machen, wodurch das Bett des Rheines selbst so seicht ward, daß die Insel beinahe mit Germanien zusammenzuhängen schien.

Über den Rhein aber setzten Tutor und Classicus mit einhundertunddreizehn Trierer Senatoren, um »durch Mitleid und Geschenke« neue Hilfsvölker zu gewinnen.

Während nun auch Civilis neue Truppen warb, hatten die vordringenden Römer dennoch Arenacum besetzt, ohne daß die wohl nur unvollkommen vollbrachte Zerstörung des Dammes des Drusus sie davon hätte abhalten können. Auch die übrigen batavischen Städte kamen in die Hände der Römer. Die für die Germanen neu geworbenen Streitkräfte waren indes so stark, das Civilis dieselben in vier Haufen teilen konnte, um mit ihnen an einem Tage die vier von den Römern besetzten Orte in Abwesenheit des Cerealis anzugreifen: nämlich die zehnte Legion zu Arenacum, die zweite zu Balavodurum (Nimwegen) dann die Kohorten und Geschwader zu Grinnes und Vada. Die Belagerung der in Arenacum liegenden zehnten Legion schien aber zu schwierig; es wurden nur die römischen Soldaten, die aus dem Lager gezogen und mit Holzfällen beschäftigt waren, überfallen und dabei der Lagerpräfekt, fünf Centurionen und eine Anzahl Soldaten getötet; die übrigen entkamen ins Lager, wo sie sich hinter ihren Verschanzungen verteidigten. Unterdessen wurde auch zu Balavodurum gekämpft. Dort hatten die Römer schon den Brückenbau (über die Waal) begonnen; aber die Bataver suchten die Brücke einzureißen und der unentschiedene Kampf endigte mit der Nacht. Civilis selbst griff Vada, Classicus Grinnes an. Beide waren anfangs glücklich: als aber Cerealis selbst auf die Nachricht von den Unternehmungen der Feinde den Seinigen zu Hilfe kam, wandte sich das Glück und die Bataver wurden in den Fluß (die Waal) getrieben. Civilis suchte die Fliehenden aufzuhalten; aber selbst verfolgt, warf er sich in den Fluß und schwamm hinüber (auf die Insel) unter Zurücklassung seines Pferdes; Tutor und Classicus gelang es, mit Kähnen überzusetzen. Auch hier war die zur Hilfe beorderte römische Flotte nicht eingetroffen. Aber das Glück half Cerealis auch da, wo die Anordnung vielleicht mangelhaft war, wie er denn die zu Ausführung seiner Befehle nötige Zeit nicht immer gewährte.

So entging er auch bald darauf zwar gerade noch der Gefangenschaft, aber nicht dem Schimpf, als er von Bonn und Neuss, wo er die neu zu erbauenden Winterlager inspiziert hatte, zu Wasser zurückkehrend in einer dunkeln Nacht, in welcher eine Abteilung seiner Eskorte gelandet sein muß, teils zu Land, teils zu Wasser, in Folge mangelhaft geordneter und gehaltener Wache, von den Germanen sich überfallen ließ. Viele Römer wurden im Schlafe und im Schreck des ersten Erwachens niedergestoßen, Cerealis selbst aber dadurch gerettet, daß er sich nicht auf dem Admiralsschiff, dessen sich der Feind vor allem bemächtigte, befand, die Nacht vielmehr, wie man glaubte, eines galanten Abenteuers halber, auswärts verbracht hatte. Am vollen Morgen fuhren die Germanen mit den genommenen Schiffen zurück und übersandten das des Feldherrn Velleda zum Geschenk.

Inzwischen hatte Civilis, der, unermüdeten Mutes, sein Glück noch zu Wasser versuchen wollte, eine bedeutende Schiffsmacht mit großer Anstrengung zusammengebracht, mit welcher er die Römer, deren Flotte weniger, aber besser bemannte und größere Schiffe zählte, am Ausfluß des mit der Mas verbundenen Rheins angriff. Aber seine Flotte trieb der Wind aufwärts, die römische der Strom abwärts, so daß beide bei- und durcheinander vorbeifuhren, ohne sich, außer dem Wurfgefecht, wesentlich schaden zu können.

Auch dieser letzten Hoffnung beraubt zog sich nun Civilis über den Rhein zurück und gab die batavische Insel schutzlos der Verheerung des Cerealis preis, der jedoch mit kluger Berechnung die eignen Äcker und Villen desselben verschonen ließ, Argwohn gegen den Feldherrn zu erwecken.

Obwohl nun der einbrechende Herbst mit seinen Regengüssen und Überschwemmungen die auf der Insel stehenden Legionen bei dem Mangel an Schiffen und Proviant wieder in so große Gefahr brachte, daß sie bei ernstlichem Willen ihrer Feinde der Vernichtung oder doch mindestens schwerem Verluste nicht hätten entrinnen können, so war doch inzwischen eine Wandlung der Gemüter eingetreten.

Cerealis hatte durch geheime Unterhändler den Batavern Frieden, Civilis Verzeihung angeboten und suchte nun auch durch Drohungen, wie durch Versprechungen Velleda und deren Angehörige zu gewinnen.

Wie dadurch die Bundestreue der Überrheinischen erschüttert ward, so erhoben sich auch unter den Batavern viele Stimmen für den Frieden, so daß Civilis, dem dieser Umschwung nicht entging, um ihm zuvorzukommen, eine Unterredung mit Cerealis auf den beiden Seiten einer in der Mitte zerschnittenen Brücke über die kleine Waal (s. Dederich, S. 133) verlangte, welche derselbe mit Hervorhebung seiner Verdienste um Vespasian begann: darauf muß er aber den Frieden abgeschlossen haben, wie dies, obwohl uns Tacitus' Bericht hier (mit V, 26) verläßt, der Sachlage und andern, wenn gleich unbestimmteren Nachrichten zufolge, anzunehmen ist.

Aus der Erzählung dieses denkwürdigen Aufstandes, teilweise schon aus dem früher Berichteten, ergeben sich nachstehende, für die Geschichte der Folgezeit wichtige Betrachtungen.

Billiger Unterwerfung waren die für Rom erreichbaren germanischen Völkerschaften nicht abgeneigt: der Frevel roher Willkür und Habsucht aber, dem selbst der beste Wille des Herrschers nicht immer zu steuern vermochte, reizte sie stets zur Empörung.

Nichts aber weckte und nährte diesen Geist mehr als Bürgerkrieg und Unfriede im Römerreiche selbst, was späterhin die Zeit des Gallienus (260) und der »dreißig Tyrannen« nur zu sehr bestätigte.

Durch Disziplin und Kriegskunst war Rom den Germanen furchtbar überlegen: darum lag alle Gefahr für Rom darin, daß ein tüchtig geschulter und genialer Führer sich der Leitung der wilden Kraft bemächtigte. Das hatte einst die Spanier unter Sertorius unbesiegbar gemacht, welchem ja auch Civilis sich verglichen haben soll.

Nicht allein mit den Waffen, mehr durch Intrige, wie Sertorius, ward Civilis überwunden. Jene Gefahr aber förderte Rom selbst dadurch, daß es fortwährend die tüchtigsten Germanen als Führer der Hilfsvölker militärisch ausbildete, was jedoch nicht Fehler, sondern Notwendigkeit war: weniger vielleicht, weil dies den Gehorsam der Truppe besser verbürgte als weil es an gleich tüchtigen Offizieren, die nach dem Begriffe der ersten Kaiserzeit noch den höheren Ständen angehören mußten, in dem immer unkriegerischer werdenden Volk selbst gebrach.

Der Geist der Meuterei, der sich schon unter den Bürgerheeren Roms vom siebenten Jahrhunderte ab so verderblich zeigte, war bei den Söldnern der späteren Zeit noch ungleich gefährlicher und ward, abgesehen von den Epochen des Kaisermachens, nur durch eine imponierende, volles Vertrauen einflößende Persönlichkeit des Generals vollständig gebannt: daher Auflehnung gegen Flaccus, Gehorsam gegen Cerealis.

Das Gallien des Vercingetorix war nicht mehr. Die Vorzüge der Zivilisation, die Reize römischer Genüsse und Kultur hatten es in hundertundzwanzig Jahren schon beinahe völlig romanisiert. Wunderbar bot das Geschick Befreiung; Gallien verschmähte sie. Darum ward es auch, als die Eroberung später, statt wie vormals von Süd nach Nord, nun umgekehrt von Nord nach Süd ging, in dem großen Zertrümmerungsprozeß selbst mit zertreten. Der keltische Hauptstamm lebte in Europa nicht fort.

Unter den Germanen finden wir nur die Ubier auf dem Weg der Romanisierung. Schon zu Cäsars Zeit waren sie den übrigen Völkerschaften in der Kultur voraus: jetzt wäre für sie die Rückkehr zur alten Stammgemeinschaft nur durch Aufopferung ihres höher entwickelten Gemeindelebens, nur durch Zerreißung vielfacher Verkehrs- und Familien-Bande zu erkaufen gewesen.

Indem hier die Geschichte der Kriege zwischen Rom und den Germanen bis zu Marc Aurel im Wesentlichen schließt, ist nur der Vollständigkeit halber noch folgender, in den Quellen kurz und unsicher erwähnter Vorgänge zu gedenken.


 << zurück weiter >>