Hermann Conradi
Lieder eines Sünders
Hermann Conradi

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Nur ein Mensch.

                 

Ich stand auf sturmbestrichnem, granitnem Bergeshaupt,
Umbrüllt vom Eisorkane, von stechendem Schnee umstaubt –
Tief unter mir, umschlungen vom Nebelgewande der Nacht,
Lag Wahn und Menschenschicksal, lag Elend und Kronenpracht . . .

Lag all' das wirre Suchen: die Pilgerfahrt zum Licht –
Lag all' das ewige Irren: ein wüstes Höllengedicht!
Lag gleißender Glanz und Entsagung – Gethsemane und Rom:
Dort wurmt sich ein armer Schwärmer – hier schwillt der Lüste Strom!

Lag all' die blöde Verblendung, die vor den Götzen kniet –
Lag all' die feige Knechtschaft, die sich im Staube müht,
Faulende Früchte zu sammeln, lohender Brünste voll –
Lag all' die jähe Verzweiflung – der heilige Rächergroll! . .

Die Sclavenkette klirrte – ihr schneidender Ton verklang;
Die Schellenkappe tönte – ihr lockend Geläut versank –
Von bleichen Märtyrerlippen verwehte der letzte Schwur –
Im Schweigen der Bergeswüste verstummt die Creatur . .

Die einst mit flammenden Schwertern über den Erdball gebraust,
Die Babel-Dome gefestet mit blut'ger Despotenfaust –
Die ihre Cäsarenspuren mit ehernem Meißel gehauen,
Hier an den Felsenbrüsten zerfällt das irdische Grauen,

Das sie heraufbeschworen im bangenden Menschenhirn –
Ihre Kronenscepter zersplittern an der steinernen Bergesstirn –
Und ihrer Allmacht Male zerbröckeln wie mürbe Spreu:
Das Schweigen der Felsenöde verschlingt den Siegerschrei . .

Im Schweigen der Bergeswüste verstummt die Creatur –
Hier lebt und atmet nur Eines: die unbefleckte Natur . .
Und mich durchdrang die Wollust, an dieser Felsenbrust
Mein Sünderhaupt zu zerschmettern – all' meine Erdenlust –

All' meine Erdenduldung, von dieser Größe zerdrückt –
All' meine Gramverschuldung, wiedergeburtsbeglückt –
Wiedergeboren und enden: zum ersten Mal ein Held!
Ausatmen in diese Wildniß meine kleine, dürftige Welt!

Da kroch es heran, das Entsetzen, belastete mich wie Erz –
Und hämmern spürt' ich mein armes, todbangendes Menschenherz:
Gemach kehrt' ich zu Thal mich, nach Menschenspur hinab –
Bei Alltagsmühen zu suchen nach meinem Alltagsgrab.


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