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An Max Alioth

Rom, 23. August 1883, abends

Ich will Ihnen doch auch ein Lebenszeichen von Rom aus geben. Was ich in diesen acht Tagen gesehen habe, ist unsäglich, aber was hilfts, wenn man niemand bei sich hat? Ich hätte weiß nicht was drum gegeben, wenn Sie mir mit Ihren Entzückungen und Sarkasmen zur Seite gewesen wären, zumal vor Guido und Guercino und Caravaggio. Unsereiner wird ja mit diesen Sachen allein nicht fertig, man muß einen ausübenden Künstler mit sich haben, besonders auch vor Domenichino.

Was Ihr alle nie mehr können werdet, ist dann das große saftige Venezianisch, wie zum Beispiel die Herodias des Pordenone bei Doria, welche alle ähnlichen Tiziane in Grund segelt.

Ferner habe ich gegen das jetzige Rom einzuwenden, daß es kein Segen ist, wenn gute alte Cafés sich in Café-Restaurants umwandeln. Ein gutes Restaurant, wie Falcone oder Rosetta, wird doch nicht daraus.

Ferner machte ich heut nachmittag in reichlicher Gluthitze einen eiteln Versuch – nur par acquit de conscience –, in Villa Ludovisi einzudringen, um die Statuen wiederzusehen. Alles war hermetisch verschlossen; da schlenderte ich vor Porta Salara und vor Porta Pia hinaus, legte meinen Rock über den Arm, ging bis nach S. Costanza und S. Agnese und ließ mir wieder einmal seit dreißig Jahren die beiden alten Kirchen durch einen guten alten Pater aufmachen; dann lag, im Kampf zwischen Tramontana und Scirocco, die erhabene Campagna so eigentümlich da, und ich lief bis über Ponte Nomentano und sah den Teverone wieder wie in den Zeiten meiner Jugend. Auf dem Heimweg erquickte mich ein herrliches Fiaschetto Velletri in einer ländlichen Osteria. Wie altgewohnt sieht da alles aus im Vergleich mit der fluchwürdig gewordenen Straße, ehemals Via Flaminia, von Porta del Popolo aus, wo das herrliche Rokoko-Kasino rechts bis auf kleine Trümmer verschwunden und ein vierstöckiges Scheusal neben dem andern entstanden ist!

Das altgebliebene Rom ist noch immer ganz unsäglich schön, und vor den neuen Quartieren macht man ganz einfach die Augen zu. Sobald man vor Porta Pia ist, sieht man nur noch Altgewohntes und Herrliches. Auf dem Aventin, wo ich gestern abend bummelte, fängt man erst an zu bauen, und so habe ich die sublime Einsamkeit dort noch in ihrem Verenden genießen können. Ich bin nun neugierig und zugleich in Sorgen, wie es mit Ihrer Kneipe bei S. Pancrazio aussehen wird. Sicher ist in diesem Rom nichts mehr als das wachsende Gedränge und Elend. Die Leute heulen über die Steuern und lassen den Papst leben. Ich habe dieser Tage an ein paar kleinen Dingen bemerken können, wie es in dieser Beziehung steht. Natürlich bleibt die Regierung übermäßig stark genug, solange sonst nichts in der Welt geht. Raffael macht mir einen andern Eindruck als früher, und ich sehe eine Menge Größe an ihm, die ich früher nicht erkannt hatte. Um den Heliodor wird ihn die ganze künftige Kunst ewig beneiden. Doch hierüber ist ja nur mündlich zu verkehren. – Ich kaufe fleißig Photographien; man hat jetzt die schönsten Sachen a cinque franchi la dozzina, und für mich wird das Dutzend am Corso schon zu dreizehn gerechnet.


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