Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

An Max Alioth

München, Mittwodi, 15. August 1877, abends spät

Heute waren wegen Maria Himmelfahrt die Läden (also auch meine Helgenläden Läden mit Heiligenbildern, hier auf die Kunstsammlungen angewandt.) geschlossen, und dafür ging die Oper auf. Ich weiß zwar nicht, was hiezwischen für ein idealer Zusammenhang besteht, aber ich suchte wieder das Opernhaus auf, wo ich einst vor achtunddreißig Jahren mehrere Opern gehört, die seitdem den Schlaf des Gerechten schlafen (Chelards Macbeth, Lachners Caterina Cornaro, ferner das Erdbeben von Lima und dergleichen), und vor einundzwanzig Jahren unter anderem die Bekanntschaft Tannhäusers machte. – Heut Verdis Aïda mit vollem Pomp und ägyptischen Dekorationen, wovon im dritten Akt ein Palmenwald mit Tempietto am Nil im Mondschein ganz bezaubernd war. Nachbauer als Radames himmlisch bei Stimme, die beiden Weiber wenigstens schön von Ansehen; von den drei Bässen unter anderen der alte Kindermann, den ich vor einundzwanzig Jahren unter anderem als Wolfram gehört, noch völlig unverändert, so daß ich meinen Nachbar fragen mußte, ob das etwa ein Sohn vom Alten sei? Nein, er war es selber. – Die Musik hat viel Sophistisches und mit Anstrengung von verschiedenen Seiten (selbst aus Wagner und aus Spohrs Jessonda) Hinzugelerntes, aber daneben ganz wundervolle Verdi-Inspirationen, im zweiten und dritten Akt wird er stellenweise der alte Gott, nur strenger in den Kunstformen. Die rhythmisch reißenden Melodien des früheren Verdi fehlen, aber ein gut Stück Seele ist noch vorhanden, und vom Finale des zweiten Aktes durch den ganzen dritten hindurch ist alles schön, und im Duett des Amonasro und der Aïda: Du wirst die duftigen Wälder wiedersehen usw., da ist es ergreifend und zum Heulen schön, wie gar kein früherer Verdi; überhaupt hat er viel Neues, Eigenes. Der sechzigjährige Mensch hatte noch ein Inneres neu zu geben, das ich nicht bei ihm vermutete. Der vierte Akt hat hohe Momente, aber nicht die dauernde Schönheit des dritten. – Hört das, wo Ihr könnt, doch womöglich nicht in Basel! Es gehört die meeresbreite Münchner Szene dazu und anderes mehr. Den kleinen Mohrenkindern, welche unter den verschiedenen Balletten das burleske zu tanzen haben, hatte man (ohne Zweifel durch vorgebundene grüne Gläser) völlig wildleuchtende Katzenaugen gegeben. Freitag Fidelio, Sonntag Lohengrin usw.


 << zurück weiter >>