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Drittes Kapitel.


Ich brannte auch vor Ungeduld, den Zustand meiner Familie kennen zu lernen, zu gleicher Zeit ihre quälende Ungewißheit, sowie meine eigene über unsere beiderseitige Sicherheit zu verscheuchen. – Das Unglück, das ihnen, wie ich fürchtete, zugestoßen sei, war zu furchtbar, als daß es mir gestattet hätte, im Zweifel zu bleiben, und meine Ruhelosigkeit und trüben Ahnungen waren unerträglicher gewesen wie jede Beschwerde der Anstrengung, denen ich auf meinem Wege möglicherweise ausgesetzt sein konnte.

Die Nahrung, welche ich zu mir genommen hatte, und die Ruhe einer Stunde hatten mich bedeutend erfrischt und gekräftigt und mit diesem Vorrath erneuter Kraft beschloß ich, den Berg zu erklettern. Nachdem ich genaue Anweisungen erhalten und meinen herzlichen Dank für die gastfreundliche Bewirthung ausgesprochen hatte, machte ich mich auf den Weg.

Der Pfad war allerdings verwickelt und ich mußte bedächtige Aufmerksamkeit aufbieten, um auf demselben zu bleiben; mein Fortschritt war daher langsamer, wie ich wünschte. Mein erster Gedanke war, daß ich das Auge auf den Gipfel richtete und von Klippe zu Klippe springen wollte, aber meine Erfahrung hatte mir gelehrt, daß dies unausführbar sei; nur dadurch, daß ich mich durch Schluchten wand, an Abgründen hinging und über Felsspalten sprang, konnte ich hoffen, endlich den Gipfel zu erreichen, und ich hatte die Versicherung erhalten, daß selbst dies nur auf einem Wege auszuführen sei.

Eine Stunde war über dem Kampfe mit Hindernissen vergangen und ich schien nicht vorwärts gekommen zu sein; es stieg daher ein Zweifel in mir auf, ob ich nicht den richtigen Weg verfehlt habe – dieser Zweifel wurde durch die jetzt vor mir aufsteigenden Schwierigkeiten bestärkt. Die Bäche, die Hecken und die Hohlwege, welche meine Wirthin beschrieben hatte, waren nicht zu sehen; anstatt ihrer traf ich unaufhörlich auf tiefe Abgründe, reißende Gießbäche und weiter auseinander klaffende Spalten.

Das Umkehren war eben so hoffnungslos wie das Vorwärtsgehen. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß die Ansicht, welche sich die Frau von dem Berge gemacht hatte, ungenau sein könne und daß es trotz ihrer Aussage vielleicht möglich sei, den Gipfel auf einem andern Wege wie auf dem von ihr angedeuteten zu erreichen. Ich will meine beschwerlichen Versuche, die oftmalige Täuschung meiner Hoffnung und meine verzweifelten Anstrengungen nicht wiederholen. Es genüge, wenn ich sage, daß ich den oberen Raum nicht eher erreichte, als bis die Sonne am Horizonte versunken war.

Meine Befriedigung darüber, daß ich so viel vollbracht hatte, war nicht gering und ich eilte mit neu belebtem Muthe nach dem andern Rande; dieser erwies sich als ein steiler Abhang, wo kein Hinabsteigen möglich war; an dem Fuße desselben strömte der Fluß; das andere Ufer war fünfhundert Schritt entfernt und eben so hoch und steil wie dasjenige, auf welchem ich stand. Ihr Aussehen war geeignet, die Ueberzeugung beizubringen, daß sie früher vereinigt gewesen, aber durch eine mächtige Anstrengung der Natur getrennt worden seien, damit die Fluth einen Weg durch den Spalt finden konnte. Das Bett war jedoch mit Hindernissen gefüllt, über welche der Strom mit donnerndem Ungestüm dahin brauste und schäumte.

Ich sann eine Zeit lang über dieses erhabene Schauspiel nach; es lenkte meine Aufmerksamkeit von den Rücksichten auf mich selbst ab, aber diese Pause war nur von kurzer Dauer und ich fing an, den Abhang mit den Augen zu messen, um mich von der Möglichkeit des Hinabsteigens zu überzeugen. Meine Beobachtung endigte mit einer bittern Täuschung meiner Hoffnung. Ich richtete die Augen erst nach Osten und dann nach Westen; Solebury lag in ersterer Richtung und dorthin wollte ich gelangen. Ich folgte dem Rand, bis ich einen unübersteiglichen Spalt traf; jenseits desselben wurde der Felsen, wie ich bemerkte, niedriger, aber es war unmöglich, weiter vorzudringen. Höher hinauf konnte das Hinabsteigen vielleicht ausführbar sein und obgleich dies entfernter von Solebury lag, so war es doch besser, die Straße selbst in dieser Entfernung zu erreichen wie gar nicht.

Ich veränderte daher meine Richtung und untersuchte den oberhalb liegenden Raum. Die Nacht rückte schnell vor. Im Südosten sammelten sich graue Wolken und ein rauher Wind, der gewöhnliche Begleiter einer Octobernacht, fing an, durch die Zwergcedern zu pfeifen, welche spärlich auf diesen Höhen wuchsen. Mein Vordringen mußte bald durch die Dunkelheit verhindert werden und es war nöthig, daß ich einen Ruheplatz und ein Obdach aufsuchte – meinem aufmerksamen Forschen bot sich jedoch keine bessere Vertiefung wie eine Höhlung in dem Felsen dar.

Ich wollte inzwischen die Hoffnung, die Straße, welche ich einige hundert Fuß unter mir am Ufer des Flusses hinziehen sah, zu erreichen, ehe das Tageslicht ganz verschwand, nicht aufgeben. Diese Hoffnung erhielt sehr bald neue Nahrung dadurch, daß ich einen Vorsprung traf, der unregelmäßig von dem Rande des Berges abwärts führte; er war breit genug, daß er mir erlaubte, vorsichtig Fuß zu fassen. Auf einem ähnlichen Vorsprung, der sich noch weiter entfernt von der Mitte des Berges und nahe an der Oberfläche des Wassers befand, lag die Straße. Dieser Vorsprung stieg von der Oberfläche des Flusses aufwärts, während derjenige, auf welchem ich mich befand, schnell abwärts führte; ich hoffte, daß sie sich bald vereinigen oder sich einander wenigstens soweit nähern würden, daß es mir möglich würde, ohne sehr große Gefahr von dem einen auf den andern zu springen.

Die freudige Hoffnung wurde getäuscht. Ich bemerkte bald, daß der untere Vorsprung abwärts zu gehen begann, während der obere aufwärts stieg und plötzlich an dem obersten Rande des Felsens aufhörte. Hier war es nothwendig, Halt zu machen. Ich blickte über den Rand hinab und überlegte, ob ich nicht von meinem jetzigen Platze hinabspringen könne, ohne meine Glieder zu gefährden. Die Straße, auf welche ich gefallen sein würde, war ein felsiges Steinbett und keineswegs eben; die Höhe konnte nicht geringer wie vierzig bis fünfzig Fuß sein – ein solcher Versuch war im höchsten Grade gefährlich. Aber wäre es nicht besser gewesen, mein Leben durch einen Sprung aus dieser Höhe auf das Spiel zu setzen, anstatt auf dem Gipfel dieses unwirthbaren Berges zu bleiben und umzukommen. Die Mühseligkeiten, welche ich bei dem Ersteigen dieser Höhe ertragen hatte, erschienen meiner furchterfüllten Phantasie weniger leicht, sie zum zweiten Male zu ertragen, wie der Tod.

Ich weiß daher nicht, ob ich mich nicht endlich entschlossen haben würde, zu springen, wenn sich mir nicht eine andere Ansicht dadurch aufgedrängt hätte, daß ich bemerkte, daß der äußere Rand der Straße auf dieselbe Weise der Gipfel einer Felswand sei, die im Flusse endigte. Die Straße lag zwölf bis fünfzehn Fuß über der Oberfläche des Flusses, der an diesem Orte still und glatt war. – Hieraus schloß ich, daß das Wasser keine unbedeutende Tiefe habe. Auf Felsspitzen zu fallen, war allerdings gefährlich, aber in's Wasser von genügender Tiefe, selbst aus einer größeren Höhe, wie der, auf welcher ich jetzt stand, zu springen, hatte, besonders für Jemand, dem das Wasser durch die Gewohnheit ein fast ebenso befreundetes Element geworden war wie die Luft, kaum etwas Unbequemes. Dieser Ausweg war leicht und sicher. Zwanzig Schritte von diesem Orte wurde das Bett seicht, und von dem Flusse aus die Straße zu erreichen, war kein schweres Unternehmen.

An diesen Plan knüpften sich jedoch einige Nachtheile. Das Wasser war glatt, aber dies konnte von einem andern Grunde wie von seiner Tiefe herrühren – ich mußte auch meine Flinte zurücklassen und das war ein Verlust, gegen welchen ich unüberwindlichen Widerwillen fühlte; wenn ich sie auf die Straße fallen ließ, so hätte mich dies in den Stand gesetzt, wieder in ihren Besitz zu gelangen, aber es stand zu erwarten, daß sie durch den Fall unverbesserlich verletzt werden würde.

Während ich hierüber nachsann und das Schlimme gegen das Gute abwog, senkte sich die Nacht auf mich herab. Jetzt bedachte ich, daß ich, wenn ich wohlbehalten aus dem Flusse heraufstieg, viele Meilen weit würde gehen müssen, ehe ich ein Haus erreichen konnte; mittlerweile wären meine Kleider von Nässe durchdrungen gewesen; der eisige Wind, welcher jetzt wehte, hätte mich bis auf das Mark erkältet und meine Wunden und Verletzungen wären zu unerträglichem Schmerz gereizt worden.

Ich dachte ebenso an das Thörichte der Ungeduld wie an die Nothwendigkeit der Ruhe. Meine Sehnen fingen durch das lange Verweilen in derselben Stellung an, steif zu werden und meine Abneigung gegen neue Anstrengungen wuchs – meine Augenbrauen wurden schwer und ich fühlte eine unwiderstehliche Neigung zum Schlafen. Ich beschloß, irgend ein Obdach aufzusuchen und mich meinen schmerzlichen Erinnerungen und meinen düstern Ahnungen in süßem Vergessen hinzugeben; zu diesem Zwecke stieg ich wieder zu dem Felsen hinauf und schleppte meine müden Füße vorwärts, bis ich etwas fand, was mir das gesuchte Obdach bot.

Jetzt zeigte sich eine Gruppe Cedern, deren Aeste sich über einen Raum wölbten, den man vielleicht eine Laube hätte nennen können; es war eine kleine Höhlung, deren Boden aus losen Steinen und einigen aus der Ferne herbeigewehten dürren Blättern, die hier auf einige Zeit einen Ruheplatz fanden, bestand. Auf der einen Seite befand sich ein Felsen, der einen rauhen oben vorspringenden Wall bildete. Auf dem Grunde der Vertiefung zeigte sich ein Spalt, der an Gestalt einigermaßen einem Sarge glich und an Umfang nicht viel größer war. Dieser Spalt endigte auf der andern Seite des Felsens in einer Oeffnung, die zu klein war, als daß der Körper eines Mannes hätte hindurchkommen können. Die Entfernung zwischen beiden Eingängen betrug die doppelte Länge eines Menschen.

Diese Laube war gegen Südosten, woher der Wind jetzt wehte, offen; sie gewährte daher den Schutz, dessen ich bedurfte, nur sehr unvollkommen, aber es war der beste, den der Ort und die Zeit darboten. Wenn ich den kleinen Eingang der Höhlung mit einem Steine verstopfte und vor dem andern Aeste aufhäufte, die ich mit meiner Axt von den Bäumen herunterhieb, so konnte dies einigermaßen meine Behaglichkeit erhöhen.

Dies geschah. Ich drang so tief in diese Höhlung ein, wie ich es konnte und schickte mich zur Ruhe an. Man hätte mit gutem Grunde voraussetzen dürfen, daß sie der Aufenthalt von Klapperschlangen oder Panthern sei, aber meine Kämpfe mit größeren Gefahren und furchtbarern Feinden machten mich gleichgültig gegen sie. Es blieb jedoch noch eine andere Unannehmlichkeit – trotz meiner Vorsichtsmaßregeln setzten mich meine regungslose Lage und meine mangelhafte Bekleidung der Kälte so sehr aus, daß ich nicht schlafen konnte.

Die Luft schien plötzlich die Temperatur des hohen Winters angenommen zu haben – nach kurzer Zeit erstarrten meine Extremitäten und meine Glieder bebten und schmerzten, als ob ich von einem Fieber erfaßt worden wäre; mein Lager war gleichfalls feucht und uneben, und die Lage, welche ich annehmen mußte, unnatürlich und schmerzlich – es lag auf der Hand, daß ich meinen Zweck nicht erreichen konnte, wenn ich hier blieb.

Ich kroch daher heraus und fing an, über die Möglichkeit einer Fortsetzung meiner Reise nachzudenken. Die Bewegung war das Einzige, was mich vor dem Erfrieren bewahren konnte und mein Körper befand sich in einem Zustande, der mir nicht gestattete, bei Mangel an Wärme Ruhe zu finden, da die Wärme unumgänglich nothwendig war. Jetzt fiel mir die Frage ein, ob es nicht möglich sei, ein Feuer anzuzünden.

Reißig und Laub waren in der Nähe; meine Axt und ein Kiesel setzten mich in den Stand, einen Funken hervorzurufen; mit diesem konnte ich mir durch angemessene Sorgfalt und Beharrlichkeit endlich genügendes Feuer verschaffen, das mir Behaglichkeit gewährte und mich selbst in den Stand setzte, zu schlafen. Dieser Genuß war köstlich und es kam mir vor, als ob ich nicht länger im Stande sei, eine Entbehrung desselben zu ertragen.

Ich machte mich an die Ausführung dieses Planes; ich nahm die trockensten Blätter und versuchte, sie als Zunder zu benutzen, aber die trockensten waren durch den Thau angefeuchtet; sie fanden sich nur in den Vertiefungen, in welchen zum Theil Wasserpfützen standen, während andere feucht waren. Ich verlor den Muth nicht sobald, aber meine widerholten Versuche mißlangen und ich sah mich endlich genöthigt, sie aufzugeben.

Jetzt blieb mir nichts weiter übrig, wie weiter zu gehen und bis zum Morgen in Bewegung zu bleiben. Die Nacht versprach stürmisch und lang zu werden; der Wind schien mit Eis geschwängert zu sein und wirkte wie Tausende von Nadelspitzen auf meinen Körper ein. Es gab kein Mittel dagegen und ich faßte mich in Geduld, es zu ertragen.

Ich kehrte wieder zu dem Rande des Berges zurück. Ich folgte diesem, bis ich einen Punkt erreichte, wo die Wand senkrecht hinabfiel, und in Folge dessen, daß sie dem Gebüsch und den Bäumen keine Nahrung bot, ein glattes, kahles Aussehen hatte. Es war keine Straße zu sehen und dieser Umstand, im Verein mit dem Geräusch des plätschernden Wassers, verschaffte mir einige Kenntniß von meiner Stellung. Der Vorsprung, auf welchem die Straße angelegt war, verschwand an diesem Orte; die gegenüberliegenden Seiten der Schlucht, durch welche der Fluß strömte, traten in Gestalt hervorspringender Vorgebirge näher zusammen. Ich stand jetzt am Rande des nördlich liegenden, das Wasser floß am Fuße desselben, war aber an zehn bis zwölf Fuß vom Felsen so seicht, daß es dem Reisenden und seinem Pferde möglich wurde, hindurchzuwaten und so die Straße wieder zu erreichen, welche die zurücktretende Felswand auf der andern Seite fortführen ließ.

Ich kannte die Beschaffenheit und den Umfang dieser Furth. Ich wußte, daß einige Schritte von dem Felsen das Flußbett sehr tief sei. An diesem Orte hinabzuspringen, war ein weniger gefährliches Unternehmen, wie von der Stelle, wo ich früher dazu versucht gewesen war. – Dort kannte ich die Tiefe nicht, aber hier wußte ich, daß sie bedeutend sei; es gab jedoch noch immer einige Veranlassung zum Zaudern und zu Befürchtungen; meine jetzige Stellung war höher und ich konnte nicht voraussehen, wie tief ich in diesen Abgrund versinken und wie weit mich der Fall und die Erschütterung meiner Geistesgegenwart berauben würde. Dieses Schwanken verschwand, ich legte meinen Tomahawk und die Flinte an die Erde und schickte mich an, zu springen.

Diese Absicht wurde in dem Augenblicke ihrer Ausführung durch einen leisen Laut vereitelt, den ich in der Richtung hörte, von welcher ich gekommen war. Es war der Laut eines Menschen, hatte aber nichts mit denen gemein, welche ich zu hören gewöhnt war. Es war nicht das Bellen eines Wolfes oder das Geheul eines Panthers; diese hatte ich bei meinen Ausflügen nach der See während des vorigen Jahres bei Nacht oft gehört – meine Furcht flüsterte mir zu, daß es das Geschrei eines Wilden sei.

Ich wußte nichts von der Anzahl der Feinde, die sich in diese Gegend gewagt hatten. Ob diejenigen, welche ich bei der Hütte Deb's getroffen hatte, zu der Bande gehörten, mit der ich in der Höhle zusammengetroffen war, blieb nur ein Gegenstand der Vermuthung. Es konnten vielleicht zehn eben so zahlreiche Trupps durch die Wildniß verbreitet sein und das Signal, welches ich eben gehört hatte, verrieth die Annäherung eines von ihnen, aber auf welche Weise sie in dem Winkel Gewinn erreichen wollten und welche Beute sie zu entdecken erwarteten, war nicht leicht zu errathen.

Die Töne ließen sich in etwas anderer Art näher und in verschiedenen Richtungen wieder hören – meine Zweifel und Befürchtungen wuchsen – ich dachte hastig nach, welche Maßregeln ich für meine Sicherheit ergreifen müsse; ob ich am Boden ausgestreckt liegen bleiben oder aufstehen und vorwärts gehen solle, es stand zu erwarten, daß die Feinde dem Rande der Felswand folgen werden; würden sie hierher kommen, um die weite Landschaft zu betrachten, welche sich auf allen Seiten dieser Felsenzinne ausdehnte; wie sollte ich mich in diesem Falle verhalten, meine Waffen waren zum Gebrauch in Bereitschaft, konnte ich nicht der Nothwendigkeit, noch mehr Blut zu vergießen, ausweichen, konnte ich nicht dem Angriffe dadurch zuvorkommen, daß ich mich ohne Zaudern in den Fluß stürzte.

Das Gefühl der Gefahr nöthigte mich, äußeren Gegenständen größere Aufmerksamkeit zu widmen wie den Beweggründen, welche mein künftiges Verhalten regeln sollten. Ich befand mich auf einem kreisrunden Vorsprunge, der einigermaßen von dem Körper des Berges getrennt war, dessen Rand in gerader Linie fortlief, ohne durch diesen Vorsprung unterbrochen zu werden, der etwas höher lag wie der fortlaufende Gipfel des Kammes – diese Linie zog in der Entfernung von einigen Schritten an meinem Platze vorüber. Gegenstände, die auf dieser Linie vorüberkamen, waren in tiefer Dunkelheit nur an ihren Bewegungen zu erkennen.

Mein Auge richtete sich nur auf diese Gegend. Nach kurzer Zeit hörte ich den Schall vieler Füße und ich sah mehrere Gestalten in der geraden, regelmäßigen Aufeinanderfolge vorübergehen, welche den Indianern eigenthümlich ist. Sie gingen am Rande des an das Vorgebirge stoßenden Berges. – Ich zählte deutlich sieben Gestalten nach einander.

Mein Entschluß war gefaßt: sollte Einer die Blicke hierher richten, einen Feind argwöhnen und auf mich losstürzen, so beschloß ich aufzuspringen, auf meinen entgegenkommenden Gegner zu schießen, meine Flinte zu Boden zu werfen und in den Fluß zu springen.

Sie gingen glücklicherweise unachtsam und schweigend vorüber. Ich blieb mehrere Minuten in der nämlichen Lage. Endlich, als meine Furcht zu verschwinden begann, ertönten die schon früher gehörten Rufe wieder und aus der nämlichen Gegend wie vorher. Dies überzeugte mich, daß meine Gefahren nicht vorüber seien. Die Vorübergegangenen schienen nur die Vorhut zu sein, auf welche bald Andere folgen mußten, gegen welche ich die nämliche Vorsicht bewahren mußte.

Mein gespannt auf den einzigen Weg gerichtetes Auge, auf welchem sich Jemand nähern konnte, entdeckte jetzt eine Gestalt, die unzweifelhaft die eines Bewaffneten war. Es zeigte sich kein Andrer in seiner Gesellschaft, aber es unterlag keinem Zweifel, daß mehrere in der Nähe seien. Er kam heran, blieb stehen und schien fest auf den Ort zu blicken, wo ich lag.

Ich wußte, daß die Augen eines Lennilennaportis weit schärfer sehen wie die meinigen. Ein Stamm oder ein liegendes Reh würden weder von ihm für einen Menschen, noch ein Mensch für einen Baumstamm gehalten worden sein. Er konnte nicht nur augenblicklich ein menschliches Wesen sehen, sondern auch mit untrüglicher Gewißheit bemerken, ob es ein Freund oder ein Feind war. Es unterlag keinem Zweifel, daß mein ausgestreckter Körper der Gegenstand sei, auf welchen sich die Aufmerksamkeit des fest und scharf Blickenden richte. Aber da er fortfuhr, unthätig auf mich zu blicken, so war Grund für die Möglichkeit vorhanden, daß ich nicht erkannt worden sei – mein Schicksal war daher noch immer unentschieden.

Diese Ungewißheit dauerte nur einen Augenblick, ich bemerkte eine Bewegung, in welcher meine Befürchtungen augenblicklich die Absicht erkannten, eine Flinte gegen meinen Kopf zu richten. Diese Handlung stimmte hinlänglich mit meinen Voraussetzungen überein. Wenn ich annahm, daß ich entdeckt sei, so lag für ihn keine Nothwendigkeit vor, seine Stellung zu verändern, er konnte von der Entfernung aus, wo er stand, nur zu sicher zielen und sich seine Beute sichern.

Diese Bilder zogen schnell an meinem Geiste vorüber und machten meiner Ungewißheit ein Ende, ein einziger Sprung brachte mich auf die Füße. Ich schoß mit einer Hast, welche die Gewißheit, mein Ziel zu treffen, ausschloß, ließ meine Flinte fallen und sprang von dieser furchtbaren Höhe in den Fluß. Ich erreichte die Oberfläche und sank in einem Augenblicke unter. Da ich mit großer Schnelligkeit in das Wasser stürzte, so konnte die Gewalt, welche durch meinen Fall aus einer solchen Höhe hervorgebracht wurde, in diesem dichteren Element nur geringen Widerstand finden. Wenn die Tiefe geringer gewesen wäre, so würde sein Widerstand vielleicht nicht verhindert haben, daß ich mich auf dem felsigen Grunde tödtlich verletzte; wäre die Tiefe bedeutender gewesen, so würde mir nicht genügende Zeit geblieben sein, lebend die Oberfläche wieder zu erreichen – wenn ich auf die Seite gefallen wäre, so würde ich durch die Erschütterung, welche mein Körper erhalten hätte, des Lebens oder des Bewußtseins beraubt worden sein. Unter diesen Umständen hing mein Leben an einem Faden. Wenn ich die Geistesgegenwart verloren oder einen Augenblick gezaudert hätte, meinem Untersinken entgegen zu arbeiten, nachdem ich auf der Oberfläche angekommen war, so würde dies alle Bemühungen, wieder an die Luft zu gelangen, fruchtlos gemacht haben. Einem so glücklichen Zusammentreffen von Umständen verdankte Dein Freund sein Leben! Aber ich tauchte aus der Tiefe nur wieder auf, um neue Gefahren zu bestehen. Kaum hatte ich den Kopf über die Oberfläche erhoben und Lebensluft eingeathmet, so wurden zwanzig Schüsse von dem Felsen über mir auf mich gerichtet. Ein Kugelregen fiel auf das Wasser – einige von ihnen trafen dasselbe nicht weiter als zwei Zoll von meinem Kopfe. Ich hatte diese neue Gefahr nicht erwartet und fuhr jetzt, wo sie auf mich einstürmte, fort, nach Luft zu schnappen und auf's Geradewohl umher zu plätschern. Die Mittel, um ihr auszuweichen, fielen mir nicht sofort ein; meine Lage schien verzweifelt zu sein und ich gab alle Vorsicht auf.

Dieser Zustand verwirrender Ueberraschung hörte bald auf. Ich machte mich mit einem Blicke mit der Lage der Gegenstände um mich bekannter, ich begriff, daß mir das andere Ufer des Flusses größere Sicherheit bieten werde und bewegte mich mit so viel Schnelligkeit, wie mir zu Gebote stand, darauf zu.

Mittlerweile beruhte meine Sicherheit darauf, daß ich den Kugeln entging, die unaufhörlich fortfuhren, das Wasser auf Armlänge von meinem Körper zu treffen. Zu diesem Zwecke tauchte ich unter und kam nur heraus, um frische Luft zu schöpfen. Das Schießen hörte sofort auf, die Blitze, welche eben noch das Ufer erhellten, verschwanden und eine gewisse Geschäftigkeit und ein wirres Stimmengemurmel wich dem Schweigen und der Einsamkeit.


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