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Zweites Kapitel.


Ich verfolgte meinen Weg mit so schnellen Schritten, als es meine schwachen Glieder nur gestatteten; ich ließ mir keine Zeit zum Nachdenken. Das höchste Ziel meiner Wünsche war eine Wohnung, wo ich Nahrung und Ruhe würde erlangen können. Ich warf forschende Blicke nach vorn und zu beiden Seiten, um eine menschliche Wohnung zu finden, aber die Spuren des Anbaues, der Pumpenschwengel, die Wurmfencee und der Heufeimen waren nirgends zu sehen; ich traf nicht einmal auf ein wildes Schwein oder eine verirrte Kuh. Der Weg war schmal und zu beiden Seiten lag eine pfadlose Wildniß, zur Rechten und Linken zogen sich die wellenförmigen Bergkämme hin, die keine Eigenthümlichkeit besaßen, welche mich in den Stand gesetzt hätte, zu erkennen, ob ich sie je zuvor gesehen habe.

Endlich bemerkte ich, daß die Radspuren von dem Pfade verschwunden waren, welchen ich verfolgte, daß er schmäler wurde und weniger Spuren zeigte, daß er betreten sei. Dies waren entmuthigende Zeichen – ich fürchtete jetzt, daß ich eine falsche Richtung einschlagen habe und mich von den menschlichen Wohnungen entferne, anstatt mich ihnen zu nähern.

Es war jedoch das Klügste, vorwärts zu gehen. Der Weg mußte ebenso gut einen Anfang, wie ein Ende haben. In dieser Ungewißheit verflossen einige Stunden; die Sonne ging auf und gegen Mittag schien ich von dem Ziele meiner Anstrengung weiter wie jemals zu sein – der Pfad war undeutlicher und der Wald rauher – der Durst peinigte mich mehr wie der Hunger, aber ich fand durch die Bäche, welche über den Weg flossen, rechtzeitige Erleichterung.

Als ich zu einem von diesen gelangte, setzte ich mich, nachdem ich meinen Durst gelöscht hatte, nieder, um über meine Lage nachzudenken. Ich hatte oft bemerkt, daß sich der Weg im Kreise herum zog und fing an zu argwöhnen, daß ich mich, obgleich ich lange gegangen war, nur wenig von dem Orte entfernt habe, von wo aus ich meine Wanderung angetreten hatte.

Als ich die Augen nach allen Richtungen warf, erblickte ich eine Art Teich, welchen der Bach einige Schritte vom Wege entfernt bildete; als ich mich demselben näherte und ihn in näheren Augenschein nahm, bemerkte ich die Spuren von Vieh, das sich auf einem Pfade entfernt hatte, der vielfach betreten zu sein schien; außerdem fand ich noch am Rande einen alten, trockenen Eimer von Cedernholz. Diese Anzeichen belebten meinen sinkenden Muth wieder und ich folgte diesem neuen Pfade. Er war verwickelt, führte aber endlich auf eine Anhöhe, auf deren Gipfel der Boden besser war, wie derjenige, aus welchem die Niederung bestand. Jetzt entdeckte ich ein Kleefeld und mehrere Aepfelbäume – sichere Begleiter des Menschen – von diesem Raume gelangte ich auf ein Maisfeld und erblickte endlich zu meiner unaussprechlichen Freude ein Haus.

Diese Wohnung war weit verschieden von derjenigen, welche ich vor Kurzem verlassen hatte. Sie war eben so klein und niedrig, aber sie bestand aus Bretern. Ein Fenster mit vier Scheiben ließ das Licht hinein und eine gut ausgebrannte, hübsch gebaute Esse von Ziegeln blickte über das Dach hervor. Als ich herankam, hörte ich Kinderstimmen und das Schnurren eines Spinnrades.

Ich kann Dir das Entzücken, womit ich alle diese Zeichen begrüßte, nicht begreiflich machen. Jetzt fand ich mich wirklich unter meines Gleichen, von denen ich mit Zuversicht eine gastfreundliche Behandlung erwarten durfte. Ich ging um das Haus und zeigte mich an der Thür.

Eine mit ihrem Spinnrade beschäftigte Frau und zwei vor ihr an der Erde spielende Kinder waren die Gegenstände, welche sich mir jetzt zeigten. Das gewöhnliche meines Anzugs, mein wildes vom wetter mitgenommenes Aussehen, meine Flinte und Tomahawk mußten sie wohl erschrecken. Die Frau ließ ihr Spinnrad ruhen und schaute mich an, als ob ein Gespenst vor ihr aufgetaucht sei.

Ich hatte dies einigermaßen erwartet und nahm, um das zu beseitigen, eine bittende, demüthige Miene an. Ich sagte ihr, ich sei ein Reisender, der sich unglücklicherweise verirrt habe, und wäre in dieser Wildniß umhergeschweift, bis ich fast vor Hunger umgekommen sei. Ich bat sie um ein wenig Nahrung – das Geringste oder Einfachste würde mir willkommen sein.

Nach einigem Bedenken forderte sie mich, wenn auch nicht ohne einige Zeichen der Furcht, auf, einzutreten. Sie stellte mir etwas Schwarzbrod und Milch vor und sah mir aufmerksam zu, während ich dies verzehrte. Es war in der That köstlicher wie Alles, was ich jemals gekostet hatte. Endlich brach sie das Schweigen und gab ihr Erstaunen über meinen anscheinend traurigen Zustand zu erkennen und setzte hinzu, daß ich vielleicht derjenige sei, welchen die Männer suchten, die vor drei Stunden dagewesen wären.

Diese Nachricht erregte meine Neugier. Auf meine Fragen antwortete sie, daß vor Kurzem drei Männer dagewesen seien, um zu fragen, ob ihr Mann nicht in den letzten drei Tagen einen Menschen getroffen hätte, dessen Beschreibung so ziemlich auf mein Aussehen und meine Kleidung zu passen schien; er sei groß, schlank, trage nichts wie ein Hemd und Beinkleider und wäre an der Wange verwundet.

»Was haben sie von dem Range oder Stande dieser Person gesagt?« fragte ich.

»Er soll in Solebury leben. Er hätte sich vermuthlich im Gebirge verirrt oder wäre von einem Unglück betroffen worden. Es sei drei Tage her, daß er verschwunden wäre, aber es hätte ihn Jemand vergangene Nacht in der Hütte Deb's getroffen.«

»Was und wo ist die Hütte Deb's?«

»Das ist eine Hütte im Walde, die von einer alten Indianerin bewohnt wird, welche ihren Nachbarn unter dem Namen der alten Deb bekannt ist. Einige nennen sie die Königin Mab; ihre Hütte ist acht lange Meilen von diesem Hause entfernt.«

Diese Nachricht machte tausend Fragen unnöthig und löste tausend Zweifel. Die Königin Mab war ein meinen Ohren bekannter Name, denn er rührte von mir selbst her.

Diese Frau gehörte eigentlich dem Stamme der Delaware's und Lennilennaportis an – diese ganze Gegend hatte einst das Gebiet jener Nation gebildet. Vor ungefähr dreißig Jahren hatten sie in Folge des fortwährenden Vordringens der englischen Colonisten ihre alten Sitze verlassen und sich an die Ufer des Wabash und Muskingum zurückgezogen.

Diese Auswanderung wurde bei einer allgemeinen Berathung des Stammes beschlossen und erhielt die Beistimmung Aller, mit Ausnahme einer einzigen Frau; ihre Geburt, ihre Talente und ihr Alter verschaffen ihr die Achtung ihrer Landsleute und große Macht über sie, und sie bot ihren ganzen Eifer und ihre Beredtsamkeit auf, um sie zur Aufgabe ihres Planes zu vermögen, dies gelang ihr jedoch nicht. Als sie dieselben hartnäckig fand, gab sie ihren Entschluß zu erkennen, daß sie zurückbleiben und das Land im Besitz behalten wolle, welches ihre Landsleute unverantwortlicherweise verlassen würden.

Das von diesem Stamme bewohnte Dorf war auf dem Grund und Boden errichtet, der jetzt den Scheunenhof und Obstgarten meines Onkels bildete. Diese Frau brannte beim Abzug ihrer Landsleute die leeren Wighwams nieder und zog sich in die Wildniß von Norwalk zurück. Sie wählte einen, zu einer indianischen Hütte und einer kleinen Maispflanzung geeigneten Ort, an welchem sie selten einer Störung oder Belästigung ausgesetzt war.

Ihre einzigen Gefährten waren die Hunde von der indianischen oder Wolfsgattung. Diese Thiere unterschieden sich von ihren Verwandten im Walde durch nichts, als durch ihre Anhänglichkeit an ihre Herrin und durch den Gehorsam, den sie ihr bewiesen; sie herrschte mit unumschränkter Gewalt über sie; sie waren ihre Diener und Schützer und begleiteten sie oder schätzten ihre Schwelle, wie sie ihnen befahl; sie fütterte sie mit Mais und sie versahen sie und sich selbst mit Fleisch dadurch, daß sie Eichhörnchen, Waschbäre oder Kaninchen jagten. Für die übrige Menschheit waren sie Fremde oder Feinde. Sie verließen die Einöde nur in Gesellschaft ihrer Herrin und wenn diese in ein Farmhaus ging, so warteten sie in der Entfernung auf ihre Rückkehr. Sie erlaubten Niemand, sich ihnen zu nähern, griffen aber Niemand an, der nicht unkluger Weise nach ihrer Bekanntschaft verlangte oder der sich nicht in ehrerbietiger Entfernung von ihrer Wighwam hielt; dieses geheiligte Asyl ließen sie nicht verletzen und ein Fremder konnte es, wenn er nicht von ihrer Gebieterin begleitet oder geschützt wurde, nur mit der größten Gefahr für sein Leben betreten.

Die Hauptbeschäftigung dieser Frau bestand, wenn sie zu Hause war, außer dem Ausgäten des Unkrautes aus dem Mais, dem Zermalmen der Körner zwischen zwei Steinen und dem Aufstellen der Fallen für Kaninchen und Opossums, im Reden. Obschon sie sich in der Einsamkeit befand, ruhte ihre Zunge doch nie, außer wenn sie schlief, aber ihre Worte richtete sie nur an ihre Hunde. Ihre Stimme war scharf und gellend und ihre Geberden heftig und grotesk. Ein Zuhörer würde geglaubt haben, daß sie schelte, aber sie ertheilte ihnen in Wirklichkeit nur Befehle. Da sie keinen anderen Gegenstand der Beobachtung oder Veranlassung zum Reden hatte, so fand sie in der Stellung und dem Aussehen derselben stets Veranlassung zu Lob, Tadel oder Befehlen. Die Schnelligkeit, womit sie ihre Bewegungen und Worte verstanden und ihnen gehorchten, war wirklich wunderbar.

Wenn ein Fremder zufällig in die Nähe ihrer Hütte gekommen wäre und ihr unaufhörliches, gellendes Geplauder gehört hätte, so würde er wohl vergeblich nach der Ursache dieser Töne gerathen haben – wenn er gewartet hätte, um eine Antwort zu vernehmen, so würde er vergebens gewartet haben. Der stets fließende, gellende Strom erlitt nie eine auch nur augenblickliche Unterbrechung und dauerte stundenlang fort.

Sie verließ die Hütte selten, außer um die benachbarten Einwohner zu besuchen und von ihnen Nahrung und Kleidung, oder was ihre Bedürfnisse sonst erforderten, zu verlangen. Diese wurden als ihre Gebühr gefordert – sie hatte ein Recht dazu, daß man ihre Bedürfnisse befriedigte und die Versagung dessen, was sie verlangte, war Rebellion. Sie glaubte, sie sei dadurch, daß sie hinter ihren Landsleuten zurückblieb, zu der Regierung gelangt und habe diese ganze Strecke im Besitz behalten. Die Engländer waren Fremde und vorübergehende Bewohner, welche das Land nur auf ihr Zulassen und ihre Erlaubniß besäßen und denen sie nur unter der Bedingung, daß sie ihre Bedürfnisse befriedigten, dazubleiben gestattete.

Da sie eine bejahrte, harmlose Frau war und ihre Forderungen sich nur auf das beschränkten, was sie wirklich brauchte und was sie sich durch eigenen Fleiß nicht verschaffen konnte, so bildeten ihre Ansprüche den Gegenstand der Heiterkeit und guten Laune und man gehorchte ihren Befehlen mit einem Anschein von Ehrerbietung und Gravität.

Für mich wurde sie schon frühzeitig ein Gegenstand der Neugier und des Nachsinnens – es machte mir Freude, ihre Gewohnheiten zu beobachten und ihren Vorurtheilen zu schmeicheln. Sie kam oft in das Haus meines Onkels und ich besuchte sie zuweilen. Sie schien allmählig Zuneigung für mich zu fassen und betrachtete mich mit mehr Wohlgefallen und Herablassung, wie irgend einem Andern zu Theil wurde.

Sie verschmähte es stets, englisch zu sprechen und die Gewohnheit hatte sie für die meisten Ausdrücke in Bezug auf einige einfache Fragen in ihrer eignen Sprache verständlich gemacht. Ich hatte mir einige Mühe gegeben, ihren Dialect zu erlernen und konnte mich mit ihr über ihre wenigen Gedanken unterhalten – dieser Umstand nahm sie gleichfalls auf wunderbare Weise für mich ein. Der Name, unter welchem man sie früher kannte, war Deb, aber ihre fürstlichen Ansprüche, das Wilde in Ihrem Aussehen und ihrer Kleidung – ihre verschrumpfte, kleine Gestalt und Constitution, die den Verwüstungen der Zeit und dem Einfluß der Elemente Trotz zu bieten schienen, ihr Alter, das der unbedenklichen Behauptung einiger Leute zufolge mehr wie hundert Jahre betrug, ihre romantische Einsamkeit und ihr Aufenthalt im Gebirge regten in meiner Phantasie die Benennung Königin Mab an. Für mich schien zwischen ihr und derjenigen, welche die alten Dichter so gern gefeiert haben, eine entfernte Uebereinstimmung zu bestehen – Du wirst vielleicht nichts wie Unähnlichkeit zwischen ihnen finden, aber dem sei, wie ihm wolle, die alte Deb und Königin Mab kamen bald in gleichbedeutenden, allgemeinen Gebrauch.

Sie lebte über zwanzig Jahre in Norwalk. Sie wurde von ihren Landsleuten nicht vergessen und erhielt in der Regel von ihren Brüdern und Söhnen einen Herbstbesuch, aber kein Bitten und Flehen konnte sie bewegen, mit ihnen zurückzukehren. Vor zwei Jahren hatte irgend ein Verdacht oder der Ueberdruß sie bewogen, ihre alte Wohnung zu verlassen und eine neue aufzusuchen. Sie fand glücklicherweise zwanzig Meilen weiter westlich und an einem hinlänglich unfruchtbarem rauhen Orte eine passende Wohnung.

Diese Hütte bestand aus Stämmen und war von einem schottischen Einwanderer erbaut worden, der, da er nicht die Mittel besaß, um Land zu kaufen, aber eine Vorliebe für die Einsamkeit und Unabhängigkeit hatte, in der von Niemandem in Anspruch genommenen Wildniß ein Feld klärte und von dessen Ertrag lebte. Nach einiger Zeit verschwand er, es wurden vielfältige Vermuthungen über die Ursachen seiner Abwesenheit aufgestellt. Keine von diesen war befriedigend. Aber diejenige, welche am allgemeinsten geglaubt wurde, bestand darin, daß er von einigen Indianern, die ungefähr um diese Zeit der Königin Mab ihren Herbstbesuch gemacht hatten, ermordet worden sei. Diese Vermuthung erhielt dadurch einigen Nachdruck, daß man die Alte kurze Zeit darnach von seiner Hütte, seinen Ackergeräthschaften und seinem Maisfeld Besitz ergreifen sah.

Sie wurde an ihrem neuen Aufenthaltsorte nicht belästigt und ihr Leben verfloß in der nämlichen, ruhigen Weise wie früher. Ihre periodischen Streifzüge, ihre fürstlichen Ansprüche, ihre wölfischen Beschützer und ihre rohe Beredtsamkeit blieben ebenso merkwürdig, aber sie verfolgte neue Wege. Ihre Entfernung machte ihre Besuche in Solebury seltener und hatte mich verhindert, jemals meine Ausflüge zu Fuße bis zu ihrem gegenwärtigen Aufenthalte auszudehnen.

Diese Erinnerungen wurden jetzt plötzlich durch die Nachrichten meiner Wirthin wieder geweckt. Die Hütte, wo ich eine Zuflucht und Labung gesucht hätte, war wie es schien, die Wohnung der Königin Mab. Ein glücklicher Zufall hatte sie während meines Versuches hinweggerufen; wenn sie und ihre Hunde zu Hause gewesen wären, so würde ich von diesen grimmigen Schildwachen angefallen und ehe sich ihre Gebieterin in das Mittel legen konnte, sammt meiner hülflosen Begleiterin zerfleischt oder getödtet worden sein.

Diese Thiere bellten nie; ich würde, ohne etwas von der Gefahr zu ahnen, eingetreten sein und meine Flinte hätte mein Schicksal kaum abwenden können.

Ihre Abwesenheit zu dieser ungewöhnlichen Stunde war geheimnißvoll. Es war jetzt die Zeit des Jahres, wo ihre Landsleute ihren Besuch zu wiederholen pflegten. Bestand zwischen ihr und den Räubern, mit denen ich zusammengetroffen war, ein Bündniß?

Aber wer waren diejenigen, von denen meine Spur so eifrig aufgesucht wurde? Diejenigen, welche ich in der Hütte Deb's gesehen hatte, waren mir fremd, aber nur sie allein wußten von der Wunde in meinem Gesicht; zu diesem Umstande kam jetzt noch mein Wohnort und mein Name. Ich setzte voraus, daß sie mich für todt hielten, aber dieser Irrthum mußte schnell aufgeklärt worden sein – als sie den Ort wieder aufsuchten, mich nicht mehr vorfanden und einige Auskunft über meinen früheren Zustand erhielten hatten sie eine Nachforschung nach mir angestellt.

Aber was war dies für eine Nachforschung? Man glaubte, daß ich mich im Gebirge verirrt habe und seit meinem Verschwinden sollten drei Tage verflossen sein. Es war kaum zwölf Stunden her, seitdem ich die Höhle verlassen hatte – waren mir in meinem unterirdischen Gefängniß zwei und ein halber Tag verflossen.

Diese Gedanken wurden schnell durch andere verdrängt. Jetzt erlangte ich genügende Kenntniß von der Gegend, die sich rings um mich ausdehnte. Ich befand mich in der Mitte eines Thales zwischen Bergkämmen, die allmählig zusammenliefen und wo sie sich vereinigten, in Schluchten und steile Felsen auflösten und, nachdem sie sich über einen kreisrunden Raum ausgebreitet hatten, den Namen Norwalk erhielten. Dieses Thal wurde in der Richtung nach Westen allmählig breiter und war an dieser Stelle zehn bis zwölf Meilen weit. Meine irrenden Schritte hatten mich an den Fuß der südlichen Kette geführt. Die Außenseite desselben wurde von dem Flusse bespült, aber da sie nach Osten ging, so liefen die Berge und der Fluß auseinander und einer der anbaufähigen Distrikte zwischen ihnen war Solebury, meine Geburtsgegend. Dorthin mußte ich jetzt mit der größten Schnelligkeit zurückkehren.

Es lagen zwei Wege vor mir; der eine führte an der inneren Basis der Berge entlang durch eine unfruchtbare, pfadlose Strecke, welche mich einem Zusammenstoße mit den Wilden aussetzte, von denen einige hier möglicherweise lauern konnten – der zweite war die vielbesuchte Straße auf der andern Seite und am Flusse entlang, die ich dadurch erreichen konnte, daß ich über die Berge stieg. Die Möglichkeit des Ueberganges mußte durch Rath bei meiner Wirthin erforscht werden; sie zeigte mir einen Pfad, der zu dem felsigen Gipfel und nach dem Flußufer hinabführte; der Weg war nicht leicht im Auge zu behalten oder zu begehen, aber unzweifelhaft jedem Angriff vorzuziehen.

Ein etwas weiter Weg sollte in die Straße am Flusse auslaufen, von dort aus war der Weg nach Solebury eben und gerade. Aber die ganze Entfernung, welche ich zurückzulegen hatte, betrug nicht weniger wie vierzig Meilen. In sechs Stunden war es Nacht, und um die Reise in dieser Zeit zu vollbringen, würden die gewandten Sprünge eines Leopards und die unermüdlichen Sehnen eines Elennthieres erforderlich gewesen sein. Mein Körper befand sich in einem jämmerlichen Zustande; Schmerz, Furcht und Wachsamkeit, die Anstrengung und Enthaltsamkeit und die Wunden hatten meine Kräfte angegriffen; aber es war noch immer etwas davon übrig – konnte mich dies nicht in den Stand setzen, meine Heimath bei Einbruch der Nacht zu erreichen? Ich hatte von Kindheit an Freude an Handlungen der Gewandtheit und Ausdauer gefunden – bei dem Umherschweifen durch das Labyrinth der Dickichte und Abgründe hatte ich sowohl meine geistigen wie körperlichen Kräfte oft auf die Probe gestellt. Ich hatte größere Unternehmungen wie diese vollbracht und ich verschmähte es, mich an Scharfblick vor dem Luchs, an sicher fußenden Instinkt vor dem Reh oder an Geduld bei Beschwerden und im Kampfe mit der Ermüdung von dem Mohawk übertreffen zu lassen. Ich hatte immer darnach gestrebt, jedes andere Thier in Allem, was dem verständigen und dem unvernünftigen Wesen gemein ist, ebenso zu übertreffen, wie in Allem, wodurch sie sich von einander unterscheiden.


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