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Zweites Kapitel.


Ich hatte hinlänglichen Stoff zum längsten Nachdenken. Meine Schritte verriethen wie gewöhnlich die Heftigkeit meiner Gedanken, und ich kam bei der Thüre meines Onkels an, ehe ich glaubte, daß ich die Ulme aus den Augen verloren haben könnte. Ich blickte auf und sah die wohlbekannte Wohnung. Ich konnte es nicht verlangen, daß mein Nachdenken so schnell unterbrochen werden solle. Ich ging daher am Thore vorüber und machte erst Halt, als ich eine mit Pappeln und Eichen bedeckte Anhöhe erreicht hatte.

Hier überschaute ich mit großer Bedächtigkeit die Vorfälle, welche sich eben zugetragen hatten. Ich folgerte ganz richtig, daß der halb bekleidete, grabende Mann ein Nachtwandler sei. Aber was war die Ursache dieser krankhaften Thätigkeit? Welches traurige Bild veranlaßte ihn, in Thränen zu zerfließen und ihm Zeichen unaussprechlichen Kummers entlockte? Was suchte er an diesem Unglücksorte, oder was wollte er dort verbergen? Die Unfähigkeit zu einem gesunden Schlafe verrieth einen schwer verletzten Geist. So verrathen abscheuliche Verbrecher den Besitz eines furchtbaren Geheimnisses: die Gedanken zu deren Unterdrückung oder Verbergung im wachen Zustande sie durch die Rücksicht auf ihre Sicherheit befähigt werden, wirken ungehemmt und zeigen ihre wahre Macht, wo das Wahrnehmungsvermögen ihrer Sinne zum Theil vermindert ist und sie von der Kenntniß ihres ganzen Zustandes ausgeschlossen sind.

Dies ist der Thäter einer bösen Handlung. Was anders wie der Mord Waldegrave's konnte seine Schritte hieher lenken? Seine Beschäftigung war ein Theil eines phantastischen Drama's, in welchem sein Geist eine Rolle spielte. Um das zu verstehen bedarf es eines Eindringens in die Tiefe der Seele. Aber Eins ist gewiß – ein unklarer Begriff seiner Theilnahme an dieser That lockt ihn hieher. Dies ist es, was sein Herz mit Bitterkeit erfüllt und ihm ohne Aufhören fließende Thränen entlockte.

Aber woher kommt er? Er springt nicht aus dem Schooße der Erde hervor und verbirgt sich nicht in der luftigen Ferne. Er muß einen Namen und eine irdische Wohnung haben. Sie kann nicht in unermeßlicher Ferne von der geheimnißvollen Ulme sein. Das Haus Inglefield's ist das nächste – dies könnte einer der Bewohner desselben sein. Ich habe seine Züge nicht erkannt, aber daran war die Dunkelheit und die Unregelmäßigkeit seiner Bekleidung schuld. Inglefield hat zwei Dienstleute, von denen einer ein Eingeborner dieser Gegend, einfach, arglos und jeder Gewaltthätigkeit unfähig war. Und außerdem hing er andächtig an seinem Glauben – er konnte der Verbrecher nicht sein. Der Zweite war ein Mensch von ganz anderem Schlage. Er war ein irischer Einwanderer und seit sechs Monaten in der Familie meines Freundes. Er war ein Muster der Nüchternheit und Sanftmuth. Sein Geist stand über seiner Lage, er besaß große, natürliche Begabung und hatte alle Vortheile einer guten Erziehung genossen. Sein Benehmen war ernst, nachdenklich und mitleidig. Er schien nicht ohne Religion zu sein, aber seine Andacht war, wenn auch nicht auffällig doch von melancholischer Art.

Es lag in dem ersten Anblick seines Charakters nichts was geeignet gewesen wäre, Verdacht zu erwecken. Die Gegend war stark bevölkert, aber als ich die Liste der Bewohner durchging, bemerkte ich, daß der einzige Fremde Clithero sei. Unser Leben war zum größten Theil patriarchalisch. Jeder Farmer war von seinen Söhnen und Verwandten umgeben. Hier lag eine Ausnahme von der Regel vor. Clithero war ein Fremder, dessen Erlebnisse und Charakter vor seinem Erscheinen unter uns wir nicht kannten. Die Ulme war von den Besitzungen seines Herrn umgeben, und es fand sich Niemand, der so verdächtig gewesen wäre, wie er.

Jemehr ich über das stille, zurückhaltende Benehmen dieses Menschen – die Unwissenheit in Bezug auf seine frühere Stellung, in welcher wir schwebten – seine möglichen Gründe dazu, daß er seinen Ackerbau verlassen und eine so tiefe unter seinen geistigen Fähigkeiten stehende Stellung angenommen hatte, überlegte, desto stärker wurde mein Verdacht. Wenn ich früher mit Vermuthungen in Bezug auf den nemlichen Gegenstand beschäftigt gewesen war, hatte sich stets das Bild dieses Mannes eingestellt, aber die anscheinende Harmlosigkeit seines gewöhnlichen Benehmens erhob ihn auf gleiche Stufe mit Anderen und stellte ihn eben so außer den Bereich des Verdachtes. Erst jetzt erinnerte ich mich der Kürze seines Aufenthalts unter uns, und der Dunkelheit, welche über sein Herkommen und seinem früheren Leben schwebte. Aber jetzt erschienen mir diese Gedanken so bedeutungsvoll, daß sie die Frage über seine Schuld fest entschieden.

Aber wie sollten diese Zweifel in absolute Gewißheit verwandelt werden? Dieser Mann mußte von jetzt an der Gegenstand meiner Beobachtung werden – ich mußte mir alle mögliche Auskunft verschaffen, welche diejenigen, mit denen er zusammen lebte, und welche die beständige Zeugen seiner Handlungen waren, mittheilen konnten. Zu diesem Zweck wollte ich genaue Nachforschungen anstellen und geeignete Fragen thun. Von diesem Verhalten versprach ich mir eine endliche Lösung meiner Zweifel.

Ich gab mich dieser Ansicht der Dinge mit großer Befriedigung hin. Es schien mir, als ob das Labyrinth nicht mehr unentwirrbar sei. Es mußte sich schnell entdecken lassen, wer die Werkzeuge und Anstifter bei dem Morde meines Freundes gewesen waren.

Aber plötzlich fiel mir ein, »zu welcher Periode soll ich diese Nachforschung anstellen? Welchen Nutzen werde ich aus der Entdeckung ziehen? Wie soll ich mich verhalten, wenn der Schuldige entdeckt ist?«

Ich war in diesem Augenblick gegen das Rachegefühl nicht unempfindlich, aber es verschwand. Ich verabscheute die blutgierigen Entschlüsse, welche ich früher gefaßt hatte, aber ich fürchtete die Folgen eines Jähzornes und scheute mich vor einer Begegnung, in Folge deren ich mich in schlimme Handlungen verwickeln konnte, die weder die Zeit wieder gut zu machen, noch die Reue zu versöhnen im Stande war.

»Aber warum,« sagte ich, »sollte es unmöglich sein, mich mit Festigkeit zu waffnen? Kann die Nachsicht, wenn sie das Gebot der Weisheit ist, meinem Geiste nicht so tief eingeprägt sein, daß sie jeder Verführung Trotz bietet und der plötzlichsten Ueberraschung Stand hält. Meine Erfahrung in der letzten Zeit ist von Nutzen für mich gewesen – sie hat mir meine Stärke und meine Schwäche gezeigt. Nachdem ich meine alten Befestigungen ungenügend gefunden habe, den Feinde Widerstand zu leisten, so muß ich daraus lernen, daß es mir zukommt, sie zu verstärken, es zu erweitern. Allerdings kann keine Vorsicht verhindern, daß das Experiment gefährlich ist. Ist es weiser, einen Versuch zu machen, durch welchen nichts zu gewinnen und viel verlieren ist? Die Neugier ist ein Fehler, wenn sie nicht durch den Verstand geregelt wird und keinen Nutzen herbeiführt.«

Ich war jedoch nicht von meiner Absicht abzubringen. Die Neugier belohnt sich, wie die Tugend selbst. Das Wissen ist um seiner selbst willen von Werth und mit seiner Erlangung verbindet sich ohne Rücksicht auch Anderes darüber hinausliegendes Vergnügen – es ist kostbar, wenn es nicht mit moralischen Veranlassungen und herzlichen Sympathien in Verbindung steht, aber das Wissen, welches ich durch seine Vereinigung mit diesen suchte, war geeignet, die wildesten, widerstreitendsten Gefühle in meiner Brust zu erregen.

Ich verwendete mehrere Stunden dazu, diese Gedanken im Geiste hin und her zu wenden. Endlich fing ich an, Ermüdung zu spüren, ich kehrte nach Hause zurück und suchte den Weg nach meinem Zimmer, ohne die Ruhe der Familie zu stören. Du weißt, daß unsre Thüren stets unverschlossen und zu jeder Stunde der Nacht zugänglich sind.

Mein Schlummer war unruhig und ich freute mich, als mir das Licht des Morgens gestattete, mein Nachdenken fortzusetzen. Der Tag glitt dahin, fast ohne daß ich wußte, wie, und eben so, wie ich mich über die Rückkehr des Morgens gefreut hatte, begrüßte ich jetzt mit Freude die Annäherung der Nacht. Nachdem sich mein Onkel und meine Schwester zurückgezogen hatten, verfügte ich mich, anstatt ihren Beispiel zu folgen, nach dem Kastanienhügel. Wenn ich mich zwischen den Felsen versteckt, oder die Aussicht betrachtet hatte, welche sich rings um, und in weite Ferne hinzieht, so hat meine Phantasie an dieser Stelle stets seine höchsten Genüsse gefunden. Ich sah mich wieder im Stande, mir mit Muße die Scene in das Gedächtniß zurückzurufen, bei welcher ich in vergangener Nacht Zeuge gewesen war, wie sie in Verbindung mit dem Schicksale Waldegrave's zu denken und Pläne zur Entdeckung des unter diesen Scheine verborgenen Geheimnisses zu entwerfen.

Es dauerte nicht lange, so fing ich an, unerträgliche Unruhe über den Gedanken zu fühlen, daß ich diese Entdeckung aufschieben solle. Kunstgriffe und Kriegslisten waren anwendbar, aber langweilig und von zweifelhafter Wirksamkeit. Warum sollte ich wie ein Ränkeschmied handeln? Habe ich die Absicht, Jemand zu schaden? Ein edler Zweck wird mich sicher entschuldigen, wenn ich mich zur List herablasse. Es giebt zweierlei Arten, die Geheimnisse eines Anderen hervorzulocken – durch offene und directe Mittel, und durch listige und indirecte. Warum sollte ich mich bedenken, die ersten zu ergreifen? Warum verlangte ich nicht eine Unterredung und legte meine Zweifel dar und forderte die Lösung derselben auf eine des Zweckes würdige Weise? Warum eilte ich nicht an Ort und Stelle? Er ist vielleicht in diesem Augenblick geheimnißvoll in jenem Schatten beschäftigt. Ich kann sein Benehmen beobachten, ich konnte mir, wenn auch nicht durch seine Züge, doch dadurch über seine Person Gewißheit verschaffen, daß ich seine Schritte verfolge, wenn er sich entfernt und ihn bis an seinen Aufenthaltsort nachgehe.

Ich ergriff den Plan, der so mit mir aufstieg, mit Eifer. Ich eilte in größter Hast den Hügel hinab, und schlug den Weg zu der Ulme ein. Als ich mich dem Baume näherte, nahm mein Herzklopfen zu, obgleich mein Schritt langsamer wurde. Ich schaute mit forschendem Blicke aus. Der Stamm des Baumes war im tiefsten Schatten verborgen. Ich ging bis dicht zu ihm. Es war Niemand sichtbar, aber ich wurde nicht entmuthigt. Die Stunde seines Kommens war vielleicht noch nicht da. Ich nahm meine Stellung in geringer Entfernung zur Rechten an einem Zaune ein.

Es verging eine Stunde, ehe meine Augen den Gegenstand erblickten, welchen sie suchten. Meine Blicke waren vorher von einem Orte zum andren geschweift und hafteten endlich auf dem Baume. Die Person, welche ich schon früher beschrieben habe, saß an der Erde. Ich war seiner früher nicht gewahr geworden und die Art, wie er sich in diese Stellung versetzt hatte, war meiner Beachtung entgangen. Er erschien mir wie Jemand, den eine Anstrengung des Willens ohne Ausübung der Bewegungskraft hierhergebracht oder sichtbar gemacht hätte. Seine mangelhafte Begleitung und die Dunkelheit, welche ihn umhüllte, verhinderte mich, wie vorher, etwas Eigenthümliches in seiner Gestalt oder in seinem Gesicht zu unterscheiden.

Ich blieb wachsam und stumm. Die beschriebenen Vorfälle fanden bis auf das Graben wieder statt. Er saß eine Zeit lang stumm da und brach dann in Seufzen und Wehklagen aus.

Nachdem diese erschöpft waren, stand er auf, um sich zu entfernen. Er ging mit feierlichem, bedächtigen Schritte fort. Ich beschloß, seinen Schritten so nahe wie möglich zu folgen und ihn bis an das Ende seines Ganges nicht aus den Augen zu verlieren.

Wider mein Erwarten schlug er eine andere Richtung ein, wie die, welche zu der Wohnung Inglefield's führten. Bald darauf hielt er bei einem Schlage an, den er vorsichtig öffnete, und als er hindurch war, eben so bedächtig wieder schloß. Dann verfolgte er einen dunklen Pfad, der über Stoppelfelder nach einem Walde führte. Der Pfad ging durch den Wald weiter, aber er verließ ihn bald und ging dem Anscheine nach auf Geradewohl durch ein höchst verwirrendes Labyrinth von Unterholz und Gebüsch.

Ich fürchtete anfangs, daß das Geräusch, welches ich hinter ihm machte, indem ich das Gebüsch niedertrat, ihn aufmerksam machen würde, aber er achtete nicht darauf. Der Weg, welchen er gewählt hatte, war fortwährend schwierig, und zuweilen bedurfte es großer Kraft zur Beseitigung von Hindernissen – er führte einmal in eine tiefe Schlucht, deren Seiten so steil waren, daß sie kaum einen Halt für den Fuß darboten, dann wieder in Sümpfe, wo es einiger Anstrengung bedurfte, um die Füße herauszuziehen, und zuweilen durch Bäche, deren Wasser mir bis an den Leib ging.

Eine Zeit lang fühlte ich keine Verminderung meiner Schnelligkeit oder meiner Entschlossenheit. Ich dachte, ich könnte ohne Furcht durch Sümpfe und Schluchten gehen, durch welche mein Führer zu dringen im Stande war. Er veränderte fortwährend seine Richtung. Ich konnte mir keine richtige Ansicht über den Ort, wo wir uns befanden, oder die Entfernung von der Stelle, von wo wir ausgegangen waren, bilden.

Ich fing endlich an, zu ermüden. In meinem Geiste stieg auch ein Verdacht auf, daß mein Führer vielleicht bemerke, daß er verfolgt werde und daher seinen Gang verlängere, um seinen Verfolger zu ermüden, oder ihm zu entgehen. Ich war jedoch entschlossen, seine Absicht zu vereiteln. Obgleich die Luft frostig war, wurden meine Glieder doch von Schweiß angefeuchtet, und meine Gelenke erschlafften von der Anstrengung, aber ich blieb hartnäckig entschlossen, vorwärts zu gehen.

Endlich stieg ein neuer Gedanke in mir auf. Wenn mich dieser Mensch in der Verfolgung unermüdlich fand, so nahm er seine Zuflucht vielleicht zu einer schlimmeren Art und Weise, das Geheimniß zu bewahren. Aber was hatte ich zu fürchten? Es genügte, wenn ich auf meiner Hut blieb. Mann gegen Mann brauchte ich ein Zusammentreffen mit ihm nicht zu fürchten.

Endlich kamen wir am Rande eines steilen Abgrundes an. Er folgte diesem. Von dieser Höhe aus erblickte man ein düsteres Thal, das mit den laublosen Stämmen von Büschen gefüllt, und mit rauhen, spitzigen Felsen überstreut war. Dieser Ort erinnerte mich an die Gegend, in welcher ich mich befand. Meine Neugier hatte mich früher veranlaßt, die öde Strecke, welche den Namen Norwalk führt, und die ich oft gegen Dich erwähnt habe, in verschiedenen Richtungen zu durchstreifen. Sie war im höchsten Grade rauh, malerisch und wild. Dieses Thal weckte, obgleich ich es früher nie beim Scheine des Mondes gesehen, in mir den Gedanken, daß ich es schon besucht habe. Ich wußte daß es ein solches in dieser unangebauten Gegend ab. Wenn diese Ansicht richtig war, so befanden wir uns in nicht unbeträchtlicher Entfernung von der Wohnung Inglefield's. »Wo soll dieser seltsame Gang enden?« fragte ich mich.

Obgleich ich mit diesen Gedanken beschäftigt war, ließ ich doch nicht in meiner Verfolgung nach. Der Fremde blieb am Rande der Klippe, die sich allmählig herabsenkte, bis sie in das Thal überging. Dann versenkte er sich in das tiefste Dickicht. Nach einer Viertelstunde machte er unter einen Felsenvorsprung auf der andern Seite des Thales Halt. Dann fing er an, das Reißig zu entfernen, welches, wie ich sogleich bemerkte, die Mündung einer Höhle verbarg. Er verschwand in der Dunkelheit und nach wenigen Augenblicken waren seine Schritte nicht mehr zu hören!

Bis hierher hatte mich mein Muth aufrecht erhalten, aber jetzt verließ er mich. War dieser Mensch ein Mörder, der die Windungen dieser Höhle kannte, und die Dunkelheit benutzen würde, seine Rache an mir auszuüben, da ich es gewagt hatte, ihn bis an diesen einsamen Zufluchtsort zu verfolgen, oder war er ein Wahnsinniger, oder ein Nachtwandler? Welche Vermuthung hiervon auch die richtige sein mochte, so wäre es unbesonnen von mir gewesen, ihm zu folgen. Ueberdies konnte er nicht lange in dieser düstern Höhle bleiben, wenn ihm nicht ein furchtbares Unglück zustieß.

Ich setzte mich an die Mündung der Höhle, und war entschlossen, geduldig zu warten, bis er es für geeignet halten würde, wieder heraus zukommen. Diese Gelegenheit zum Ausruhen war nach einem so beschwerlichen Gange außerordentlich angenehm. Mein Puls fing an, langsamer zu schlagen und der Schweiß, welcher mich so sehr belästigte, hörte auf zu fließen. Die Kühle, welche eine Zeitlang köstlich war, brachte mich bald darauf zum Schaudern, und ich fand es nothwendig, meine Stellung zu verändern, um zu verhindern, daß mein Blut erstarrte.

Nachdem ich durch die Entfernung der Hindernisse vor der Mündung der Höhle einen Weg hergestellt hatte, beschäftigte ich mich damit, daß ich auf und ab ging. Hierbei sah ich den Mond sich allmählig zum Horizont hinabneigen und endlich verschwinden. Ich beobachtete das Dunklerwerden der Schatten, und die Veränderung, welche sämmtliche Gegenstände nach und nach erlitten. Das Thal war schmal, und auf allen Seiten von hohen, steilen Felsen eingeschlossen. Als der Mond abwärts stieg, nahm die Dunkelheit zu, und nur der matte Schein der Sterne verhinderte, daß meine Sinne zu meiner Leitung nutzlos wurden.

Ich ging näher zu den Felsen, in welche dieser geheimnißvolle Mensch eingedrungen war. Ich streckte mit dem Entschlusse, daß er seine Höhle nicht verlassen solle, ohne von mir bemerkt zu werden, die Hände davor aus. Seine Schritte mußten nothwendigerweise seine Annäherung verkünden, er konnte sich nicht ohne ein Geräusch bewegen, das in Folge dessen, daß das Thal von allen Seiten eingeschlossen war, überall wiederhallte. Hier verweilte ich, bis der Tag zu dämmern anfing, und erwartete jeden Augenblick das Wiedererscheinen des Fremden.

Endlich wurde meine Aufmerksamkeit durch ein Geräusch erregt, das aus der Höhle zu kommen schien. Ich vermuthete, daß der Schläfer zurückkehre, und schickte mich daher an, ihn zu packen. Ich machte mir Vorwürfe, daß ich die mir bereits geboten gewesene Gelegenheit vernachlässigt hatte, und war entschlossen, daß mir eine zweite nicht vorüber gehen sollte. Meine Augen waren auf den Eingang gerichtet. Das Geräusch nahm zu, und dann sprang ein Thier heraus, aber ich konnte nicht unterscheiden, von welcher Art es war. Diese Täuschung meiner Hoffnung verdroß, aber entmuthigte mich nicht, und ich fuhr fort zu warten, aber vergebens.

Der Tag nahm allmählig zu. Endlich stieg die Sonne auf, und ihre Strahlen funkelten auf dem Rande der Klippen über mir, deren saftloses Reißig und zerklüftete Massen mit Rauchfrost bedeckt waren. Ich fing an, an dem Erfolge zu verzweifelte, wollte mich aber nicht gern entfernen, bis es nicht länger mehr möglich war, auch die Rückkehr dieses außerordentlichen Wesens zu erwarten. Ob ihn einer der Abgründe dieser Höhle verschlungen hatte, oder ob er am Eingange lauerte und auf mein Fortgehen wartete, oder ob er sich durch eine zweite Oeffnung entfernt hatte, war mir unbekannt.

Ich schickte mich endlich erschöpft und entmuthigt an, wieder zurückzukehren. Ich fand den Weg aus dieser Wildniß leicht, indem ich ohne Rücksicht auf Hindernisse und Kreuzwege geradeaus ging. Ich glaubte nicht, daß meine Abwesenheit meine Familie beunruhigt habe, da sie nichts davon wußte, daß ich beabsichtigt hatte, die Nacht außer dem Hause zu verbringen. So endigte das Abenteuer dieser Nacht in unbefriedigender Weise.


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