Charitas Bischoff
Amalie Dietrich
Charitas Bischoff

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Tongatabu, d. 5. Februar 1872.

Mein liebes Kind, nun schweig aber ganz still mit Deiner Königin, dem Prinzen von Dänemark und wie die hohen Herrschaften alle heißen, denn was Du auch vorbringen magst, ich bin Dir doch über, denn ich habe dem König von Tongatabu, Georg I., meinen Besuch gemacht, er hat ihn erwidert, und zur Erinnerung an unsere Bekanntschaft hat er mir seine Photographie geschenkt. Wenn ich nach Hause komme, will ich sie Dir geben. Die Königin hat mir eine Pomadenbüchse geschenkt, die aus einer Frucht besteht, sie hat Ähnlichkeit mit einem großen Mohnkopf. So intim hast Du Dich doch nicht mit den Trägern von Kronen zu stellen verstanden.

Ich bin seit vierzehn Tagen in der Hauptstadt von Tongatabu, Nukualofa, und will mich in den nächsten Tagen in die Einsamkeit begeben, um tüchtig zu sammeln. Wie lange ich hier bleibe, weiß ich gar nicht; das hängt ganz davon ab, ob sich mir viel Neues bietet. Wenn ich mit den Tonga-Inseln fertig bin, reise ich nach Hause. Du bist nun auch in Deutschland; so ist's recht! Ich muß Dich doch vorfinden, wenn ich komme! Kannst Du's Dir vorstellen? Wie schön wird sich dann unser Leben gestalten! Wir wollen ja nichts Äußeres. Ein kleines Stübchen, das genügt uns ja. Ich hoffe, Godeffroy hat Arbeit für mich am Museum. Und Du? Nun Du wirst schon auch Dein Wirkungsfeld finden, darum sorge ich nicht, wir wollen doch beide gern arbeiten; wenn man das will, kommt man in Hamburg leicht vorwärts.

Nun muß ich Dir noch allerlei von meinen Reiseerlebnissen erzählen. Mit der »Upolu« fuhren wir von Sydney in fünf Wochen hierher. Die Reise war lang, aber sehr schön. Ich war äußerst gespannt auf dieses neue Stück Welt, das sich hier vor mir auftat, und da ich auf der Fahrt ja Zeit genug hatte, so habe ich mir vorher viel vom Kapitän erzählen lassen. Er erzählte hauptsächlich vom König, und alles klang mir wie ein Märchen. Was ich aber dann selbst erlebte, paßte gut dazu.

Tahofa nao, der jetzige König von Tonga, war früher Häuptling auf Havai, während sich auf Tongatabu zehn Häuptlinge um die Herrschaft stritten. 1838 ließ er sich von den Wesleyanischen Missionaren taufen und erhielt nun den Namen Georg I. Bald darauf gelang es ihm, Vabau zu erobern und auch auf dieser Insel das Christentum einzuführen.

Nach mehreren glücklichen Kriegen unterwarf er die verschiedenen Inseln, vor allem auch Tongatabu, so daß jetzt die ganze Tonga-Gruppe unter seiner Herrschaft vereinigt ist.

Als der Kapitän und ich dem König einen Besuch machten, hatte er ein Hemd an und eine Vala-Vala um. Es machte mir überhaupt den Eindruck, als stände bei ihm die Königswürde noch im Kampf mit seinen früheren Gewohnheiten. Er hat ein sehr hübsches Haus, sogar ganz europäische Einrichtung, und sowie wir gekommen waren, ließ er uns Wein bringen, und wir tranken auf seine Gesundheit.

Der König ist schon alt, wohl in die sechzig, er hat eine recht helle Hautfarbe und sieht freundlich und sympathisch aus. Mit der Unterhaltung wollte es nicht recht gehen, denn durch den Dolmetscher ist es doch ein schwerfälliger Verkehr. Der König ließ uns freilich sagen, er verstände auch Englisch, als ich ihn aber fragte: »Do you like to speak English?« meinte er sichtlich verlegen: »O, only small!«

Na, dachte ich belustigt, darin scheint er mir nicht gerade über zu sein, obwohl es mit meinem Englisch auch nicht weit her ist.

Die Königin ließ lange auf sich warten, dann wurde sie in einem Rollstuhl hereingefahren. Ich dachte, sie wäre krank, aber der Kapitän sagte, sie sei nur zu korpulent, das ginge älteren Frauen hier oft so. Die Königin trug übrigens ganz europäische Kleidung, und auch sie war sehr liebenswürdig.

Sie ließ mir gleich die Pomadendose bringen und lud mich ein, sie wieder zu besuchen. Überhaupt scheinen die Leute hier alle gern zu schenken, denn die Frau des Gouverneurs, die ich neulich auch aufsuchte, schenkte mir gleich ihr Bild und einen hübschen Haarkamm, der aus einzelnen kleinen Stäbchen hergestellt ist, die mit bunten Fäden verbunden sind. Den bringe ich Dir mit.

Nach einigen Tagen kam der König aufs Schiff. Wir hatten gehört, daß er nicht gern Wein trinkt, da setzte der Kapitän ihm eine süße, kühle Limonade vor.

Er hatte seinen Dolmetscher und den englischen Missionar mit, und die Unterhaltung war anfangs wieder etwas schwerfällig, dann aber kam er auf den deutsch-französischen Krieg und wurde ganz lebhaft. Er erhob sein Glas und ließ unsern neuen Kaiser, den er immer seinen Freund nannte, leben. Er versicherte, daß er sich in dem Kriege durchaus neutral verhalten hätte, was er seinem Freund auch mitgeteilt habe. Wir haben uns natürlich köstlich darüber amüsiert. Mit großem Stolz zeigte er dabei auf den roten Adlerorden, den ihm sein Freund verliehen hätte. Er hatte bei uns seine königliche Uniform an und machte einen sehr würdevollen Eindruck. Er soll übrigens bei ganz feierlichen Gelegenheiten auch eine Krone und einen mit Hermelin besetzen Mantel tragen.

Ich habe in dieser Zeit nun schon allerlei Streifzüge durch die Insel gemacht und mich gewundert, wieviel der König doch schon während seiner Regierung hier durchgeführt hat, denn alles macht hier einen durchaus gesitteten Eindruck. Der ganze Ort besteht aus regelmäßigen, geraden Straßen, und die einzelnen Wohnungen sind meist von wohlgepflegten Gärten umgeben. Die Hütten sind von ovaler Form, ihre Wände bestehen aus senkrechten, mit Palmrippen verflochtenen Pfählen, auf denen ein Giebeldach von Blättern der Kokospalme ruht. Der Fußboden ist mit Matten bedeckt, und wenn man eintritt, so wird einem gleich eine reine Matte ausgebreitet, etwa wie wir unsern Gästen einen Stuhl anbieten.

Auf einer Anhöhe liegt, von dunklen Kasuarien umgeben, die neue Kirche, die dieselbe ovale Form hat wie die Hütten. Daneben ist das Missionshaus und das Seminar, in dem Eingeborene zu Lehrern für die Schulen der umliegenden Inseln ausgebildet werden. Der Hafen bietet ein ganz buntes Bild, und vor allem war ich erstaunt, hier mehrfach die deutsche Flagge zu sehen. Am Strande lagen ganze Berge von unreifen Bananenbündeln und viele Hunderte von Kisten mit Orangen, die gerade verladen wurden. Viele der Früchte kommen nach Auckland, weil der Transport bis Europa meist nicht lohnt, es verderben zu viel Früchte unterwegs, deshalb bildet für die nach Hamburg bestimmten Schiffe doch immer wieder fast ausschließlich Kopra die Ladung. Weißt Du wohl noch, wie ich Dir damals im Speicher die zerschlagenen Nüsse zeigte?

Überall kommen einem die Eingeborenen freundlich entgegen. Es sind meist kraftvolle, schöne Gestalten, die der malayischen Rasse angehören. Sie tragen fast alle ein Hemd und darüber eine Vala-Vala, die sie sich aus dem Bast eines Maulbeerbaumes herstellen. Sie klopfen die Rinde mit Steinen, kleben die Stücke zusammen und bemalen dann das Ganze mit Pflanzensaft; besonders verwenden sie hierzu den Saft von Ficus prolixa, der braun färbt, und zum Schluß besprengen sie es mit dem Saft des Hea-Baumes, der einen glänzend roten Firnis liefert. Diese Vala-Vala schlingen sie sich mehrere Male um die Lenden, so daß sie aussehen, als trügen sie ein Unterröckchen, das ihnen bis an die Knie reicht. Ich habe mir schon mehrere für das Museum eingetauscht.

Der Kapitän hatte mich schon darauf aufmerksam gemacht, ich möchte nur ja versuchen, einige Kavaschüsseln zu bekommen, denn Kava ist und war besonders früher hier auf den Inseln Nationalgetränk. Es soll sehr erfrischend und durststillend wirken, aber wenn man weiß, wie es hergestellt wird, ist's doch nicht gerade sehr appetitreizend. Man benutzt die Wurzel der Kavapflanze (Piper methysticum). Mehrere Eingeborene hocken dabei kauend um eine große, runde Schüssel; dann und wann stecken sie ein frisches Stück Kava in den Mund, zerkauen es tüchtig und spucken es schließlich in die mit Farnblättern ausgelegte Schüssel, in die von Zeit zu Zeit frisches Wasser geschöpft wird. Nachdem dieser Brei dann noch einmal filtriert ist, bildet solche Kavabowle das beliebteste Getränk, das bei keiner Festlichkeit fehlen darf.

Die Kavaschüsseln werden aus dunklem Holz geschnitzt, sie haben vier Beine und oft am Rande walzenförmige Handhaben, die gleich mit aus dem vollen Holz geschnitten werden. Natürlich möchte ich diese kunstvolleren Schüsseln am liebsten haben, und meist sind die Eingeborenen auch bei all solchen Tauschgeschäften sehr zuvorkommend. Überhaupt haben sie etwas äußerst Zutrauliches, geben mir auf der Straße die Hand oder rufen mir schon von weitem ihr »Sidova!« entgegen.

Neulich schenkte mir eine Frau eine Kette aus Pandanusfrüchten, mit denen sie sich bei jeder Gelegenheit schmücken, denn sie haben viel Freude am Schmuck und bekränzen sich bei allen Festlichkeiten. Sie schmücken auch ihre Gräber mit Muscheln und bunten Steinchen und zeigen große Freude an bunten Farben. –

Dies ist vielleicht mein letzter Brief an Dich. Sobald ich auf den verschiedenen Inseln alles gesammelt habe, was hier vorkommt und was ich noch nicht habe, komme ich endlich nach Hause.

Hoffentlich bald auf Wiedersehn!

Deine sich sehnende
Mutter.


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