Otto Julius Bierbaum
Das Schöne Mädchen von Pao
Otto Julius Bierbaum

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XXIII.
»Seligkeiten überall.«

Seiner Majestät war es übrigens sehr gleichgültig, was außerhalb der Palaststadt für Reden geführt wurden. Für ihn hatten lediglich die Reden der Kaiserin Pao und das Lallen des kleinen Lu Interesse.

Nach wie vor war er unbeschreiblich verliebt, und immer mehr wurde er zum Sklaven von »Hanftuch und Dorn«.

Aber es war auch erstaunlich: die Pao wurde immer schöner. War sie bisher etwas mädchenhaft gewesen, eher niedlich als majestätisch, so gewann sie jetzt in Gestalt und Miene etwas Großes, Gebietendes.

Der Hausminister We, der, seitdem er Exzellenz geworden war, nur noch selten Verse machte, konnte nicht umhin, der kaiserlichen Schönheit rhythmisch zu huldigen. Das ist an sich gewiß nicht erstaunlich, aber verwunderlich muß es erscheinen, daß er eine so intime Kenntnis dieser Schönheit hatte. Es scheint, daß Seine Majestät selber ihm das Material zu folgendem Gedicht geliefert hat.

              Die Wunderknospe hat sich aufgetan;
Nun biegen sich des Kelches Blätter aus
Wie rote Baldachine, eingesäumt
Von kaiserlichem Gold. Ihr Duft ist so,
Daß, wer ihn riecht, von Stund an selig weiß,
Wie Götteratem duftet. Wonnetraum
Heißt dieser Duft, und er berauscht wie Wein.

Wär meiner Laute Hals so mächtig lang,
Daß er bis in den Himmel reichte, und
Läg meiner Laute Knauf in Götterschoß,
Daß Götterhände mir sie stimmten: dann,
Vielleicht dann säng ich würdig, Pao-Huan,
Erhabene Mutter, deiner Reize Macht.
So aber stümpr' ich nur ein Klimperlied,
Und, Meister sonst, fühl ich mich Dilettant
Vor diesem Stoff der Stoffe; jämmerlich,
Ein Kinderlallen, klingt mein Preislied so:

Ein Gott erträumte sich ein Menschenweib,
Das ihm als Dienerin beim Mahl den Wein
In goldener Schale bieten sollte: sieh,
Da schwebte Pao-Huan aus seinem Haupt
Und lächelte und sprach: Da bin ich, Herr,
Wo ist die goldene Schale, wo der Wein,
Ich will dir dienen, Herr, ich: Pao-Huan.
Der Gott tat seine beiden Augen auf,
Zwei dunkelrote Sonnen aus Krystall,
Und – deckte schnell sich beide mit der Hand,
Die wie ein Palmblatt lang, doch golden war.

Was für ein Glanz, so rief er bebend aus,
Strahlt dir aus deinen Augen, Pao-Huan;
Er blendet mich, denn tausendsonnenhaft
Und übermächtig ist er. Statt der Brust
Hast du zwei Monde, die so silbern sind,
Daß alle Götter Blindheit schlüge, wenn
Das Silberlicht von deiner weißen Brust
Sie träfe. Wie zwei Tempelsäulen sind
Aus Diamanten palmenhaft gefügt
Die Beine dein, und, hebst die Arme du,
So steht ein Riesenmondhorn zackig da,
Zwei Fackeln leuchten gletschern in die Welt.
Dein Leib jedoch ist wie der Schild Po-yao,
Der, wie ein Ei geformt, so strahlend ist,
Daß Himmel, Erde, Sterne, Sonne, Mond
In Flammen aufgehn, trifft sie jäh sein Schein.

Ich konnte dich im Traum erschaffen, doch
Dich ansehn kann ich nicht; ein blinder Gott
Zerträte wolkenwandernd ja die Welt!
Zum Sohn des Himmels geh, den ich für dich
Mit Übergötteraugenkraft begabt
Und zum Gemahl bestimmt dir habe. Geh!
Doch lasse keinen deine Nacktheit sehn,
Als ihn. Es stürzte sonst in Brand die Welt.

So sprach ein Gott. – Was spräche wohl ein Mensch,
Der deine Nacktheit sähe, Pao-Huan?

Für dieses Lied, das in der chinesischen Literaturgeschichte noch heute als ein Muster höfischer Prunklyrik gilt, wenngleich die strengen Kritiker nicht unbetont lassen, daß sein Thema nicht auf der Höhe des daran verschwendeten Talentes stehe, wurde Exzellenz We zum Reichskanzler ernannt und in den Grafenstand erhoben. Woraus zu ersehen ist, daß in jenen Zeiten die Lyrik in China ein einträgliches Gewerbe war, wenn sie in Verbindung mit diplomatischer Begabung stand und eine geschickte Hand in der Wahl des Stoffes verriet. Wo das freilich fehlte, wie bei den Blühenden Talenten, winkte Bock und Spießkäfig, – das war nun mal damals so im Lande China.

Übrigens: wenn die Blühenden Talente »die Pao«, wie sie sie respektwidrig prädikatlos nannten, zu sehen gekriegt hätten, wären sie wahrscheinlich auch ohne die Fürsorglichkeit des Herrn Mêng-thiën-wa manierlicher in ihren Auslassungen gewesen. Ging doch die Rede von ihr, daß, wer immer auch sie sehen mochte, so beglückt davon war, daß er »Wasser für Wein trank und in kaiserlicher Seide zu gehen vermeinte, wenn er gleich nur Schafwolle anhatte.« Und nun denke man sich, wie dem Kaiser Yu zumute sein mußte, der immer wirklichen Wein trank und immer wirkliche Seide trug. Er war einfach im Himmel! Bei jeder Gelegenheit sagte er: Gott, was bin ich glücklich! Und über allen Türen brachte er in großen aus kostbarem Holze geschnitzten Figuren die Zeichen an, die bedeuten: Seligkeiten überall! An die weiland Kaiserin Schên-hau, an den weiland Kronprinzen I-tschiu dachte er so wenig als ein in Süßwein schwimmendes Ei an die Henne denkt, die es gelegt hat. Es war ein Rausch, in dem er schwebend und mit verzückten Geberden ging.

Ein kleines Palastlied singt davon:

Wie sitzt der Kaiser auf dem Thron?
Wie sitzt er auf dem Thron?
Die Kaiserin hat er auf dem Schoß,
Und Pao-Huan auf ihrem Schoß
Hat ihrer beider Sohn.
Hallih – halloh!
Die Freude ist unendlich groß
Auf unserm Kaiserthron,
Hallih – halloh
Auf unserm Kaiserthron.


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