Otto Julius Bierbaum
Das Schöne Mädchen von Pao
Otto Julius Bierbaum

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XVI.
Die Mitregentin.

Seitdem ihm Prinzeß Pao beim Regieren half, gewann Kaiser Yu einigermaßen Geschmack an dieser Beschäftigung. Er rieb sich ja nicht auf dabei, und er hielt auch nicht gerade Amtsstunden ein, aber so zwischenhinein wurde nun doch wieder manchmal regiert.

Meistens gab die Prinzeß den Anstoß dazu.

– Vergiß den Kronrat nicht, Kaiserle! Es macht immer einen guten Eindruck, wenn du selber dabei bist. Und die drüben im östlichen Palast sollen nicht sagen, daß du meinetwegen weniger tust, als früher.

»Die im östlichen Palast« waren der Kronprinz I-tschiu und die Erhabene Mutter.

Die gescheidte Pao hatte bald für einen prompten Zuträgerdienst Sorge getragen und dadurch in Erfahrung gebracht, daß neben der Kaiserin es auch der Kronprinz war, der sie mit besonderem Haß verfolgte und dabei zuweilen Redensarten von bedrohlicher Schärfe fallen ließ.

– Wart nur, mein Prinzchen, dachte sich die neue kaiserliche Hoheit, dich werd ich bald draußen haben und die »Erhabene« dazu.

Es war ihr ganz recht, daß »im Östlichen« der Zorn immer lauter wurde. Sie legte es geradezu darauf an, daß er auch einmal explodierte. Hatte auch schon einen schönen Trumpf in Bereitschaft für diesen Fall.

Des Kaisers war sie sicher; der kam auf den Pfiff und parierte Ordre wie ein Gardeleutnant.

Nur in Einem war er schwierig: Zur Kaiserin wollte er sie durchaus nicht machen.

– Aber das geht ja nicht, Kind, sagte er, das geht ja nicht! Das ist direkt gegen die Gesetze und gerade so gut wie eine Revolution. Setze ich die Kaiserin ab, so hab ich meinen Sohn auf dem Nacken, und der ist doch nun einmal als Kronprinz proklamiert.

– So setz halt ihn zuerst ab!

– Was du nicht alles weißt! Wie kann ich ihn absetzen, wenn er mir keinen Grund gibt?

– Das wird sich schon finden, meinte Ihre Hoheit und dachte sich: Ich muß ihn nur recht ärgern, dann wird er schon irgend eine Dummheit begehen.

Der Schlag, den sie führte, geschah im Bündnisse mit dem Hausminister We.

– Ich bin noch immer ohne eigentlichen Palastrang, sagte Prinzeß Pao zu ihm, als er in ihrer Gegenwart beim Kaiser Audienz hatte. Wie steht es eigentlich mit dem Nachtrag zum Serailreglement?

– Das ist eine sehr schwierige Affäre, kaiserliche Hoheit, entgegnete der Minister.

– Furchtbar schwierig, Kind, pflichtete der Kaiser bei. Wenn es dir recht ist, hält uns Se. Exzellenz gleich Vortrag darüber.

– Meinetwegen! sagte das politische Mädchen.

Seine Exzellenz stellte sich in Positur und begann: Das kaiserliche Serailreglement, das so alt ist wie der Thron der Tschous, läßt leider durchaus keine Auslegung zu, die es ermöglichte, eine Palastdame anders zu klassifizieren als nach Maßgabe der begehenden sechs Rangstufen.

– Was geht das mich an? warf die Prinzeß ein, bin ich etwa eine Palastdame? Ich dächte wohl, daß ich mit diesen Personen nichts gemein habe. Oder . . . ? . . .

Sie warf einen sehr ausdrucksvollen Blick auf den Kaiser.

– Mach doch keine solche Augen, Maus; es versteht sich ganz von selbst, daß du keine Palastdame bist.

– Na also, was bin ich dann? Das ist ja eben die Frage.

– Ja, kaiserliche Hoheit, erwiderte der Hausminister, das ist die Frage, und ich weiß leider keine Antwort darauf. Zum Serail gehören Ew. Kaiserliche Hoheit nicht, das steht fest, aber: wohin gehören dann Ew. kaiserliche Hoheit? Ja, wenn Ew. kaiserliche Hoheit keine Dame wären! Dann wäre es leicht. Männliche Ämter können nach Belieben errichtet, gewissermaßen erfunden werden. Aber für Damen gibt es eben leider im kaiserlichen Palaste bloß ein Amt: Mitglied des Serails, sei es als Erhabene Mutter, die gewissermaßen mit dem Kopfe zwar über dem Serail steht, mit den Beinen aber mittendrin, oder als Angehörige einer der sechs Klassen.

Prinzeß Pao trommelte ärgerlich mit ihren schönen weißen Fingern auf einem Jadetischchen und sprach: So erfindet halt ein weibliches Amt außerhalb des Serails. Wenn ihr männliche Ämter machen könnt, warum nicht weibliche?

– Aber Kind, Kind, ich kann dich doch nicht zu einer Mandarin mit dem violetten Knopf machen!

– So mach mich halt zu einer Mandarine! Seid doch nicht gar zu plump!

In diesem Augenblick legte sich Ta-jen We auf den Bauch, beklopfte den Boden neunmal mit der Stirne und rief: Ha! Ha! Ha!

– Was: Ha! sagte die Prinzeß.

– Na? meinte der Kaiser.

– Ich habs! rief der Minister.

– Also her damit!

– Her damit!

Der Kaiser und die Prinzessin blickten gespannt auf den Minister, der, da er seit seiner Ernennung nicht mehr seine frühere lyrische Schlankheit hatte, nur mit einiger Mühe wieder hochkam.

– Wenn Ew. Majestät geruhten, Ihre kaiserliche Hoheit zur – Mitregentin zu ernennen?!

– Hm! machte der Kaiser, der doch ein bißchen erschrocken war.

– Warum: Hm? fragte energisch die Prinzessin.

– Aber das wäre ja ein politischer Akt! Das rührt ans Staatsrecht. Soviel ich weiß, ist das noch niemals dagewesen.

– Sehr richtig! bemerkte höhnisch die Dame aus Pao. Ich bin aber auch noch nicht dagewesen. Bitte: Regiere ich etwa nicht wirklich mit?

– Ja, das freilich.

– Nun, und: wenn ich wirklich Mitregentin bin, warum soll ichs nicht auch heißen?

– Gewiß . . . im Grunde . . . freilich . . .! aber bedenke doch: das Aufsehen! Die Zensoren! Es wird Protestschriften regnen! Alle Klassiker werden sie zitieren! Das Volk werden sie aufwühlen! Die Kaiserin, der Kronprinz . . .

– Natürlich: Die Kaiserin, der Kronprinz! Das ist deine ganze Angst! Aber ich sage dirs: Entweder gleich Kaiserin oder wenigstens Mitregentin! Sonst . . . . hnhuhuhuhu! Laut heulend verließ Prinzessin Pao das Gemach.

Der Kaiser sank in einen Stuhl: So macht sies nun immer, wenn ich nicht gleich Ja sage.

Ach, ich bin doch furchtbar übel dran! Ich habe ja gar keinen Willen mehr, seit die Hexe im Schlosse ist! Ja, eine Hexe ist sie. Wie verzaubert bin ich. Wie aus mir selber genommen. Und schwach! Schwach! Denken Sie, lieber We: ich kann mein Schwert Pang-lung nicht mehr ziehen, seit Prinzeß Pao bei mir ist.

– Wie?

– Ja: es geht nicht aus der Scheide.

– Vielleicht hat sich was eingeklemmt?

– Nein! Denn die Prinzessin zieht es mit ihrem kleinen Finger heraus.

– Sonderbar.

– Freilich! Und noch etwas: Ich habe die Ahnengebete vergessen!

– Das geht mir auch manchmal so. Das ist so schlimm nicht. Wenn man liebt, Majestät, braucht man den Himmel nicht, man hat ihn.

– Ja, sonst wäre das alles auch gar nicht zu ertragen!

Aus dem Nebenzimmer klang eine Laute und ein Lied:

Rote Wolke, laß dich nieder,
Rote Drachenwolke, falle!
Bläh dein Fung-hoang-Gefieder,
Laß dich nieder,
Hol mich wieder,
Aus der kalten, öden Halle.
Fung-hoang! Fung-hoang!
Wie zum Sterben ist mir bang.

Und nun jammerte ein Weinen wie von hundert gequälten Kindern.

– Setz das Edikt auf! Sogleich! Schnell! Schnell! Ich kann das nicht hören! kann das nicht hören. Und wenn sie mir Gift für die Kaiserin gibt: ich nehme es und tu was sie will!

So wurde der Purpurkelch aller Seligkeiten Mitregentin des Kaisers Yu.


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