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Die kleine Stadt Ludwigshafen, die nur zwei Straßen hatte und zum großen Teil aus Lagerhäusern, dem Zollhaus und den Rheinschanzegebäuden bestand, war von den Freischaren dicht besetzt. Ein bewegtes und erregtes Treiben erfüllte lärmend alle Straßen, sämtliche Häuser waren mit Einquartierungen belegt, es gab fast mehr Heckerlinge als Bürger, zudem war noch eine Kompanie badische Linientruppen mit zwei Geschützen über die Schiffsbrücke gekommen. Das Korps Besançon war eingerückt und am Vorabend des verhängnisvollen 15. Juni kamen noch die verkommenen Überreste des Robert Blum'schen Rachekorps. Mit johlendem Gesang, einer blutroten Fahne, einige Geiseln mit sich führend, marschierten sie unter ihrem Hauptmann Luchesi in Ludwigshafen ein. Sie waren nur zum Teil mit Flinten bewaffnet, viele trugen Sensen, Knüppel und Hacken, 409 alle aber waren zerlumpt und besaßen außer roten Kokarden und roten Bändern keine Uniformstücke mehr.
Oberst Blenker, der sein Bataillon nach Dürkheim zum Rückzug geschickt hatte, war mit seiner kleinen Nobelgarde erschienen.
Auch der Hammelhannes aus Frankenthal fehlte nicht, eine Reihe von Anführern mit bedenklichen Grundsätzen half mit, die bunte Verwegenheit dieser Verteidigungstruppe zu erhöhen, die nun alle Vorkehrungen traf, um der ersten preußischen Division mit den Waffen entgegenzutreten.
Wie bei allen Episoden des pfälzischen Aufstandes fehlten auch die Amazonen nicht, man traf unter ihnen Mitglieder bekannter und hochgeachteter Pfälzer Familien, man hat nur nötig, sich an die bezaubernde Mathilde Hitzfeldt zu erinnern; oder an Greta Berghaus, dieses unruhige Herz mit der Flut krauser Ideen.
Überhaupt Greta Berghaus. Dieses unbändige Blut, dieser Feuerkopf mit dem vorderpfälzischen Temperament und dem Starrsinn verwegener Vorsätze. Kein Sterblicher verstand so recht, warum sie jetzt das dritte Pferd aus ihres Vaters Stall geholt, wiederum die Russenuniform angezogen hatte und mit dem Oberst Blenker, dem ewigen Landsknecht, in Ludwigshafen eingezogen war, nichts als ein Bündel Trotz und ihren vernebelten Vorstellungen von Volksrechten und Menschenfreiheit unbeirrbar folgend.
Sie ritt durch die Straßen mit der Husarenfeldmütze und den kurzgeschnittenen Haaren, im Gürtel trug sie eine von des Brasilianers silberbeschlagenen Pistolen. Und der Brasilianer Klaus ritt nicht minder unternehmungslustig an ihrer Seite.
Überhaupt Klaus Ringeis. Da war er mit einem Baumwollsegler wochenlang über das weite Meer geschippert, auf einem Rotterdamer Baumwollfrachter den Rhein herauf bis in die Pfalz gekommen, um seine Heimat und seine Verwandten kennenzulernen. Auf eine märchenhafte Heimfahrt und Heimatfahrt war er gegangen, die Bilder, die der Vater ihm ausgemalt, die Geschichten, die andere Auswanderer ihm erzählt hatten, sie sollten nun bestaunte Wirklichkeit werden. Was aber tat der Bruder Übermut, der Zauberer und Kunstreiter, wie füllte der tolle Durchdiewelt seine goldenen Ferientage aus? Was fuhr dem Pfälzer Hitzblut in die Krone? Wanderte er ergriffen und erschütterten Herzens über die gesegneten Gefilde seiner Heimat, trank er die Schönheiten des Landes, das sein Vater im Drange unsäglicher Not als blutjunger Mensch verlassen hatte? War 410 er ein Friedfertiger unter Friedfertigen, ein Wundergläubiger inmitten der Wunder?
Nein, er steckte seine südamerikanischen Pistolen in den Gürtel und ging unter die Blusenmänner, aus reiner Begeisterung und aus unseligem Abenteuerdrang. Er trieb sich in den Pfälzer Landen umher und schürte das Feuerlein der Freiheit mit brasilianischen Methoden, er zauberte mit weißen Kugeln und brachte die Fischertochter Josepha halb um den Verstand. Er kam in das alte Fischerhaus am Rhein, hatte eine verrückte Neuheit, nämlich Gummischuhe in der Schiffskiste, verteilte Elefantenhaare und ritt auf einem gepumpten Roß mit Greta Berghaus gegen die Preußen. Ach, über diesen brasilianischen Komödianten, der nur so nebenbei in den Himmel griff, um sich eine Handvoll Sterne zum Frühstück zu holen; über diesen Schwadroneur, der die Güter der Welt mit offenen Händen verteilte und selber frei von Wünschen war.
Oh, über diesen Fahrer mit allen Wolken und Winden, über diesen Strommenschen, über diesen tollkühnen dummen August, der seine Sprünge kostenlos für alle machte und zuletzt noch das Hemd vom Leib verschenkte.
Oh, über diesen wunderlichen Revolutionär, da feierte er doch jetzt tatsächlich in Ludwigshafen ein sonderbares Wiedersehen mit seinen Baumwollballen. Er fand sie, als er mit dem Oberst Blenker durch die Lagerhäuser und Magazine ging, die mit Aufständischen besetzt werden sollten.
Da lagen also wirklich, zu einem großen Stapel gehäuft, seine Baumwollballen, mit denen er auf dem Viermaster-Vollschiff Esperanza aus Brasilien gekommen war. Großartig, daß sie ihm so die Treue hielten, er wurde gerührt, als er sie sah und roch. Es war ein eigentümlicher Geruch, so zwischen Süße und Rauch. Buenas dias, er betastete sie liebevoll und bedeutete Blenker, Baumwollballen würden sich vorzüglich zum Barrikadenbau eignen, in Brasilien seien also Barrikaden aus Baumwollballen außerordentlich beliebt.
Als es an die Verstärkung der Barrikaden beim nördlichen und westlichen Ausgang der Stadt ging, wurden Hunderte von Baumwollballen aus den Lagerhäusern geschleppt und auf die Barrikaden getürmt, die man schon in der vergangenen Nacht aus Baumstämmen, umgestürzten Wagen, aus Schwellen und Eisenbahnschienen errichtet hatte. In der Tat stellten diese Ballen gegen Infanteriefeuer und Kartätschensprengstücke einen wirkungsvollen Schutz dar.
411 Um zehn Uhr morgens waren die Häuser links und rechts der Hauptstraßen mit Freischärlern besetzt, auch im neuen Bahnhof, im Gasthof zum Deutschen Haus, in den Magazinen, Lagerhäusern und im Zollamt waren die Pfälzer Legionen und ein Teil der Badenser verschanzt.
Sturmabteilungen hatten sich gebildet, ein gemischter Verband aus dem Korps Besançon und der Blenkernachhut war hinter der Westbarrikade aufgestellt, dort standen auch unter Baumwolldeckung die beiden badischen Geschütze und die Infanteriekompanie.
Als es zum Generalmarsch blies, bemächtigte sich der ganzen Stadt eine jagende Aufregung. Viele Bürger flüchteten, teils über die Schiffbrücke, teils auf der Straße, die südlich nach Mundenheim führte. Einige wurden als Geiseln zurückbehalten.
Ein Eisenbahnzug, dicht besetzt, qualmte noch kurz vor Toresschluß rasselnd und pfeifend aus dem mit Insurgenten besetzten Bahnhof. Brandkolonnen waren gebildet, mit Pech und Petroleum sollten sie im Falle einer Niederlage die wichtigen Gebäude in Brand stecken. Rote Fahnen flatterten aus offenen Fenstern, von den Dächern der Magazine und aus den Luken der Holzschuppen. Aber auch weiße Leintücher blähten sich im Winde.
Von einer Kirche wurde mit gewaltigem Dröhnen Sturm geläutet.
Oberst Blenker und Hauptmann Ringeis befanden sich beim Sturmtrupp vor dem Deutschen Haus, der Brasilianer behauptete lachend, so und nicht anders ginge eine Revolution in Brasilien vor sich, da wäre also wirklich kein großer Unterschied. Er zog prüfend eine seiner silberbeschlagenen Pistolen aus dem Gürtel und fingerte am Abzug herum. Herrliche Waffe, damit konnte man schon dem Teufel ein Ohr abschießen. Er hatte damit auf dem Amazonas immer auf die Krokodile gefeuert, peng, ein Krokodil, peng, und wieder eins, ha ha ha, madre de dios! Er besaß noch eine zweite Pistole, jawohl, ebenfalls mit blitzendem Silberschmuck, er hatte sie Greta Berghaus gepumpt, sie würde sie in Ehren halten in ihrer Stellung am Rhein, wo sie mit den Studentenlegionären zwischen Rheinbrücke und Zollamt postiert war. Besaß sie nicht auch noch sein Elefantenhaar? Was denn, caracho, sollte ihr passieren! Klaus Ringeis wollte gerade sagen, daß es nun eigentlich an der Zeit wäre, daß der Feind sich blicken ließe, da rollte die erste Artilleriesalve über die Stadt. Und die Stadt hielt den Atem an, dröhnend hörte man den Aufschlag der Kartätschen. Es war ein Detachement unter Major Künzel, das mit vier Geschützen eine 412 Artillerievorbereitung feuerte. Die erste Division ging gegen Ludwigshafen vor, es fing an, verflucht ernst zu werden.
Als der Feind mit Infanterie und Reiterei gesichtet wurde, machten die bereitstehenden Sturmtrupps bei der Westbarrikade einen Ausfall, sie stürmten unter Johlen und Singen den Preußen entgegen, erhielten aber so starkes Geschützfeuer, daß sie sich nicht halten konnten und hinter die Barrikaden zurückwichen.
Die dort stehenden badischen Geschütze ballerten gegen die Preußen, vermochten aber keine Wirkung zu erzielen. Als die feindliche Artillerie den Westausgang stärker unter Feuer stellte, mußten sie zurückgenommen werden. Rasselnd fuhren sie im Galopp nach der Rheinbrücke und wurden dort erneut in Stellung gebracht.
Inzwischen war die preußische Infanterie näher gekommen und rückte unter Gebrüll gegen die Barrikade vor, während die Artillerie den Bahnhof und das Deutsche Haus mit Schrapnellfeuer belegte.
Schon züngelte irgendwo ein Brand auf, eine dunkle Rauchwolke zog über den Himmel. Über den Rhein flügelte das Sturmgeläut der Mannheimer Kirchenglocken.
Aus den Häusern, von den Dächern, aus Türmen, Kellerlöchern und Schuppen knatterten die Gewehrsalven. Noch einmal versuchten zwei Sturmtrupps sich den Preußen entgegenzustellen, das Feuer aber, das sie empfing, war zu heftig, fluchtartig gingen sie wiederum hinter die Barrikade, wo sie sich wie Wasser vor einem Damm stauten.
Brandgeruch verbreitete sich, die Rauchwolken wurden dichter und schwerer, sie wälzten sich träge über die Stadt.
Das Artillerie- und Infanteriefeuer auf preußischer Seite wuchs, die Freischärler hielten nicht mehr Stand, schon drohten ihre Verbände zu zerreißen. Reiter sprengten durch die Straßen, Befehle überbringend und die Legionäre anfeuernd.
Schon lagen Tote und Verwundete umher, ein Wimmern und Heulen und Wehklagen erfüllte die Luft. Manche wankten wie Betrunkene in Häuser hinein, andere brachen mitten auf der Flucht lautlos zusammen.
Plötzlich war Oberst Blenker da.
»Der Corvin kommt! Große Artillerieunterstützung! Gebt euch nicht verloren! Der Corvin kommt mit zwölf schweren Geschützen!«
Dann war Blenker wieder fort. Er galoppierte nach der Rheinbrücke, wohin schon ein Teil der Freischärler geflüchtet war. Er wollte ihre Flucht aufhalten, er ritt schreiend mitten unter sie hinein, daß sie 413 auseinanderstoben. Er riß sein Pferd zurück und klemmte sich in den schmalen Kanal, der zur Brücke führte.
»Der Corvin kommt! Haltet stand! Zwölf schwere Geschütze.«
Die preußischen Kartätschen brummten über ihre Köpfe hinweg. Sie schauten mit verzerrten Gesichtern in den Himmel, die Angst schwebte wie Eulenfittich vorüber.
»Feuer! Feuer!!« brüllten die Menschen.
»Haltet die Westbarrikade! Wenn die Barrikade fällt, sind wir verloren!«
Klaus Ringeis preschte nach der gefährdeten Stelle, er fuchtelte die silberbeschlagene Pistole durch die Luft. Wie ein Unwetter fuhr er unter die Flüchtenden.
Der Hauptmann Luchesi, eine zerfetzte rote Fahne schwingend, geisterte an ihm vorüber.
»Hello, Luchesi, viva, viva!«
Der Hauptmann Luchesi stürzte, das Pferd stieg, vornüber stürzte er in eine Horde flüchtender Sensenmänner hinein. Viva Luchesi!
Unter der roten Fahne lag er. Sie trugen ihn fort. Kopfschuß. Sein Pferd brach aus und stürmte schaumflockend mitten in die Barrikade hinein.
Klaus Ringeis wollte noch nach den hängenden Zügeln greifen, es war zu spät.
Die Barrikade brannte.
Flammen loderten aus dem Getrümmer, die Baumwollballen flackerten. Ein Deckungskommando hatte Petroleumfässer in den Brand gerollt.
Durch die Flammenwand hindurch versuchte die preußische Infanterie zu stürmen. Man hörte ihr Gepolter und Gedröhn hinter dem Feuervorhang.
Noch war ein Häuflein Mutiger bei der brennenden Barrikade versammelt und schoß blindlings in Rauch und Qualm und Flammen hinein.
Verwundete schleppten sich aus der fürchterlichen Zone. Das brennende Petroleum lief unter sie hinein, es flackerte hinter den Flüchtenden her.
Einer sprang mitten in das Feuer hinein, um einen Kameraden herauszuholen. Als er in der Hölle war, stand er plötzlich aufrecht da, unbeweglich, wie ein schauriges Denkmal. Dann griff er mit beiden Armen in die Luft und rollte wie ein Bündel von der Barrikade. 414 Zwischen flackernder Baumwolle lag er reglos, seine Kleider fingen Feuer, das Petroleum, umheimlich lebendig geworden, eilte auf ihn zu, und jetzt war er selber eine flatternde Fackel.
Immer noch stand eine schwache Menschenmauer hinter der Barrikade, aber es war, als ob sie wankte, die Bedrängnis des Feuers wurde zu stark.
Da kam die Unheilsbotschaft von hinten.
»Die Husaren sind bei der Nordbarrikade!«
Jetzt barst die Menschenmauer. Regellose Flucht setzte ein. In wilden Haufen drängten sie schreiend und lärmend nach der Rheinbrücke, um sich ins Badische zu retten. Auf der Straße nach Mundenheim flohen sie in Scharen. Das Entsetzen und alle Teufel des Grauens waren hinter ihnen her.
Aus den Häusern kamen sie heraus, von den Dächern sprangen sie herab, aus Kellerlöchern krochen sie schweißbedeckt und schmutzverkrustet hervor und rannten um ihr Leben.
Das Deutsche Haus brannte. Menschen stürzten ins Freie. Über die flammende Barrikade, über die Fackeln der Baumwollballen hinweg, stürmte die preußische Infanterie das Innere der Stadt.
In diese regellose Flucht hinein brüllten die ersten Salven aus des Kommandanten von Corvin schweren Geschützen.
Wer war Kommandant von Corvin? Ein früherer preußischer Leutnant, jetzt Anführer bei den badischen Aufständischen. Corvin feuerte von Mannheim aus. Es rollte wie ein schweres Unwetter über den Rhein, mit Donnern barst das Unheil im Tumult der Straßen.
Der Unselige fing an, die unschuldige junge Stadt in Brand zu schießen.
Schon loderte es pechschwarz und stickig aus einem Petroleumlager, dumpfes Gewölk und schwefligen Schein verbreitend. An Hunderten von Fässern fraß sich das Feuer satt.
Das Zollamt brannte, von den flüchtenden Kolonnen in Brand gesteckt. In den Lagerhallen explodierte das Mehl, grandiose Funkenschwärme stoben nach oben und sanken verlöschend zurück. Corvin feuerte Salve auf Salve.
Die preußische Artillerie erwiderte das badische Feuer. Immer noch versuchten Blenker und Ringeis die Panik der Flucht abzudämmen, dann gaben sie es verloren.
Ihr Wahn von Freiheit brach rauchend über ihnen zusammen.
Schon dachte Oberst Blenker selber an Flucht. Er zügelte sein Pferd, 415 starr saß er oben und sann blitzschnell über sein Leben nach. Welch ein Leben! O Gott, welch ein Leben!! Noch sei die Sache nicht verloren, rief ihm Ringeis zu. Da zuckte er zusammen, es war, als hätte dieser Satz ihn zurückgerufen aus einer andern Welt.
»Bruder«, sprach er und seine Stimme zitterte, »vielleicht, daß ich mit dir noch über das große Wasser gehe.«
Ein tobender Menschenbrei quetschte sich auf der Brücke, einige wurden erdrückt in der gestauten Masse, andere fielen in den Rhein und ertranken, sie wüteten und rasten gegeneinander, nur noch getrieben von der irrsinnigen Sucht, ihr Häuflein Leben zu retten.
Ein Schrapnell zersprang mitten auf der Brücke, furchtbar war die Wirkung. Verwundete schrien auf, Besessene sprangen in den Rhein, sie schlugen aufeinander ein, über gestürzte Menschenkörper stolperten und trampelten sie dahin.
Die Geschütze der badischen Linienkompanie! Platz für die Geschütze!
Die beiden Geschütze in voller Bespannung zwängten sich in die zusammengequetschte Masse. Die Pferde wieherten, ihre gewaltigen Leiber brachen sich Bahn, die Räder rumpelten auf den Holzplanken.
Ein zersprengter Trupp vom Sensenkorps stimmte plötzlich einen heiseren Gesang an, das Grauen zwang sie zu singen, ihr Gesang war nichts als wirre Kopflosigkeit:
Erhör' unser Fleh'n du lieber Herr
Und schick' hunderttausend Preußen her,
Wir wollen sie alle legen zur Ruh',
Gib uns Pulver, gib uns Feuer und Blei dazu.
Der Brand der Petroleumfässer verdunkelte den Himmel, in bleiernen Schwaden quoll er durch die Luft, die gelbroten Flammenfahnen flatterten aus den Qualmwolken, manchmal schossen feurige Säulen aus der brodelnden Schwärze.
Im Zollamt warf eine Explosion das Dach in die Luft, wie Vögel wirbelten Ziegel und Holzteile durch das Flammenschauspiel und Funkengestöber.
Im Hafen wurde das erste Schiff in Brand geschossen, ein Segelfrachter mit Rundhölzern. Das Feuer fand großartige Nahrung, der Wind wehte die roten Flammensegel über den Hafen hin. Ein Petroleumschiff machte in überstürzter Eile Anker auf, um aus der 416 Feuerzone zu kommen, aber die Fässer brannten schon, lodernd trieb das Schiff in den Strom, die Besatzung brachte sich in Kähnen in Sicherheit, das brennende Schiff fuhr zu Tal, ein Scheiterhaufen auf dem grünen Gewässer.
Auch die Nordbarrikade brannte.
Die Husaren!
Baumwolle, mit Petroleum und Pech getränkt, ein qualmendes, gespenstisches Fackelfeuer.
Die schwarzen Husaren!!
Sie erschienen plötzlich in der feurigen Kulisse, es war, als ob die Flammen sie selber ausgespien hätten. Eine Horde jauchzender Teufel setzte auf gestreckten Pferdeleibern über die Barrikade, manche schienen in der Luft zu schweben und zu fliegen, andere stießen gegen brennende Baumwollbündel und kamen in einem wirbelnden Funkenmeer über die schaurige Hürde, andere stürzten beim Aufsprung, rafften sich blitzschnell auf und saßen schon wieder oben.
Nichts war, was dieser verwegenen Eskadron Halt gebot. Sie ritten dem Teufel vors Ofenrohr, sie schwangen die Säbel und brüllten in den Aufruhr hinein, zwischen fliehenden und schreienden Menschen sprengten sie hindurch, an den brennenden Lagerhäusern vorbei, in die Straßen hinein, wo mit dumpfem Dröhnen Corvins schwere Geschosse krepierten.
Die schwarzen Husaren vom siebten Regiment!
Es war kein Widerstand mehr da, es gab nur noch Flucht und Panik und hemmungsloses Entsetzen. Die Lagerhäuser, aus deren Dächern das Feuer brach, waren längst verlassen, beim Zollamt stürzte unter Qualm und Krachen und Funkenregen eine Fassade ein.
Die Husaren hetzten die letzten Flüchtenden, sie zerstreuten sich in einzelne Trupps, sie kamen wie des Satans Sonntagswetter mit pfeifendem Geräusch um die Ecken, ihre Pferde, nur noch halb versammelt, warfen die Köpfe mit den schaumigen Mäulern zurück, die Mähnenhaare, versengt und verbrannt, wehten im Luftzug des Galopps, manchmal stießen Feuer und Pulverdämpfe aus den abgeschossenen Pistolen.
Zwischen dem brennenden Zollamt und dem Rhein war eine schmale Gasse.
Ein Husarenoffizier kam von der Brückenstraße zurück; als er nach den vorderen Lagerschuppen ritt, sah er im Wolkenqualm und Petroleumgestank eine Gestalt auf einem Fuchs an sich vorübergeistern.
417 Einen Augenblick stutzte er, riß das Pferd zurück, machte steigend auf der Hinterhand kehrt und sprengte hinterher, in den Dunst und Rauch hinein und an dem schwelenden Getrümmer der gestürzten Zollhausfassade vorbei.
Wo war der Reiter?
Fort.
Nein, dort bog er in die schmale Gasse ein.
Mit ungeheurem Getöse brach das Dachgebälk eines Schuppens in sich zusammen. Der Offizier, den Galopp nicht zügelnd, schaute flüchtig nach oben, beizender Brodem stieg auf und er sah einen Schwarm Tauben, der verblendet mitten in die Flammen hineinstürzte.
Der Weg wurde schmaler, links schoben sich die Schuppen näher und rechts, gegen den Strom zu, war ein Zaun aufgerichtet.
Hohoo, der Flüchtende ritt in seinen eigenen Käfig hinein, eine Laderampe sperrte den Durchgang.
Schon war der Verfolger hart hinter ihm, da sprang der Reiter vom Pferd, riß die Pistole aus dem Gürtel und stellte sich mit dem Rücken breit gegen die Rampe. Der Husar war schon aus den Bügeln, bei der Rampe hob sich ein Arm mit einer silberbeschlagenen Pistole.
»Greta!« rief der Husar.
Greta Berghaus stand in einer lähmenden Starre, der Arm sank herab, die Pistole fiel aus ihrer Hand.
»Greta!«
Der Husarenoffizier Werner von Stetten sprang auf sie zu, schon hielt er sie in den Armen, er umschlang sie mit wilder Zärtlichkeit. Er fühlte, wie sie kraftlos wurde, wie sie ihm schon ganz entgegensank, wie ihr Mund stöhnend sich öffnete und ihre Lippen ihm entgegenblühten. Als er sie küßte, hatte sie einen Geschmack von Brand und verkohltem Holzgetrümmer, aber auch von unendlicher Süße und schmerzvoller Lust.
Ringsum stieg Rauch aus Häuserruinen, der Qualm vom Petroleumlager wurde niedergedrückt, er kroch wie Gewürm am Boden hin.
Mit einem Male war es Greta Berghaus, als ob sie geträumt hätte und das Erwachen nun mit harter Gebärde über sie käme.
Sie löste sich gewaltsam aus der Umschlingung und trat einen Schritt zurück.
Sie bückte sich langsam, hob die Pistole auf und schob sie in den Gürtel, ihre Lippen waren zusammengepreßt, ein gespenstisches Lauern lag in ihren Augen.
418 »Was willst du von mir?« sprach sie.
»Wirf um Gottes willen die Waffe fort, Greta!«
Er drang auf sie ein, aber sie hob abwehrend die Hand.
»Rühr mich nicht an!«
»Die Pistole fort, sage ich dir!«
»Habe keine Angst, ich schieße nicht.«
»Weißt du, was sie bedeutet, die Pistole in deiner Hand?!«
»Ja, ich weiß es.«
»Der Befehl lautet, wer mit der Waffe in der Hand betroffen wird, ist sofort zu erschießen.«
»Dann tue deine Pflicht, Husar!«
Sie lächelte, wieviel Rätselhaftes und Unergründliches lag in diesem stummen Lächeln.
»Greta!« rief der Husar, »was sagst du?«
»Nichts, was dir unbekannt wäre.«
Er kam auf sie zu, er bebte am ganzen Körper, die Erregung ließ seine Stimme heiser werden, er streckte den Arm nach ihr aus.
»Greta, du weißt – – daß ich – – dich liebe!«
»Ich weiß auch, daß deine Ehre über deiner Liebe steht.«
Er taumelte einen Schritt zurück, er schaute sich fassungslos im Kreise um, er sah überall nur Zerstörung, er selber roch nach Rauch und verbranntem Stoff. Dort stand sein Pferd, dort stand Gretas Pferd. War dieses Mädchen denn besessen!?
»Die Waffe her!« schrie er und riß blitzschnell die Pistole aus ihrem Gürtel. Sie wurde bleich im Gesicht, ihr Herz stand still, sie griff mit beiden Händen nach der Brust.
»Du solltest nichts gegen deine Ehre tun!«
Sie wollte nach der Pistole greifen, da kamen preußische Infanteristen über den Schutthaufen, sie waren auf der Suche nach versteckten Freischärlern, ein Offizier mit gezogenem Degen ging voraus.
»Hallo, Mädchen, habt Ihr Waffen?«
Greta schaute nach der Seite und machte eine wegwerfende Armbewegung.
»Fragt den Husaren!«
»Ha ha ha.« Der Infanterist lachte und kam auf Werner von Stetten zu, er sah die silberbeschlagene Pistole in der Hand des Husaren. »Kamerad, ich nehme an – –, der Befehl lautet, wer mit der Waffe – – –«
419 »Ihr seht, daß sie im Augenblick keine Waffe hat«, sprach der Husar hart und abweisend.
»Dann ist das ja in Ordnung, Kamerad.«
»Ja, dann ist das in Ordnung.«
»Sollen wir sie abführen?«
Werner von Stetten schob die Infanteristen beiseite, er trat auf Greta zu und schaute sie mit unbeschreiblichem Verwundern an.
»Sie ist meine Gefangene.«
Er befahl ihr, aufzusitzen und ihm zu folgen.
Der Infanterieoffizier lächelte, verfluchtes Lächeln, Werner von Stetten schwang sich in den Sattel.
»Eine schöne Waffe, die Sie hier haben, Kamerad. Mit kostbaren Silberbeschlägen. Sowas wünsche ich mir auch. Haben Sie das Ding irgendwie erbeutet?«
Werner von Stetten, die Zügel des zweiten Pferdes haltend, ritt mit Greta davon.
Als sie langsam und in müder Gangart in die Hauptstraße einbogen, war es dort fast menschenleer, es irrten nur noch ein paar Versprengte umher, gegen den Rhein zu drängte ein Trupp nach der Brücke.
Tote und Verwundete lagen auf der traurigen Walstatt.
Die badische Kanonade setzte verstärkt ein.
Der Brand des Petroleumlagers war jetzt erst in vollem Umfang ausgebrochen, der satte, penetrante Qualm verdunkelte die Sonne.
Husaren auf Menschenjagd stöberten vereinzelt durch die Straßen, Infanteristen drangen in die Häuser ein, um nach Freischärlern zu suchen, ab und zu bellten noch Schüsse auf.
Jetzt brannte auch der Bahnhof.
Eine Lokomotive heulte in den verebbenden Tumult hinein. Manchmal war es urplötzlich verängstigt still, in diese Stille brummten mit fürchterlichem Getöse Corvins schwere Kartätschen.
Es blies irgendwo zum Sammeln, der Husar spürte der Herkunft der hellen Signale nach, plötzlich galoppierte es mit Gepolter von hinten heran.
Er schaute sich um – – der Brasilianer.
Ja, Klaus Ringeis, der Mann, der übers Meer gekommen war, um seine Heimat zu sehen, da saß er auf dem abgetriebenen Pferd und suchte die Freiheit. Er war schwarz im Gesicht von Ruß und Schmutz, sein kariertes Hemd hing zerrissen in Fetzen, am herrlichen Wams 420 fehlten silberne Knöpfe, ein Blutrinnsal lief von der linken Schläfe herunter.
»Ich wünschte, Ihnen an anderer Stelle zu begegnen«, sprach der Husar und zwang sich zu einem schmerzlichen Lächeln.
»Unser Wiedersehen könnte kaum abenteuerlicher sein«, antwortete Klaus Ringeis und warf einen fragenden Blick auf Greta, den sie von unten herauf mit dunklem Glanz erwiderte.
»Jetzt fehlt noch Oberst Blenker in diesem Hexenspiel.«
»Er ist nicht weit, Herr Leutnant.«
»Gott verhüte, daß ich auch ihm begegne.«
»Ich sehe meine Pistole in Ihrer Hand.«
Der Husar schob die Waffe in die Satteltasche.
»Vielleicht, daß sie mir selber verhängnisvoll wird. Sie waren ein amüsanter Zauberer, Klaus Ringeis, ich denke noch an die kleine Kugel. Ich wollte, Sie könnten auch jetzt zaubern.«
»Und was denn?«
»Daß dies alles nicht gewesen sei!«
»Was soll das heißen?«
»Daß es schwer ist, seine Freunde zu Gefangenen zu machen. Hören Sie genau her: wenn Sie noch eine Waffe besitzen sollten, ich habe sie nicht gesehen! Sie werden mich verstehen?«
Klaus Ringeis wischte das Blut aus seinem Gesicht, dann drängte er sein Pferd an das des Husaren heran.
»Wer ist hier der Gefangene?«
»Darüber besteht kein Zweifel.«
»Sagten Sie nicht, daß ich zaubern sollte, dies alles – –?«
Er griff blitzschnell dem Husarenpferd in die Nüstern, das Pferd ging rückwärts und wollte steigen, Werner von Stetten setzte die Sporen ein. Ringeis griff fester zu, das Pferd brach aus, der Leutnant versuchte, es zu versammeln, es entstand ein kleiner Tumult.
Greta Berghaus stieß einen hellen Ruf aus und stob davon.
»Abra kadabra, adios caballero!«
Schon preschte auch er davon.
»Über die Brücke«, rief er Greta zu.
Sie galoppierten auf die Schiffbrücke zu, der Husar kam hinterher, er riß die Pistole aus der Tasche, aber er schoß nicht. Er preßte das Letzte aus seinem Pferd heraus, er kam ihnen näher, er sah Greta vor sich, sie hatte die Mütze vom Kopf gerissen, die kurzen Haare flogen nach oben, einmal schaute sie sich um, er sah das erregte Antlitz mit den 421 blitzenden Augen. Überall Brandgeruch. Dunkle Schwaden sanken vom Himmel. Überm Rhein wurde eine belfernde Breitseite abgeschossen. Die Fliehenden donnerten über die Holzplanken der Schiffbrücke. In der Mitte hatten sich Menschen gestaut.
Schreiend und winkend rannten sie den Reitern entgegen. Auch der Husar war auf der Brücke.
Was war denn los, warum quetschten sich dort die Menschen zusammen!?
Klaus Ringeis sprengte in den bewegten Knäuel hinein, da sah er, daß zwei Brückenjoche ausgefahren waren, der Übergang war gesperrt. Breit und grün und rauschend schoß der Rhein durch die offene Rinne.
Im nächsten Augenblick setzte Klaus Ringeis zum Sprung an, Greta kam einen Herzschlag später hinterher, in prachtvollen Kurven sprangen beide in den Rhein.
Das Wasser spritzte, Menschen schrien und zwängten sich an die Seitengeländer der schwankenden Brücke.
Großer Gott und heilige Maria, die beiden saßen noch auf den Pferden, der reißende Strom trieb sie ab, sie strebten dem badischen Ufer zu.
»Platz da! Ein Husar!«
Sie wichen schreiend zurück, einige sprangen ins Wasser. Andere deuteten bergwärts, dort kam es feurig heran. Der Husar zügelte eine Sekunde, er sah die beiden im Strom, sie blickten sich um nach ihm, ein klingender Ruf kam herüber, sie hatten schon fast das Ufer erreicht. Grausames Spiel einer Sekunde! Der Husar, rätselhaft gerufen, schaute nach der andern Brückenseite, dort stand ein Mensch! Oberst Blenker!
›Riesig groß, wie mein Schicksal‹, dachte Werner von Stetten, dann riß er das Pferd zum Anlauf zurück, gab die Sporen und setzte in weitem Bogen in den Rhein.
Und mitten im Sprung, als er auf gestrecktem Pferdeleib in der Luft wie ein wunderlicher Vogel schwebte, traf ihn Blenkers Kugel.
Er fühlte einen fürchterlichen Schlag.
›Mein Freund‹, wollte er rufen, da schlug das Wasser rauschend über ihm zusammen. Im Getöse des Stroms sank er vom Pferd, er tauchte auf und wurde von einem kreisenden Schwindel erfaßt. Nur noch mechanisch griff er nach einem Seil und dann hing er, mit beiden Händen sich anklammernd, am letzten ausgefahrenen Brückenjoch.
Grün gurgelte das Wasser an ihm vorüber, dann wurde das Wasser 422 schwarz, er vernahm ein Gedröhn, es riefen Menschen in der Ratlosigkeit des Entsetzens.
Er fühlte, wie er schwach wurde, warum schrien die Menschen so?!
Jetzt war es plötzlich rot um ihn, es war Blut, das aus seiner Brust strömte und das Wasser färbte.
Die Schreie preßten sich qualvoll in seine Ohren. Er schaute nach oben und sah das Unheil näher kommen. Brennende Holzflöße.
Um die Brücke in Brand zu setzen und den Preußen den Übergang zu verwehren, hatten sie bergwärts gewaltige Holzflöße mit Pech und Petroleumfässern beladen, angezündet und in den freien Strom gebracht.
Diese lodernden Fahrzeuge des Verderbens trieben jetzt auf die Brücke zu, von der alle Menschen geflohen waren. Der Husar sah es auf sich zukommen, maßlos rot und glühend entfacht, eine schwimmende Hölle, überfackelt von den brennenden Fässern.
Der Tod, ein Flammengott, stand am Steuer seines aberwitzigen Fahrzeuges, mit wunderlichem Gepränge fuhr er zu Tal. Der Husar, tief ergriffen von solchem Schauspiel, fühlte weder Furcht noch Grauen. Er dachte an Greta, die unendlich weit fort war, er dachte an ihre Waffe und an seine Soldatenpflicht. Das Schicksal meinte es gut mit ihm, es hatte ihn einer peinlichen Entscheidung enthoben.
Die Feuerflöße rammten die Brücke, mit prasselndem Getöse fuhren sie unter das Holzgefüge.
Petroleumfässer platzten auseinander, das brennende Öl schoß in ausbrechenden Strömen über das Wasser.
Siedendes Pech loderte auf, kroch an Brückenbalken hoch und fraß sich an den Pontons fest.
Die Brücke brannte.
Der Rhein brannte.
Über das strömende Wasser gurgelte das brennende Öl und Pech.
Der Husar fühlte, wie er verblutete, die letzte Kraft rann aus seiner Brust.
Er sah nicht mehr, wie die Flammenzungen auf ihn zuschossen, gewaltsam die Augen öffnend, hatte er nur die Vorstellung, das Feuer stürze vom Himmel wie ein Wolkenbruch auf ihn nieder.
Die verkrampften Hände lösten sich, er trieb im Strom, er versank und tauchte wieder auf, er fand keinen Widerstand, dem Tod segelte er in die offenen Arme.
Das Bewußtsein verließ ihn, wie hätte er sehen können, daß 423 Klaus Ringeis sich talwärts in den Strom stürzte, auf ihn zuschwamm und ihn kurz vorm Versinken auffing, um ihn mühsam aus dem Wasser und dem Wirrsal brennender Holztrümmer an das badische Ufer zu bringen.
Dort lag der Husarenleutnant Werner von Stetten zwischen Weidengebüsch und Erlengehölz. Der Brasilianer zog das nasse Wams aus und legte es unter seinen Kopf.
Greta tauchte zwischen den Bäumen auf und brachte die Pferde. Sie trug wieder die Silberpistole im Gürtel. Sie sprach nichts. Als sie sah, daß seine Augen geschlossen waren, setzte sie sich an seine Seite nieder und schlang beide Arme um ihn.
Sie fuhr ihm über Stirn und Wangen, da schlug er die Augen auf.
»Greta«, sprach er. Ganz hell und klar und voll rätselhafter Schau waren seine Augen.
»Er lebt«, flüsterte der Brasilianer, »er hat wohl nur zuviel Wasser – –«
»Siehst du denn nicht das Blut?«
»Der Zauberer – –«, sprach der Husar.
Klaus Ringeis schüttelte die Nässe von sich ab und lächelte, es nahm sich toll aus, das Lächeln in diesem geschwärzten, zerschundenen und blutbeschmierten Gesicht, auf dem jetzt noch die Brandwunden glänzten.
»Soll ich den Trick mit der Kugel machen? Ja, soll ich?«
Er suchte in den nässeverklebten Taschen nach der weißen Zauberkugel.
»Schaut her, sennores, – – ich nehme die Kugel – o madre de dios!«
Ein Blutstrom quoll aus dem Mund des Sterbenden.
Oberst Blenker stand da, unheimlich lautlos war er gekommen.
»Ich habe es nicht gewußt«, sprach er.
Er beugte sich nieder, seine Augen bekamen einen sonderbaren Glanz.
»Husar, – – Eure Hand!«
Noch einmal schlug Werner von Stetten die Augen auf.
»Wann wird – – das ein Ende haben, – – daß Deutsche auf – – Deutsche schießen?« hauchte er verlöschend und versuchte, die Hand auszustrecken.
»Eure Hand – – Husar!«
»Wir sind – alle Brüder.«
424 Eine große Stille.
Geschützdonner.
Finkenschlag aus bewegten Bäumen.
»Er ist tot«, sprach Greta Berghaus, »geht alle fort und laßt mich allein.«
Oberst Blenker kniete nieder vor dem Toten. Er nahm den Erlöserorden von seiner Brust und heftete ihn an den schwarzen Waffenrock des toten Husaren.
»Geht alle«, sprach Greta Berghaus. –
– Es war vier Uhr nachmittags. Sie saß bis in die Nacht hinein bei dem Toten. Sie bewegte sich fast nicht, aber sie weinte ohne Unterlaß. Es war kein lautes Weinen, kein Aufruhr des Schmerzes, die Quelle ihrer Trauer saß zu tief, das glitzernde Rinnsal brach lautlos aus unergründlichen Schächten hervor. Als die Nacht kam, war der Himmel rot und qualmig. Die glühenden Flaggen waren schaurig über der brennenden Stadt gehißt.