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Deutsch von August Leskien
Als Gott den Adam geschaffen und ihm den Namen Mensch gegeben hatte, schuf er auch alle Tiere, die es auf dieser Erde gibt, groß und klein, aber Namen gab er ihnen nicht, sondern wollte hören, wie Vater Adam die Tiere nennen wird. Gott wußte wohl die Namen aller Tiere, aber er erwies dem Vater Adam die Ehre und brachte alle Tiere vor ihn, daß er jeglichem den Namen gäbe. »Sohn Adam,« sprach Gott, »ich mache dir etwas zu tun mit den Tieren da, die ich geschaffen habe; ich trage dir auf, ihnen Namen zu geben, denn alle Tiere sollen dir dienen, und darum mußt du auch jedes Tier bei Namen rufen können.« Nach Gottes Befehl kamen nun alle Tiere vor Adam, verneigten sich vor ihm wie vor ihrem Zaren, und Adam gab einem jeden seinen Namen. Als so alle Tiere beim Vater Adam vorbeimarschiert waren, ordneten sie sich, verneigten sich vor ihm und gingen jedes an die Arbeit, die ihm Gott verordnet hatte.
Adam richtete sich nun auf und sprach zu den Obersten der Tiere: »Hört mich an, ihr Obersten, ich befehle euch, darauf bedacht zu sein, jeder für seine Untergebenen, daß jedes Tier ein Handwerk lernt und darin seine Arbeit hat; eins mag singen, eins pfeifen, eins mit den Flügeln rauschen, andere mit Armen und Beinen etwas verrichten. Mit einem Wort, jedes soll lernen was es kann, aber irgend etwas muß es verstehen; mag es das niedrigste Handwerk sein, lernen muß es. Nach vierzig Tagen erwarte ich euch hier an dieser Stelle, daß jedes Tier seine Kunst vor mir zeige. Und ihr Untergebenen, habt ihr gehört, was ich euren Obersten befohlen habe? Jedes von euch soll gehorsam das Handwerk lernen, das sein Oberster lehren wird. Wer nicht bis zum vierzigsten Tage irgendeine Kunst gelernt hat, soll wissen, daß er dann vor der ganzen Versammlung beschämt wird, weil er nichts gelernt hat.«
Darauf gingen die Tiere fort, und jeder Oberste bemühte sich, seine Untergebenen irgendein Handwerk zu lehren. So waren neununddreißig Tage vergangen, und sie fingen an, die Tiere herbeizurufen und in Herden zu versammeln, jede Art besonders, um nun zum Vater Adam zu gehen und das Handwerk zu zeigen, das jedes Tier von seinem Obersten gelernt hatte.
Der Oberste der Störche allein hatte vergessen, seine Störche irgend etwas zu lehren, aber zum Glück für die Störche hatte er davon gehört, wie man die anderen Tiere zusammenrief, daß sie zum Vater Adam gehen und zeigen sollten, was sie in den vierzig Tagen gelernt hatten. »Daß Gott erbarm,« dachte er bei sich, als er merkte, daß er Adams Befehl vergessen hatte, »ich esse da immer Frösche und Schlangen und vergesse, meine Störche ein Handwerk zu lehren; das ist eine schöne Geschichte, wie wird das vor Vater Adam ausgehen, ich werde da mit Schanden bestehen.« In solchen Gedanken flog er zu seinem Nest und verfiel in Nachdenken, wie er es anfangen sollte, noch eine Kunst zu lernen und seine Störche zu lehren, daß er sich vor dem Vater Adam nicht zu schämen brauche.
Zu der Zeit spazierte der Baumhacker (Specht) von Baum zu Baum und klopfte an die Bäume, damit die Ameisen herauskämen und er sie verzehren könnte. Er wollte auch mit den Seinen zum Vater Adam, um dies sein Handwerk zu zeigen.
Während nun der Storch nachdenklich dastand, hörte er das Klopfen des Baumhackers: tak, tak, tak!, und versuchte gleich, mit seinem Schnabel das Klopfen nachzumachen, aber so wie der Baumhacker brachte er es nicht heraus, denn er vernahm nur, wie dessen Klopfen von einem nahen Berge widerhallte, und statt tak, tak hörte er klak, klak. Dies Geklapper versuchte er mehrmals, lernte es, versammelte sofort die Störche und lehrte sie klappern, wie er es selbst konnte, und am nächsten Morgen machten sie sich auf zum Vater Adam, ihre Kunst zu zeigen.
Am vierzigsten Tage waren alle Tiere bei Vater Adam versammelt, und als sie sich in Herden aufgestellt hatten, fragte er jeden, was er gelernt habe. Da fingen alle nach der Reihe an ihre Kunst zu zeigen. Zuerst brüllte der Löwe mächtig, so daß alle Tiere erschraken. Da verlieh ihm Adam, daß er Zar über alle Tiere sein sollte. Als der Esel das sah, beneidete er den Löwen und brüllte ebenfalls aus Leibeskräften, aber kein Tier erschrak vor seinem Gebrüll, und Adam verlieh zwar dem Esel, daß er brüllen dürfe, aber so, daß niemand vor seinem Gebrüll und Geschrei erschrecke. Daher kommt es, daß der Esel immer brüllt, um die Tiere zu erschrecken, weil er meint, er sei eben so gut wie der Löwe. Nach ihnen zeigten alle Tiere ihre Künste: einer singt, einer pfeift, einer kann mit den Flügeln, andere mit Armen und Beinen etwas ausrichten, und so zeigte jeder, was er konnte, zuletzt auch die Störche ihr Klappern. Die aber, die nichts gelernt hatten, verurteilte Vater Adam, für alle Zeit stumm zu sein. Und wirklich, so verblieben alle Tiere bei den Namen, wie sie Adam ihnen gegeben hatte, und bei den Künsten, die er ihnen damals verliehen hatte, so daß von da an bis heute und in alle Ewigkeit einige singen und auf die Weise miteinander reden und sich untereinander verstehen, andere aber stumm sind und sich nur durch Zeichen verständigen.
Es lebte einmal in einem Dorfe ein Beg, der hatte nichts als ein Pferd, einen Jagdhund und eine Flinte; andere Beschäftigung hatte er nicht als die Jagd, und davon ernährte er sich. Eines Tages ging er auf die Jagd, zu Pferde, die Flinte auf der Schulter, den Hund neben sich, und zog auf das Gebirge. Als er dort auf eine ebene Stelle gekommen war, band er sein Pferd an eine Buche und ließ es dort, er selbst ging mit der Flinte auf der Schulter weiter durch den Wald. Während er so im Gebirge jagte, kam ein Fuchs zu seinem Pferde und legte sich daneben.
Der Beg verweilte längere Zeit im Walde, erlegte aber nur ein Reh. Als er nun zu seinem Pferde zurückkam, verwunderte er sich, da er den Fuchs neben dem Pferde liegen sah, legte gleich an und wollte ihn erschießen. Als der Fuchs das merkte, sprang er auf und bat den Beg, ihn nicht zu erschießen, er wolle ihm sein Pferd getreulich schützen und behüten. Auf diese Bitte erbarmte sich der Beg und ließ den Fuchs am Leben; dann bestieg er sein Pferd, legte das Reh auf die Kruppe, nahm den Fuchs mit und ging nach Hause. Da bereitete er sich aus dem Reh das Abendessen, und das Eingeweide gab er dem Fuchs, damit auch der ein Abendessen habe. Am anderen Morgen zog der Beg wieder auf die Jagd und nahm zur Gesellschaft den Fuchs mit. Auf derselben Ebene band er wieder das Pferd an die Buche und ging ins Gebirge jagen; den Fuchs ließ er da, das Pferd zu bewachen. Während er fort war, blieb der Fuchs eine Zeitlang mit dem Pferd allein, aber bald kam ein Bär und wollte das Pferd auffressen; doch der Fuchs bat ihn, er möge dem Pferde nichts tun, sondern auf dessen Herrn warten, dabei würde ihm wohl sein, denn der Beg würde ihnen beiden bei sich zu Hause Nahrung geben. Der Bär ging darauf gern ein, legte sich mit dem Fuchs hin und wartete auf die Rückkehr des Herrn von der Jagd. Als der Beg zurückkam, verwunderte er sich, da er den Bären mit dem Fuchs bei dem Pferde liegen sah, faßte gleich nach seiner Flinte und legte auf den Bären an. Der Fuchs aber bat ihn, er möge dem Bären nichts tun, er wolle mit dem zusammen das Pferd bewachen und jederzeit zu Diensten sein. Darauf setzte der Beg die Flinte ab, warf die zwei Rehe, die er erlegt hatte, hinter sich aufs Pferd und begab sich in Gesellschaft von Bär und Fuchs nach Hause. Am nächsten Tage ging er wiederum ebenso auf die Jagd; diesmal erschien ein Wolf, und auch den nahm er mit nach Hause; das nächste Mal kamen eine Maus und ein Maulwurf, dann wieder ein Wolf und der Vogel Kumrikuscha, der war so groß, daß er ein Pferd und einen Menschen wegtragen konnte. Alle diese Tiere fütterte der Beg zu Hause; zuletzt kam auch noch ein Hase zu der Gesellschaft. Eines Tages sprach der Fuchs zu dem Bären: »Geh, lieber Bär, bring einen Baumstumpf her, auf den will ich mich setzen und euch einen Befehl geben, ihr aber sollt mir gehorchen.« Darauf ging der Bär gleich in den Wald und brachte einen großen Baumstumpf; der Fuchs stieg hinauf und begann seine Rede: »Merkt auf, wir wollen unseren Beg verheiraten.« Darauf antworteten die anderen: »Gut! Aber wie? Wir wissen ja nicht, wo wir ein Mädchen für ihn finden sollen.« Darauf sagte der Fuchs: »Der Zar hat eine Tochter, mit der wollen wir unseren Beg verheiraten. Deshalb geh du Kumrikuscha vor den Palast des Zaren und warte, bis seine Tochter zum Spaziergang herauskommt, dann ergreife sie und bringe sie hierher.« Da begab sich Kumrikuscha sogleich vor den Zarenpalast und wartete auf die Tochter. Gegen Abend kam sie mit ihrer Dienerin heraus, um einen Spaziergang zu machen, Kumrikuscha flog herzu, ergriff sie, setzte sie auf den Rücken, und nun fort des Weges, den er gekommen war.
Als der Zar vernahm, was seiner Tochter geschehen war, wurde sehr er bekümmert und versprach sogleich dem viele Schätze, der sie ihm wiederfinden würde; aber ganz vergeblich, denn niemand wollte es unternehmen. Da auf einmal fand sich eine Zigeunerin ein, ging zum Zaren und sagte: »Herr, was willst du mir geben; ich werde sie dir wiederfinden.« Als der Zar das hörte, wurde er froh und rief: »Fordere was du willst, wenn du sie nur findest.« Darauf ging die Zigeunerin nach Hause, nahm ihre Bohnen und zauberte damit nach alter Weise; dadurch erfuhr sie, daß die Zarentochter sich weit weg befinde, zehn Tagereisen von da, und rüstete sich gleich zur Reise dahin. Sie nahm ihren Teppich und eine Peitsche, setzte sich auf den Teppich und hieb mit der Peitsche darauf. Da erhob sie sich in die Luft und flog gradeswegs in die Gegend, wo der Beg sich mit der Zarentochter befand. Etwas entfernt vom Hofe des Begs ließ sie sich nieder, ließ Teppich und Peitsche dort zurück, schlich um das Gehöft herum und wartete, daß die Zarentochter zum Spaziergang herauskäme. Nach einiger Zeit kam sie wirklich, die Zigeunerin eilte gleich auf sie zu und fing ein Gespräch mit ihr an. Als sie so im Gespräch sich ziemlich weit vom Hofe entfernt hatten, forderte die Zigeunerin die Zarentochter auf mit ihr zu kommen, und diese folgte ihr. Da erblickte sie den Teppich, den die Zigeunerin ausgebreitet hatte und sagte: »Da ist ein Teppich, setzen wir uns darauf!« Das kam der Zigeunerin gerade recht, sie liefen beide zu dem Teppich hin und setzten sich darauf. Darauf nahm die Zigeunerin die Peitsche, tat einen Hieb auf den Teppich und erhob sich in die Luft, gradeswegs zu dem Zaren. Als der seine Tochter erblickte, wurde er froh und beschenkte die Zigeunerin reichlich, die Tochter aber schloß er in ein Zimmer ein und verbot ihr, jemals irgend wohin herauszugehen, gab ihr auch zwei Dienerinnen bei, die sie bedienen sollten.
Als der Fuchs vernahm, was aus der Frau des Begs geworden war, versammelte er seine Genossenschaft und hielt ihnen eine Rede: »Wir haben zwar unseren Beg mit der Zarentochter verheiratet, aber man hat sie uns gestohlen, und nun ist unser Beg wieder Junggesell. Deshalb müssen wir ihm jetzt die Zarentochter wieder holen, aber das ist nicht leicht für uns, denn der Zar hat sie eingeschlossen und läßt sie nirgendhin herausgehen. Darum will ich mich in eine schöne bunte Katze verwandeln, geziert mit allen Farben, und will unter dem Fenster der Zarentochter spielen. Wenn sie mich sieht, wird sie ihre Dienerinnen schicken mich zu fangen; ich lasse mich aber nicht fangen, ehe sie selbst kommt; und wenn sie kommt, dann erscheine du dort, Kumrikuscha, ergreife sie und bringe sie gleich zu unserem Beg; ich will schon zusehen, daß ich heil davonkomme und sie mich nicht fangen.« Als so der Fuchs alle angewiesen hatte, wie sie verfahren sollten, stimmten alle zu. Darauf nahm Kumrikuscha den Fuchs unter seine Flügel und flog in das Reich, wo die Zarentochter sich befand, gradeswegs zu dem Zarenpalast. Dort ließ der Vogel sich sanft nieder, der Fuchs verwandelte sich sogleich in eine bunte Katze, geziert mit allen Farben, ging unter den Altan der Zarentochter und fing dort an zu spielen und herumzutanzen. Als sie das bemerkte, schickte sie gleich ihre Dienerinnen, die Katze zu fangen und sie ihr zu bringen. Die Dienerinnen gingen auch gleich hinab und versuchten auf alle Weise, die Katze zu fangen, aber die ließ sich nicht greifen. Darauf kam die Zarentochter selbst herab sie zu fangen, und sobald sie auf die Katze zuging, fand sich Kumrikuscha dort ein, packte sie und eilte mit ihr zurück, der Fuchs lief hinterher. Als der Zar vernahm, was mit seiner Tochter geschehen war, ließ er seine Jagdhunde los, um die Katze zu fangen, die da gespielt hatte. Als die Katze merkte, daß die Hunde sie fangen wollten, schlüpfte sie in eine Höhle, die Hunde konnten sie da nicht herausziehen und kehrten um; die Katze kam wieder heraus, verwandelte sich in den Fuchs und ging dem Kumrikuscha nach, der dem Beg schon die Zarentochter, seine Frau, gebracht hatte.
Als nun der Zar sah, daß er seine Tochter nicht wieder bekommen konnte, rüstete er ein gewaltiges Heer und führte es gegen die Tiere. Da rief der Fuchs alle Tiere, die mit ihm bei dem Beg waren, zusammen: den Bären, den Wolf, den Hasen, den Maulwurf, die Maus und den Vogel Kumrikuscha, und sprach zu ihnen: »Seht, der Zar hat sein Heer gegen uns ausgeführt und will uns alle vertilgen; also laßt auch uns gegen ihn unsere Tierscharen aufbieten. Wieviel Bären kannst du, lieber Bär, zusammenbringen?« – »Dreihundert.« – »Und du, Wolf, wieviel Wölfe?« – »Fünfhundert.« – »Und du, Hase, wieviel Hasen?« – »Achthundert.« – »Und du, Maus, wieviel Mäuse?« – »Dreitausend.« – »Und du, Maulwurf, wieviel Maulwürfe?« – »Achttausend. « – »Und du, Kumrikuscha, wieviel kannst du von den Deinigen zusammenbringen?« – »Etwa zwei- oder dreihundert.« – »Gut, so geht alle und sammelt soviel jeder gesagt hat; wenn ihr sie zusammenhabt, führt sie hierher, ich werde euch dann angeben, was ihr zu tun habt.« Als der Fuchs seine Rede geendet hatte, gingen sie alle in die Wälder und sammelten das Heer. Nach einiger Zeit vernahm man von allen Seiten ein furchtbares Geschrei und Getöse, das Bärenheer, das Wolfsheer und alle anderen kamen von überallher herbei. Als sie nun alle hübsch beisammen waren, trat der Fuchs unter sie und begann zu ihnen zu reden: »Ihr Bären und Wölfe rückt zuerst aus, und wenn das Zarenheer im ersten Nachtlager ist, zerreißt ihr alle ihre Pferde; ihr Hasen laßt euer Wasser in die Kanonen, daß sie nicht losgehen können. Im zweiten Nachtlager zernagt ihr Mäuse ihnen alle Sättel, denn sie werden wieder Pferde gekauft haben. Im dritten Nachtlager grabt ihr Maulwürfe rings um das Heer des Zaren fünfzehn Ellen in die Breite und zwanzig Ellen in die Tiefe; und ihr Kumrikuschas werft von oben mit Steinen, wenn das Heer morgen heranrückt.« Damit gingen alle ab. Im ersten Nachtquartier des Zaren kamen die Bären und Wölfe und zerrissen in der Nacht alle Pferde des Heeres. Das meldeten am nächsten Morgen die Soldaten dem Zaren, der wurde nachdenklich, was das sein könnte, kaufte aber gleich wieder andere Pferde und zog mit seinem Heere weiter. Im zweiten Nachtlager kamen in der Nacht die Mäuse und zernagten alle Sättel. Das bemerkten in der Frühe die Soldaten, meldeten es sogleich dem Zaren, der kaufte andere Sättel und zog weiter. Beim dritten Nachtlager schickte der Fuchs die Maulwürfe, die um das ganze Heer des Zaren fünfzehn Ellen breit und zwanzig Ellen tief graben sollten. Um ihnen die Arbeit zu erleichtern, schickte er die Bären mit, die ihnen helfen sollten die Erde herauszuschaffen. Etwa um Mitternacht verteilten sich die Maulwürfe rings um das Heer und fingen an unter der Erde zu graben, nur an einer Stelle ließen sie ein Loch, durch das sie die Erde hinauswerfen wollten; die Bären warteten draußen und trugen die Erde weg, etwas von dem Heere entfernt. Am nächsten Morgen stieg das Heer des Zaren zu Pferde und zog weiter. Da aber fingen sie an in die Erde einzusinken, und der Fuchs schickte die Kumrikuschas, von oben Steine auf sie zu werfen. Als nun der Zar sah, daß sein Heer zugrunde geht, rief er aus: »Laßt uns umkehren! Das ist eine Strafe Gottes dafür, daß wir gegen die Tiere zu Felde gezogen sind. Mögen sie meine Tochter behalten, die sie entführt haben.« Darauf wandten sie sich sogleich zum Rückzug, aber auch dort fingen sie wieder an einzusinken. Da rief der Zar: »Wenn uns schon Gott damit straft, daß die Erde unter uns birst, warum treffen uns noch Steine von oben?« Nach und nach kamen alle um sammt dem Zaren. Einige Zeit nachher verlegte der Fuchs seinen Thron nach Stambul und begann dort zu herrschen; der Beg gab die Jagd auf und lebte mit dem Fuchse vergnügt in Stambul, die Zarentochter blieb seine Frau, die ihm niemand mehr gestohlen hat.
Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne; sein Verlangen war immer nach Moschee und Gebet. So baute er eine schöne Moschee, und als die Bauleute fertig waren, ging er hin zu beten. Während er betete, kam ein Derwisch und sagte zu ihm: »Die Moschee ist schön, aber das Beten ist unwirksam.« Als der König das gehört hatte, riß er die Moschee von Grund aus nieder und baute anderswo eine noch schönere. Als sie fertig war, ging er wieder hin zu beten; der Derwisch kam und sagte dasselbe wie vorher. So riß der König auch diese Moschee wieder ab und baute eine andere; darauf verwendete er so viel Geld, daß er sein ganzes Vermögen ausgegeben hatte, das ganze Königreich. Als auch die dritte Moschee fertig war, ging er wieder hin zu beten. Während seines Gebetes kam der Derwisch und sagte wieder dieselben Worte. Da erhob sich der König, ging in seinen Palast und saß betrübt da, denn um nochmals die Moschee abzureißen und eine neue zu bauen, hatte er nichts mehr, und falls er beten ginge, wäre das Gebet unwirksam. Seine Söhne bemerkten, daß er so in Gedanken und sehr betrübt dasaß und sprachen: »Was hast du, Vater, daß du so betrübt bist? Wir haben noch Vermögen, wir sind ja Könige; warum bist du so in Gedanken versunken?« Der König antwortete ihnen: »Ich habe mein ganzes Vermögen auf die Moschee verwendet, und das Beten gelingt mir nicht.« Darauf sagten die Söhne: »Warum bleibt dir das Gebet unwirksam?« Er antwortete: »Jedesmal wenn ich in der Moschee bete, kommt ein Derwisch und spricht zu mir: ›Das Beten ist unwirksam‹.« Darauf sagten die Söhne: »Geh morgen in die Moschee und bete, wir wollen draußen bleiben und aufpassen, daß wir den Derwisch greifen, damit wir sehen, was das auf sich hat.« So geschah es, der Derwisch kam wie sonst und sagte zu dem König: »Die Moschee ist schön, aber das Beten ist unwirksam.« Als nun der Derwisch sich anschickte aus der Tür zu gehen, ergriffen ihn die Söhne und sagten zu ihm: »Warum sprichst du die Worte: die Moschee ist schön, und das Beten ist unwirksam?« Der Derwisch antwortete: »Diese Moschee ist sehr schön, wie sonst keine in der Welt, aber sie müßte noch die Nachtigall Gisar haben, und die müßte darin singen, dann würde sie etwas sein, was es sonst in der Welt nicht gibt.« Die Söhne fragten: »Wo ist die Nachtigall Gisar? Wir wollen gehen und sie holen.« Der Derwisch antwortete: »Ich habe davon gehört, aber wo sie ist, weiß ich nicht.« Da ließen sie den Derwisch gehen, gingen in den Palast und sagten zu ihrem Vater: »Der Derwisch hat uns gesagt, daß die Nachtigall Gisar fehlt, aber wo die ist, weiß er auch nicht; jetzt wollen wir gehen und sehen, daß wir herausfinden, wo sie ist.« So machten sich die drei Söhne auf, die Nachtigall Gisar zu suchen. Als sie etwa zwanzig Tagereisen gemacht hatten, kamen sie an einen Ort, wo sie auf drei Wege trafen, an jedem war ein Stein, auf dem etwas geschrieben stand; an zwei Wegen besagte die Schrift: »Wer diesen Weg geht, kommt zurück,« und an einem stand geschrieben: »Wer diesen Weg geht, kommt nicht mehr zurück.« Die drei Brüder blieben nun da stehen und berieten sich, und der jüngste sagte: »Wir wollen uns hier trennen und jeder seinen Weg einschlagen; hier wollen wir unsere drei Ringe lassen, und wer zuerst zurückkommt, soll gehen und die anderen suchen.« Sie ließen die Ringe unter einem Stein, umarmten sich und gingen auseinander. Der jüngste nahm den Weg, wo geschrieben stand: »Wer diesen Weg geht, kommt nicht mehr zurück,« die beiden anderen gingen die Wege, auf denen man zurückkommen konnte. Der eine der beiden älteren Brüder ging in eine Stadt und wurde Barbier, der andere in eine andre Stadt und machte ein Kaffeehaus auf; dort blieben sie und besorgten ihre Geschäfte. Der jüngste, der den Weg genommen hatte, auf dem man nicht zurückkommen sollte, geriet in eine Wildnis, wo es kein Dorf, kein Gasthaus und nirgends einen Menschen gab, nur wilde Tiere und andere wilde Geschöpfe. Unterwegs traf er auf eine wilde Frau, die kämmte ihr Haar mit Ginster; der Bursche ging hin, kämmte sie mit einem Kamm und nahm ihr den Schmutz und die Läuse ab, die sie auf dem Kopf hatte; und als er sie so davon befreit hatte, sagte sie zu ihm: »Was möchtest du von mir dafür, daß du mir diese Wohltat getan und mich von den Läusen befreit hast?« Er antwortete: »Ich möchte nicht, daß du mir etwas gibst, aber ich möchte dich etwas fragen, und wenn du es weißt, sags mir.« Sie fragte darauf: »Was willst du mich fragen?« Der Bursche antwortete: »Ich suche die Nachtigall Gisar; hast du irgendwo von ihr gehört, da du doch im Gebirge herumwanderst?« Darauf sagte sie: »Hier ist der Vogel, den du suchst, nicht; kehr nur wieder um, denn hier sind lauter wilde Tiere; auch ich, der ich doch ein wilder Mensch bin, bin niemals über das Gebirge gegangen, denn dort sind sehr große wilde Tiere.« Der Bursche erwiderte: »Ich gehe, und wie es Gott gibt, möge es geschehen.« Damit ging er von ihr fort und stieg auf einen Berg. Dort sah er ein Haus, das war das Haus des Tigers; dahin ging er. Der Tiger war nicht zu Hause, nur seine Frau, die war beim Brotbacken. Der Bursche redete sie an, und sie antwortete: »Was wolltest du hier? Mein Mann kommt jetzt, und der wird dich fressen.« Er sagte darauf: »Da ich jetzt einmal da bin, macht mit mir, was ihr wollt.« Als nun die Zeit kam, daß die Tigerfrau das Brot in den Backofen schieben sollte, verstand sie die Kohlen nicht anders auszubreiten als mit ihren Brüsten; dabei verbrannte sie sich jedesmal und war zehn Tage krank. Als der Bursche das sah, sprach er zu ihr: »Laß mich die Kohlen ausbreiten,« schnitt einen Zweig ab und breitete sie damit aus. Als die Frau so gelernt hatte, Brot zu bereiten ohne krank zu werden, freute sie sich sehr, aber der Bursche tat ihr leid, daß der Tiger kommen und ihn fressen würde. Als sie nun das Brot aus dem Ofen genommen hatte, gab sie dem Burschen zu essen und versteckte ihn dann in einer Kiste.
Darauf kam der Tiger nach Hause, fand seine Frau nicht krank, sondern auf den Füßen und sagte ärgerlich zu ihr: »Warum hast du heute kein Brot bereitet?« Sie antwortete: »Ich habe Brot bereitet,« und er: »Wenn du das Brot bereitetest, wurdest du immer krank, warum bist du jetzt nicht krank geworden?« Sie antwortete: »Ich habe ein Mittel gefunden, mich nicht zu verbrennen, wenn ich Brot bereite«; darauf zeigte sie es ihm und sagte: »Wenn ich hier einen Menschen hätte, der mich lehrte, mich beim Brotbereiten nicht zu verbrennen, was würdest du mit ihm machen?« Der Tiger antwortete: »Mit dem Menschen würde ich mich verbrüdern.« Da ließ sie den Menschen aus der Kiste heraus und sagte zu ihrem Manne: »Der ists, der mich belehrt hat,« und so umarmten sich der Mensch und der Tiger und schlossen Freundschaft, und der Tiger fragte ihn: »Weshalb bist du hierhergekommen?« Der Mensch antwortete: »Ich suche einen Vogel, den man die Nachtigall Gisar nennt, hast du etwas von dem gehört oder nicht?« Darauf sagte der Tiger: »Hier ist dieser Vogel nicht, aber ich habe einen Bruder, der ist sehr alt, die Augenlider sind ihm heruntergefallen und decken die Augen zu, so daß er nicht sehen kann; dahin sollst du gehen«; auch zeigte er ihm den Weg zu dem Hause und befahl ihm an: »Wenn du nahe zu dem Hause kommst, wirst du die Frau des Löwen, meines Bruders, treffen; sie ist alt; sie hat sich gerade umgewandt und sieht auf das Haus zu; ihre Brüste hat sie über die Schultern zurückgeworfen. Du mußt nun von rückwärts kommen und die Brust in den Mund nehmen; dann wird sie zu dir sagen: Wer bist du, der da meine Brust nimmt, und du antworte: Ich bin dein Sohn, ich erkenne dich als meine Mutter. Dann wird mein Bruder von drinnen fragen: Wer ist da?, und du sagst darauf sogleich: Ich bin der Freund deines Bruders, des Tigers, und er schickt mich zu dir wegen einer Angelegenheit, die mich angeht. Er wird dann sagen: Komm herein. Du gehst hinein und hebst ihm die Augenlider auf, daß er dich sehen kann. Er kann wissen, wo die Nachtigall Gisar ist, wenn er es aber nicht weiß, geh nicht weiter, sondern kehre um.« Darauf umarmten sich der Tiger und der Bursche und gingen auseinander, der Bursche tat, wie ihm der Tiger geheißen hatte und fragte den Löwen, ob er wisse, wo die Nachtigall Gisar sei. Der Löwe antwortete: »Der Vogel ist nirgends, kehre um, denn von hier weiter sind wilde Geschöpfe aus der Geisterwelt, so daß auch ich nicht dadurch kommen kann, der ich doch der König der wilden Tiere bin.«
Aber der Bursche kehrte nicht um trotz allem, was ihm der Löwe sagte, sondern nahm Abschied von ihm und ging den Weg, von dem ihm der Löwe gesagt hatte, er solle ihn nicht gehen. So ging er eine lange Strecke, da erschienen drei Adler und machten den Mund auf, um den Burschen zu fressen. Er aber zog den Säbel, hieb dem einen den Flügel, dem anderen das Bein, dem dritten den Schnabel ab. Darauf gingen sie ihres Weges, und der Bursche setzte auch seinen Weg fort. Nach einer Weile sah er plötzlich ein Haus auf einer großen Ebene und ging darauf zu; dort traf er eine alte Frau, die einen Kringel auf die Glut gelegt hatte und ihn buk. Als sie ihn sah, rief sie aus: »Was wolltest du hier, mein Sohn? Meine Töchter werden kommen und dich fressen.« Der Bursche antwortete: »Da ich nun einmal hier in deiner Hand bin, mach mit mir, was du willst.« Da nahm die Alte den Kringel vom Feuer und gab ihm zu essen. Darauf deckte sie den Tisch mitten im Hause, stellte mitten darauf eine Schüssel mit Wasser, setzte rings um den Tisch die Speise auf und schloß dann den Burschen in einen Schrank ein, ließ ihm aber ein Loch, damit er sehen könne, was geschähe. Da sah der Bursche nach kurzer Zeit den Adler kommen, dem er den Flügel abgehauen hatte, der kam zum Fenster herein, ging zu der Wasserschüssel auf dem Tisch, badete sich und wurde ein Mädchen. Bald darauf kamen auch die anderen Adler, die er verwundet hatte, badeten sich und wurden zu Mädchen. Die sagten nun zu der Alten, ihrer Mutter: »Es riecht uns nach Menschen.« Die Alte antwortete: »Ihr kommt von Menschen, darum riecht es euch danach.« Als nun die Mädchen gegessen hatten, sagte die Alte: »Wenn ich hier einen Mann hätte, was würdet ihr mit ihm machen?« Darauf sagte die älteste: »Bei der Seele des Mannes, der mir den Flügel abgehauen hat, ich werde ihm kein Leid antun«; und die zweite sagte: »Bei der Seele dessen, der mir das Bein abgehauen hat, ich werde ihm kein Leid antun.« Ebenso sprach auch die jüngste; darauf ließ die Alte den Burschen heraus und er sagte: »Ich bin der, der euch verwundet hat.«
Da freuten sie sich sehr, daß sie dem Burschen wieder begegnet waren, und fragten ihn: »Weshalb bist du hierher gekommen?« Er antwortete: »Ich suche die Nachtigall Gisar, und wen ich auch gefragt habe, bis ich hierher gekommen bin, keiner wußte etwas von ihr.« Sie aber sagten: »Wir wissen, wo die Nachtigall Gisar ist, aber wenn du zu Fuß gehen willst, geschweige, daß du nicht durchkommst bis dahin, aber auch wenn du durchkommst, sind es drei Jahre Reise, bis du an den Ort kommst.« Darauf sagte er: »Aber was soll ich tun?«, und sie sprachen: »Du sollst uns etwas Gutes erweisen, was wir von dir wünschen, dann wollen wir dich in einer Stunde dahin bringen, und du kannst die Nachtigall nehmen.« Der Bursche fragte: »Was wünscht ihr von mir, was soll ich euch erweisen?«, und sie sagten: »Du sollst drei Monate bei uns bleiben, bei jeder von uns einen Monat.«
Nach den drei Monaten brachten sie ihn an den Ort, wo die Nachtigall Gisar war. Aber die Besitzerin der Nachtigall war die Schöne der Erde und Königin; an ihrem Hofe hatte sie fünfhundert Wächter, an der äußeren Tür wachte der Wolf, an der zweiten der Tiger, an der Tür ihres Gemaches der Löwe. Dorthin brachten den Burschen seine Freundinnen und setzten ihn im Hofe ab gerade zu der Zeit, als alle die Männer, der Wolf, der Tiger, der Löwe und auch die Schöne der Erde eingeschlafen waren, und er ging hindurch und in ihr Gemach. Dort hatte sie vier Kerzen angezündet und andere vier standen auf dem Tisch nicht angezündet; die angezündeten waren beinahe zu Ende. Als nun der Bursche hineinkam, zündete er die vier frischen Kerzen an, löschte die brennenden aus, nahm den Käfig mit der Nachtigall Gisar und ging hinaus. Aber als er aus der Tür trat, erwachten alle, doch ehe sie ihn ergreifen konnten, nahmen ihn seine Freundinnen auf und brachten ihn wieder in ihr Haus. Dort blieben sie noch einige Zeit zusammen, dann sagte der Bursche: »Jetzt bringt mich in mein Land,« und sie brachten ihn an den Ort, wo er sich früher von seinen Brüdern getrennt hatte. Dort ging er zu dem Stein, wo sie die Ringe gelassen hatten und fand die Ringe seiner Brüder. Nun schlug er den Weg ein, den seine Brüder genommen hatten, fand den einen als Barbier, den anderen als Kaffeewirt, und sagte zu ihnen: »Kommt, wir wollen zum Vater gehen; ich habe die Nachtigall Gisar gefunden und mitgebracht.«
So machten sich die drei Brüder zusammen auf den Weg zu ihrem Vater. Unterwegs bekamen sie Durst; eine Quelle fanden sie nicht, trafen aber auf einen Brunnen, doch hatten sie nichts, womit sie Wasser schöpfen konnten. Da sagten die beiden älteren zu dem jüngsten Bruder: »Steig du hinein und schöpfe uns Wasser, daß wir trinken können.« Damit banden sie ihn an ein Seil und ließen ihn hinab, schnitten aber das Seil durch und gingen davon. Aber der Brunnen hatte kein sehr tiefes Wasser, so daß der Bursche hätte ertrinken können, sondern es reichte ihm nur bis an den Hals, so daß der Kopf draußen blieb. Als so die beiden den jüngsten Bruder in den Brunnen geworfen hatten, hörte die Nachtigall Gisar auf zu singen. So nahmen sie den Vogel und brachten ihn zu ihrem Vater. Der fragte nach dem jüngsten: »Was habt ihr mit ihm gemacht?« Sie antworteten: »Er ist ein Gauner geworden und treibt sich überall in den Städten herum.«
Da zog nun die Königin, die Schöne der Erde, aus; sie kam, den König zu bekriegen und den Mann zu fordern, der den Vogel genommen hatte. Da machte sich der älteste Bruder auf und ging zu ihr; sie fragte ihn: »Du bist gekommen und hast die Nachtigall Gisar genommen?« Er antwortete ja. Darauf sagte sie: »An welcher Stelle hast du sie gefunden?« Er antwortete: »Auf einer Zypresse.« Da ließ sie ihn niederwerfen und ihre Leute mußten ihn prügeln, bis er unter den Schlägen starb. Als der zweite Bruder vernahm, daß sie den ältesten getötet hatte, und als sie die Kanonen auf den Königspalast richtete und auch die Stadt und den Palast halb zerstört hatte, da ging er dann aus Furcht zu seinem Vater und sagte ihm die Wahrheit, was sie getan hatten, daß sie den jüngsten Bruder in den Brunnen geworfen hatten. Der König schickte sogleich Leute hin, die holten den jüngsten Sohn halb tot aus dem Brunnen, er konnte gerade noch atmen, aber kein Wort hervorbringen. Nach einigen Tagen kam er zu sich und sprach wieder. Sobald er sprach, fing die Nachtigall Gisar an zu singen und sang so schön, daß alle Leute von Sinnen kamen. Als die Schöne der Erde die Stimme der Nachtigall hörte, schickte sie sogleich Leute, die von dem Tor des Königspalastes bis zu ihrem Dampfschiff rotes Tuch ausbreiten mußten. Nun stieg der Königssohn zu Pferde, nahm die Nachtigall in die Hand und ritt über das Tuch. Als die Leute ihn so reiten sahen, erschraken sie sehr und dachten: »Jetzt wird die Schöne der Erde die Stadt um und um kehren«; aber sie irrten sich. Als der Königssohn nahe bei dem Dampfschiff war, kam die Schöne der Erde heraus und empfing ihn; sie gingen auf das Schiff, und sie fragte ihn: »Wo hast du die Nachtigall Gisar genommen?«, und er erzählte ihr getreulich, wie er den Vogel genommen hatte. Nun wurden sie einig und heirateten sich; so bekam der Königssohn die Schöne der Erde, und sie leben noch heute, freuen sich ihres Lebens und herrschen als Könige.
Es war einmal ein Hirt. Eines Tages, als er die Schafe hütete, kam aus dem Walde der Wolf mit dem eisernen Kopf und sprach zu ihm: »Peter, jetzt will ich dich auffressen.« Peter legte sich aufs Bitten: »Tu es nicht, Wölflein, tu es jetzt nicht; warte, bis ich mich verheirate, dann komm zur Hochzeit und friß mich.«
Der Wolf willigte ein, da er hoffte, auf der Hochzeit außer dem Hirten noch einen zu erbeuten. Bis es zum Heiraten kam, hatte der Hirt den Wolf ganz vergessen. Aber als der Hochzeitszug zu Wagen mit der Braut am Walde vorbeikam, trat der Wolf mit dem eisernen Kopf heraus und vor sie hin und rief: »Steig vom Wagen, Peter, daß ich dich fressen kann.« Und mein Peter sprang ab, um nur die übrigen Hochzeitsleute zu retten, und lief davon; der Wolf hinter ihm her. Peter rannte und rannte, sah sich zuweilen um, aber der Wolf war immer hinterher. So war er beständig bis zum Abend gelaufen; als es gegen die Nacht ging, bemerkte er ein Haus und stürzte hinein. Dort sah er eine alte Frau, wie sie den Ofen heizte und mit bloßen Händen das Feuer schürte. Das war die Sonnenmutter. Peter schnitt schnell seinen Hemdenschoß ab und wickelte ihre Hände hinein; die Sonnenmutter aber fragte ihn: »Woher kommst du, Christenmensch?« – »Die Not hat mich hergetrieben; der Wolf mit dem eisernen Kopf verfolgt mich, vor dem habe ich Schutz gesucht.« Da gab sie ihm zu essen und sie legten sich schlafen. Am nächsten Morgen wollte Peter weitergehen; beim Abschied schenkte ihm die Sonnenmutter ein rotes Tuch und sprach zu ihm: »Da, nimm dies Tuch, Peter; wenn du an ein Gewässer kommst, schwinge das Tuch darüber, das Wasser wird sich dann teilen und du kannst trockenen Fußes hindurchgehen. Dann schwinge das Tuch wieder und das Wasser wird sich wieder schließen. Ebenso mach es, wenn du an einen Wald kommst.«
Er bedankte sich sehr bei ihr und ging fort. Aber kaum hat er sich etwas vom Hause entfernt, ist auch der Wolf mit dem eisernen Kopfe wieder da und stürzt hinter ihm her, und Peter läuft wieder los. So kam er an ein Wasser, schwenkte das rote Tuch, das ihm die Sonnenmutter gegeben hatte, darüber, das Wasser zerteilte sich und er kam wie auf trockenem Boden ans andere Ufer. Da schwenkte er wieder das Tuch, das Wasser schloß sich zusammen und der Wolf mit den eisernen Zähnen blieb diesseits. Peter ging nun weiter, aber der Wolf sprang ins Wasser und schwamm auf die andere Seite hinüber, und wieder hinter Peter her; dem blieb nichts übrig, als wieder zu laufen. Der Wolf hatte ihn beinahe eingeholt, da bemerkte er ein Haus und stürzte hinein. In dem Hause wohnte die Mondesmutter. »Grüß Gott, Mondesmutter,« sagte Peter und küßte ihr die Hand. – »»Gott helf dir, Christenmensch. Was gibt's Gutes?«« – »Gar nichts Gutes,« antwortete Peter, »mich verfolgt da der Wolf mit dem eisernen Kopf und ich bin in dein Haus geflohen.« Die Mondesmutter gab ihm zu essen und sie gingen schlafen.
Als Peter am nächsten Morgen weiterging, gab ihm die Mondesmutter einen kleinen Brotlaib: »Nimm diesen Laib, und wenn du in Not kommst, leg ihn beim Schlafengehen unter den Kopf, dann wirst, du sehen, was sich ereignen wird.« Peter bedankte sich bei ihr und ging. Aber so wie er sich vom Hause entfernte, wartete der Wolf mit dem eisernen Kopf schon auf ihn, und wieder hinter ihm her, und Peter, was bleibt ihm übrig, muß rennen. So läuft er und läuft und der Wolf immer hinter ihm. Schon wollte er ihn packen, da erreicht Peter einen dichten Wald, schwenkt das Tuch, die Bäume treten auseinander und er fährt hinein. Dann schwenkt er wieder das Tuch, und der Wald schließt sich wieder so dicht, daß keine Ameise hätte durch können. Aber der Wolf mit dem eisernen Kopf hat auch eiserne Kiefer und eiserne Zähne und fängt an die Bäume zu benagen. Er nagt und nagt, daß die Splitter nur so um ihn fliegen. Der Wald war sehr groß, aber der Wolf nagt einen Baum nach dem anderen durch; sie fallen um, und er kommt hinein. Als Peter nun mitten im Walde war, legte er den Brotlaib unter den Kopf und wandte sich zum Schlafen. Als er am anderen Morgen aufgewacht war, da gab es was zu sehen: um ihn stehen drei Tiere, Löwe, Bär und Luchs, sehen ihn an und wedeln mit den Schweifen. Peter zerbrach den Brotlaib in drei Stücke und gab sie ihnen. Aber der Wolf mit dem eisernen Kopf hatte die ganze Nacht an dem Walde genagt und hatte ihn beinahe durchgenagt. Da schwenkte Peter das Tuch nach der anderen Richtung hin und der Wald tat sich auf. Er kam mit seinen Tieren ins Freie, schwenkte das Tuch und schloß den Wolf im Walde ein. Nun machte er sich mit seinen drei Tieren nach Hause auf. Unterwegs überfiel ihn die Dunkelheit bei einer Hütte; er ging hinein; auf der Ofenbank saß eine alte Frau. »Guten Abend, Mutter.« – »»Gott segne dich, Peter, woher kommst du?«« – »Es verfolgt mich da der Wolf mit dem eisernen Kopf,« antwortete er, ahnte aber nicht, daß die Alte die Mutter des Wolfes mit dem eisernen Kopf war und erzählte ihr alles der Reihe nach, wie es gewesen war, zuletzt sagte er: »Und so habe ich ihn in den großen Wald da eingeschlossen.«
Damit gut; die Wolfsmutter tat, als wüßte sie von nichts und sagte zu Peter: »Möchtest du bei mir als Hirt bleiben? Mein Hirt ist davongegangen und ich habe niemand, der mir die Schafe hüte.« Peter wollte nichts davon hören und sagte, er sehne sich nach Hause, habe gerade geheiratet und die junge Frau verlassen. Als aber die Alte nicht nachließ und guten Lohn versprach, willigte er endlich ein und sie wurden einig. Als sie nun schlafen gehen sollten, sagte die Wolfsmutter zu ihm: »Gib das rote Tuch her, Peter, ich wills verwahren, daß du es nicht verlierst.« Das wollte Peter durchaus nicht, da sie aber wieder wie eine Zigeunerin quälte, gab ers ihr; und als Peter eingeschlafen war, stahl sie sich leise fort, ging zum Walde und machte ihren Sohn frei.
Am anderen Tage, als Peter die Schafe auf die Weide getrieben hatte, beriet sich der Wolf mit seiner Mutter, wie er Peter ans Leben könnte. Offen wagte er nicht ihn anzugreifen, weil ihn die drei Tiere behüteten. »Aber weißt du was?« sagte der Wolf zu seiner Mutter, »grabe da, wo er morgen die Schafe melken wird, eine große Grube und decke sie mit Brettern zu. Ich verberge mich darin, und wenn er anfängt, die Schafe zu melken, springe ich heraus und fresse ihn.« Was sie ausgedacht hatten, führten sie auch aus; sie gruben eine große Grube, bedeckten sie mit Brettern, und der Wolf versteckte sich darin. Aber als Peter die Schafe molk, legten sich seine Tiere gerade auf die Bretter und so konnte der Wolf nichts machen. Als nun Peter wieder hinter den Schafen herging, kam der Wolf mit den eisernen Zähnen aus der Grube heraus und sagte zu seiner Mutter: »Ich hätte ihn schon lange, aber ich habe Angst vor seinen Tieren, daß sie mir den Pelz waschen. Aber weißt du was? Wenn er morgen wieder auf die Weide geht, hänge dich mit Bitten an ihn, daß er die Tiere daläßt; wenn du die dann einschließt, werde ich leicht mit ihm fertig.«
Als Peter sich am anderen Morgen mit den Schafen aufmachte, legte sich die Wolfsmutter aufs Bitten, daß er die Tiere zu Hause ließe. Peter wollte sich nicht darauf einlassen, aber als sie ihm zusetzte wie eine Zigeunerin, ließ er sich anführen und ließ ihr seine Tiere da; sie fütterte sie und schloß sie ein.
Darauf lief der Wolf mit den eisernen Zähnen geradeswegs hinter Peter her, und der, als er ihn von weitem bemerkte, wußte was los ist und legte sich aufs Laufen, kam in den Wald, und – wohin konnte er sonst – kletterte auf einen hohen Baum. Aber da war auch der Wolf und fing an, den Baum zu benagen und als er ein Stück herausgenagt hatte, rief er: »Komm herab, Peter, daß ich dich fressen kann.« Als Peter sah, daß der Wolf daran war, den Baum durchzunagen, zog er einen Schuh aus, warf ihn dem Wolf hin und sagte: »Da hast du meinen Schuh, nage daran, während ich den Wald rufe, daß der ganze Wald und alle Vögel hören, daß ich sterben muß.« Darauf rief er, was die Kehle hergab.
Das hörte der Luchs und sagte zum Löwen und Bären: »Es kommt mir vor, als riefe unser Herr.« – »Ach, sei still,« antworteten sie, »du hast dich überfressen und träumst da was.« Währenddes hatte der Wolf den Schuh aufgenagt und rief: »Komm herab, Peter, daß ich dich fressen kann.« Peter warf auch den anderen Schuh vom Baum herab. »Da, Wölflein, nun nage, während ich noch einmal rufe, daß der ganze Wald und alle Vögel hören, daß ich sterben muß.« – So rief er noch einmal.
Darauf meinte der Bär: »Auch mir kommt vor, daß unser Herr ruft.« – »»Ach, sei still da, du hast dich überfressen und faselst im Traum.««
Der Wolf hatte nun auch den zweiten Schuh durchgenagt. Da warf ihm Peter seinen Hut hin und rief zum drittenmal. Jetzt hörte es auch der Löwe und sagte: »Ja, da ruft wirklich unser Herr.«
Die Tiere sprangen auf und wollten hinaus; jawohl, da war die Tür zugeschlossen. Da gruben sie sich unter der Mauer durch und rannten dahin, wo die Stimme zu hören war. Als sie ankamen, stand der Baum nur noch auf einem dünnen Streifen Holz, gerade daß er nicht umfiel. Die Tiere stürzten sich auf den Wolf mit den eisernen Zähnen und zerrissen ihn in kleine Stücke.
Darauf stieg Peter vom Baum herab, ging zum Hause der Alten, hetzte die Tiere auf sie und die zerrissen sie. Nun begann er im Hause nach seinem Tuch zu suchen, und fand dabei ungezähltes Geld, das die Alte versteckt hatte. Das lud er auf einen Esel, trieb die Schafe vor sich her und ging mit seinen Tieren nach Hause.
Dort lebte er hernach mit seiner jungen Frau lange Zeit glücklich und zufrieden.
Alexander Petöfi
Schnell ist der Vogel, schnell der Sturm,
Schnell der Blitz,
Doch der Alföld-Betyár ist noch
Schneller gewiß.
Heute stahl er sich ein Fohlen
In Kecskemét,
Nach Szent-Márton am selben Tag
Nimmt er den Weg.
Morgen schon verkauft er das Roß
In Fehérvár,
Verkauft's und stiehlt ein andres gleich
Vom Markt allda.
Übermorgen in Becskerek
Reitet er frank
Einen schlanken feinen Falben:
Die Prügelbank.