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Italienische Novellen. Dritter Band
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Carlo Graf Gozzi

1720 – 1806

Wie Battista Moscione sich rächte

Es scheint, manche Leute halten für den größten Rächer aller Unbill den Teil, durch den die Speise abgeht. So, als einst ein Apotheker namens Purganz einen Rechtsstreit hatte mit der Gemeinde wegen gewisser Ansprüche, die zu erzählen überflüssig wäre, entlasteten sich vor der Türe seines Ladens eines Nachts alle Gedärme der Gemeinde, so daß Berge von Kot, nicht viel kleiner als die Alpen, entstanden, und auf den Gipfeln dieser Berge staken Stängchen mit Papierwipfeln, worauf geschrieben stand:

Deine Arzneien
Bringen Gedeihen.

In großem Grimm brachte der Apotheker darüber vor dem Bürgermeister eine heftige Klage an, beschwerte sich auf den Straßen und ruhte nicht, bis er zum Gespräche der Knaben wurde. Dies habe ich erzählt ein für allemal als ein Probestück für hundert dergleichen schmutzige Geschichten, die unter diesem Volke vorfielen, das zum großen Teil voll von ungesittetem Wesen ist; und um nicht den Leser auf die Länge mit ähnlichen Erzählungen zu belästigen, schreite ich nun zum Berichte von einer schlauen Rache, die meines Bedünkens vom feinsten Verstande ausging. Ihr mögt daraus ersehen, wieviel gescheite Köpfe hier wären, wenn sie ihren Geist sichten würden wie Getreide, um das Tollkorn vom reinen Weizen auszuscheiden. Battista Moscione war ziemlich klein, bucklig, gelblich, fahl, schwach und kränklich aussehend, aber ganz gesund am Geiste und hatte immer neue seltsame Gedanken. Diesem war nun, ich weiß nicht wegen welches Streites, von Tonio Tiglioccio unverdienterweise eine große Beleidigung widerfahren mit Ohrfeigen und Faustschlägen, und dieweil besagter Tonio ein langer, dicker, nerviger Lümmel war, Moscione dagegen wie gesagt unscheinbar und hinfällig, wußte er nicht, wie er sich an ihm rächen und wie er ihn anfallen sollte, denn er befürchtete, er möchte zerquetscht werden im Kampfe. Er sann daher auf Mittel, daß ein anderer an seiner Statt ihn gebührend durchprügele und bändige, auf folgende Weise.

Er war genau bekannt mit Cecco de' Rocchi, einem Edelmann dieses Ortes von kräftigem und gewandtem Körper und stolzer, hitziger, unmenschlicher und unversöhnlicher Gemütsart, die ihresgleichen nicht hatte. Dieser Cecco aber hatte zwei unglückliche Eigenschaften: einmal hatte er ein kurzes Gesicht, sodann war er so taub wie ein Mühlstein. Wegen dieser zwei Fehler bekam er vielfältige Händel und Raufereien, denn er sah und hörte falsch, war immerfort argwöhnisch, fürchtete Spöttereien, hatte ein bitteres Lächeln und eine mürrische Miene. Moscione kam also zu diesem Cecco, der ganz allein an einem guten Feuer saß, ein Bein über das andere Knie geschlagen und baumelnd, neben sich eine gute Flasche. Moscione schrie ihm seinen Gruß zu mit der ganzen Kraft seiner Lunge, und Cecco wendete sich um. »Willkommen, Moscione«, sagte er, »du Mostfliege, Saufaus, mach deinem Namen Ehre! Da ist die Flasche, die allerliebste Flasche.«

Moscione sprach, und zwar immer mit gehobener Stimme: »Großen Dank! Zur Gesundheit!« – tat einen langen Zug, setzte die Flasche beiseite und ließ sich zu ihm nieder. Da er aber sah, daß er fortwährend mit dem Fuße wackelte und einzuschlafen drohte, rief er ihm ins Ohr: »Heute nacht ist ein schönes Fest.« Cecco fuhr auf und fragte: »Wo?«

Denn Feste sind seine Herzensfreude, und wo eines los war, wollte er dabei sein; trotz seiner Taubheit nahm er am Tanze teil, machte ungeheure Sätze und kümmerte sich wenig darum, ob es auch immer recht im Takte ging, wenn er nur in Gesellschaft von Weibern war; denn wenn er auch ein kurzes Gesicht und schlechtes Gehör hatte, so war doch sein Tastsinn vollkommen gut. Moscione gab ihm also zur Antwort: »Da draußen in der Vorstadt in dem Miethause.«

Cecco sagte: »Wollen wir hin? Wer stellt es an?«

Moscione antwortete: »Ei, versteht sich, eben deshalb komme ich, um Euch aufzufordern. Die Veranstaltung kommt von Tonio Tiglioccio.«

Er freute sich im innersten Herzen, denn sein Plan war auf dem besten Wege, zu gelingen.

»Aber wird er uns auch einlassen?« fragte Cecco.

»Zum Teufel« schrie Moscione, »wenn er auch mir nicht die Türe öffnet, so wird er doch Respekt haben vor Euch und die Tore weit aufmachen. Kommt, kommt!«

Sie machen sich bereit und steuern der Vorstadt zu. Es war aber im Winter um die Mitternachtsstunde, wo selbst die Mäuse schliefen, und ist zu wissen, daß Moscione gelogen hatte, denn es war kein Fest: jenes Haus war leer und keine lebendige Seele drinnen.

Als sie dem Orte nahe kamen, rief Moscione: »Ich höre eine große, schöne Musik von Instrumenten, lauten Jubel und schallendes Gelächter.«

Cecco, der sich nicht verwunderte, nichts zu hören, rief: »Wir wollen auch lachen! Klopfe an und versuche, ob sie dir aufmachen! Tun sie es nicht, so will ich anklopfen und meinen Namen angeben und schöne rednerische Formen anwenden; laß mich nur machen!«

Moscione verbiß das Lachen, denn er hatte dabei seine böse Absicht, eilte an die Tür, klopfte heftig an, trat dann ein wenig beiseite und schaute empor. Als hätte ihn jemand gefragt, wer da sei, antwortete er mit lautester Stimme: »Seid So gut und macht auf!« Er wartete wieder ein Weilchen, wie wenn man ihn fragte: »Wer seid Ihr und was wollt Ihr?«

Dann fuhr er laut fort: »Ich bin Battista Moscione und bitte Euch, mich ein Augenblickchen aufzunehmen.«

Dann stand er wieder, als ob er hinhörte. Cecco mußte damals doppelt taub und blind sein gegen sonst; er wartete verlangend, bis sie aufmachten, schaute ebenfalls verlangend empor, den Mund aufsperrend wie ein Scheuertor, und sah dann wieder Moscione an, welcher sagte: »Sie haben mir gesagt, sie haben Auftrag, niemand mehr aufzunehmen, und sie dürfen nicht. Auch haben sie das Fenster wieder zugemacht.«

Cecco fragte: »Kanntest du den, der dir diese Antwort gab?«

Moscione antwortete: »Es war Tonio selbst, und der Tropf ist doch der Festgeber.«

Cecco sprach: »Laß mich nur machen und sage mir, wenn sie das Fenster aufmachen und was sie auf meine Reden antworten! Denn du weißt, mein Gesicht und Gehör ist schlecht beschaffen.«

Schon halb in Wut klopfte er heftig an die Tür des öden Hauses, welches hohl erdröhnte wie ein Faß, trat zurück, schaute hinauf und dann zu Moscione hin, den er fragte, ob das Fenster aufgehe. Moscione sagte: »Nein.«

So klopfte er denn dreimal immer zorniger an. Am Ende, als es Moscione Zeit schien, sagte er, es zeige sich ein Kopf an einem Fenster, und hernach, sie haben gefragt, wer poche.

»Liebe Brüder«, rief Cecco, »macht ein bißchen auf, daß wir eure angenehme Gesellschaft sehen!«

Dann lauschte er und fragte Moscione, was sie antworten. Moscione rief ihm zu, sie sagten, sie wollten wissen, wer er sei. Cecco schlug sogleich seine Blicke in die Höhe und rief den Ziegeln zu: »Macht ihr uns auf, wenn ich euch sage, wer ich bin?«

Und zu Moscione gewandt fragte er: »Was haben sie gesagt?«

»Sie sagen«, antwortete Moscione, »ja, vielleicht.« Cecco fragte Moscione weiter: »Kennst du den, der mit uns spricht?«

Moscione antwortete: »Es ist niemand anders als Tonio, ich kenne ihn an der Stimme.«

Cecco hob wieder den Kopf empor und rief wieder den Traufen zu: »Mach auf, mach auf, Tonio, ich bin Cecco de' Rocchi, weißt du?«

Er näherte sich der Haustür und war versichert, sie werde nun aufgehen, und er könne wohl warten. Moscione aber rief nun: »Er sagt, er mache nicht auf. Hätt' er doch einen Dolch im Leibe! Das ist wahrhaftig die größte Beschimpfung, nachdem er Euch um Euern Namen gefragt hat.«

Cecco brach in ein bitteres Lachen aus, kehrte sich gegen das Haus und rief: »Wie, du willst nicht aufmachen? Ich weiß, du wirst mir aufmachen, Sapperment, du wirst mir aufmachen! Du mußt spaßen!«

Dann sagte er leise zu Moscione: »Was gibt er zur Antwort?«

Moscione rief: »›Verfluchter, garstiger Hund‹», sagt er, ›der überall zu finden ist, wo man Melonen riecht‹!«

Ceccos Zorn flammte auf wie Schwefel.

»Ha, du galgensüchtiger Dieb«, rief er, »hätte ich nur meine Büchse bei mir, – bei der heiligen Maria, ich wollte dir das Hirn an die Sterne verspritzen!«

Moscione, der seine Angelegenheit vortrefflich im Gange sah, war boshaft genug, noch Öl ins Feuer zu gießen, und rief: »Er sagt: ›Ha, Verräter!‹ Er hält Euch nicht einmal eines rechten Winds wert und läßt welche durch die Lippen gegen Euch streichen wie ein gespießter Esel.«

Cecco rief: »Du sollst mir bald den letzten fahren lassen, du Hurensohn!«

Moscione schrie: »Gebt acht, er droht einen Kübel über Euch auszuleeren.«

Zugleich sprang er rückwärts. Cecco machte auch ein paar Sätze nach hinten und rief beständig: »Nur zu, nur zu, du Hörnergraf! Du bleibst auch nicht immer eingeschlossen. Du hast es mit Cecco de' Rocchi zu tun; morgen werden wir schon einander näher kommen.«

Nach diesen Worten ging er ganz grün, gallespeiend und wutschnaubend von dannen, und Fuchs Moscione mit seinem buckligen Rücken ging ihm nach und schrie: »Wenn er nicht aufmachen wollte, gut! Aber dann mußte er auch nicht nach dem Namen fragen und hinterher sagen: ›Ich mache nicht auf.‹ Verruchter Bankert! Das ist eine Schmach, die Euresgleichen nicht auf sich sitzen lassen darf. Ich glühe vor Zorn. Welche häßliche Worte, welche garstige Drohungen! Zum Teufel, ich weiß nicht, ob ich sehe oder träume.«

Und so ging er immer hinter ihm drein, die Viper stachelnd. Cecco hüpfte voran, stieß sich an Mauern und stieß sich an Pfeiler, denn die Dunkelheit war groß, und er sah ohnedies nicht viel. Dabei brach er in die heftigsten Flüche aus, biß sich in die Hände, verwünschte die Elemente und sagte darauf zu Moscione: »Ich möchte nur dir den Hirnschädel zersplittern; ich war so in guter Ruhe zu Hause, und du bist schuld an dem, was vorgefallen ist. Daß dir doch ein Galgenstrick die Gurgel zuschnürte! Ich weiß nicht, was mich abhält, dir das Gehirn zu verschütten wie einem Huhn.«

Hieran reihte er noch ein paar Flüche und fuhr vorwärts. Moscione, immer hinter ihm drein, rief: »Ich bitte Euch um Erbarmen, Ihr habt recht, aber ich tat alles in guter Absicht. Wie hätte ich ahnen können, daß Tonio einem Manne wie Euch eine so schnöde Behandlung angedeihen lasse! Man sollt' ihn lebendig braten! Aber der morgende Tag soll nicht vorübergehen, so will ich ihn behandeln, wie er es verdient, Euch zuliebe.«

»Ja, dazu habe ich deine Hilfe sehr nötig, Meister Schafskopf«, erwiderte Cecco. »Laßt mir den Bauch aufschlitzen wie einer Schleie, wenn ich ihm nicht genug gebe, daß er das Zeichen zum Grabe trägt! Ich habe schon so ein Rädelschnittchen, das zu dergleichen Umständen paßt. Was brauch' ich deinen Beistand, Meister Grasaff?« Darauf gab er noch etliche Flüche von sich und schritt weiter. Der schlimme Moscione aber folgte ihm in der heitersten Stimmung und tat und sprach, was er konnte, bis er ihn voll Gift wie einen Basilisken in sein Haus gebracht hatte. Da sagte er denn: »Gute Nacht!«

Cecco antwortete ihm nichts, denn seine Augen rollten, er erstickte fast vor Wut. Jener aber ging seiner Wege, zufrieden über die neuen Anzettelungen. Es schien ihm, als sehe er seine Rache in der Luft schweben und Tonio unter einer Stockschleuder auf der Erde in den letzten Zügen schnappen wie eine betäubte Barbe im Rinnstein. Cecco stieg lärmend die Treppen empor, der Diener brachte Licht, er trat in sein Schlafzimmer, warf den Mantel dahin, den Hut dorthin, die Perrücke auf den Boden, setzte sich nieder, zog einen Schuh aus, hielt ihn lange fest in der Hand, in Gedanken versunken, schüttelte den Kopf, sah die Wand an, lachte und murmelte vor sich hin wie ein Verrückter, bis endlich der Diener fragte: »Was habt Ihr? Was hat es gegeben?«

Da sprang er auf, gab ihm eine Maulschelle und ein paar Fußtritte, jagte ihn hinaus und rief: »Was willst du denn?«

Da wachte die Frau auf und fragte: »Was für ein Teufelslärm ist denn das?«

Cecco gab ihr eine Ohrfeige und rief: »Da hast du's.« Dann legte er sich samt den Kleidern zu Bette, und die Frau schwieg, denn sie kannte seine Launen. Er aber tat die ganze Nacht kein Auge zu, blies bald seine heiße Suppe kalt, bald setzte er sich hin, bald streckte, drehte, wendete er sich und seufzte. Kurz, kaum zeigte sich einige Dämmerung an den Fenstern, so sprang er aus dem Bette, als hätte er Feuer im Hintern; noch in Pantoffeln, setzte er den Hut auf die Nachtmütze; in diesem meuchelmörderischen Aufzuge nahm er sechs Spannen eines knorrigen, jungen Eichbaums, den er immer für solche Zwecke in einem Winkel stehen hatte, unter den Arm, warf den Mantel um, steckte das Gesicht halb darunter, und so stand er auf der Straße und eilte gegen die Bude Tonios, der ein Leinwandhändler war. Dort ging er hin und her, lehnte sich manchmal an einen Pfeiler und spähte dahin und dorthin mit seinen langen rotbraunen Augen wie ein Maimonaffe.

Der Tag kam, die Mauern wurden rot, die Leute kamen allmählich vorüber; jedermann guckte ihn an und verwunderte sich, ihn in solchem Aufzuge zu sehen. Endlich kam auch Tonio, nichts ahnend, ganz leise und noch halb schlaftrunken mit einem Bündel Schlüssel in der Hand auf die Bude zu, um sie zu öffnen und an seine Geschäfte zu gehen. Sobald Cecco seiner ansichtig ward, verdrehte er die Augen, schnaubte vor Wut, ging ihm entgegen und rief: »Verruchte Schnauze, ich will dir deine Tanzlust eintränken, ich will dich lehren, wie man sich anständig aufführt.«

Dann fing er an sich aus dem Mantel loszumachen. Tonio meinte, er habe mit einem andern zu tun, und drehte sich um, um zu sehen, wer hinter ihm komme; Cecco aber versetzte ihm einen so hübschen Schlag an die Beine, daß er umfiel. Im Niederstürzen rief Tonio: »Weh mir, Ihr täuscht Euch; ich bin ja Tonio Tiglioccio.«

Cecco aber hämmerte ihm immerfort auf Arme und Schultern los, schlug ihn grün und gelb und drauf und drauf, wie einen dürren Fisch in der Fasten. Dazu rief er: »Wirst du aufmachen? Wirst du mehr nach meinem Namen fragen? Jetzt trompete, wie du willst, und leere mir Kessel über den Kopf aus!«

Und er prügelte immerfort.

Tonio versuchte sich aufzurichten, aber umsonst, der Sturm war zu heftig und rasch. Er fing an zu schreien, so laut er konnte: »Kommt herbei, kommt zu Hilfe! Ich bin des Todes! Zu Hilfe!«

Die Leute riefen: »Halt ein, halt ein um Gottes willen! Im Namen unseres Bürgermeisters!«

Aber sie hatten gut schreien, denn ehe Tonio zerschlagen und Cecco müde war, half alles nichts. Cecco rief: »So lehre ich einen, wie er sich anständig aufführen muß!«

Dann ging er weg mit hoher Stirn und strahlend über seine schöne und große Tat. Viele der Hinzugelaufenen gingen hinter ihm her und riefen: »Cecco, was Teufels habt Ihr gemacht?«

Er wandte sich um mit seinem herben Gelächter, schwang seine Keule und sprach: »Willst du, daß ich dir zeige, was ich tat?«

Ein anderer sagte: »Ihr habt nicht wohlgetan.«

Er aber schwang wieder seinen Prügel und rief: »Willst du davon statt seiner, und noch besser?«

Ein dritter rief: »Ihr habt ihn totgeschlagen.«

Er erwiderte: »Wenn ich ihn fortgetragen habe, so hole du ihn wieder!«

So antwortete er, bald wegen seiner Taubheit mißverstehend, bald aus Dummheit, ging nach Hause und dünkte sich Cäsar zu sein auf dem Kapitol.

Manche waren bei Tonio geblieben, welcher voll Schmerzen, ganz blau geschlagen, zerrissen, zerzaust und beschmiert sich aufrichtete. Man fragte ihn: »Was ist es? Was fehlte denn? Was sollte das? Was hast du ihm getan?«

Er krümmte sich zusammen wie ein Tölpel, sah diesen und jenen an und sagte: »Möchtet ihr es wissen?« Einer sagte: »Du wirst ihm einen Spuk gespielt oder eine Schmach angetan haben.«

Tonio antwortete: »Nein, beim heiligen Gott! Zwickt mich mit glühenden Zangen, wenn ich etwas mit ihm zu tun gehabt habe! Er sagte, weiß Gott was, von Tänzen, von Namen, anständigem Betragen, man sollte mich schinden; dann fing er an Äpfel zu schütteln, wie ihr gesehen habt. Er hat es aber ganz listig darauf angelegt, den ersten Schlag nach den Beinen zu führen, so daß ich umpurzeln mußte; denn wäre ich aufrecht geblieben, so hätte er nicht so lange mit seiner Kelle hantiert, er hätte schon seinen Mann gefunden; zuerst hätte ich mich geschützt durch eine Parade in der Quinte, hätte ihn dann unter mich gebracht, an der Brust gezerrt und an der Gurgel, so daß er, weiß der Himmel!, schwarzblau geworden wäre wie eine Tollkirsche. Aber was konnte ich anfangen? Ich stürzte bewußtlos zu Boden, und damit gute Nacht! Wer kann sich hüten vor Verrat? Aber ich will ihn zur Rechenschaft ziehen, und stünde er auch höher als der Montecavallo! Unser Bürgermeister ist gerecht, und er soll die Sache richten!«

So beschimpft ging er hinkend, ohne weiter die Bude zu öffnen, nach dem Gerichtshause und rief immer: »Zum Bürgermeister! Zum Bürgermeister!«

Einige, welche mit Tonio befreundet waren, versuchten mit Worten und Taten alles, um ihn zu beschwichtigen; sie redeten ihm eindringlich zu, er müsse sich vorerst salben und Speck zu sich nehmen, auch in Erfahrung bringen, wie und warum er auf diese Weise zugerichtet worden sei. Der eine nahm ihn bei den Armen, der andere am Kleide, so daß er nach Hause kam und wußte nicht wie. Andere liefen zu Cecco und sagten ihm, daß Tonio willens sei, sich an den Bürgermeister zu wenden. Cecco lachte laut auf und rief: »Er soll hingehen, er soll hingehen; ich werde kommen und mich verteidigen. Ich hätte ihn sollen prügeln, bis er ausgeschnauft hätte! Wißt ihr denn, welche Schmach er mir angetan hat?«

Hier erzählte er denn die ganze Geschichte mit dem Balle und daß jener ihm nicht aufmachen wollte und von der ganzen Mißhandlung durch Worte, Taten und Drohungen.

»Und das alles«, setzte er hinzu, »nachdem er gefragt, wer ich sei, und ich es ihm gesagt hatte, so daß er also mir geradezu diese Schmach antun wollte; und er kann sich nicht ausreden, ich habe Moscione zum Zeugen.«

Darauf sagten sie: »Wenn es so ist, so habt Ihr tausend Gründe.«

Sie kehrten um, gingen zu Tonio und sprachen: »Du hast unrecht, da du dich so aufgeführt hast; darum trag dein Leid in Frieden!«

Tonio wollte vergehen vor Zorn, schwur, es sei alles nicht wahr, der Ball und der Streit, rief seine Diener herzu und fragte: »Wo habe ich heute nacht geschlafen?«

Alle sagten: »Zu Hause, das läßt sich beweisen.«

Die Verwunderung ist groß. Man läuft zu Cecco und sagt ihm, wie die Sache stehe. Cecco wollte sich den Kopf an die Wand schlagen und schreit: »Kommt zu Moscione, da werdet ihr den Hergang hören!«

Sie gehen zu Moscione, man sucht da, stöbert dort, Moscione aber findet sich nicht. Sie gehen an jenes Haus in der Vorstadt und fragen in der Nachbarschaft, ob eine Festlichkeit in der letzten Nacht hier stattgefunden habe. Die Antwort lautet: keineswegs, übrigens haben sie sehr wohl pochen und die Leute auf der Straße rufen gehört, und weiter wissen sie nicht. Nun beginnt ein Argwohn aufzutauchen gegen den trefflichen Moscione: man sucht und sucht wieder nach ihm, und so erfuhr man, daß er hinweggeritten sei, und das war er in der Tat; denn sobald er vernommen, daß Tonio sein Teil erhalten hatte, war er ganz heiter davongereist in Rücksicht auf den ersten Grimm, der aufwallen möchte. Nun leiteten es die Freunde ein, daß Cecco sich zu Tonio verfügte, um sich auszusöhnen; nachdem alles erzählt war, merkte Tonio, der sich seiner Mißhandlung Mosciones wohl bewußt war, wie die Sache stand, und sprach: »Mir scheint die Sache so und so zusammenzuhängen.«

Alles stimmt bei und wundert sich. Cecco wollte hinlaufen, um Moscione entzweizuschlagen, aber man hielt ihn auf, und nach alter, rühmlicher Sitte erschienen Flaschen, Gläser und Schinken gleichsam als Taube mit dem Ölzweig im Schnabel, und der Friede ward geschlossen. Und während man zecht und bechert, gibt jeder seine Ansicht preis über den Vorfall, und die tiefsten und gründlichsten Gelehrten des Landes sprachen, Moscione wäre würdig aus einer Schüssel zu essen mit Bertoldo. Ja, er gewann sich so großes Ansehen durch die feine List, durch die er sich Rache verschafft hatte, daß viele sich Mühe gaben, auch mit ihm eine Versöhnung zustande zu bringen, was auch in wenigen Tagen gelang.

Ich meinesteils hätte diesem den Strang zum Lohne gegeben, denn er war in jedem Falle ein Schurke, und sein Fehler war es nicht, wenn Tonio nicht einen Hieb auf den Nacken bekam, von dem er tot blieb, und wenn Cecco nicht an einem Örtchen moderte, in das die Sonne nur gewürfelt scheint. Man hätte gewiß recht gehabt, diesen Menschen zu strafen; denn eine solche Züchtigung hätte ihn vielleicht dahin gebracht, seinen großen Verstand zu vernünftigeren und christlicheren Zwecken zu gebrauchen, als der Schelm tat und viele andere seinesgleichen, die aus Eigennutz oder Laune alltäglich an Freund und Feind den schlausten Verrat üben; Gott vertilg' ihren Samen!


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