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Italienische Novellen. Dritter Band
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Giovanni Battista Giraldi

Bestrafte Habgier

(Johann Peter Hebel, Der kluge Richter)

Filargiro war ein griechischer Kaufmann aus Korfu, der sich nach Mantua zurückgezogen hatte, nachdem er viel in Italien herumgekommen war, um seine Handelsgeschäfte zu betreiben. Er war vor allen Habgierigen besonders habgierig auf Geld, und obwohl er eine große Menge davon hatte und seine Zahl von Tag zu Tag wuchs, wollte er nichtsdestoweniger immer mehr haben, als er in seinem Besitz wußte, weil in ihm mit dem Geld das Verlangen danach sich vervielfachte.

Eines Tages hatte er nach dem Verkauf einer guten Menge von Waren 400 Goldskudi in eine Geldbörse gesteckt, um sie wegzuschließen, sobald er zu Hause wäre. Aber während er noch mit dem Verkauf seiner anderen Waren beschäftigt war, ließ er die Börse fallen, und ohne daß er es merkte, ging er nach Hause; und wie er hier die Hand an den Ärmel legte, um das Geld hervorzuholen und in die Geldkiste zu verschließen, wo er viele andere Tausende hatte, und seine Börse nicht darin fand, wurde er sehr bestürzt, kehrte auf dem Wege zurück, den er gekommen war, und fragte sogar die Hunde, die er auf der Straße traf, ob sie seine Geldbörse gesehen hätten; aber er kam bis zu dem Ort, von wo er weggegangen war, ohne nur ein kleines Anzeichen von ihr zu finden. Deswegen stand er nicht weniger betrübt da, als wenn ihm das eine seiner Augen aus dem Kopf gefallen wäre. Und da er sehr danach verlangte, das, was er verloren hatte, wiederzufinden, ging er ganz bekümmert zum Markgrafen und bat ihn, er möchte eine Bekanntmachung ergehen lassen, daß er demjenigen, der ihm die Börse wiederbrächte, zur Belohnung für die Wiedererlangung seines Geldes 40 Skudi geben würde.

Der Markgraf, der ebenso gefällig war, wie er tapfer und mutig war, zeigte sich damit einverstanden, die Bitte des Kaufmanns zu erfüllen, dessen Verlust ihm sehr zu Herzen ging; und so wurde die Bekanntmachung erlassen und dem Wiederbringer der Börse das versprochen, was der Kaufmann angeboten hatte.

Durch einen glücklichen Zufall hatte eine gute alte, sehr gottesfürchtige Frau sie gefunden, eine von denen, die sich sogar ein Gewissen daraus machen, in der Kirche auszuspucken. Wie sie also überlegte, daß sie im Besitz der 400 Skudi ihre Seele belasten würde, wogegen sie bei Abgabe der Börse das, was ihr durch die Bekanntmachung in Aussicht gestellt war, mit gutem Gewissen haben konnte, da es ihr die Gefälligkeit eines anderen aus freien Stücken gab, ging sie mit der Börse zum Markgrafen und überreichte sie ihm.

Als der Markgraf die gute Frau in ihrer ärmlichen Kleidung sah, fragte er sie, ob sie nichts von Wert besäße, und ob sie vielleicht allein stünde. Sie antwortete: »Ich habe nichts anderes, mein Herr, als was ich mir zusammen mit meiner einzigen Tochter von Tag zu Tag verdiene, indem wir beide durch Spinnen und Weben, immer in Gottesfurcht lebend, uns so gut wir können durchs Leben zu schlagen versuchen.«

Als der Markgraf das hörte und die Armut der Frau erkannte und sich überzeugte, daß nicht einmal das Verlangen, ihre Tochter zu verheiraten, sie hatte dahin bringen können, das zu behalten, was das Glück ihr in den Weg geführt hatte, während andere es vielleicht behalten hätten, wenn sie es gefunden hätten, war er der Meinung, sie verdiene in hohem Maße Hilfe, ihre Tochter zu verheiraten. Er ließ den Kaufmann rufen und sagte ihm, die Börse sei gefunden, und es bliebe nichts anderes zu tun übrig, als der guten Frau, die sie gebracht hatte, sein Versprechen zu halten.

Zwar war der Kaufmann zufrieden, das Geld wiedergefunden zu haben, aber nicht zufrieden, der Frau die 40 Skudi geben zu müssen, und so dachte er unverzüglich darüber nach, wie er einen Weg finden könnte, sie ihr unter einem Vorwande nicht zu geben. Er nahm die Börse und leerte sie auf einen Tisch aus, der im Zimmer des Markgrafen stand. Und obwohl er beim Nachzählen fand, daß es 400 Goldskudi waren, wie er hineingesteckt hatte, sagte er trotzdem, sich zu der alten Frau wendend: »Es fehlen 34 venezianische Dukaten, die zusammen mit den Skudi hier drin waren.«

Bei diesen Worten wurde die gute Frau rot und sagte: »Wie stellt Ihr Euch das vor, mein Herr, daß ich, wenn ich all dies Geld in der Hand hatte und nach meinem Belieben damit machen konnte, ohne daß irgend jemand mir es hätte vorwerfen können, und es ihm hierhergebracht habe, 34 Dukaten, die darin gewesen wären, hätte entwenden wollen?« Und ganz beschämt sagte sie zu dem Markgrafen: »Herr, ich schwöre Euch bei meiner Seele, daß ich Euch die Börse so gegeben habe, wie ich sie gefunden habe, daß ich nicht einmal die Hand hineingesteckt, geschweige denn ein Geldstück herausgenommen habe.«

Aber Filargiro ließ nicht ab zu versichern, in der Börse seien jene Dukaten zusammen mit den Skudi gewesen, und er wollte unbedingt, daß sie sie ihm wiederbrächte, wenn sie die versprochene Belohnung haben wollte.

Nunmehr erkannte der Markgraf, daß, wie groß die Gutmütigkeit der Frau, ebenso groß und noch größer die Schlechtigkeit und Habsucht dieses Schurken wäre, der nicht nur versuchte, dieser Frau sein Versprechen nicht zu halten, sondern auch den Herrn Markgrafen zu betrügen, indem er das nicht halten wollte, was der Herr Markgraf in seinem Namen in der Bekanntmachung versprochen hatte. Der Markgraf geriet also sehr in Zorn, und es schien ihm, daß der Betrug, den der Bösewicht vorhatte, schwere Strafe verdiene, und er war nahe daran, ihm das Leben rauben zu lassen, wie er seine Treulosigkeit erkannte. Aber er, der die Leidenschaftlichkeit seiner Seele durch Klugheit zügelte, dachte sich, die größte Strafe, die er ihm dafür geben könne, daß er einem Fürsten, wie er war, gegenüber die Treue gebrochen habe, bestünde darin, daß sein Betrug auf ihn, der ihn angezettelt habe, zurückfiele. Daher sagte er zu dem Habgierigen: »Warum erwähntet Ihr hier nicht die Dukaten, als Ihr um den Erlaß der Bekanntmachung batet?«

»Ich dachte nicht daran«, erwiderte Filargiro, »und vergaß es.«

»Seid Ihr so vergeßlich«, fuhr der Markgraf fort, »daß Ihr, für den die 40 Skudi Finderlohn eine so große Rolle spielen, Euch nicht erinnert habt, in Eurer Börse eine so große Anzahl Dukaten zu besitzen? Aber wie mir scheint, wollt Ihr Euch fremden Besitz aneignen: denn diese da ist nicht Eure Börse, da doch die Dukaten, von denen Ihr redet, sich nicht darin finden; vielmehr muß diese Börse diejenige sein, die einer von meinen Leuten an jenem selben Tage verlor, an dem Ihr die Eure verloren habt, und worin genau 400 Skudi waren, kein bißchen mehr, – und deswegen gehört dies Geld mir.«

Und so sprechend, wandte er sich an die alte Frau und sagte: »Liebe Frau, da Gott gewollt hat, daß Ihr dies Geld gefunden habt, und da dies nicht das Geld ist, das dieser Kaufmann verloren hat, sondern meines ist, so schenke ich es Euch, damit Ihr Eure Tochter verheiraten könnt. Wenn es zufällig geschehen sollte, daß Ihr eine andere Börse findet, in der zusammen mit den Skudi die Dukaten sich befinden, von denen er sagt, daß sie in seiner Börse steckten, so gebt sie ihm, ohne eine Kleinigkeit davon anzurühren!«

Die alte Frau dankte dem Markgrafen und versprach ihm, so zu tun, wie er ihr geboten hatte.

Der Kaufmann merkte, daß der Markgraf als kluger Mann seine Arglist durchschaut hatte und daß dadurch sein Betrug ihm zum Unheil ausgeschlagen war, und sagte: »Mein Herr, ich werde nicht verfehlen, die 40 Skudi dieser Dame zu geben; veranlaßt sie, mir die Börse zu geben!«

Darauf erwiderte ihm der Markgraf sehr heftig: »Ich weiß nicht, was mich davon abhält, aus dir den unzufriedensten Mann von der Welt zu machen: sehe ich dich doch so unverschämt, daß du willst, man solle dir das geben, was nicht dein Eigentum ist. Deshalb scher' dich hinweg und mach mich nicht zorniger, als ich schon bin! Wenn diese Dame deine Börse finden wird, wird sie sie dir geben.«

Filargiro wagte nicht ein einziges Wort zu erwidern und bereute zu spät, daß er das Versprechen brechen wollte, das er einen vornehmen Herrn durch öffentliche Bekanntmachung hatte versprechen lassen, und ging ganz betrübt von dannen. Aber die alte Frau sagte dem Markgrafen den größten Dank, der nur möglich war, und ging ganz vergnügt nach Hause, und in kurzem verheiratete sie ihre Tochter ehrenvoll auf die Kosten des Habgierigen.


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