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41. Die drei Ringe

. Ein König bewarb sich für seinen Sohn um die Tochter eines andern Königs und schickte ihm einen Brief, in dem er das Mädchen verlangte, und dazu ein Ehepfand für das Mädchen. Als der Brief an den König gelangt war und er ihn gelesen hatte, sagte er zu dem Gesandten: »Freund, ich kann dir keine Antwort geben, ehe ich das Mädchen gefragt habe.« Darauf ging er zu seiner Tochter und sagte ihr, daß der und der König für seinen Sohn um sie werbe und einen Ring als Ehepfand geschickt habe: »Also, was soll ich ihm antworten?« Sie sagte darauf ihrem Vater: »Antworte ihm: wenn er mir nicht drei Ringe bringt, einen mit Sternenlicht, den zweiten mit Mondenschein, den dritten mit Sonnenglanz, so will ich ihn nicht.« Der König sagte das dem Gesandten und fügte hinzu: »Grüße deinen König und sage ihm meinen Dank für die Anfrage, bitte ihn auch, die Antwort meiner eigenwilligen Tochter mir nicht übelzunehmen, ich vermag ja nichts über sie.« Der Gesandte kehrte zurück und berichtete seinem König, wie die Sache stehe; der König wurde zornig, fing aber an nachzudenken, wie er die drei Ringe beschaffen könnte und ließ zuletzt in aller Welt verkünden, wer ihm die drei Ringe verschaffte, dem würde er die Hälfte seines Königreichs und ungezählte Schätze geben. Aber ganz vergeblich. Zuletzt verfiel der Königssohn in großen Kummer und wollte sich schon vor Gram das Leben nehmen, als er einmal bei seinem Herumstreifen auf ein Gebirge kam und dort auf ein altes Weib traf, das am Wege saß. Er grüßte sie mit »Gott helfe«, und sie erwiderte seinen Gruß mit den Worten: »Gott kann freilich helfen, du unglücklicher und doch glücklicher und überglücklicher Sohn.« Als der Königssohn das hörte, verwunderte er sich und fragte sie, was das bedeuten solle; sie aber antwortete: »Du warst verloren, aber du hast einen Arzt gefunden, der dich, wenn es Gottes Wille ist, von deinem Leid befreien wird.« Darauf fing er an ihr zu erzählen, wie es mit ihm stand, aber sie ließ ihn nicht weiterreden, sondern rief: »Genug, genug, ich weiß schon, was dir fehlt; nimm jetzt das Kraut, das ich im Busen trage und stecke es in deinen Busen, dann löse mir das Haar und laß eine Hälfte nach vorn, die andre über den Rücken fallen, und bleibe bis zum Abend hier bei mir.« Er gehorchte ihr, nahm ihr das Kraut aus dem Busen und steckte es in seinen, dann löste er ihr die Haarflechten, und das Haar, ganz schwarz wie Kohle, nur hie und da ein graues, fiel bis auf den Boden. Gegen Abend sagte die Alte zu dem Königssohn: »Sobald du den ersten Stern siehst, nimm das Kraut aus dem Busen und sprich: ›Gott, gib mir den Ring!‹ Das tat er, und sowie er die Worte gesagt hatte, hüpfte ein Stern auf, ein Ring fiel ihm vor die Füße, und in ihm leuchtete derselbe Stern. Darauf sagte die Alte zu ihm, er solle achtgeben, wenn der Mond hinter dem Berge aufsteige, und dann dasselbe tun. Das tat er auch, ein Ring fiel herab, und in dem schien der Mond. Am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang sagte ihm wieder die Alte: »Gib gut acht, wenn die Sonne aufgehen will, und sowie sie herauskommt, blicke durch meine Haare, bis sie ganz heraus ist, dann sage dreimal: ›Mache mir, o Gott, aus diesem Haar einen Ring wie die Sonne.‹ So tat er, und kaum hatte er es dreimal gerufen, da verwandelte sich das Haar in einen Ring glänzend wie die Sonne. Als so der Königssohn die drei Ringe erlangt hatte, fragte er die Alte: »Womit soll ich es dir vergelten?« Sie aber antwortete: »Mit nichts anderm, als daß du solange ich lebe, für meine Seele betest, denn ich werde in wenig Tagen sterben, und daß du niemand davon erzählst.« Darauf bedankte sich der Königssohn bei ihr, küßte ihr die Hand und verabschiedete sich. Zu Hause angekommen, erzählte er alles seinem Vater, der schickte ihn mit den Ringen zu dem Mädchen, und nun wurde sie seine Braut und ihm angetraut nach Recht und Sitte.

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