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37. Beg und Fuchs

. Es lebte einmal in einem Dorfe ein Beg, der hatte nichts als ein Pferd, einen Jagdhund und eine Flinte; andre Beschäftigung hatte er nicht als die Jagd, und davon ernährte er sich. Eines Tages ging er auf die Jagd, zu Pferde, die Flinte auf der Schulter, den Hund neben sich, und zog auf das Gebirge. Als er dort auf eine ebene Stelle gekommen war, band er sein Pferd an eine Buche und ließ es dort, er selbst ging mit der Flinte auf der Schulter weiter durch den Wald. Während er so im Gebirge jagte, kam ein Fuchs zu seinem Pferde und legte sich daneben.

Der Beg verweilte längere Zeit im Walde, erlegte aber nur ein Reh. Als er nun zu seinem Pferde zurückkam, verwunderte er sich, da er den Fuchs neben dem Pferde liegen sah, legte gleich an und wollte ihn erschießen. Als der Fuchs das merkte, sprang er auf und bat den Beg, ihn nicht zu erschießen er wolle ihm sein Pferd getreulich schützen und behüten. Auf diese Bitte erbarmte sich der Beg und ließ den Fuchs am Leben; dann bestieg er sein Pferd, legte das Reh auf die Kruppe, nahm den Fuchs mit und ging nach Hause. Da bereitete er sich aus dem Reh das Abendessen, und das Eingeweide gab er dem Fuchs, damit auch der ein Abendessen habe. Am anderen Morgen zog der Beg wieder auf die Jagd und nahm zur Gesellschaft den Fuchs mit. Auf derselben Ebene band er wieder das Pferd an die Buche und ging ins Gebirge jagen; den Fuchs ließ er da, das Pferd zu bewachen. Während er fort war, blieb der Fuchs eine Zeitlang mit dem Pferd allein, aber bald kam ein Bär und wollte das Pferd auffressen; doch der Fuchs bat ihn, er möge dem Pferde nichts tun, sondern auf dessen Herrn warten, dabei würde ihm wohl sein, denn der Beg würde ihnen beiden bei sich zu Hause Nahrung geben. Der Bär ging darauf gern ein, legte sich mit dem Fuchs hin und wartete auf die Rückkehr des Herrn von der Jagd. Als der Beg zurückkam, verwunderte er sich, da er den Bären mit dem Fuchs bei dem Pferde liegen sah, faßte gleich nach seiner Flinte und legte auf den Bären an. Der Fuchs aber bat ihn, er möge dem Bären nichts tun, er wolle mit dem zusammen das Pferd bewachen und jederzeit zu Diensten sein. Darauf setzte der Beg die Flinte ab, warf die zwei Rehe, die er erlegt hatte, hinter sich aufs Pferd und begab sich in Gesellschaft von Bär und Fuchs nach Hause. Am nächsten Tage ging er wiederum ebenso auf die Jagd; diesmal erschien ein Wolf, und auch den nahm er mit nach Hause; das nächste Mal kamen eine Maus und ein Maulwurf, dann wieder ein Wolf und der Vogel Kumrikuscha, der war so groß, daß ein Pferd und einen Menschen wegtragen konnte. Alle diese Tiere fütterte der Beg zu Hause; zuletzt kam auch noch ein Hase zu der Gesellschaft. Eines Tages sprach der Fuchs zu dem Bären: »Geh, lieber Bär, bring einen Baumstumpf her, auf den will ich mich setzen und euch einen Befehl geben, ihr aber sollt mir gehorchen.« Darauf ging der Bär gleich in den Wald und brachte einen großen Baumstumpf; der Fuchs stieg hinauf und begann seine Rede: »Merkt auf, wir wollen unseren Beg verheiraten.« Darauf antworteten die andern: »Gut! Aber wie? Wir wissen ja nicht, wo wir ein Mädchen für ihn finden sollen.« Darauf sagte der Fuchs: »Der Zar hat eine Tochter, mit der wollen wir unsern Beg verheiraten. Deshalb geh du Kumrikuscha vor den Palast des Zaren und warte, bis seine Tochter zum Spaziergang herauskommt, dann ergreife sie und bringe sie hierher.« Da begab sich Kumrikuscha sogleich vor den Zarenpalast und wartete auf die Tochter. Gegen Abend kam sie mit ihrer Dienerin heraus, um einen Spaziergang zu machen, Kumrikuscha flog herzu, ergriff sie, setzte sie auf den Rücken, und nun fort des Weges, den er gekommen war.

Als der Zar vernahm, was seiner Tochter geschehen war, wurde er sehr bekümmert und versprach sogleich dem viele Schätze, der sie ihm wiederfinden würde; aber ganz vergeblich, denn niemand wollte es unternehmen. Da auf einmal fand sich eine Zigeunerin ein, ging zum Zaren und sagte: »Herr, was willst du mir geben; ich werde sie dir wiederfinden.« Als der Zar das hörte, wurde er froh und rief: »Fordere was du willst, wenn du sie nur findest.« Darauf ging die Zigeunerin nach Hause, nahm ihre Bohnen und zauberte damit nach alter Weise; dadurch erfuhr sie, daß die Zarentochter sich weit weg befinde, zehn Tagereisen von da, und rüstete sich gleich zur Reise dahin. Sie nahm ihren Teppich und eine Peitsche, setzte sich auf den Teppich und hieb mit der Peitsche darauf. Da erhob sie sich in die Luft und flog gradeswegs in die Gegend, wo der Beg sich mit der Zarentochter befand. Etwas entfernt vom Hofe des Begs ließ sie sich nieder, ließ Teppich und Peitsche dort zurück, schlich um das Gehöft herum und wartete, daß die Zarentochter zum Spaziergang herauskäme. Nach einiger Zeit kam sie wirklich, die Zigeunerin eilte gleich auf sie zu und fing ein Gespräch mit ihr an. Als sie so im Gespräch sich ziemlich weit vom Hofe entfernt hatten, forderte die Zigeunerin die Zarentochter auf mit ihr zu kommen, und diese folgte ihr. Da erblickte sie den Teppich, den die Zigeunerin ausgebreitet hatte und sagte: »Da ist ein Teppich, setzen wir uns darauf!« Das kam der Zigeunerin grade recht, sie liefen beide zu dem Teppich hin und setzten sich darauf. Darauf nahm die Zigeunerin die Peitsche, tat einen Hieb auf den Teppich und erhob sich in die Luft, gradeswegs zu dem Zaren. Als der seine Tochter erblickte, wurde er froh und beschenkte die Zigeunerin reichlich, die Tochter aber schloß er in ein Zimmer ein und verbot ihr, jemals irgendwohin herauszugehen, gab ihr auch zwei Dienerinnen bei, die sie bedienen sollten.

Als der Fuchs vernahm, was aus der Frau des Begs geworden war, versammelte er seine Genossenschaft und hielt ihnen eine Rede: »Wir haben zwar unsern Beg mit der Zarentochter verheiratet, aber man hat sie uns gestohlen, und nun ist unser Beg wieder Junggesell. Deshalb müssen wir ihm jetzt die Zarentochter wieder holen, aber das ist nicht leicht für uns, denn der Zar hat sie eingeschlossen und läßt sie nirgendhin herausgehen. Darum will ich mich in eine schöne bunte Katze verwandeln, geziert mit allen Farben, und will unter dem Fenster der Zarentochter spielen. Wenn sie mich sieht, wird sie ihre Dienerinnen schicken mich zu fangen; ich lasse mich aber nicht fangen, ehe sie selbst kommt; und wenn sie kommt, dann erscheine du dort, Kumrikuscha, ergreife sie und bringe sie gleich zu unserem Beg; ich will schon zusehen, daß ich heil davonkomme und sie mich nicht fangen.« Als so der Fuchs alle angewiesen hatte, wie sie verfahren sollten, stimmten alle zu. Darauf nahm Kumrikuscha den Fuchs unter seine Flügel und flog in das Reich, wo die Zarentochter sich befand, geradeswegs zu dem Zarenpalast. Dort ließ der Vogel sich sanft nieder, der Fuchs verwandelte sich sogleich in eine bunte Katze, geziert mit allen Farben, ging unter den Altan der Zarentochter und fing dort an zu spielen und herumzutanzen. Als sie das bemerkte, schickte sie gleich ihre Dienerinnen, die Katze zu fangen und sie ihr zu bringen. Die Dienerinnen gingen auch gleich hinab und versuchten auf alle Weise, die Katze zu fangen, aber die ließ sich nicht greifen. Darauf kam die Zarentochter selbst herab sie zu fangen, und sobald sie auf die Katze zuging, fand sich Kumrikuscha dort ein, packte sie und eilte mit ihr zurück, der Fuchs lief hinterher. Als der Zar vernahm, was mit seiner Tochter geschehen war, ließ er seine Jagdhunde los, um die Katze zu fangen, die da gespielt hatte. Als die Katze merkte, daß die Hunde sie fangen wollten, schlüpfte sie in eine Höhle, die Hunde konnten sie da nicht herausziehen und kehrten um; die Katze kam wieder heraus, verwandelte sich in den Fuchs und ging dem Kumrikuscha nach, der dem Beg schon die Zarentochter, seine Frau, gebracht hatte.

Als nun der Zar sah, daß er seine Tochter nicht wieder bekommen konnte, rüstete er ein gewaltiges Heer und führte es gegen die Tiere. Da rief der Fuchs alle Tiere, die mit ihm bei dem Beg waren, zusammen: den Bären, den Wolf, den Hasen, den Maulwurf, die Maus und den Vogel Kumrikuscha, und sprach zu ihnen: »Seht, der Zar hat sein Heer gegen uns ausgeführt und will uns alle vertilgen; also laßt auch uns gegen ihn unsere Tierscharen aufbieten. Wieviel Bären kannst du, lieber Bär, zusammenbringen?« – »Dreihundert.« – »Und du, Wolf, wieviel Wölfe?« – »Fünfhundert.« – »Und du, Hase, wieviel Hasen?« – »Achthundert.« – »Und du, Maus, wieviel Mäuse?« – »Dreitausend.« – »Und du, Maulwurf, wieviel Maulwürfe?« – »Achttausend.« – »Und du, Kumrikuscha, wieviel kannst du von den Deinigen zusammenbringen?« – »Etwa zwei- oder dreihundert.« – »Gut, so geht alle und sammelt soviel jeder gesagt hat; wenn ihr sie zusammenhabt, führt sie hierher, ich werde euch dann angeben, was ihr zu tun habt.« Als der Fuchs seine Rede geendet hatte, gingen sie alle in die Wälder und sammelten das Heer. Nach einiger Zeit vernahm man von allen Seiten ein furchtbares Geschrei und Getöse, das Bärenheer, das Wolfsheer und alle andern kamen von überallher herbei. Als sie nun alle hübsch beisammen waren, trat der Fuchs unter sie und begann so zu ihnen zu reden: »Ihr Bären und Wölfe rückt zuerst aus, und wenn das Zarenheer im ersten Nachtlager ist, zerreißt ihr alle ihre Pferde; ihr Hasen laßt euer Wasser in die Kanonen, daß sie nicht losgehen können. Im zweiten Nachtlager zernagt ihr Mäuse ihnen alle Sättel, denn sie werden wieder Pferde gekauft haben. Im dritten Nachtlager grabt ihr Maulwürfe ringsum das Heer des Zaren fünfzehn Ellen in die Breite und zwanzig Ellen in die Tiefe; und ihr Kumrikuschas werft von oben mit Steinen, wenn das Heer morgen heranrückt.« Damit gingen alle ab. Im ersten Nachtquartier des Zaren kamen die Bären und Wölfe und zerrissen in der Nacht alle Pferde des Heeres. Das meldeten am nächsten Morgen die Soldaten dem Zaren, der wurde nachdenklich, was das sein könnte, kaufte aber gleich wieder andre Pferde und zog mit seinem Heere weiter. Im zweiten Nachtlager kamen in der Nacht die Mäuse und zernagten alle Sättel. Das bemerkten in der Früh die Soldaten, meldeten es sogleich dem Zaren, der kaufte andre Sättel und zog weiter. Beim dritten Nachtlager schickte der Fuchs die Maulwürfe, die um das ganze Heer des Zaren fünfzehn Ellen breit und zwanzig Ellen tief graben sollten. Um ihnen die Arbeit zu erleichtern, schickte er die Bären mit, die ihnen helfen sollten die Erde herauszuschaffen. Etwa um Mitternacht verteilten sich die Maulwürfe rings um das Heer und fingen an unter der Erde zu graben, nur an einer Stelle ließen sie ein Loch, durch das sie die Erde hinauswerfen wollten; die Bären warteten draußen und trugen die Erde weg, etwas von dem Heere entfernt. Am nächsten Morgen stieg das Heer des Zaren zu Pferde und zog weiter. Da aber fingen sie an in die Erde einzusinken, und der Fuchs schickte die Kumrikuschas, von oben Steine auf sie zu werfen. Als nun der Zar sah, daß sein Heer zugrunde geht, rief er aus: »Laßt uns umkehren! Das ist eine Strafe Gottes dafür, daß wir gegen die Tiere zu Felde gezogen sind. Mögen sie meine Tochter behalten, die sie entführt haben.« Darauf wandten sie sich sogleich zum Rückzug, aber auch dort fingen sie wieder an einzusinken. Da rief der Zar: »Wenn uns schon Gott damit straft, daß die Erde unter uns birst, warum treffen uns noch Steine von oben?« Nach und nach kamen alle um sammt dem Zaren. Einige Zeit nachher verlegte der Fuchs seinen Thron nach Stambul und begann dort zu herrschen; der Beg gab die Jagd auf und lebte mit dem Fuchse vergnügt in Stambul, die Zarentochter blieb seine Frau, die ihm niemand mehr gestohlen hat.

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