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Es war einmal ein armes Elternpaar, das hatte einen Sohn, und der war Hirtenjunge. Schon von früh an war er ein guter und hübscher Junge. Einmal kam ihm auf der Weide ein Schaf abhanden. Was sollte er nun zu Hause sagen? Er fürchtete, man würde ihn dort durchprügeln und zurückschicken, um das Schaf zu suchen. Da beschloß er auszugehen, um das Schaf zu suchen, möge kommen, was da wolle. So kam er an einen Wald, ging beim Suchen hinein und verirrte sich darin. Nun wußte er nicht rechts noch links. Er wäre gern zurückgegangen, aber wohin? er hatte die Richtung verloren. Es blieb nichts übrig, als sich an einen Weg zu halten, möge der wo immer hinführen. Auf dem
Wege ging er fort und bemerkte ein Haus, ging darauf zu und sah, daß es aus lauter Menschengebeinen gebaut war. Doch es gab nichts andres; hinein, dort oder nirgends! So ging er zur Tür und rief: »Gelobt sei Gott, Leute!« – »In Ewigkeit, junger Mann«, antworteten sie ihm von drinnen. »Würdet ihr mir Nachtlager geben? Ihr seht, wie müde ich bin, ich bin den ganzen Tag ohne Aufhören unterwegs, und hungrig bin ich auch. Wenn ihr mir zu essen geben könnt, gebt.« Sie antworteten ihm: »Zu essen und zu trinken wollen wir dir geben zum Sattwerden, aber Nachtlager nicht, denn unser Vater ist ein Vampir, und sowie er einen Christenmenschen riecht, frißt er ihn auf.« – »Nehmt mich nur auf, und versteckt mich irgendwo, vielleicht findet mich euer Vater nicht, oder wenn er mich findet, läßt er mich laufen.« – »Wenn du schon so quälst, wollen wir dich aufnehmen, aber gib uns nachher nicht die Schuld, wenn dir was passiert.« Damit versteckten sie ihn hinter der Tür. Im Hause waren die Mutter und neun Töchter, der Vater war nicht zu Hause, sondern irgendwo auf der Jagd; jetzt aber kam er auch nach Hause, schnob sie an und verlangte Abendessen. Das gaben sie ihm, dann schnüffelte er herum und sagte: »Ich rieche Christenfleisch, es muß im Hause ein Christenmensch sein.« Töchter und Frau antworteten, es sei niemand im Hause, soviel sie wüßten. »Doch, es muß hier drinnen ein Christenmensch sein, zeigt mir ihn her, sonst geht es nicht gut.« Nun sahen sie freilich, daß es nichts nützte, ihn zu verbergen und sagten ihm, es sei ein junger Mann zu ihrem Hause gekommen, der im Walde ein Schaf gesucht und sich verirrt habe, und sie hätten ihn aus Mitleid zur Nacht aufgenommen. Darauf sagte er strenge: »So gebt ihn heraus, ich will ihn sehen.« Dem jungen Mann aber sträubten sich schon die Haare, und er dachte: »Nun ist es aus mit mir.« Er ging zu dem Vampir, und der fragte ihn: »Woher bist du?« Er erzählte ihm mit leiser Stimme, woher er stamme, wie er Schafe gehütet habe und wie er eins verloren habe, das sei er gegangen zu suchen und habe sich
dabei im Walde verirrt, dann habe er das Haus gesehen und sei hineingegangen. Darauf fragte ihn der Vampir: »Nun, möchtest du bei mir in Dienst bleiben?« Er antwortete: »Ja, Herr.« – »Nun gut, so bleib da, aber wie du weißt, ein rechter Herr sagt schon am Abend seinem Gesinde, was es am nächsten Morgen zu tun hat, und so will ich auch dir als ein rechter Herr schon heut abend deine Arbeit für morgen sagen. Du wirst auf unsere Wiese gehen, die sollst du abmähen, das Heu trocknen und in Schober setzen, es darf nichts in Schwaden liegen bleiben. Wenn du das nicht fertig bringst, verdienst du nicht am Leben zu bleiben, du bist mir dann gerade für ein Abendessen gut. Aber jetzt geh schlafen, daß du morgen beizeiten aufstehen kannst.« Der Bursche ging schlafen, aber Schlaf kam nicht in seine Augen, sondern nur Tränen. Er weinte und grämte sich: wie soll er das machen, eine so große Wiese an einem Tage abmähen, auch noch das Heu fertig machen; das ist unmöglich; hundert Arbeiter würden nicht einmal die Hälfte fertig bringen, wie soll er allein das Ganze machen? Bei Tagesanbruch nahm er Sense, Rechen und Gabel, ging auf die Wiese und fing an zu mähen. Er mäht und mäht, aber was kann ein Mann abmähen? Schon ist es Mittag, und er hat erst eine Strecke von zwölf Klaftern gemäht. Da kommt die jüngste Tochter mit dem Mittagessen, sie war aber eine Vila und sagte: »Guten Tag, bist du schon mit dem Mähen fertig?« – »Ich würde nicht fertig sein,« antwortete er, »und wenn ich hundert Tage mähte, wieviel weniger in einem halben Tage; mir bleibt nichts übrig, als das Leben zu verlieren.« – »Sei still, gräme dich nicht, geh nur essen.« – »Ich brauche kein Mittag- und kein Abendessen, ich mag keins, ich bin satt von Gram und Kummer.« Aber sie tröstete ihn: »Ach, was fürchtest du dich so; all das wird besser als du denkst, geh nur essen; du wirst sehen, es wird noch alles gut.« – »Mein liebes Mädchen, da kann nichts gut werden, aber da du es so gern willst, will ich doch gehen und essen.« Als er sich satt gegessen hatte, sagte das Mädchen: »Jetzt lege dich ein
bißchen hin und ruh dich aus, ich will dich dabei lausen; ich weiß, du bist müde.« Er folgte ihr, legte den Kopf in ihren Schoß, sie fing an ihn zu lausen, und er schlief dabei ein. Als er aufwacht, was für ein Wunder ist geschehen! Die ganze Wiese abgemäht, alles Heu in großen und kleinen Schobern, nicht ein Pfund liegt mehr in Schwaden. »Siehst du,« sprach das Mädchen zu ihm, »ich habe dir gesagt, daß es vielleicht besser wird als du meinst. Jetzt geh hübsch nach Hause, nimm Sense, Rechen und Gabel, und wenn du eintrittst, wirf sie ärgerlich dem Herrn vor die Füße, als wärst du sehr müde. Er wird dich fragen, ob du fertig bist, und du antworte laut und ärgerlich: jawohl!« Darauf ging er nach Hause, trat auf die Schwelle, warf Sense, Rechen und Gabel dem Herrn vor die Füße und schnob herum. »Nun, bist du fertig?« fragte ihn der Herr. »Frag mich nicht, ich bin fertig, gib mir nun mein Abendessen! Warum ist es noch nicht fertig?« Da sah der Herr freilich, daß der Bursche keine Furcht hatte und sagte zu ihm: »Gut, wenn du fertig bist. Für morgen bekommst du die Arbeit: du sollst eine Mühle bauen, Räder einsetzen, Wasser zulassen und sieben Säcke Korn mahlen.« Da verlor der Bursche wieder den Mut, schrie und schnob nicht mehr herum. Als er am Abend schlafen ging, konnte er lange nicht einschlafen, aber endlich schlief er doch ein wenig. Am nächsten Morgen ging er dann die Mühle zu errichten. Er arbeitete und arbeitete, schon war es Mittag; da kam wieder die jüngste Tochter mit dem Mittagessen und sagte: »Bist du fertig?« – »Fertig?« antwortete er, »ich habe noch nicht einmal den Grund gegraben. Heut abend werde ich sicher dem Herrn zum Abendessen gebraten.« – »Hab keine Angst,« antwortete das Mädchen, »es wird vielleicht besser als du erwartest.« – »Ach nein, es kann nicht besser werden; mit mir kann es nicht mehr besser werden.« – »Sei still, und geh nur essen.« Da ging er essen, aß sich satt, und das Mädchen sagte: »Jetzt leg dich, und ruh ein wenig aus, ich will dich dabei lausen.« Darauf legte er den Kopf in ihren Schoß, sie fing an ihn zu lausen, und
er schlief ein. Als er erwachte, die Freude! Die Mühle steht fertig da, das Wasser ist eingelassen, und die sieben Säcke Korn sind gemahlen. Das Mädchen aber sagte: »Siehst du, es ist besser gegangen, als du gedacht hast. Jetzt geh nach Hause, nimm zwei Säcke mit, wirf sie dem Herrn ärgerlich vor die Füße und verlange gleich dein Abendessen.« Da ging er nach Hause, warf dem Herrn die Säcke ärgerlich vor die Füße und schnob ihn an: »Wo ist mein Abendessen? Ist es noch nicht fertig? Was macht ihr den ganzen Tag, das hättet ihr doch wohl herrichten können.« Darauf fragte ihn der Herr: »Du bist doch mit deiner Arbeit fertig?« – »Jawohl, Herr,« antwortete er zuversichtlich, »ich bin fertig, aber ihr habt mir nicht einmal das Abendessen gerichtet.« – »Sei still, dein Abendessen steht bereit, da! Du bist ein guter Arbeiter, bist ganz tüchtig, ich bin mit dir ganz und gar zufrieden. Morgen mußt du mir aber das ausrichten: du sollst mit einem Sieb alles Wasser aus dem See ausschöpfen und daraus sieben Faß Fische einsalzen. Wenn du das nicht fertig bringst, hast du die Arbeit bis jetzt vergebens gemacht, dasmal mußt du doch dein Leben verlieren.« Der Bursche verlor zwar wieder den Mut, aber hoffte doch auf Hilfe und konnte in der Nacht auch etwas schlafen. Am nächsten Morgen nahm er das Sieb, ging an den See und fing an zu schöpfen. Um Mittag kam wieder die jüngste Tochter mit dem Mittagessen und sagte: »Nun, bist du fertig?« – »Ach,« antwortete er, »ich habe kaum angefangen, und wenn ich hundert Jahre schöpfte, ich würde den See nicht ausschöpfen. Habe ich bis jetzt das Leben nicht verloren, heut abend verlier ich es sicherlich.« Sie tröstete ihn wieder: »Sei still, vielleicht wird es besser als du denkst.« – »Ach, es wird nicht besser, nein, und wenn wir alles fertig gebracht haben, das bringen wir nicht fertig.« – »Sorge dich nicht so, geh jetzt nur hübsch Mittag essen.« Als er satt war, sagte sie ihm wieder, er solle sich hinlegen, sie wolle ihn lausen, und wenn es auch noch mehr Arbeit gab, er legte doch den Kopf dem Mädchen in den Schoß. Sie lauste ihn, und er schlief dabei
ein, als gäbe es gar keine Arbeit auf der Welt. Als er am Abend erwachte, die Freude! Der ganze See ausgeschöpft, und die sieben Faß Fische eingesalzen! Wer ist vergnügter als er! Da sagte ihm das Mädchen: »Geh hübsch nach Hause, nimm zwei Fässer Fische und wirf sie dem Herrn noch heftiger vor die Füße als früher, und fordere ärgerlich, daß man dir gleich dein Abendessen gibt. Wenn du damit fertig bist, wird er uns neun Schwestern alle zu dir führen, daß du wählst, welche du zur Frau willst, nimm du aber keine außer mir. Du wirst mich aber nicht erkennen, denn wir sind alle ganz gleich; deswegen werde ich Ohrringe in beide Ohren stecken, an dem Zeichen wirst du mich erkennen, auch wird er mich dir zuletzt anbieten.« Darauf ging er nach Hause, warf seinem Herrn die beiden Fässer vor die Füße und schnob ihn an: »Wo ist mein Abendessen? Seid ihr noch nicht damit fertig? Zu nichts anderem seid ihr nütz als herumzuliegen; es möchte noch ein andrer für euch kochen.« – »Sei nicht böse,« antwortete der Herr, »sag nur erst, ob du fertig gemacht hast, was ich dir befohlen hatte.« – »Ob Ihr mich fragt oder nicht, ob ich damit fertig bin, ich bin fertig.« Darauf brachten sie ihm das Abendessen, und er aß, dann führte ihm der Herr seine neun Töchter vor, daß er eine von ihnen zur Frau wähle, zeigte ihm die älteste und fragte: »Willst du diese?« – »Nein«, antwortete der Bursche. – »Willst du diese?« – »Nein.« – »Diese?« – »Auch die nicht.« Als er an die neunte, die jüngste, kam, fragte er wieder: »Willst du die?« – »Ja, die will ich.« Und sogleich wurden sie verheiratet. Als sie am Abend schlafen gingen, sagte die Frau zu ihm, sie habe ihrem Vater seine Stiefel gestohlen: »Da, zieh die Stiefel an und sprich: Dreihundert Schritt, dreihundert Meilen! Ich werde leicht mit dir mitkommen, denn ich bin eine Vila.« Er nahm die Stiefel, zog sie an und sprach: »Dreihundert Schritt, dreihundert Meilen!« Und nun fort! Mit jedem Schritt macht er eine Meile und die Frau immer hübsch neben ihm. Vor Tagesanbruch aber sagte der Vampir zu seiner Frau: »Geh und sieh, was unsere
Kinder machen.« Sie geht und sieht sich in der Kammer um, aber niemand ist darin. Als sie das ihrem Mann erzählte, rief er aus: »Sie sind fort, sie sind fort! Schnell meine Stiefel, daß ich sie einhole.« Sie suchte nach den Stiefeln, aber auch die sind nicht da. Da schlug er sich aufs Knie und sagte: »Ha! Sie haben sie gestohlen. Geh du und fange die beiden ein!« Da ging sie ihnen nach, lief und lief und sah sie schon vor sich. Die Vila aber wandte sich jetzt etwas um, bemerkte, daß die Mutter hinter ihnen herkommt und sagte: »Mann, da kommt die Mutter hinter uns her, das wird schlimm; aber weißt du was, verwandle dich schnell in einen Hengst, ich mache mich zu einer Stute, vielleicht können wir uns so retten.« Das taten sie, und die Mutter sah jetzt nichts als einen Hengst und eine Stute; darauf kehrte sie nach Hause zurück, und der Mann fragte sie: »Hast du sie denn nicht eingefangen?« – »Nein,« antwortete sie, »ich hatte sie schon gesehen, aber auf einmal waren sie aus meinen Augen verschwunden, und ich sah vor mir nur einen Hengst und eine Stute.« – »Das sind sie ja, das sind sie; geh, hol sie ein; schnell, schnell!« schrie er aus vollem Hals. Sie ging nun wieder zurück, lief und lief und wurde Hengst und Stute gewahr. Die Stute wandte sich um und bemerkte sie: »Mann, Mann! Da kommt wieder die Mutter, jetzt ist es aus mit uns, aber weißt du was, mach du dich zu einem Dornstrauch, ich werde zu einer Brombeerranke, so werden wir vielleicht davonkommen.« So taten sie, und ihre Mutter sah weder Hengst noch Stute mehr und kehrte wieder zurück. Der Mann schrie sie an: »Hast du sie denn nicht gefunden?« – »Nein,« antwortete sie, »ich sah den Hengst und die Stute schon vor mir, aber auf einmal waren sie weg, und ich sah nur einen Schlehdorn und eine Brombeerranke.« – »Ah! das sind sie ja,« sagte er, »geh, lauf was du kannst, und fang sie ein, vielleicht ist es noch nicht zu spät.« Sie ging wieder, lief und lief und sah schon Dornstrauch und Ranke vor sich. Die Ranke wandte sich und sagte: »Mann, da ist unsere Mutter
wieder, gleich wird sie uns einholen. Aber weißt du was, hier in der Nähe ist eine Kapelle, verwandle dich in einen Priester und lies die Messe, ich werde zu einem Jungen und werde dir respondieren.« So taten sie, gingen in die Kapelle, er las die Messe, und sie respondierte ihm. Die Mutter kam in die Kapelle und blieb da, bis die Messe zu Ende war, dann kehrte sie nach Hause zurück. Der Mann schrie sie an: »Hast du sie eingefangen?« – »Ach nein,« antwortete sie, »ich hatte den Dornstrauch und die Brombeerranke schon vor mir gesehen, aber sie kamen mir aus den Augen; ich traf auf eine Kapelle, ging hinein, fand dort einen Priester Messe lesen und einen Jungen respondieren.« – »Ah! Das sind sie ja, aber jetzt sind sie schon in ihrem Lande, jetzt nützt es nichts mehr, sie zu verfolgen.« Die beiden jungen Leute gingen nun nach Hause und lebten in aller Eintracht; sie aber sagte zu ihm, alles könne er zu ihr sagen, aber niemals dürfe er sie Vila nennen. »Gut,« antwortete er, »ich will daran denken und mich in acht nehmen, soviel ich irgend kann.«
Eines Sommers war an dem Ort, wo sie wohnten, die Frucht gediehen wie niemals sonst. Alle alten Leute sagten, daß ein solcher Sommer noch nicht dagewesen sei. Ein wahrer Segen Gottes! Weizen und Gerste und Roggen und Hirse und Mais und Kartoffeln, man konnte nichts Besseres wünschen. Aber eines Nachts brach ein Hagelwetter aus; es hagelte so, daß die Felder verwüstet wurden und nur die Strohhalme übrigblieben. Alle andern Felder waren verhagelt, nur auf dem Lande der beiden, die schon drei Kinder hatten, war kein Hagelkorn gefallen. Der Mann war darüber sehr froh, und in seiner Freude rief er: »Ja, Vila bleibt Vila.« Heda! Sowie er das gesagt hatte, war seine Frau fort und kam nicht mehr wieder; er blieb mit seinen Kindern allein. Aber jeden Samstag fand er die Kinder schön gewaschen und gekämmt und in Ordnung gebracht. Nach längerer Zeit fragte er seine Kinder: »Wer macht euch so in Ordnung, liebe Kinder?« Sie antworteten ihm: »Unsere Mutter kommt jeden Samstag zu uns und bringt uns schön in Ordnung, kämmt, wäscht und küßt uns ab, dann geht sie mit Weinen fort.« Jetzt paßte er jeden Samstag auf, ob er sie irgendwie erblicken und sie abfangen könnte, aber es gelang ihm nicht. Da beschloß er in die Welt zu gehen, um sie zu suchen. Auf seiner Wanderung kam er zur Sonne und fragte sie, wo er wohl seine Frau finden könnte. Die Sonne antwortete ihm: »Mein lieber Mann, das kann ich dir nicht sagen, aber geh zu meinem Bruder, dem Mond, vielleicht weiß der es.« So ging er zum Monde, aber der konnte ihm auch nichts sagen, sondern riet ihm, er solle zu seinen Kindern, den Sternen des Siebengestirns, gehen, daß die es ihm sagen. Zu denen ging er und sagte: »Gelobt sei Gott, ihr Mondkinder!« Sie antworteten: »In Ewigkeit sei er gelobt! Was bringt dich zu uns?« Darauf erzählte er alles, was ihm geschehen war, wie ihn seine Frau zuletzt verlassen habe, wie sie jeden Samstag zu den Kindern komme, daß er sie aber niemals zu sehen bekomme. »Da bin ich denn zu euch gekommen, der Mond hat mich hergeschickt, ob ihr vielleicht etwas von ihr wißt.« Sie antworteten: »Wir wissen von ihr und wollen dir sagen, wie du sie auffinden und nach Hause bringen kannst.« Darauf gaben ihm die Sterne ein Bärenfell und sprachen: »Sieh, nimm dies Bärenfell und geh weiter dahin zu dem Palast, der von hier zu sehen ist; und wenn du da hinkommst, krieche unter den Tisch, und wenn man dann Speisen auf den Tisch bringt, nimm alles leise mit der Hand weg und stelle es unter den Tisch; sie werden dich nicht sehen; nachher tu, wie es dir am besten scheint.« Da dankte er den Sternen, ging in den Palast und setzte sich unter den Tisch. Jetzt trug man die Speise zum Mittagessen für die Vilen auf, es waren aber viele von ihnen da. Er langte unter dem Tisch hervor, nahm alles weg und legte es unter den Tisch. Als nun gar nichts mehr auf dem Tisch war und die Vilen nichts zum Sattessen hatten, stand eine von ihnen auf und sagte: »Schwestern, eine von uns muß eine Sünde begangen haben, da wir von der Speise, die auf den Tisch gekommen ist, nicht satt geworden sind.« Da sagte die erste: »Ich nicht«, die zweite: »Ich nicht«, die dritte: »Ich auch nicht«, und so sagten sie alle: »Ich nicht.« Zuletzt sprach sich die Frau jenes Mannes aus: »Ich habe eine Sünde begangen. Ich habe Mann und Kinder verlassen und bin zu euch gekommen. Wenn mein Mann jetzt hier wäre, würde ich mit ihm nach Hause gehen.« Da warf er das Bärenfell ab, richtete sich auf und sagte: »Ich, dein Mann, bin hier, komm mit mir nach Hause.« Da küßten sie sich und gingen zusammen nach Hause, und von da an lebten sie schön zusammen, bekamen noch viele Kinder – und meine Geschichte ist zu Ende.
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