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LXVIII. Johannes Textoris (Mörnach?) entbietet seinem Peter Schwinkoncius so viele Grüße, als Tropfen im Meere und Stäubchen in der Sonne sind.

Wisset, geliebtester Freund, daß ich Euern Brief erhalten habe, worin Ihr mir über Erasmus von Rotterdam schreibet, und zu erfahren wünschet, was ich von ihm halte. Ihr sollt wissen und dürft es mir glauben, daß ich auch damals schon, als ich noch ein Jüngling war, vieles in der humanistischen Literatur gelesen habe, und den Stephanus Fiscus, den Gräcisten, den Sinthen, den Facetus, den Floretus und jene alten Poeten sozusagen bis auf die Nagelprobe auswendig weiß; und um die Wahrheit hiervon zu beweisen, habe ich sodann ein Buch geschrieben, »Florista« betitelt, woraus Ihr mein Wissen und noch mehr anderes – wenn ich prahlen wollte – leicht ersehet. Doch, ich sage nur so viel, damit Ihr nicht glaubet, ich lüge Euch an: ich kann ganz zuverlässig über jenen Erasmus urteilen. Ich habe auch Reuchlins »Augenspiegel« und seine »Kabbala« geprüft, wie Ihr wohl wisset. Um aber nicht viel Worte zu machen: ich halte nichts von Erasmus, weil er ein Feind der Mönche ist und viel Schlechtes von ihnen sagt, weil er von ihnen sagt, sie seinen plumpe Esel, hassen die schönen Wissenschaften, und wissen sonst nichts, als essen, trinken und Psalmenableiern: da lügt er denn in seinen eigenen Hals als hinein, wenn er das sagt. Nein, sondern er ist ein Esel; er ist ein guter Lateiner und weiß sich gut im Lateinischen auszudrücken, sonst aber versteht er nichts. Er hat viele Bücher gemacht, namentlich ein »Narrenschiff« und einen Kommentar über den Hieronymus, worin er nichts tut, als die Religiosen kujonieren. Bei Gott! ich sage ihm: wenn er sie nicht in Ruhe lassen will, dann wollen wir es ihm machen, wie dem Reuchlin es ihm machen, und stände er auch hundertmal in Gnaden bei dem Papste und dem König Karl. Doch, wir haben wohl eben solche Übermutige gesehen, wie er ist, und sind doch mit ihnen fertig geworden. Ich will Euch etwas sagen, aber Ihr dürft es mir nicht nachsagen, sonst holt mich der Teufel. Unser Magister Jakob van Hoogstraten, und alle unsere Magister in Köln und Cambridge unterwerfen bereits den Kommentar über den Hieronymus ihrer Prüfung und wie ich höre, wird es da gar schlecht um ihn stehen; ich möchte nicht hundert Gulden nehmen, daß ich an seiner Stelle wäre. Es heißt, er habe dort viel Unkraut gesäet; er glaubt aber, es solle dies niemand merken. Allein unsere Magister sind nicht so dumm, sondern wissen wohl, wo die Schlange im Grase lauert, wie Alexander sagt. Ich konnte nicht alles behalten, doch einiges weiß ich noch: er sagt nämlich, der heilige Hieronymus sei nicht Kardinal gewesen, was denn doch ein Majestätsverbrechen ist; auch denkt er schlecht von dem heiligen Georg und Christoph, von den Reliquien der Heiligen, den Kerzen, und vom Sakrament der Beichte, auch lästert er an viele Stellen, denn er spricht wider den heiligen Doktor und den scharfsinnigen Doktor: er sagt, ihre Theologie sei nichts. Dies alles haben unsere Magister in einem Band zusammengebracht, und wollen ihn als einen Ketzer verderben, wie sie derm Johannes Wessalia in Mainz getan haben. Und wenn er viel widerbellen und Anzüglichkeiten gegen sie schreiben will, dann wollen sie alle seine Bücher verdammen: das ist schon Praxis bei unseren Magistern. Und weil Ihr auch gerne Neuigkeiten höret, so sollt Ihr erfahren, daß die Minoriten nun mehr einen General von der Observanz haben sollen, was sie bei der Kurie für 16000 Dukaten erwirkt haben. Auch fürchten sich die Klosterfrauen zu St. Klara sehr, man möchte sie reformieren, flüchten alles, was sie haben, in die Stadt und liegen elend auf den Bänken. Einige sagen, Dr. Murner pflege Umgang mit ihnen; das ist jedoch nicht wahr, denn er ist ein entmannter Eunuch. Allein von anderen Religiosen glaube ich nichts Gutes, wann sie so zu ihnen laufen. In der Stadt ist einer von der Kurie gestorben, der auch fette Pfründen hatte, und die Poeten, welche sich daselbst befinden machen viele Gedichte gegen ihn. Sonst weiß ich nichts, als daß der Herr Euch so lange gesund erhalten möge, bis einer einen Hund überläuft. Lebet wohl!

Aus Straßburg.


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