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Anekdoten unbekannter Autoren
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König und Bauer

Einst lag Kaiser Wilhelm I. mit einer großen Gesellschaft hoher Herren in den Wäldern von Hubertusstock dem Jagdvergnügen ob. Da geschah es, dass er sich plötzlich etwas unwohl fühlte und sich deshalb in aller Stille zurückziehen wollte. Doch der Großherzog von Mecklenburg und der König von Sachsen bemerkten sein Vorhaben und bestanden darauf, den Kaiser zu begleiten.

Als sie eine Strecke gegangen waren, wurden die drei hohen Herren von einem Wagen überholt, der auf das Jagdschloss Hubertusstock zufuhr, und der Lenker desselben, ein Bauer, willigte gern ein, als die Monarchen ihn baten, sie aufsitzen zu lassen. Der Bauer aber war neugierig und wollte wissen, wen er denn eigentlich führe.

Während der Fahrt wandte er sich deshalb an einen der Herrn mit der Frage: »Wer sind Sie denn?« Der Angeredete erwiderte: »Ich bin der Großherzog von Mecklenburg.« – »Dass dich!«, reif der Bauer belustigt und fragte den zweiten Insassen des Wagens: »Wer sind Sie denn?« – »Ich bin der König von Sachsen«, war die Antwort. »Nanu, das kommt ja immer besser!«, rief der Bauer. »Und wer sind Sie?«, fragte er den dritten Jäger.

»Ich bin der Kaiser von Deutschland!«, lautete die Antwort. »Na, nun hört aber alles auf!«, rief halb amüsiert, halb empört der Bauer. »Ich hätte nicht gedacht, dass alte vernünftige Herren noch Gefallen daran fänden, einfache Leute zu necken. Damit die Herren nun aber auch wissen, wer ich bin, will ich's Ihnen sagen: Ich bin der Schah von Persien!« Damit drehte er sich auf seinem Wagen um und sprach kein Wort mehr.

Die drei hohen Herren lachen laut auf. Dem Bauern aber fuhr ein Schreck durch die Glieder, als er, nachdem er die Herren in Hubertusstock abgesetzt hatte, erfuhr, dass diese die volle Wahrheit gesprochen hatten – und das Necken auf seiner Seite gewesen war.

 


 


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