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Auf dem von König Max II. als Kronprinz nach Quaglios Entwurf gebauten Schloß Hohenschwangau war es im Jahre 1858, daß an einer Hoftafel Seiner Majestät auch des Königs Bruder, Prinz Luitpold, unser jetziger Prinzregent, teilnahm, der aus seinem Revier Schwarzwasser im Bezirke Reutte von der Hirschjagd herüber gekommen war. Prinz Luitpold hatte in den fünfziger Jahren in das Bergrevier Hinterstein Setzhirsche aussetzen lassen, um auch Hochwild zu haben, das aber mit Vorliebe nach Tirol wechselte, sodaß das Revier Schwarzwasser einen famosen Hochwildstand erhielt, um welchen der Prinz viel beneidet wurde, wie auch um sein tüchtiges Jagdpersonal, besonders die Brüder Pohler, zwei Tiroler mit stählerner Hand.
Just war tags zuvor Prinz Luitpold im Revier gewesen und hatte einen Kapitalhirsch durch einen Blattschuß zur Strecke gebracht. Es war ein Meisterschuß gewesen, von dem der damalige prinzliche Hilfsjäger Joseph Pohler, jetzt ein uraltes Männchen im k. k. Forstdienst zu Steinberg in Tirol, noch mit Begeisterung erzählt. Prinz Luitpold hatte dem Hilfsjäger strenge Ordre gegeben, hinter ihm liegen zu bleiben am Stand und nur dann Feuer zu geben, wenn er selbst den flüchtenden Hirsch fehlen sollte.
Richtig tritt der Kapitalhirsch heraus, der hohe Waidmann zieht auf und sendet die Kugel: flüchtig fällt der Hirsch über die Bahn, der Hilfsjäger aber bleibt ruhig hinter seinem Herrn liegen. Ungehalten fragt Seine Königliche Hoheit, warum der Jager denn nicht wie befohlen auf den zweifellos schlecht 8 geschossenen Hirsch Funken gerissen habe. Gelassen meint der Jagdgehilfe: sell wär' nicht nötig gewesen, es war ein Blattschuß erster Güte, sodaß die Haare im Kranz aufflogen. In der That wurde auf dem Anschuß Schnitthaar konstatiert, bald zeigte der Hund Schweiß und etwa hundertfünfzig Schritte weiter unten am Wasser lag der Hochgeweihte verendet im Waidbett, gestreckt durch einen wundervollen Blattschuß.
Der Jäger hatte also richtig gesehen, ein Nachschuß wäre ganz und gar unnötig gewesen.
Davon erzählte der hohe Jagdherr nun an der Königstafel im Schlosse Hohenschwangau und allseitig ward der Meisterschütze beglückwünscht. Auch Max der Gute spendete seinem Bruder einen herzlichen Glückwunsch und setzte dann hinzu, Luitpold habe da wohl einen Prachtmenschen von einem Jäger.
»Und ob!« meinte darauf Prinz Luitpold, »mein Pohler Joseph schießt besser, als alle Tiroler zusammen!« – »Ei das wäre?« erwiderte etwas ungläubig der König und fügte bei: »Es wird wohl auch in Bayern gute Scheibenschützen geben!«
Das bezweifelte nun Prinz Luitpold zwar nicht, aber sein Peppi war doch allen über, darauf möchte er schier wetten.
»Und ich halte die Wette!« rief belustigt König Max.
Richtig kontrahierten die hohen Herren noch an der Tafel die Wette: es solle der königliche Leibjäger und der Hilfsjäger Peppi des Prinzen Luitpold ohne vorherige Verständigung in Konkurrenz schießen und das Resultat werde zeigen, wer den besseren Scheibenschützen in seinem Dienste habe.
Sofort wurden im See draußen zwei Scheiben eingerammt und zwei voneinander getrennte Schießstände aufgeschlagen. Ein Bote überbrachte dem Pohler Peppi den Befehl, morgen Punkt 12 Uhr im Schlosse Hohenschwangau zu erscheinen, und hundert Scheibenpatronen nebst Scheibenstutzen mitzubringen und sich sofort bei Seiner Königlichen Hoheit zu melden. Den gleichen Befehl erhielt auch der königliche Leibjäger mit der Ordre, sich bei Seiner Majestät einzufinden.
9 Dieser Befehl wundert zwar den Pohler Peppi nicht wenig, aber mit dem ersten Glockenschlag zwölf Uhr des nächsten Tages stand der treuherzige Bursche vor seinem hohen Jagdherrn. Ob der Peppi glaube, daß sein Stutzen hundert Schuß rasch nacheinander aushalte?
»I mein decht (doch) schon!«
Er muß es gewiß wissen, damit kein Unglück geschehe.
»Er halt' es aus, Königliche Hoheit!«
»Gut, also Er feuert auf die Scheibe im See mit dem Glockenschlage Eins die hundert Schuß rasch nacheinander. Das weitere wird Er schon hören. Er hat auf sonst gar nichts aufzupassen, sondern nur gut zu schießen und schnell nacheinander. Nun Gott befohlen!«
Ein Diener führt den Jager hinab zum Stand, vorsichtig prüft Peppi nochmal seinen Stutzen, legt die Patronen nebeneinander zurecht und macht sich schußbereit.
Vom Schloßturm schlägt es Eins und Peppi drückt ab. Im selben Augenblick donnert nebenan ein Schuß über den See.
Peppi zuckt zusammen und begreift im Nu, daß es ein Konkurrenzschießen gilt und das ist Wasser auf Peppis Mühle. Er, der beste Schütze von zweiunddreißig Bataillonen zu Bruck an der Leitha im Jahre 1852, er, der sechsundvierzig Kreise über alle Schützen erzielte, sodaß Kaiser Franz Josef ihm drei alte Zwanziger schenkte und ihn den besten Schützen der österreichischen Armee nannte!
Lustig kracht Schuß auf Schuß, Peppi giebt veritables Schnellfeuer, heiß wird der Lauf, aber kalt bleibt die schußsichere Hand. Die letzte Patrone ist verschossen: Peppi sucht mit dem »Spektiv« die Scheibe ab, es sitzen alle Schuß!
Während die Konkurrenzschützen unten gelabt werden, bringt die Dienerschaft die Scheiben ins Schloß und mit Spannung wartet alles auf das Resultat des Schießkampfes. Die Schüsse werden gezählt, neugierig besehen sich die hohen Herren die durchbohrten Scheiben. »Alle Wetter!«
»Die Burschen schießen gut!« rief König Max.
10 »Der meine ist über,« lachte Prinz Luitpold, »hier, mein Pohler Peppi hat siebenundneunzig schwarz, davon drei Centra, drei Schuß sind weiß.« – »Na, und was ist's mit meinem Leibjäger?« fragte der König. Der Leibjäger hat dreiundneunzig schwarz, davon ein Centrum, sieben weiß.
Also hat Prinz Luitpold die Wette gewonnen, er hat den besseren Schützen im Dienste.
Glückselig über die Anerkennung und die Belohnung für seine gute Leistung im Stand, zog der Peppi ab, hinaus in sein Revier. Zu solchem Schießen wäre er alle Tage zu haben, meinte er.
»Ja, freilich,« lachte König Max, »der Kerl würde mir mein Königreich auch noch wegschießen.« 11