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Ein stiller Sonntag im Hochland! Heilige Ruhe in der sonnbeglänzten warmen Landschaft, drunten im Thale wallen fromme Menschen zur Kirche, aus den Häusern quirlt dünner Rauch zum Zeichen, daß der Kochtopf am Feuer steht für das mittägliche Mahl; dann helles Glockengeläute, das den Beginn des Gottesdienstes verkündet. Zitternd verklingen die ehernen Töne heroben in den Schrofen des Felsgebietes. Kaum ein Lüftchen bewegt den Bergwald, durch dessen Geäst die Sonnenstrahlen schielen und magische Lichteffekte auf dem Moosteppich hervorzaubern. Genäschig suchen wie immer die fröhlichen Meisen piepsend nach Futter, indes die Amsel flötet zum Lobe des Herrn. In vornehmer Ruhe starren die Zinnen und Zacken in den blauen Äther, sie leuchten im Sonnenglanz verlockend hinaus in die weite Welt, als wollten sie sagen: Kommt zu uns herein, die ihr müde seid und badet die Seele in erquickender, stärkender Bergluft. Heißer strahlt die Sonne, würzig atmet der Tann seinen harzigen Odem aus, kriechend und laufend Getier sucht erquickenden Schatten, nur Hummeln und Bienen summen brummend von Blume zu Blume lüstern nach süßem Honig.
Quer durch den Hochwald schreitet lautlos über den elastischen Boden der Förster, »unhörbar selbst für die Würmer«, der ewig gleichgestellte Dienst verlangt auch heute den Gang durch das kirchenstille Revier. Der pflichttreue Mann kennt seine Pflicht und kommt ihr willig nach, er liebt seinen Beruf.
Ein Bächlein sprudelt murmelnd thalwärts, umschattet von lieblichen Vergißmeinnicht und goldigen Dotterblumen, 35 von Stein zu Stein flattert mit wippendem Schwanz die »hochgeschürzte« Bachstelze in eifriger Jagd nach tanzenden Mücken und mit dem leisen »St, St« will das Rotkehlchen den Jägersmann auf sich aufmerksam machen. Wäre ein lauschig Plätzchen, hier am Bächlein im grünen Waldesschatten die Lunge zu baden und zu sinnieren über Gottes herrliche Wunderwelt, auch ein guter Wechsel für den Jäger zu stiller Abendstunde.
Ein Stündchen verträumen im Herzen des Hochwaldes, wie verlockend! Doch nicht zur Beschaulichkeit ist der Forstmann in den Wald gekommen. Weiter schreitet er den Graben hinab und jenseits den dichtverwachsenen Hang wieder lautlos empor, der hinauf im Föhrenbestand an die Felsen reicht, abwärts aber sich immer kleiner zum Dickicht werdend gegen die Wiesen verliert.
Ganz leise nur knistert es drüben in den Föhren, ein winzig Ästchen nur, auf das ein Fuß getreten ist in Unachtsamkeit, doch der Förster hat den schwachen, verdächtigen Laut vernommen. Sein Falkenauge durchbohrt den Wald, unhörbar schleicht er näher, immer in Deckung. Dort steht ein fremder Mensch, Gewehr im Anschlag, ihm den Rücken zuwendend. Also doch ein Wilddieb! Nun gilt es den unbekannten Burschen einzufangen! Auf etwa vierzig Schritte kann der Förster heran, dann aber verbietet eine Lichtung das Näherschleichen, weil die Deckung fehlen würde. Jetzt den dicksten Stamm erwählt, von dem aus der Wildschütz in direkter Schußlinie zu erreichen ist.
»Halt! Gewehr ab!« ruft der Förster und deckt sich augenblicklich.
Wie vom Blitz getroffen zuckt der Wilddieb zusammen, springt aber augenblicklich hinter den nächsten Baum. Nun arbeiten die Augen den Feind zu entdecken. Hinüber und herüber fliegen die vorsichtigen Blicke, jeder bestrebt, keinen Zoll an Deckung preiszugeben. Bange Minuten, die immer länger werden, ein Warten auf die geringste Unvorsichtigkeit, 36 die mit der Kugel gerächt wird. Wie angegossen stehen die Männer hinter den Baumstämmen, es hämmern die Schläfe, erregt tobt das Blut durch die Adern, aber siegen muß der Verstand und die Gerechtigkeit. Wie soll der Bursche zum ersten Schuß gebracht werden? Ein waghalsig Stücklein, das der Jäger eben ersinnt; nicht neu zwar und recht gefährlich, wenn der ertappte Lump drüben mit Schroten feuern wird, aber vielleicht ist's dem Burschen drüben neu und jedes Schrot trifft nicht. Leise hebt der Förster den Kopf, erst zeigt sich der Hahnstoß, dann der Hut selbst neben dem Stamm, indes der Förster sich schußfertig macht. Wo der Hut ist, muß auch der Kopf nach, denkt der Wilderer, er zweifelt nicht, daß der Förster den Kopf vollends vorstrecken werde, blitzschnell fährt er mit der Büchse auf und drückt auf den Hut des Gegners ab, daß die Kugel durch den Filz fährt und den Hahnstoß mitnimmt. Fast gleichzeitig feuert auch der Förster, dem die List gelungen, und seine Kugel schlägt dem Feinde in die Achsel.
Wimmernd sinkt der Wilderer zu Boden, in diesem Spiel ums Leben hat er verloren. Hastig tritt der Förster auf ihn zu, ein wildfremder im Gesichte geschwärzter Mensch. Also ein Professionswilddieb, der Namen und Wohnort sicher verweigert.
»Schad' um dich!« sagt der Förster.
»Muaß i sterben?« fragt wimmernd und stöhnend der angeschossene Dieb.
»Keine Rettung! Mein G'wehr hat zu vielen Brand, du bist der dritte, der in die Grube muß!«
Jetzt jammert der Kerl über den nahen Tod mehr als über seine Schmerzen.
»Hättest dir z'erst überlegen sollen in fremdes Revier wildern z' gehen, jetzt ist es z' spät, mach' Reu und Leid, in zwei Stund' bist a tote Leich!«
»O du barmherziger Himmel!« heult in Zerknirschung der geängstigte Wildschütz.
37 »Wennst etwa a Weib und Kinder hast, na sag mir, was du ihnen in der Todesstund' wissen lassen willst, i will's besorgen!« sagt der Förster entgegen, der mittlerweile die Blutung stillte.
»Ja, sei so gut, Forstner, i bin der Kammerer Sinesi und mei' Weib hat das Kramerg'schäft in X. Laß ihr's wissen, daß i stirb und sie soll das verfluchte Gschäft mit 'm Wildpratverkaufen aufgeben, sonst kimmt aa sie no ins Unglück.«
»Habt ihr das Gschäft schon länger?«
»Ja, etliche Jahr, der Karseppel, der Gschwendtner Dionys und der Unterwirt von X. liefern bei ins ein.«
»Soll i dir an Geistlichen holen?
»Muaß i wirkli dengerscht heroben sterben?«
»I kann dir net helfen, der Schuß ist zu viel brandig, dein' Leich' kommt zu den zwei andern drunten im Freithof.«
»O heilige Muatter Anna!« jammerte der Wilddieb, der sein Ende schon nahen fühlte. »Lauf Forstner um an Geistlichen!«
»I geh schon!« sagte der Förster, »bleib nur grad liegen, wost bist, rühr di net, sonst geht's noch g'schwinder abwärts mit dem bisl Leben und bis der Pfarrer kommt, bist schon tot.« Dann nahm der Förster des Wilderers Gewehr und eilte beflügelten Schrittes hinab ins Forsthaus, von wo er einige Knechte mit einer Tragbahre zum angeschossenen Wilderer hinaufschickte. Gleichzeitig wurde auch die Gendarmerie von dem Geständnis des Wilddiebes verständigt und das Nest der anderen Wildschützen und der Hehlerin just in dem Momente ausgehoben, als der Sinesi vor Todesangst schier ohnmächtig ins Dorf getragen wurde. Statt des unnötigen Geistlichen kam der Arzt, der die Kugel entfernte und die Wunde kunstgerecht verband.
Warum denn der Geistliche nicht kommt, fragte der zerknirschte Wilderer?
38 »Weil's nicht nötig ist; in drei Wochen bist ja so wieder gesund,« sagte der Arzt.
Waas? Na' ist dem Forstner sein' Büchs net brandig?
Bei Leib, keine Spur.
Na, hätt i gar nixen einz'besteh'n braucht?
Das Leugnen wird dich nicht viel mehr nützen, dein Weib und die andern sitzen schon hinter Schloß und Riegel
»Waas?«
»Und wie du g'sund bist, kommst auch in diese Gesellschaft, der Schuß auf den Förster kostet dich wenigstens a Jahrl Zuchthaus,« sagte trocken der Doktor.
Und so war es auch. Die lange vergeblich gesuchten fremden Wildschützen, die einen vollen Tagesmarsch übers Gebirge nicht scheuten, um auf fremdem Terrain zu wildern, waren endlich eingefangen, die Hehler waren auch bekannt und so konnte endlich wieder Ruhe im Revier eintreten.
Am späten Sonntagsabend, der sich so friedlich auf die herrliche Landschaft herabsenkte, als gäbe es nur Frieden in der Welt und keinen Kampf um das Leben, erzählte der Förster im Gartenhäuschen seinem Weibe die Affaire vom heutigen Sonntag und meinte mit gutmütigem Spott, so ein brandiges G'wehr sei nicht ohne. Weinend warf sich das zu Tode erschrockene Weib an des Försters Brust. 39