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Auf der breiten Terrasse des Tuileriengartens ist die Hundeausstellung eröffnet worden, die der Verein zur Veredelung der Hunderassen wie alljährlich mit liebevoller Sorgfalt gruppiert hat. Unter den zahllosen Ausstellungen, die der Veredelung von Tier und Mensch gewidmet sind, scheint mir diese Hundeschau eine der erfreulichsten, und das Pariser Publikum teilt vollkommen meine Ansicht. Der Hund nimmt in der Pariser Gesellschaft eine sehr hohe Stellung ein, eine Stellung, die nur mit derjenigen der Demimondainen zu vergleichen ist, und so ist es ganz natürlich, daß man alljährlich den vornehmsten Platz von Paris in einen Hundezwinger verwandelt. Eine solche Vereinigung schöner und sympathischer Tiere erquickt das Auge, und die oft rührenden Beziehungen zwischen Hund und Herrin erquicken Seele und Gemüt. Und es trägt nicht wenig zum Vergnügen bei, daß die Ausstellung sich zum größeren Teile im Freien befindet, und daß dort, wo die Hunde unter sich sind, keine Wohlgerüche den Besucher umduften.
Es gehört in der eleganten Pariser Welt zum guten Ton, einen Hund zu besitzen, einen dieser treuen Vierfüßler, die in einem Pariser Hause oft ganz allein das Prinzip der Treue verkörpern. Einige Damen der besten Gesellschaft haben eine Vorliebe für seltene Katzen, andere päppeln in ihren Mußestunden Schildkröten oder dressieren Stachelschweine, aber das alles kann die Herrschaft des Hundes doch nicht ernsthaft beeinträchtigen. Ein einziger Wermutstropfen fällt in den Freudennapf 213 dieser Geschöpfe: ihr Glück hängt von den Launen der Mode ab und, wie gewöhnliche Künstler, können sie durch irgendeine neue Richtung verdrängt werden. Fortwährend kommen neue soziale Schichten herauf, der Pudel bleibt seit langem ungeschoren, der schnellfüßige Windhund ist vergessen und der schottische Schäferhund, der gestern noch triumphierend durch die Straßen wandelte, ist eine gefallene Größe. Die Damen haben es leicht, sich je nach der Mode blond oder rot zu färben und die Hüften abwechselnd zusammen zu pressen und zwanglos ihrer natürlichen Entwickelung zu überlassen. Der Pudel ist nicht in der Lage, seine Gestalt zu verändern, und wie jeder unwandelbare Charakter wird er langweilig und lästig.
Ich verzichte darauf, von den prachtvollen Meuten zu sprechen, die in der Ausstellung zu sehen sind, und möchte nur die 28 Hunde des Vicomte de Montsaulnin, die aus der Vendée gebürtigen kraushaarigen Grissons und die vielen Beagles erwähnen, die einander so ähnlich sind, wie eine koburgische Prinzessin der anderen. Auch bei den mächtigen Leonbergern, den ehrlichen Bernhardinern, den dänischen Doggen und den langbeinigen englischen Greyhunden will ich nicht lange verweilen und die schlanken englischen Pointers, die Spaniols und Bracken nur im Vorübergehen nennen. Unser deutscher Teckel, der so geeignet ist, eine Brücke zwischen zwei Ländern zu bilden, steht bereits mit einem Fuße in Paris. Der französische Schäferhund, der in den Landschaften Beauce und Brice die Herden behütet, ist ein männlicher, wilder, geradbeiniger Bursche und sicherlich eine der kräftigsten Persönlichkeiten unter den hündischen 214 Zeitgenossen. Die Foxterriers, die heute von den Züchtern herangezogen werden, haben häßliche spitze Köpfe, und der preisgekrönte Terrier Old Plum hat eine Schnauze wie ein Hecht. Es ist bedauerlich, daß die Menschen dem Foxterrier so das Mundwerk verpfuschen, und alle verständigen Tierfreunde sollten gegen diese Hundezucht protestieren.
Ein Hund, der in der Ausstellung nur durch wenige Exemplare vertreten ist, ist der sogenannte Skye, der seinen Namen der größten unter den Hebrideninseln verdankt. Der Skye ist der Lieblingshund unserer deutschen Diplomaten: in dem Hause des Herrn von Radowitz in Madrid wurde früher ein Skye sehr verhätschelt, und auch durch die Salons des Fürsten Radolin kriecht eines dieser edlen Geschöpfe. Man weiß, daß der Skye auf seinen kurzen krummen Beinchen sich nur schwerfällig vorwärts bewegt, und da seine seidigen langen Haare bis zur Erde hinabfallen und die Beine ganz verdecken, so gleicht dieser Hund einer dicken Raupe, die unhörbar über den Boden rutscht. Die wenigen Exemplare, die auf der Tuilerienterrasse lagern, zeigen unverfälscht den eigentümlichen, melancholischen Schönheitstypus der Rasse. Sie liegen bekümmert auf dem Bauch, gleichsam eingewickelt in ihr langes Haar, und es läßt sich nicht leugnen: der deutsche Diplomatenhund ist traurig.
Als ich gestern an den zahlreichen Zwingern entlang ging, in denen die kleinen französischen Buldoggen oder Möpse ihre Grimassen schneiden, wurde meine Aufmerksamkeit durch eine Szene intimer Natur gefesselt. Eine junge Dame hatte den Käfig ihres Lieblings betreten 215 und schien damit beschäftigt, diesem Tiere, der Möpsin Leda, ins Gewissen zu reden. Leda hatte einen Körper, so glatt und hart wie Bronze, ein verschrumpeltes, runzliges Gesicht, wie ein uralter Mann, und zwei vorstehende Zähne, die sie aber nur zum Schein fletschte, etwa wie ein deutscher Nationalliberaler, der hinterher verständig die Hand leckt. Unter der Wirkung der kühlen Luft und der Langeweile hatte sich Leda gerade in der Mitte des Käfigs vergessen, was nur beweist, daß auch einem Hunde etwas Menschliches passieren kann. Die junge Dame stand errötend da und wußte nicht, ob sie ihr Spitzentaschentuch über den Gegenstand breiten sollte, und Leda erhob schon wieder phlegmatisch das rechte Hinterbein, aber diesmal nur mit der harmlosen Absicht, sich das Fell zu kratzen.
Wenn die Pariser Hundeausstellungen so amüsant sind, so verdankt man das vor allem diesen gemütvollen Damen, die dort mit so zarter Anhänglichkeit ihre Pfleglinge überwachen. Ich glaube leider bemerkt zu haben, daß die Zahl der eleganten Damen, die ihre Hunde der Ausstellung anvertrauen, von Jahr zu Jahr abnimmt, aber es gibt immer noch einige, die vor keinem Opfer zurückschrecken. Sie kommen, begleitet von einem Diener, schon in früher Morgenstunde, räumen den Käfig auf und füttern und säubern das Tier ihres Herzens. Sie sitzen am Nachmittag auf ihrem Stühlchen vor dem Käfig, trinken dort ihren Tee und empfangen die Freundinnen, die pflichtschuldig bestätigen, daß Boby entzückend ist. Sie nehmen ihren Schatz auf den Arm, promenieren mit ihm herum und tragen ihn zu jener reservierten Stelle hinter den Zwingern, zu der die 216 voreilige Leda rechtzeitig hätte wandern sollen. Ich möchte gewiß nicht sagen, daß die Damen ihre Gatten ähnlich behandeln und ähnlich liebevoll und hingebend versorgen müßten, aber selbst der zehnte Teil dieser Zärtlichkeit und Nachsicht würde für eine glückliche Ehe schon hinreichen.
Der wahre Tempel oder das Allerheiligste dieses Hundekultus ist ein großes Zelt, in dem die Schoßhündchen und Luxushündchen wie asiatische Gottheiten verehrt werden. Der »King Charles« träumt dort mit altklugem Gesicht und aufgestütztem Kinn auf himmelblauen oder rosa Seidenkissen, und sein weichlicher, fast knochenloser Körper liegt ganz ausgebreitet da wie ein haariger Fußteppich. Ein zitternder Zwergpintscher, ein winziges Scheusal, hat ein gelbseidenes Himmelbett, und ein japanisches Chin-Hündchen hat eine Wiege mit Mullgardinen. Aber der Held des Tages, der Sieger im Wettstreit ist der »pommersche Loulou«, ein Tier, so groß wie eine Hand, eine Mischung von Affe und winzigem Bär, mit weichem, glänzendem Fell und langen behaarten Ohren. Dieser Hund saß früher neben den Fuhrleuten auf dem Bock, keifte die Vorübergehenden an und galt für eine höchst unangenehme und bissige Bestie. Jetzt ist er veredelt und entflöht, seine Schönheit wird geschätzt und gefeiert, und wie viele Kinder des Volkes, die zu Macht und Würden gelangt sind, ist er gehorsam und fromm geworden. Die süßen Schmeichelnamen, mit denen er im Kataloge getauft ist, verkünden, wie sehr er geliebt wird. Er heißt Violetta und Mignonne, Lola und Kiki, Pipo und Pompon, Fanny und Titine.
217 Vor dem Käfig, in dem der langhaarige Pipo auf lichtblauem Kissen ruhte, stand, in andächtige Betrachtung versunken, eine ältliche Grazie, deren Reize durch rote und weiße Färbemittel notdürftig aufgefrischt waren. Ich weiß nicht, ob diese chemisch präparierten Reize mich so gefesselt hatten, oder ob mich der Name Pipo entzückte, aber ich verweilte länger als gut war, denn Pipos Herrin bemerkte mein Verweilen. Die reife Grazie sprach mich an, sie wünschte mein Urteil über Pipo zu hören, und ich mußte Pipo nun von allen Seiten bewundern. Ich erfuhr, daß Pipo gerade ein Jahr alt geworden, daß er tausend Frank gekostet, aber das doppelte wert wäre, und daß seine Herrin ihn noch am selbigen Tage den Preisrichtern vorführen wollte. Die Dame sprach mit einer Stimme, die gleichsam geölt schien, und ich fürchtete, daß sie vor Rührung weinen und die Schönheit ihrer Züge achtlos verwischen würde. Sie weinte nicht, aber ihre Schönheit schien sogar auf Pipo zu wirken, denn Pipo schüttelte sich in nervöser Reizbarkeit.
Eine halbe Stunde später hatte ich mich ins Freie gerettet und betrachtete nun die Tätigkeit der kundigen Preisrichter. Auf einem umzäunten Platze führten Hundehändler, Liebhaber und Damen den Richtern ihre Hunde vor und die Richter machten sorgsam Notizen und hatten für die Damen ein ermutigendes Lächeln. Die Teckel wurden hereingeführt, dann die Terrier und dann die Chin-Hündchen und Zwergpintscher. Die junge Besitzerin der vergeßlichen Leda kam und zitterte vor Angst, daß Leda wieder das Bein erheben könnte, was manche Juroren so ungünstig beeinflußt wie ein Klex im 218 Rechenheft einen mißgünstigen Oberlehrer. Dann erschien auch die Grazie, die mir soeben wie eine überreife Frucht in den Schoß gefallen war, und unwillkürlich fühlte ich bei ihrem Anblick, daß ein Verein zur Veredelung der Menschenrassen eine Notwendigkeit wäre. Sie führte Pipo stolz durch den Raum, und als die Richter ihn genügend betrachtet hatten, preßte sie ihn begeistert an ihr volles Herz und küßte ihm die Stirn und die Nase.
»Er schüttelt sich!« wagte ich zu bemerken. »Er friert!« entgegnete sie zärtlich, indem sie ihn enger an den warmen Busen drückte. 219