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Weihnachtsabend in Brünnau. Tannenduft und Kuchenduft durchzogen das große Landhaus. Ein geheimnisvolles Rennen und Laufen im ganzen Hause, dazwischen ein helles, jauchzendes Kinderstimmchen.
Frau Käte Münstermann hatte noch viel zu tun. Sie stand in dem großen Speisesaal, in dem eine herrliche Riesentanne von dem Fußboden bis zur Decke reichte, Flittergold raschelte leise in den Zweigen, und die Kerzen harrten noch des Ansteckens.
Heute war Weihnachtsfeier in Brünnau, und morgen sollten sie Weihnachten noch einmal in Freiwalde bei Kätes Eltern feiern. Heute hatten die Eltern dort die Bescherung für die Leute zu leiten, aber auf morgen freuten sie sich unendlich. Ach! Wie sich Großmutter Folkert auf das Enkelchen freute!
Es ging ihnen gut in Freiwalde. Sie lebten in dem netten, hübschen Schweizerhäuschen, das für den Verwalter neu gebaut wurde, als damals das Schloß auch neu erstand. Hier hatten sie Platz genug, die beiden Alten, denn viel war Herr Folkert auch gar nicht drinnen im Hause.
Seine Wirtschaft, seine Tätigkeit waren sein Alles, und Klaus konnte mit seinem Verwalter zufrieden sein. Jetzt, wo ihm die nötigen Gelder zur Verfügung standen, wo er nicht mit Schulden zu kämpfen hatte, ging es sehr gut. Seine gründlichen Kenntnisse auf allen Gebieten des landwirtschaftlichen Betriebes waren sehr wertvoll für das Gut.
Edmund kam nur zu den Ferien nach Hause. Er machte sich jetzt besser in der Schule, und in seiner Musik konnte bald sein jetziger Lehrer ihn nichts mehr lehren. Ob er sich ihr später ganz würde widmen dürfen, war noch nicht entschieden. Das beste wäre es vielleicht, denn hier versprach er Großes zu leisten, während das rechte Interesse für einen anderen Beruf, – für das Studium oder für die Landwirtschaft, – nicht vorhanden war.
Herr Folkert hatte sich auch schon mit dem Gedanken ausgesöhnt. Er fühlte selbst, sein Sohn würde mehr können, als nur Dorfmusikante werden, wie er das früher nannte. Das rechte Verständnis für Edmunds Bestrebungen ging ihm allerdings ab, dafür verstand sein Schwager Friedel ihn um so besser, der unterstützte auch seine Wünsche und förderte den Jungen, wo er konnte.
Das große Schloß blieb in diesem Jahre noch dunkel. Klaus und Elly waren noch fern im Süden. Elly bekam das Klima sehr gut, so gut, daß sie sehr gestärkt und gekräftigt erschien und daß sie aufblühte wie eine Rose.
Flüchtig huschte ein Gedanke an die beiden und an den letzten Brief, den ihr Vetter Kurt neulich mitbrachte und vorlas, durch Kätes Sinn.
Aber sie hatte keine Zeit, viel daran zu denken.
Eben nahm sie große Bogen Papier und Tücher von den einzelnen Plätzen, die damit so lange vor neugierigen Augen geschützt waren. Hier waren die Tische für die Dienstboten, und da die vielen Tüten für die Dorfkinder.
Frau Käte hatte heute dreißig Teller fertig gemacht, und es ging sehr gerecht dabei zu. Jedes bekam die gleiche Anzahl Äpfel und Pfefferkuchen, Nüsse und Naschwerk. Es war keine kleine Arbeit, das alles einzuteilen; aber sie tat es so gern. Sie sah so gern frohe Gesichter, und wenn nachher der Baum brannte, wenn sie am Klavier saß und ›Stille Nacht‹ anstimmte, in das alle Dorfleute und Dienstboten kräftig einfielen, dann empfand sie es stets als ein Glück, so wirken und schaffen zu können. Dann war alle Müdigkeit verflogen, und sie führte froh und glücklich jeden an seinen Platz.
Erst später kam die Freude des eigenen Bescherens. Diesmal sollte der kleine Kurt zum erstenmal mit Verständnis dabei sein, im vorigen Jahr war er noch ein so großes Dummerchen, da sagte er nur: »Ah, Guckelicht!«
Dieses Jahr freute er sich schon über das Hottehüpferd und die Spielsachen. Eine Karre war dabei, eine kleine Sandkarre. Da nahm plötzlich der kleine Kerl stillschweigend ein Stück seiner Geschenke nach dem andern und packte es in die Karre. Als alles verstaut war, schob er sie seelenruhig, ohne ein Wort zu sagen, ab nach seinem Kinderzimmer. Er brachte seine Schätze in Sicherheit.
Käte und Friedel, die dem Beginnen mit Verwunderung zugesehen hatten, brachen nun beide in ein herzliches Lachen aus.
Käte konnte wieder lachen, so hell und fröhlich, wie nur je.
Dann lehnte sie sich, nun doch müde von den Anforderungen des Tages, in eine Sofaecke, und Friedel setzte sich neben sie.
Vater und Mutter hatten sich nach der Feier zu einem kleinen Schläfchen zurückgezogen. Sie kamen erst zum gemeinsamen Abendessen wieder.
So blieb das junge Paar allein.
Langsam erlosch ein Licht nach dem andern.
Da brannte zischend ein Zweiglein an, und süßer Weihnachtsduft durchzog das Zimmer.
Beide Gatten saßen eine lange Weile ganz still.
Das Fest der Liebe! Gottlob, das ist es für sie auch wieder gewesen, und mit Dank blickte Käte rückwärts auf die letzten Jahre. Es war doch gut so! Alles! –
Friedel legte seinen Arm um sie und lehnte still ihren Kopf an den seinen. Dann fing er leise an zu sprechen: »Käte, ich muß dir noch danken heute abend. Nicht für die Geschenke, das ist selbstverständlich! Nein! Für dich selbst. Für deine Liebe, meine Käte, die mein schönstes Geschenk ist! Daß du mich noch genommen hast, vergesse ich dir nie!
Sieh, Käte, der Arzt in Konstanz sagte immer, wenn ein Nervenkranker, oder sagen wir ruhig, ein Geisteskranker, erst über sein Leiden sprechen kann, dann ist er geheilt. Heute kann ich es! Ich weiß genau, wie krank ich war.
Ich danke es dir, meine Käte, daß ich mich wiedergefunden habe, und daß ich wieder Freude am Leben, Liebe für Vater und Mutter und Dank gegen Gott empfinden kann.
Ein helles Kinderlachen schallte vom anderen Zimmer herüber.
»Horch!« sagte Käte, »der Kleine! Wie er vergnügt ist!«
»Du möchtest zu ihm, du kleine Mutter! Warte noch ein Augenblickchen!
So friedlich wird es nicht so bald wieder!«
Sie nickte freundlich.
Noch einmal knisterten die Flämmchen am Baum, dann erlosch auch das letzte.
Da sagte Käte leise: »Auch ich kann jetzt von dem sprechen, was ich lange nicht konnte. Du weißt's, Friedel, daß ich Klaus liebte?«
»Ich weiß es!«
»Auch ich habe überwunden, Friedel! Völlig! Ich kann von ihm sprechen und kann ihn sehen, ohne daß mein Herz klopft. Ich habe nur dich lieb, Friedel, nur dich und den Jungen. Und ich bin dir dankbar für deine treue Liebe.« –
Statt aller Antwort zog er ihren Kopf noch näher zu sich heran, und ihre Lippen fanden sich lange und innig.
Da fiel ein breiter Lichtstrom ins Zimmer.
»Na, Kinder, habt ihr nun genug Schäferstunde gehalten? Wie ist's denn, Maus, ich habe Appetit auf die Karpfen?«
»Sollst du haben, Väterchen! Wo ist denn die Mutter?«
»Na, wo soll sie denn sein? Im Kinderzimmer natürlich! So eine Großmutter ist ja närrischer verliebt in solchen kleinen Kerl als selbst die eigene Mutter! Und der Junge hat zwei Großmütter!«
»Du bist wohl nicht in ihn verliebt, Väterchen?«
Käte drohte ihm lachend mit dem Finger.
»Na ja, doch! Habe ja auch meine Freude an ihm. Aber nun wollen wir zu den Weihnachtskarpfen!«
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