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VIII.

In Freiwalde war Auktion.

Hunderte von Menschen waren zu Fuß und zu Wagen angekommen. Die ganze Gegend sprach nur vom Bankrott von Freiwalde. Vor einigen Tagen war es meistbietend verkauft worden.

Herr von Münstermann hatte die Absicht gehabt, es der Familie zu erhalten, indem er es ankaufte und seinen Freund Folkert als Verwalter einsetzte. Er hatte sich eine Summe festgesetzt, bis zu der er gehen konnte, und hoffte, es dafür zu bekommen.

In der kleinen Amtsstube in Grabow hatte die Versteigerung stattgefunden.

Herr von Münstermann bot nicht selbst, um nicht zu rasch zu zeigen, was seine Absichten waren. Er hatte einen Bevollmächtigten gesandt.

Gegen ihn boten anfangs noch mehrere mit, später blieb es nur noch ein reicher Bankier aus Berlin und sein Bevollmächtigter.

Dreihunderttausend Mark waren geboten zum ersten, zum zweiten und – –

Plötzlich rief eine Stimme:

»Und Tausend!«

Und nun fing es von neuem an: »Zum ersten, zum zweiten und« – nach langer Pause – »und zum dritten!«

Der Zuschlag war erteilt, das Gut der Familie verloren.

Und wenn Herr von Münstermann nachher auch sagte, wenn er selbst dagewesen wäre, hätte er es nicht für diese Summe fortgelassen, es half nichts mehr. Das Gut war verkauft und für den Verkäufer blieb nach Abzug der Schulden so gut wie gar nichts.

Und nun war der Tag der Auktion gekommen.

Folkerts konnten ja nicht alle Sachen, die sämtlichen Möbel mitnehmen. Es sollte auch noch einiges verkauft werden, was im Gutskauf nicht inbegriffen, was persönlicher Besitz war. Auch Kätes Pony mußte fort und Edmunds niedlicher Eselwagen mit Esel und Geschirr.

Auf dem großen Platze vor dem Hause hatten sich die Kauflustigen versammelt. Da war sogar ein findiger Geschäftsmann aus Grabow, der die Gelegenheit benutzte und für durstige Seelen Bier und Selterwasser verkaufte.

Es war ein Treiben wie auf dem Jahrmarkt. Im großen Vorflur waren die Sachen, die versteigert werden sollten, aufgestellt. Draußen vor der Haustür war ein Tritt errichtet, auf dem ein Tisch sich befand. Hinter diesem stand der Auktionator.

Er begann mit den gewöhnlichen Küchenmöbeln und Schränken. Es wurde flott geboten und sein eintöniges: Zum ersten, zum zweiten und – zum dritten, schallte gleichmäßig herüber.

Dann kamen die besseren Sachen: Porzellan, Bilder, Nippsachen.

Herr von Münstermann stand im Zimmer und bot mit seiner lauten Stimme manchmal durchs geöffnete Fenster mit. Aber jedesmal, wenn vom Fenster aus geboten wurde, ward von der Menge geradezu wütend überboten. Man glaubte, es müsse etwas ganz Besonderes sein, was da zum Verkauf komme und trieb die Sachen unvernünftig in die Höhe. Und meistens waren es doch nur kleine Andenken, die nicht in die Welt gehen sollten, Porzellan mit gemalten Initialen und dergleichen.

Endlich waren die Möbel versteigert.

Nun kamen die Tiere und Wagen.

Des Auktionators gleichmäßige Stimme sagte gerade: »Ein Fuchspony, acht Jahre alt, als Damenpferd geritten –« da hörte man von drinnen einen halb unterdrückten Aufschrei und dann einen schluchzenden Ton. Man sah einen großen Herrn – es war Herr von Münstermann – Brünnau – schnell die Fenster schließen.

Und draußen wurde in erregter Weise weitergeboten.

Ein alter, grauköpfiger Mann, manche wollten in ihm den alten Diener Heinrich aus Brünnau erkennen, bot am eifrigsten. Er ließ nicht nach, ob sie ihn auch von fünf zu fünf Mark höher trieben, bis er den Zuschlag mit zweihundertdreißig Mark bekam.

Innen aber legte Käte den blonden Kopf auf die harte Tischplatte in bitterlichem Schluchzen. Sie hatte so tapfer sein wollen. Sie hätte nach Brünnau kommen sollen zu Tante Münstermann, aber sie meinte, sie sei stark genug, sie wolle dableiben.

Muttchen solle nur hinfahren und Edmund. Sie wolle mit Onkel Münstermann hierbleiben, denn jemand müsse doch hier sein.

Und nun hatte sie doch nicht ausgehalten. Nun war ihr doch, als ob ihr Herz brechen sollte, wo ihr Pony, ihr lieber Pony, ihr lieber, guter treuer Freund, verschachert wurde wie eine Ware.

Da legte Herr von Münstermann den Arm um Kätes Schultern. »Weine nicht mehr, er geht nicht weit fort. Dein Hans bleibt in Brünnau! Heinrich hat ihn für mich gekauft. Und wenn du ihn auch nicht mehr täglich hast, so kannst du ihn doch oft sehen. Und er soll's gut bei mir haben. Glaubst du mir das, kleine Maus?«

Käte schlang in innigem Dank beide Arme um seinen Hals, aber sie weinte noch, und auch ihm feuchteten sich die Augen. Jetzt bei fremdem Leid konnte er weich sein; das eigene machte ihn hart und fest.

Dann zwang er sich zu einem Scherz und fragte: »Maus, willst du ihn dir selbst hinüberreiten?«

Sie lächelte. – »Und selbst in den Stall bringen?«

»Ja, Onkel, das will ich und ihm selbst das erste Futter geben! Guter, lieber Onkel, ich danke dir!«

.

»Und noch eins, Maus, um den Esel von Edmund sorge dich nicht. Den hofft Lankwitz für seinen Fritz zu kaufen samt dem Wagen und Geschirr. So wißt ihr doch auch, daß er gut aufgehoben ist, und Fritz kann dann den kleinen Alfred darin fahren.«

»Mach die Fenster wieder auf, Onkel, es ist so heiß hier. Ich bin jetzt ganz ruhig.« –

Die letzten Sachen, Wagen, Reitsättel und Geschirre, wurden noch versteigert. Dann verlief sich die Menge.

Diejenigen, die mit dem Fuhrwerk da waren, nahmen die gekauften Gegenstände gleich mit. Andere versahen sie mit Namen und stellten sie in der Scheunendiele auf, um sie später abholen zu lassen.

Herr von Münstermann hatte noch mit dem Versteigerer zu verhandeln, und Käte packte sich noch ein Köfferchen. Sie sollte auch jetzt in Brünnau wohnen und nur zum Verpacken der von ihnen behaltenen Möbel, die sie mit in das neue Heim nehmen wollten, wieder mit ihrer Mutter hierherkommen.

Den Koffer bekam Heinrich zum Mitnehmen.

Käte selbst ging in den Stall, um hier zum letztenmal ihren Pony zu satteln, um ihn zum letztenmal aus dem Stall zu führen.

Bald würden Fremde hier schalten, im lieben alten Park wandern, aus den Fenstern ihres Mädchenstübchens oben im zweiten Stock sehen. Käte mußte doch die Zähne fest, fest zusammenpressen, um nicht wieder aufzuschreien vor Weh und Schmerz.

Aber sie bezwang sich, sattelte den Pony und rief Heinrich zu, sie ritte voran nach Brünnau.

O Gott, wie anders war es hier geworden! So trieb das Leben sie jetzt auseinander.

Kurt wollte in die Reichswehr eintreten, Friedel war im fernen Boppard, und sie selbst mußte sehen, bald ihr Examen zu machen als Grundlage für alles fernere Fortkommen.

Auch für Anneliese war das Leben anders geworden. Die Nachbarskinder waren alle in den Kampf mit dem Leben eingetreten. Ob sie ihn bestehen würden?

Käte setzte sich fester im Sattel zurecht. Sie wollte etwas leisten, ganz gewiß! Sie wollte fertig werden mit dem Leben. Und es müßte dann doch seltsam zugehen, wenn fester Wille nichts vermöchte.

Da lag Brünnau, da warteten Muttchen und Tante Münstermann auf sie, der Vater war verreist, um eine Wohnung in der Stadt zu suchen. Nun hieß es, die Augen klar halten und nicht weinen.

Die Mutter sah ihr doch voll Angst entgegen, und sie sollte sehen, daß sie ein tapferes Kind hatte.

Käte ritt in schlankem Trab auf den Hof und berichtete dann freudig der Mutter von Onkels Güte, die ihr das geliebte Pony erhalten hatte, so freudig, daß die Mutter, die mit Angst und Zittern auf Kätes Ankunft gewartet hatte, ihr Töchterchen gerührt und glücklich in die Arme schloß.


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