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Pange, lingua, gloriosi,
Corporis mysterium
Sanguinisque pretiosi,
Quem in mundi pretium
Fructus ventris generosi
Rex effudit gentium.
Endlich enttrat er dem Osten, der Morgen des christlichen Festes,
Und in Übelbach wuchs die Bewegung mit steigender Sonne.
Früh schon weckten die Pöller, und immer wieder erklangen
Alle Glocken zusammen, und Fahnen wehten von Giebeln.
Überall wurden die letzten Rüstungen eilig beendet,
Kerzen in Fenster gestellt und Heiligenbilder befestigt,
Und aus dem frühen Herdrauch der Küchen und Stuben entließen
Türen und Tore bereits die hellgekleideten Kinder.
Auch in der Kirche ward emsig geschafft; die Gattin des Mesners
Und die Köchin des Pfarrers, sie ordneten, schmückten und fegten.
Festlicher blinkte dazu im schrägen Einfall des Frühgolds
All der bescheidene Zierat am heiligen Tische des Herrn, und
So wie das leuchtende Blut aus den mystischen Wunden des Dulders
(Der auf dem Bilde der Apsis in schmerzensreicher Gebärde
Allumfassender Liebe als Kruzifixus gemalt war)
Mild überströmte der Purpur der Alpenrosen das schlichte
Weihegerät des Altares aus silbernen Schalen und Vasen
Als ein ergreifendes Sinnbild des blütenopfernden Frühlings.
Nun aber ward's auch belebt auf dem stillen Platz um die Kirche:
Als die ersten am Orte erschienen die Wandrer von weit her.
Dörfer- und sippenweise waren sie lang unterwegs schon;
Denn der hiesige Umgang genoß in der Gegend Berühmtheit.
Wortkarg standen die ältlichen Männer in Gruppen beisammen,
Trugen den schwarzen Anzug, den sorglich gehüteten, der sie
Treu durch das Leben geleitet, vom Traualtar bis auf die Bahre,
Und in anderen Gruppen standen beisammen die Weiber,
Gleichfalls würdig gekleidet, mit bauschigen wollenen Röcken.
Aus der hellen Umrahmung der weißen und gelblichen Tücher
Schauten noch blühende junge und alte vergrämte Gesichter
Mit dem nämlichen Blick der Ergebung in Armut und Arbeit,
Und die gehärteten Hände hielten alle mit gleicher
Kinderfrommer Gebärde das schwarze Gebetbuch umklammert.
Doch es wäre ein Unrecht, vom Übelbacher Fronleichnam
Etwa behaupten zu wollen, daß ihn nur Landvolk besuchte!
Nein, in Übelbach wohnten auch andere, ›bessere‹ Leute:
Allerhand kleinere Rentner, zumeist aus der Hauptstadt des Reiches,
Pensionierte Beamte, mitunter mit mehreren Töchtern,
Welche infolge des Mangels an Mitgift sitzengeblieben,
Frauen von Offizieren, die, während die Gatten im Felde,
Wegen des billigern Lebens in dieses Gebirgsdorf gezogen,
Kurzum: diverse Private, die etwa ein Häuschen im Orte
Samt einem Gärtchen besaßen und die in verflossenen Tagen
Mancherlei Rollen gespielt, bisweilen auch recht kuriose.
Längst nun waren indessen die Frömmsten im Kirchlein versammelt,
Kniend in stummem Gebete, besonders die älteren Weiber,
Und man wußte nicht recht, warum das Hochamt nicht anfing,
Als aus der Tiefe des Tals – oder klang es am Ende aus Wolken?! –
Wie einer riesigen Hummel ein dröhnend-metallisches Surren,
Drohend und oft übergellt von nie noch im Dorfe gehörten
Mißgestimmten Signalen, in wachsender Eile herankam.
Allgemeine Bewegung beim Volk vor der Kirche! Die meisten
Bogen die Hälse zurück und lugten und spähten nach oben,
Aber es war kein Flieger, kein feindliches Bombengeschwader,
Das sich das harmlose Örtchen zum Ziel seiner Würfe erkoren,
Sondern das Automobil der hohen Landesregierung,
Welche ihren Vertreter zum Übelbacher Fronleichnam –
Eben war die Verständigung diensttelegraphisch gekommen –
Heuer zum ersten Mal in die hiesige Gegend entsandte.
Allen stand der Verstand still. Doch ehe die Menge zu sich kam –
Kein Laokoon warnte die guten Trojaner am Volland! –
Bog auch schon um die Ecke der solchen erlauchten Vehikels
Nie noch gewürdigten Straße der vornehm geschlossene Wagen,
Lenkte im Schritt durch die Menge und hielt am Portale der Kirche.
Staunend raunte das Volk, die Männer entblößten die Häupter,
Ob sie was sahn oder nicht, für alle Fälle in Ehrfurcht,
Doch nur die allernächsten gewahrten des Funktionäres,
Welcher, vom Ortsvorsteher mit tiefem Bückling empfangen,
Sich mit elastischen Schritten zum Platz am Altare verfügte.
Jetzo erklangen die Glocken, der Blasbalg und die Pedale
Ächzten und klapperten los, und rauh mit asthmatischem Pfauchen
Strömte die Luft in das Werk, und die Orgel hub an und die Handlung.
Köstlich wäre es nun, den Herrn Regierungsvertreter
Auch aus der Nähe zu sehen, sein hochgezüchtetes Antlitz
Samt dem Monokel im Aug zu beobachten, wie es von Andacht
Schier vergeistiget ward, – denn sonst war wenig von Geist drin! –
Wie er in jeder Bewegung, im lässigen Schneuzen der Nase,
Ja, im gelangweilten Blick, die Sonne, deren Planet er
War, zu versinnbilden wußte! Dies wäre Erlebnis und Ehre!
Wir doch verbleiben modest im Hintergrunde der Kirche,
Bis nach dem
Agnus dei zum
Pange lingua der Pfarrer
Preisend die Stimme erhebt, und betrachten den heiligen Umgang
Dann im
unteren Dorfe, wo wartend auch anderes Volk steht.
Und wir harren nicht
lang dort! Denn feierlich melden die Glocken
Schon das Ende des Amts und, indes ein Eratmen der frommen
Neugier die Menge durchläuft, erscheint auch die Spitze des Zugs schon.
Inniges Schauergefühl des wundergewärtigen Herzens,
Wird es dich wieder ergreifen wie einst und in Tränen der Rührung
Dir nun die Seele erschüttern, der du ein Zweifler geworden?
Ach, nicht einmal ein Zweifler! Ein trotzig Wissender bist du
Oder vermißt dich's zu sein und schämst dich des Glaubens der Kindheit!
Aber stille davon! Schon nahen, von Knaben getragen,
Nahen, von Knaben gefolgt, in Paaren die ersten der Fahnen!
Weinrot schweben sie her, geliebkost von goldenen Lüften,
Und die Lerchen im Blau, die bunten Gesinde der Wiesen
Grüßen mit Allelujah und süßen Gerüchen des Frühlings.
Aber den fahnentragenden Knaben folgen die Mädchen:
Liebliche Welle aus Schnee des weißen Batists und der Unschuld!
Ist so viel Blond in der Welt, daß alle die flimmernden Köpfchen
Überquellen davon? Sind
so viel glückselige Augen?
Hat sich der Himmel verschenkt an
so viel blau leuchtende Sterne?
Oder in sie sich geflüchtet? Weil wir erwachsenen andern
Gottes Erde mit Blut und Lüge und Unzucht besudeln?
Stille, o stille auch
davon! Und ziehet vorüber, ihr süßen
Kleinen Mütter von morgen, aus deren noch dämmernden Schößen
Sich die Menschheit dereinst verjünge für edlere Zeiten!
Oder bleibet doch, bleibet! Was kann noch kommen, das werter
Wäre, den gütigen Christ und das Wunder der Wandlung zu ehren?
Aber da lärmen bereits ganz wüst-kakophonische Töne!
Ist dies zu heidnischem Unfug ein Aufzug oder zur Fastnacht?
Nicht doch. Vergib ihnen, Herr, sie wissen ja nicht, was sie tun, und –
Nimm den Willen fürs Werk, denn siehe, er ist der beste!
Ja, die Bürgerkapelle – wir hörten schon gestern sie proben! –
Rückt nun behäbig heran. Als Tambourmajor an der Spitze:
Meister Oremus, der Schmied, ein Herkules, der statt der Keule
Stramm den betroddelten Stab mit grimmigem Ernste im Takt schwingt.
Ihm sofort auf dem Fuße folgen die Bläser des Holzes.
Krampfhaft preßte allhier Herr Hitzgern, der Maurer, die Lippen
Rings um das triefende Mundstück der keifenden C-Klarinette,
Während Hiebaum, der Schreiner, das zwitschernde Pikkolo falsch blies.
Ja, er war ein Mephisto! Denn seine Figuren und Triller
Hätten ein Engelorchester zu höllischem Lachen gekitzelt,
Wäre das Blech nicht gewesen, das schmetternd, heulend und dröhnend
Alles Gequiek überbot. Hier blähten im Schweiße die Backen
Johann Baptist Populorum und Crisper, der Bote des Postamts,
Während Schwinzerl, der Schinder, Nachtwächter und Totenbestatter,
Mit kopromanischer Wollust dem Messinggedärm des verstopften
Riesigen Baßbombardons die verwegensten Töne entlockte.
Aber sie alle hielt mit den eisernen Fäusten des Schlächters
Fürbaß Romanus im Taktzaum, der lendengewaltige Selcher.
Mächtig kardätscht er das Fell und züchtigt dazu die Tschinellen,
Aber Vitus vor ihm, ein andrer Christophorus, schleppte,
Ähnlich wie jener das Christkind, die Trommel getreu auf dem Rücken,
Eher gewillt zu vergehen als diese fahrenzulassen!
Dieses war die Musik. Ihr folgten, mit Schleiern und Myrthen
Bräutlich dem Himmel geschmückt, in Paaren die christlichen Jungfraun.
Göttlicher Schöne, so denkt sich der Glaube den Herrn und Heiland,
Schmerzhaft doch holdester Bildung die Jungfrau-Mutter Maria;
Anmutig schildert die Schrift den Lieblingsjünger Johannes,
Und die Heiligen alle, besonders die weiblichen, adelt
Selbst die kanonische Kunst auch durch
irdische Reize; woraus sich
Zwingend ergibt, daß Schönheit nicht immer nur Blendwerk der Hölle.
Jene aber, o Gott, sie machten dem Meißel des Meisters,
Der sie zu Ebenbildern der eigenen Herrlichkeit formte,
Ach, nur bescheidene Ehre und ließen die Reinheit des Fleisches
Weniger als ein Verdienst denn als Not und Verhängnis erscheinen.
Aber die Schönheit der Herzen! In Gottes Namen, vorüber!
Nicht doch vorüber, noch nicht! Denn siehe, wer pfaut da am Ende
Dieses jungfräulichen Zuges? Wer trägt seine windige Unschuld
Gleich einer Jahrmarktsmonstranze des sittlichen Hochmuts vor sich her?
Kennen wir dieses Gesicht nicht, die lüsterne Ziegenvisage
Mit dem perfiden Geschau der scheinheilig lauernden Tücke?
Rührend noch war der Verzicht bei den anderen himmlischen Bräuten,
Rührend das grobe Schuhwerk, die arbeitzermarterten Hände
Und der gesenkte Blick der gottergebenen Einfalt!
Jene doch spreizt sich pompös mit wallenden Federn am Plüschhut,
Und ihr plebejischer Fuß ist gezwängt in den zierlichen Lackschuh.
Ja, sie ist es, sie ist's, die heute in frühester Frühe
Schon auf der Gendarmerie war und
selbst sich als Zeugin erboten
Gegen Crinis Ernest, den unglückseligen Glaser!
Diese himmlische Braut ist das Fräulein Rose Rachoinig!
Und ihr folgt auf dem Fuß der Verein der christlichen Witwen.
Nehmet die Hüte ab, hier schreiten beladene Leben!
Freudlos gewordene Leiber, die Arbeit und Kummer verblühte!
Leiber, die Kinder geboren, Weiber, die Männern gehorsamt,
Welche heute wie Korn zu blutigen Garben der Tod mäht!
Ja, entblößet die Häupter! Hier schreiten die Witwen der Helden,
Harte und wehe Gestalten, die jetzt für Kinder und Enkel
Männerarbeit verrichten am Pfluge, im Haus, in der Scheune!
Aber auch ihnen folgt, wie das Satyrspiel der Tragödie,
Eine skurrile Gestalt. Wir sehen sie heute zum ersten
Male und merken sie uns. Denn immer noch zeigen die Züge
Dieses bemalten Gesichtes die Spuren einst herrischer Schönheit.
Wo aber ist das Gefolge der Jobber und Kavaliere,
Welches du einstens, Jadwiga, als goldene Schleppe dir nachzogst?
Dann doch, als dieses vorbei mit der Macht deiner eigenen Reize,
Wo ist alle die Unschuld der ausgebeuteten Mädchen,
Die du den wüsten Klienten um klingenden Sündenlohn zutriebst?
War da ein Augenblick nicht, wo brutale Aufseherhände
Jenes begeisternde Goldhaar, nach dem man einstens Pomaden,
Duftende Wässer, Frisuren und zierliche Kämme benannte,
Unter die Schere nahmen, wie es die Vorschrift im Strafhaus
Unerbittlich befiehlt? Indessen, die weiße Perücke,
Immer noch kunstvoll koiffiert, bedeckt wie der gnädige Mantel
Christlicher Nächstenliebe verjährte Sünde und Sühne,
Und Jadwiga Paschanda besitzt eine trauliche Villa,
(Eines Magnaten Legat, den in
ihren Armen der Schlag traf!)
Und Jadwiga Paschanda hat ihre Brillanten und Perlen
Für einen kräftigen Ablaß der heiligen Kirche verschrieben,
Und Jadwiga Paschanda, obwohl doch niemals verehlicht,
Schreitet im Zuge der Witwen, und niemand macht ihr das streitig;
Denn, wo die anderen
einen, beweint sie unzählige Männer,
Und wer vielfach gesündigt, dem wird auch vielfach vergeben,
Weil ja
nicht nur im Himmel, sondern auch manchmal auf Erden
Mehr der Befriedigung ist über
einen reuigen Sünder
Denn über hundert Gerechte, die
nicht der Buße bedürfen!
Nun aber Ehrfurcht auch du, unsterblich doch heidnische Muse,
Die du den Göttern Homers den freudigen Hymnus gesungen!
Siehe, auch wir noch erschauern beim Namen des großen Kronion,
Und, was die Besten der Griechen in Träumen der Dichtung und Weisheit
Ahnend erschaut und ersehnt, der Nahende hat es vollendet
Als der Erlöser der Welt! Drum Ehrfurcht, unsterbliche Muse!
Und auf Wellen von Duft, gefächelt von purpurnen Bannern,
Schweben schon heilige Weisen, und sind's auch unheilige Stimmen,
Hier verstummt die Satire, obwohl ihr zu schweigen nicht leichtfällt;
Denn der Herr Lehrer Scholaster – er hatte den ganzen Lasalle zwar
Durchaus mit Eifer gelesen, wenn auch nicht eben verstanden! –
Fistelte hier den Tenor in dem Chore der kirchlichen Sänger,
Welchem mit ihrem Alt bisweilen auch Cordula aushalf,
Während Sophie Populorum, die staatlich geprüfte Hebamme,
Frischenschlager Marie und die Witwe des Grünzeugverschleißers
Mehr oder weniger falsch den oberen Stimmen oblagen.
Aber den brummenden Baß verweste Martellanz, der Förster.
Doch nun auch dieses vorbei! Schon schellen die silbernen Glöcklein,
Von Ministranten geschwungen, schon blauen die Wolken des Weihrauchs!
Und, umflackert von Kerzen, umblinkt von den Helmen der Brandwehr
Und umglänzt vom Brokate des assistierenden Klerus,
Schwankt nun der Himmel heran und überschattet mit Purpur
Das jahrtausendgeweihte Symbol des heiligsten Leibes.
Siehe, da beugt sich das Knie, da steigen die Tränen, da blühet
Inbrunst der Kindheit aus dir, das keusche Erschauern der ersten
Beichte und Kommunion! Was tut es, daß neben dem Pfarrer
Unter dem Baldachin – wie der Schächer neben dem Heiland! –
Pschunder Tobias, der Wirt, mit dem Schelmengesichte der Habsucht
Und in dem roten Habite des Kirchenvaters einherschritt?!
Dieses gebührte ihm
wohl als dem reichsten Manne der Gegend,
Und so gehört es sich auch! Denn immer noch, weil es die Welt gibt,
Hat dem Erhabenen sich seine Fratze, sein lästerndes Zerrbild
Hämisch hinzugesellt, damit wir
jenes begreifen!
Und der Himmel vorbei! Vorüber die Klänge und Düfte
Weihrauchs, schwelenden Wachses und all der geopferten Blumen,
Welche die Hände der Unschuld dem Wege des Heilandes streuen!
Aber dem Himmel als erster folgt – der Regierungsvertreter!
Vornehm degeneriert, mit dem hängeschultrigen Gang des
Kavallerieoffiziers (der niemals Pulver gerochen!)
Stelzte der Herr Kommissär zur Rechten Künigl Josefs,
Der, in die Klemme geraten zwischen die himmlische und die
Irdische Majestät, halb Kniefall halb Bückling, einherging.
Jetzt aber, Muse, was kommt da im stolzen Abstand vom letzten
Paar der Gemeinderäte, die vaterunsernd vorbeiziehn?
Ist der Leviathan dies? Ist dies einer Apokalypse,
Welche ein Schalksnarr geschrieben, ist dies einem Alptraum entsprungen?
Siehe, ein Vollmondgesicht, einem Molch, einer Quappe entwendet,
Bläht sich zwischen zwei Schultern, die wagrecht erstarrt sind! Sind diese
Künstlich nach aufwärts gesträubten und dick mit Pomade verklebten
Pinsel rötlicher Borsten, ist dieser Schnurrbart noch menschlich?
In das erschütternde Grau der nackten, gemarterten Erde
Unauffällig gekleidet, verbluten zur Zeit Millionen,
Während
dieses da bunt ist und eitel von Silber und Gold strotzt!
Ragte vom Haupte ihm nicht eine freche metallische Spitze,
Welche grell in die Luft stach und blinkend die Sonne zurückwarf?
Wülstig tauchte der Hals aus der zwängenden Röhre des Kragens,
Welcher mit allerhand Flicken, mit Litzen und Blitzen benäht ist!
Wie eines Pferdes Kruppe, so wölbt sich von Watte und Würde
Dieses Gebildes Brust, auf welcher Medaillen und Bänder,
Wie eines Preisstiers Schmuck, die von anderen blutig verdienten
Ehrenzeichen des Mutes verdächtig und lächerlich machten!
Was war selbst der Kothurngang des Herrn Regierungsvertreters
Diesem gewaltigen Schreiten und Pathos der Macht gegenüber?
Jeder Schritt des Kommißschuhs ein Trumpf des uniformierten
Spießers, der alles, was schlicht und ohne die Merke des Ranges
Friedliche Wege geht, mit Lakaienanmaßung geringschätzt!
Nicht doch, satirische Muse, so war es nicht wirklich, so
schien's nur!
Was hier in stolzer Distanz von der übrigen Menschheit einherging,
Was sich, ein dürftiger Lurch, zum dräuenden Lindwurm emporblies,
War in der frevelnden Pracht der Waffen und farbigen Lappen
Nicht das gewaltige Laster, sondern
nur in der Maske
Amtlicher Strenge und Würde und kühn-militärischen Pompes –
Siehe, es kreißte der Berg, und der Wurf ist ein lächerlich Mäuschen! –
War, um es endlich zu sagen, der Held des Gedichtes, war
Kirbisch!
Und ihm folgte das Volk der rosenkranzmurmelnden Beter.
Mittag nahte heran, schon war auch am vierten Altare
Gottes Botschaft gelesen und allen der Segen gespendet,
Immer noch krachten die Pöller, und immer noch dröhnten die Glocken,
Und die Kapelle des Dorfes vollzog ihren Höllenspektakel.
Glühender strahlte der Tag auf die immer müdern Gesichter,
Und die Ordnung des Zuges begann sich allmählich zu lockern.
Bleich, mit erzitternden Knien, so wankte der gütige Pfarrherr
Unter dem Baldachine dem Gotteshause entgegen.
Wer nicht mittun
mußte, verlor sich, sobald er nur konnte,
Abseits in kühlende Schatten, besonders zum Störrischen Engel,
Wo für den Herrn Kommissar und die anderen Standespersonen,
Blumen- und gläsergeschmückt, die Tafel zum Festmahl gedeckt war.
Katharina, die Köchin, am ungeheueren Herde
Kommandierte die Schar der eigens gedungenen Mägde
Mitten unter den Pfannen und Blechen mit Braten und Kuchen.
Schweißes Perlenbelag bedeckte die rötliche Stirne,
Staute sich zwischen den Brauen und lief dann in beizenden Bächlein
Bis an die Spitze der Nase, um schließlich in Suppen und Soßen,
Wie es sich eben ergab, als die feinste der Würzen zu fallen.
Aber im kühlen Gewölb des geräumig-dämmernden Kellers
Lagen zum Anstich bereit die Fässer des würzigen Bieres
Und in dem tiefsten Gelasse, wo niemals noch Tageslicht hinkam,
Lugten aus mächtigen Trögen voll winzigzerstückelten Eises
Golden und silberne Hälse von dunkelgrünbäuchigen Flaschen,
Daß der Herr Kommissär nach dem Toast auf den obersten Kriegsherrn
Richtig in Stimmung gerate und dann auch höheren Ortes
Untertänigst vermelde, beziehungsweise berichte,
Daß man im Dorfe am Volland, im Gasthof zum störrischen Engel
Dank seines tüchtigen Wirtes genau wie im Frieden verpflegt ist.
Aber es kam
ganz anders, als Pschunder sich's vorgestellt hatte!
Zwar benahm sich der Graf, der Vertreter der hohen Regierung,
Während der Fütterung selbst geradezu reizend. Er ließ sich
Freundlich zu jedem herab und, wenn er auch Küche und Keller
Just nicht mit
Worten belobte, so hieb er doch gar nicht so gräflich,
Sondern plebejisch ein und schmauste und schlürfte für dreie.
Aber nachdem er den Toast auf den Landesfürsten gesprochen,
(Worte der Siegesgewißheit und homagialen Empfindens!)
Sah er pressiert auf die Uhr, befahl seinen Wagen, bestieg ihn,
Salutierte noch lässig nach allen Seiten den Gaffern,
Und nachdem er sich auch noch genau erkundiget hatte,
Wo die Gendarmerie sei, begab er sich schnurstracks zu Kirbisch.
Diesen entscheuchte er rauh seinem Mittagsschläfchen, das dieser
Faul auf dem Bett der Kanzlei in Unterhosen verbrachte,
Ließ den Halbnackenden strammstehn und schnauzte ihn höhnisch und barsch an,
Ob er nicht wisse, daß Krieg sei, und ob er das Amtsblatt nicht lese!
Überall Hunger und Not, und hierorts lebe das Völkchen
Just wie in Abrahams Schoß und pfeife auf die Behörden!
Wenn der Gendarm nicht sofort, das heiße, binnen drei Tagen
Allen Erlässen bezüglich des Lebensmittelverbrauches
Geltung zu schaffen verstehe, so werde man Mittel und Wege
Unschwer finden genug, um ihn an die Front zu versetzen!
Knallte die Türe ins Schloß und stob mit dem Auto von dannen.
Schlotternd stand der Gendarm und rieb sich die glotzenden Augen,
Dann aber faßte ihn Wut und panische Angst vor dem Frontdienst,
Und er begann sich zu gürten, behelmte den Glatzkopf und pflanzte
Sein Bajonett aufs Gewehr und begab sich zum Störrischen Engel.
Dort konfiszierte er alles: Verbotenes und auch Erlaubtes,
Lärmte und spürte herum vom Dache bis in den Keller,
Nahm auch im Falle Crinis sofort ein
Vorprotokoll auf
Und verließ das Lokal im Schweiße gebadet und grußlos.
Schrecken lähmte das Dorf. Die Leute standen in Gruppen
Und diskutierten gedämpft das unerhörte Ereignis.
Kaum daß die Hunde es wagten, so recht von Herzen zu bellen,
Und schon um acht Uhr abends verloschen sämtliche Lichter.
Keine Seele betrat die Stube beim Störrischen Engel,
Nur Herr Pschunder, der Wirt, saß einsam wach in dem Räume,
Der noch vor wenigen Stunden so festliches Leben beherbergt.
Schwinzerl, der Totengräber, Nachtwächter und Schinder des Dorfes,
Sah bei der Runde um Zwei noch immer den Wirt bei der Kerze
Über sein Hauptbuch gebeugt und drüberhin manchmal ins Nichts schaun.
Ja, es war anders gekommen, als Pschunder sich's vorgestellt hatte:
Wolken ziehen herauf, die schwarze, blutige Kriegsfaust
Greift in das friedliche Dorf, und vorüber ist die Idylle!
Also endete trüb der Übelbacher Fronleichnam.