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Drittes Stück: Heldenende

Die Witwe

ls Flosi den Tod Höskulds erfahren hatte, beschickte er sofort all seine Verwandten und Freunde, darunter Hall von der Leite, seinen Schwäher, um sich ihrer Hilfe am Thing zu versichern. Dann brach er auf, Hildigunn, die Witwe auf Wörsahof aufzusuchen.

Auf der Reise dahin an der Küste entlang kehrte er bei seinem alten Freunde Runolf ein, dem Sandgodensohne in Talhausen am Waldstrom. Von ihm ließ er sich aufs genaueste berichten, wie es zugegangen war bei Höskulds Ermordung, und der bestätigte ihm durchaus, was er durch die Boten Hallgerds gehört: vollkommen schuldlos sei der Gode erschlagen worden; den Waffenlosen hätten die Njalssöhne ohne Warnung niedergehauen.

»So werden sie wenig Beistand am Althinge finden?« »Allzuviel nicht!« sagte Runolf, »empört über ihre Freveltat reden allenthalben die Leute, denn kaum je war ein Gode so wie der vom Blankenhorne beliebt!« Mitleid hätten freilich alle mit Njal, dem alten, der in seinem langen Leben nie ein Unrecht getan, und allen, die ihn angingen, nach Kräften geholfen: von ihm wüßte man, wie lieb der Pflegesohn ihm gewesen, und wie schwer die Untat der eigenen Söhne nun auf ihm laste. »Drum möcht' ich euch raten, es nicht auf die Spitze zu treiben und euch, wenn's irgend möglich wird, zu vergleichen!«

*

Njal hatte, seit Höskuld erschlagen war, das jüngste Söhnchen Karis und seiner Tochter Helga zu sich genommen, den Thord.

*

Trüb war das Leben auf Wörsahof seit dem Tode des Hausherrn geworden. Starren Gesichtes ging Hildigunn umher. Sie weinte nicht, aber sie sprach auch zu niemandem mehr, als sie mußte, und die Worte fielen ihr knapp und hart von den schmal gewordenen Lippen. – »Es ist, als wäre mit seinem Blut auch ihr Blut aus den Adern gewichen!« sagten die Leute, und manche fingen an, sich vor ihren steinernen Augen zu fürchten. Als aber die Nachricht kam, daß Flosi sie mit großem Gefolge aufsuchen wolle, ließ sie ein Gastmahl richten, als gelte es einer Hochzeit, und einen Hochsitz ließ sie eigens für ihn erbauen, mit Gold ausgeschlagen und mit Fellen von Zobel und Hermelin belegt wie für einen Fürsten.

In einer Wolke von Staub kam er an einem heißen Sommertage mit seinen Leuten geritten. Sie ging ihm weithin entgegen. Er sprang aus dem Sattel, eilte auf sie zu und tat die Arme auf, sie zu umfangen. Da schauderte er zurück, und die Hände fielen ihm nieder. »Wie schaust du aus, Nichte?« rief er entsetzt. – »Wie eine, der Mordbuben den Mann in Stücke gehauen! Gefall' ich dir nicht?«

Sie schritt den Gästen voran zum Hause. Finster blickte Flosi hinter ihr her. »Eiseskälte und Tod ist's, was von ihr atmet!« stieß er's hervor, »hier heißt es achtgeben, Freunde!«

Er trat in die Halle. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn vor den Hochsitz: der glänzte von Gold im Schmuck der kostbaren Felle. »Da, Oheim, nimm Platz!« Er zog die Brauen zusammen. »Ein Thronsitz ist es: was soll das mir? kein Jarl und kein Herzog bin ich!« »Uns bist du's: der einzige, der nach meines Mannes Tode mir blieb!« »Weg mit dem Stuhl!« grollte er, »mit weniger nehm' ich vorlieb!«

Sie saßen zu Tisch. Da ward Gesottenes und Gebratenes aufgetragen, Bier und Met, aber alles in zerbrochenem Geschirr und das Tafeltuch selbst war zerrissen. Er sah zu ihr auf und kniff die Augen zusammen. »Hast du nichts anderes als Trümmer und Fetzen in deinem Haushalt?« »So steht es uns an,« entgegnete sie, »wie das Geschirr hier, liegt mein Leben in Scherben, und wie das Tuch am Tisch ist meine Freude zerrissen!« Ihre Lippen erzitterten und sie ging hinaus.

Schweigend aßen und tranken die Gäste. Als die Tische abgeräumt waren, kam sie wieder herein, einen Scharlachmantel voll dunkler Flecken in Händen. Auf Flosi zu trat sie und schwang ihn ihm um die Schultern: da knisterte und rauschte rings um ihn das eingetrocknete Blut.

»Dein Gastgeschenk ist es: vor allem Unheil behüten sollte es ihn, und in ihm ward Höskuld erschlagen! Da hast du es wieder! Und nun ruf' ich zu dir vor Gott im Himmel und allen rechten Menschen auf Erden: kein Vergleich, kein Gericht für den Frevel! Rache will ich: ihr aller Blut für sein Blut!«

Er riß den Mantel herunter und warf ihn von sich. »Gespenst!« rief er, »kein Weib von Fleisch und Blut bist du! Hexe, willst du in deine Krallen mich zwingen?« Schweratmend saß er da und ward bald dunkelrot, bald leichenblaß im Gesicht. Dann sprang er auf und ritt mit dem Gefolge davon.

An der Felsenfurt über den Waldstrom traf er sich mit den Sigfussöhnen und Mörd. Da berieten sie, wie sie auf dem Althinge vorgehen wollten. Ketil von Walden war für einen Vergleich: »Leicht erlangen werden wir einen ehrenvollen von Njal, denn er ist billigen Sinnes!« Aber Grani, Hallgerds Sohn, und die Brudersöhne Thrains, die Skarphedin damals nach dem Kampf auf dem Eise hatte laufen lassen, die hatten nun mächtig an Mut zugenommen: Waldgang oder, wenn das am Gericht nicht zu erreichen wär', Rache! von nichts anderem wollten sie hören.

Flosi sagte wenig dazu, und es ward nicht klar, wie er selber darüber dachte.

 

Sippensorgen

enig Worte hatte Njal seit Höskulds Tod mit den Söhnen getauscht. Als es aber bekannt ward, daß Flosi auf Wörsahof gewesen und mit der Sigfussippe zusammen zum Althinge zog, trat er unter sie. »Richtet die Gäule auf morgen. Höchste Zeit wird es nun, daß wir uns um Beistand schaun unter den Freunden!« – So dringend sei das nicht, meinte Grim, »Mörd hat's uns geheißen: er führt die Klage schon so, daß sie hinfällt!« »Glaubt ihr, auf ihn sei Verlaß, und meint ihr, mit Ränken wird eine solche Sache entschieden wie die hier? Schickt einen Boten nach Felsheim zu euern Vettern: sie sollen zum Thinge uns folgen. Wir aber reiten nach Achenzunge zu Asgrim!«

Skarphedin sprach: »Warum willst du uns beistehen, Vater, da wir doch gegen deinen Willen getan haben und dich gekränkt?« Njal sagte: »Eine Ehrensache wird es für mich sein, nun da ihr in Not seid!« »Wir aber wünschten es nicht, daß du um unsertwillen tust, was dir schwer wird!« »Danach fragtet ihr nicht, was mir schwer oder leicht fällt, als ihr Höskuld erschlugt!« entgegnete Njal, »und damals wär' es am Platze gewesen, danach zu fragen, nicht jetzt!« …

Als Asgrim auf Achenzunge aus der Ferne Reiter herantraben sah und Njal, den alten, erkannte im hohen Filzhut und blauen Mantel, ein Handbeil im Gurte, da ging er ihm vors Gehöfte entgegen, hob den Greis aus dem Sattel und führte ihn unter dem Arme ins Haus. Dort setzte er ihn in den eigenen Hochsitz.

Hjalti, der Götterverächter, war auch grade da zu Besuch.

»Gewiß, Vater Njal,« sprach Asgrim, »obwohl es ein böser Handel ist – auf meinen und meiner Thingleute Beistand könnt ihr allezeit zählen, so lange mir einer noch folgt!« Und Hjalti rief voller Eifers: »Nicht minder auf meinen: jeden Dienst, den ich Njal leisten könnte, hat er mir lange im voraus durch Rat und Tat in schlimmen Zeiten gezahlt!«

»Freilich,« sagte Asgrim, »an unserm Häuflein allein wird sich der Sturm noch nicht brechen! weiter werben werdet ihr müssen am Althing, und da will ich euch zu meinen Freunden geleiten, zu Gissur dem Weißen und zum Goden Snorri vor allem; denn so viel wie der, vermag keiner!«

Gegen Abend trafen auch die Vettern aus Felsheim ein mit ihren Leuten, mächtige Burschen: Grim Großmann, Leif Rabe und Geir, den man den Klammgeier hieß von seinem Kampf in einer Bergkluft, wo er allein sechs seiner Gegner gefällt.

Da war Asgrims Haus voll geworden in allen Kammern von oben bis unten.

Als sie schlafen gingen, zog er Njal am Arme beiseit. »Was dünkt dich um den Handel? wie wird es ausgehn? was meinst du, kommen wir wohl zum Vergleich?« Das kahle Kinn nahm der Greis in die Hand und sah vor sich hin. »Viel Glück wird es brauchen, und Unglücksraben scheinen mir auf beiden Seiten unter den Führern zu sein. Aber was ich vermag, werde ich tun für die Söhne!«

 

Das Schiedsgericht

un ist vom Althing zu sagen, daß es so stark besucht war wie selten eines zuvor; denn der Streit zwischen den beiden mächtigen Sippen des Njal und des Sigfus hatte die Leute allenthalben im Lande erregt: viele nahmen Partei für den oder jenen, und jedermann war begierig, mitzuerleben, wie's ausging.

Da zeigte sich's, daß Mörd wider Njals Erwarten sein Wort hielt: er verwirrte die Klage absichtlich durch allerhand Umschweife so sehr, daß sie ins Stocken geriet und Flosi mit den Sigfussöhnen bald nicht mehr wußte, wie weiter zu machen. Das nutzten die Häuptlinge, denen daran lag, daß es nicht von neuem zu Unfrieden komme auf Island, und sie redeten auf ihn ein, er solle sie vermitteln lassen zwischen den Sippen. Er hörte sie aufmerksam an, war aber auf keine Weise zu einem klaren Bescheid zu bewegen.

Als Njal davon in seinem Zelte erfuhr, brach er sofort auf und begab sich aufs Thingfeld. Durch die lärmende Menge schritt er auf die Goden zu, die sich um Flosi geschart hatten, und verlangte zu reden.

Als er auf den Felsen, von dem herab man zum Volk sprach, emporgestiegen war und lang und hager droben im Abendlicht stand, ward es auf einen Schlag weitum still unter ihm: Kopf an Kopf gedrängt, starrte die Menge empor.

»Landsleute,« hob er an, »mich dünkt, ich bin es vor allen andern, dem es zusteht, in der Sache hier wegen des Totschlags am Goden Höskuld zu reden, denn mich hat es am schwersten getroffen, und zwiefach könnte ich Klage führen vor euch: einmal um den Pflegesohn, den ich lieb gehabt habe und den mir die eigenen Söhne erschlugen, und dann um sie, meines Alters Stützen, denen die Gegner nach dem Leben trachten mit dem Gesetz. So weiß ich es an mir selber am besten, wie beiden Teilen zumut ist. Darum, Landsleute, bitte ich euch, die, denen ich je an die Hand ging in ihrer Bedrängnis, und alle, die billigen Sinnes sind überhaupt: helft mir, daß es zu einem Vergleich kommt und wir die Gegner versöhnen!«

Da schwoll ein Gemurmel in der Menge: »Gut gesprochen hat Vater Njal!« Und nun konnte sich auch Flosi dem Zureden aller nicht länger entziehen, wollte er seine Sache nicht vor den Richtern gefährden. Aber langsam und widerwillig schier schlug er in Njals Rechte die Hand; denn Hildigunns versteintes Gesicht stand ihm stets vor den Augen.

Skarphedin blickte ihn dabei unverwandt an. »Verdruß macht es ihm, scheint's, sich mit uns zu vergleichen! und auch mir hat es wenig getaugt, wie der Vater die Leute für uns um gut Wetter gebeten: da könnten wir ja einander helfen am Ende, so feind wir uns sind!«

Nun traten die Mittler sofort am Gerichtsort, zehn Mann von jeder Seite, zusammen. Dazu waren unter andern von Flosi sein Schwäher Hall von der Leite und der Sandgodensohn Runolf gewählt; von Njal aber Asgrim, Hjalti, Gissur der Weiße und Snorri.

Als erster sprach Snorri: »Ich schlage vor, daß wir die Sache mit Geld abmachen und von Ausweisungen und Verbannungen absehn, denn daraus sind meist noch ärgere Fehden entsprungen, als die Schiedsmänner geschlichtet!« Und da alle einverstanden waren, fuhr er fort: »Dafür würd' ich die Buße so hoch ansetzen, daß keiner der Sigfussöhne klagen könnte, er sei um die Vergeltung betrogen: dreifach sollen die um Njal den Manneswert für Höskuld entrichten, das sind sechshundert Unzen in Silber! Oder dünkt das jemand zu viel?« Sie verneinten wiederum alle. – »Und zwar sollen sie die Gelder sofort hier auf dem Thing noch erlegen!«

Da meinte Gissur: »Soviel haben sie alle miteinander nicht bei sich samt ihren Verwandten!« Gudmund aber, ein Häuptling aus dem Norden der Insel entgegnete: »Ich verstehe, worauf es Snorri abgesehen hat: auf der Stelle muß es abgemacht werden, nicht daß die Flamme, wenn sich's verzögert, aus der Asche wieder emporschlägt! Und ich meine, wenn jeder, dem Njal mit klugem Rate geholfen, ein Weniges nur dazu beiträgt, so bringen wir die Summe zusammen!«

Das zeigte sich auch sogleich, denn die zwanzig Schiedsmänner allein erlegten beinahe die Hälfte. Da riefen sie die Parteien vor sich und verkündeten ihnen das Urteil.

Flosi hörte es schweigend an, den Kopf gesenkt und die Stirne gekraust. Skarphedin lächelte grimmig.

*

Am andern Tag in der Frühe sagte Njal an, daß er die Sigfussöhne heute noch auszahlen wolle.

Unter dem Thingfelsen, wo die Schöffen tagten, die über die Landesgesetze entschieden, schichtete er das Geld auf den Tisch in einem mächtigen Haufen. Dann legte er von sich aus ein kostbares Schleppkeid aus Seide dazu, wie es die Vornehmen in Norwegen als Festgewand trugen. Ringsherum drängte sich schaubegierig das Volk.

Nun trat Flosi hinzu und begann langsam Stück um Stück das Geld abzuzählen. Skarphedin stand ihm gegenüber und lächelte spöttisch. »Bist du bei einem Wechsler in die Lehre gegangen?« Mit kaltem Blick sah Flosi ihm in die Augen. »Vorsicht, Njalssohn, hat noch bei keinem Geschäfte geschadet!«

Er zählte weiter. »Es stimmt,« sprach er mürrisch, als er das letzte Geldstück umgedreht hatte. Dabei erblickte er das Schleppkleid, ergriff es und hob es gegen's Licht, daß es schimmernd dahing in der Sonne. »Was ist denn das?« fragte er blinzelnd. – »Ein Weibsgewand, scheint mir, wie es Weichlingen ansteht!« sprach Skarphedin laut.

Flosis Gesicht lief rot an, er ballte die Seide zusammen und warf den Tisch um, daß die Münzen klirrend über den Boden hin rollten. Lautlos starrte ringsum die Menge. »Hohn zum Mord!« rief er, »gebrochen ist der Vertrag!« »Was schreist du?« sprach Skarphedin, »nun haben wir doch, was wir beide im Herzen gewollt!«

Mit der Hand fuhr Asgrim durch die Luft. »Das sind sie, die Unglücksraben, von denen Njal mir gesprochen!«

Auf Flosi zu eilten die Schiedsmänner, ihn zu bereden, aber er wollte nichts hören und schritt mit den Sigfussöhnen im Haufen davon.

Njal blieb zurück. Skarphedin trat an ihn heran. »Grollst du mir, Vater?« Über ihn weg sah in die Ferne der Greis. »Ich grolle schon lang keinem mehr! mit der Geburt ward uns das Schicksal in die eigenen Hände gelegt: vollenden und verantworten muß vor sich selber ein jeder das Seine!«

 

Eidgenossen

er Abend ist über dem Thingfeld verglüht: leer liegt es, längst von der Menge verlassen. Dahinter ragt mit zackigen Wänden im Dämmer die Leuteschlucht, durch die die Männer von Westen gezogen kommen zum Thinge. Zur Klamm hervor dringt Stimmengemurmel und leises Geklirr.

Im Halbdunkel drinnen lehnt Flosi an der Felswand, ihm zur Rechten und Linken die Seinen und die Sigfussöhne mit all ihrem Anhang, ein Heerhaufen, wohl an die hundert in Waffen!

»Mord und Hohn mit Blut zurückzuzahlen, sind wir entschlossen! Acht Wochen vor Wintersbeginn treffen wir uns unterm Gewände des Dreihorns: wer aber ausbleibt, ist dem Tode durch unsere Schwerter verfallen! Ist es euch allen so recht?«

»Recht ist es uns allen!« hallt es durch die Schlucht.

»So schwört hier auf den Stahl!« Er zieht die Klinge. Sie strecken die Arme empor.

 

Wahrzeichen

ls die Njalssöhne heimgekehrt waren und ihre Gäule einstellten, sahen sie die alte Säun über den Hof wanken, ihre Muhme, die hatte sie alle aufgezogen, vom Ältesten bis zum Jüngsten; bald an die hundert Jahre zählte sie schon und schien nicht mehr immer bei rechten Sinnen zu sein. Einen Stecken in den Runzelhänden schwankte sie auf den Kehrichthaufen aus dürrem Vogelgrase am Zaun zu und schlug darauf los. »Böses Kraut,« schalt sie, »schlimmes Kraut!«

Grim lachte. »Was zürnst du, Muhme? geh, laß das Dreckzeug in Frieden!« Sie sah ihn kläglich an aus den halbblinden Augen. »Räumt es weg!« lallte sie, »räumt es weg: Verderben bringt es euch allen!«

Skarphedin nahm sie am Arme und führte sie ins Haus. Aber immer wieder wandte sie sich um nach dem Kehricht, hob das magere Fäustchen und drohte. »Böses Kraut, schlimmes Kraut, räumt es weg!«

*

Nicht lange danach stieß im Stierachtale, unweit von Hjaltis Wohnsitz, einem Bauernsohne namens Glum etwas Seltsames zu.

Er war in einer Sonntagsnacht, eh' er zu Bett ging, noch einmal vors Haus getreten. Da rollte ein Dröhnen von Westen heran, so gewaltig, als wollten Himmel und Erde zerbersten, und er sah: in einem feurigen Kreise, der schnell über den Himmel hin glitt, saß auf zottigem Rappen einer, pechschwarz und groß, der schwang eine lodernde Fackel. Aus der Luft gellte es durchs Gedröhn, als klirrte ein Eisblock entzwei.

Reifumstarrt
Des Rosses Mähne:
Höllentsprungen
Rast der Hengst!
Frostes Gift
In Flammengluten:
Bandenfrei
Der Böse fährt!

Ostwärts schleuderte über die Berge der Schwarze die Fackel: da schoß dort ein Brand auf, daß Flammen alle Felsengipfel umhüllten. In das Feuer hinein ritt der Schwarze und schwand.

Da stürzte Glum ohnmächtig nieder, und es brauchte lang, bis seine Leute ihn so weit gebracht hatten, daß er erzählen konnte, was er erlebt. Sie drängten ihn, er solle es Hjalti, dem Goden berichten. Der sagte: »Der Teufel war es, den du gesehen hast, Freund, und das wird denen drüben im Osten nichts Gutes bedeuten!«

*

Zu Ende ging der Sommer. Das Laub der Weidenbüsche am Bach fing zu Bergthorsbühl an zu falben. Beim Nachtmahl saß Njal mit den Seinen. Da hob er plötzlich den Kopf, ward aschfahl im Gesicht, die Augen drehten sich und kehrten das Weiße hervor. »Seht, seht,« murmelte er und streckte den Arm: »das Dach geborsten, die Giebelbalken entzwei! Blut trieft von den Wänden, vom Tisch, Blut quillt zu den Schüsseln hervor!«

Nach seiner Hand faßte Thora: eiskalt war sie. »Wach auf, Njal!«

Er sank zurück auf der Bank und strich sich das Haar aus der Stirn. Verstört schaute das Gesinde zu ihm hinüber. Bleich sahen Helgi, Kari und Grim. Skarphedin aber lachte kurz auf. »Graust's euch? den Tod auf Bergthorsbühl, meint ihr, sagt uns des Vaters Gesicht an! Und wenn dem so ist, was verschlägt's? Er rückt uns doch so mit jedem Tage näher um einen, und nur darin steht uns die Wahl frei, ob wir ihn festen oder verzagten Herzens erwarten! Auf, Mägde, holt Bier aus dem Keller und laßt uns eins trinken auf unser ehrliches Sterben, denn nachher, wenn die Gesippen beim Erbgelag sitzen, können wir's nicht mehr!«

 

Unter dem Dreihorn

urch die Schluchten des Inselferners heulte der Herbstwind und brauste befreit über die Ebene hin.

Auf Groß Tempelhof stand Lyting, breit und schwer in der Stube und faßte den Hausherrn im Stuhl vor sich bei der Schulter. »Komm nun, Mann! es wird Zeit, daß wir mit den andern uns treffen!« Mörd wand sich auf dem Sessel. »Wozu denn? ohne mich habt ihr Leute genug! den Arm zum Schwur habe ich in der Schlucht nicht gehoben, ich nicht!«

Thorkatla trat ein. »Feigling!« rief sie, »willst du die Gefährten verlassen, so wisse, heute noch räum' ich das Haus und kehre zu Vater Gissur zurück!«

Er seufzte und stand mühsam auf. »So laßt uns denn reiten!«

*

Zwischen den Wolken, die am Himmel hin jagen, schimmert das Mondlicht fahlgrün auf die Gipfel des Dreihorns hinab. In dichten Wirbeln treibt der Schnee an den Wänden vorüber.

Im Geröll unten reiten sie von allen Seiten heran, Männer in Mänteln, auf den Hals der Rosse gebeugt, die Kapuzen gegen den Wind in die Stirne gezogen. Aus einer Schlucht im Gewänd flackert roter Schein in die Nacht. Dort hinein drängen sie alle.

Fackellicht lodert ihnen entgegen. Über ihnen am Rand einer Höhle steht Flosi und zählt die Genossen. »Fehlt keiner mehr?« Grani Gunnarssohn geht durch die Reihen mit der Fackel und leuchtet Mann für Mann ins Gesicht. »Alle sind da außer einem, Ingjald von Brunnen allein!« »So hat er dem Kampf den gewissen Tod vorgezogen!«

 

Der Mordbrand

usgetobt hat der Sturm aus dem Norden: sonnenstill schimmert nach dem Unwetter, wie im Leide verklärt, weithin das Land.

Von Bergthorsbühl weg sind Helgi und Grim in aller Frühe auf ihre Eigengüter zu Frau und Kindern geritten. Über Nacht bleiben wollen sie dort.

Da kommen sie, als es gegen Abend geht, zurückgesprengt, hinter sich ihre Frauen und Knechte. Weit voraus jagt Helgi den andern.

Aus dem Hause tritt Njal mit Skarphedin, Kari und dem Gesinde. »Was treibt euch so bald wieder her?« ruft der Alte. Helgi springt aus dem Sattel. »Flosi im Gau!« keucht er, »Landfahrer sagten es uns, die Nachbarn warnen: mit den Sigfussöhnen vereint zieht der Heerhaufen her! uns gilt es, Vater!« »Das ist zu vermuten,« sagt Skarphedin, »wie stark mögen sie sein?« »An die hundert, heißt es, gewiß!« »Und wir unserer dreißig in allem! immerhin, hart sollen sie's finden, zu stürmen, was Bursche! – Kari, komm mit,« ruft er, »wir reiten, sie zu erkunden!« …

Aus der Waffenkammer schleppen Helgi und Grim Helme, Schilde, Speere, Äxte und Schwerter, teilen sie aus an die Knechte. Wachen ziehn auf rings ums Gehöft …

Es dunkelt. Voll von Sternen funkelt der Himmel. Vorm Hause sitzt Njal. Banges Geflüster dringt hinter ihm aus der Frauenstube hervor.

Am Hoftor unten lehnen in Brünne und Helm Helgi und Grim, den Speer in der Hand. In der Finsternis vor ihnen regt sich's: die Gäule am Zügel, schleichen Kari und Skarphedin her. »Hört ihr in der Ferne das Klirren? Sie kommen! Vor den Gebäuden droben erwarten wir sie: schlecht können sie dort über den Steilhang heran und die Felswand schützt uns im Rücken!« …

Näher klirrt's. Hufgestampf und Schnauben im Tal. Dicht am Gehöfte rasselt es: Stimmengemurmel! in der Nacht wogt's, Roßschädel und Reiter! vor ihnen hebt Flosi den Arm. »Sachte, herab von den Gäulen, Gesellen!« Er gleitet aus dem Sattel, das Hoftor drückt er behutsam auf, schleicht hinein. Grani mit Thrains Brudersöhnen folgt ihm. Durchs Dunkel späht er empor. »Verflucht! zum Kampf bereit stehen sie droben! was nun? dort drohen die schärfsten Speere auf Island!« Grani murrt. »Scheust du mit ihnen den Kampf, so hätten wir gleich zu Haus bleiben können!« …

Vom Hause her horcht Skarphedin in die Nacht hinaus. »Sie rücken herauf durchs Gehöft, aber langsam: alle Augenblicke halten sie wieder!« »Kommt hinein,« sagt Njal, »uns hinter den Wänden der Übermacht zu erwehren!« Sie zögern. »Folgen wir immer dem Vater,« ruft Helgi, »zu unserm Schaden geriet es noch stets, wenn wir's nicht getan!«

Sie gehen ins Haus. In der Tür bleiben Kari und Skarphedin stehen als Wachen. »Lieber wär' mir's gewesen,« sagt Kari, »draußen zu bleiben!« »Laß gut sein,« entgegnet der Freund, »sein Schicksal wird es gewesen sein, das dem Vater den Weg gewiesen – und uns!« …

»Jetzt sind sie drin!« frohlockt Flosi, »und heraus kommen sollen sie nimmer! Auf, Gesellen, zum Sturm!« Er schreitet voran. Ein Speer schwirrt von drüben: hinter ihm stöhnt einer auf und schlägt zu Boden.

»Gut gezielt, Skarphedin!« ruft Kari.

»Vorwärts, Freunde!« schreit Flosi. Sie rennen an mit Gebrüll. Pfeile und Speere sausen ihnen aus den Fensterluken entgegen, krachen durch Schilde und Brünnen. Die vorne dran stürzen, über sie fallen andere im Haufen. Zwei springen, den Schild über sich, mit geschwungenem Schwert vor gegen die Türe: dem einen dröhnt Skarphedins Axt durch Schild und Helm in den Schädel, dem andern stößt Karis Speer in die Kehle.

Da laufen die um Flosi zurück.

»Wie viele sind hin?« keucht er. – »Acht Mann,« knurrt Grani, »und dort vor der Türe die zwei!« »Der Aderlaß langt!« knirscht Flosi, »so geht's nicht: wir zwingen sie nicht mit den Waffen allein! da bleibt uns nur die Wahl: entweder schmachvoll nach Haus abzuziehen unverrichteter Dinge oder zu tun, was ein Greuel vor Gott ist, und zu Schurken an ihnen zu werden!« »Lieber ein Schurk als erliegen!« ruft Grani. – »Dir fällt die Wahl freilich nicht schwer!« höhnt Flosi, »laß nun die Gebäude umstellen, daß keiner heraus kann!« …

In der Türe beugt sich Kari vor: ein Knattern und Bersten tönt aus dem Dunkel herauf. »Was treiben sie da?« »Den Zaun reißen sie nieder!« sagt Skarphedin, »Feuer soll für sie schaffen, was ihnen Schwert und Speer nicht vermag: im Haus verbrennen wollen sie uns!« …

Wie Wetterleuchten zuckt's durch die Nacht: Scheiterhaufen lohen zu beiden Seiten des Hauses auf vor den Vorratskammern und vor den Ställen. Zu den Wänden hin lecken die Flammenzungen gierig, als suchten sie Nahrung. Taghell wird es ums Haus: aus der Finsternis tauchen ringsum Kopf an Kopf in rotem Schein die Gesichter der Feinde.

Die Arme schlägt Skarphedin droben über die Brust. »Seid ihr hungrig vom Waffentanze geworden? wollt ihr abkochen, Bursche?«

»Jawohl!« brüllt Grani von unten, »und den Braten uns liefern sollst du!«

»Ei, sieh da, Hallgerds Sohn! willst du mich rösten, weil ich deinen Vater gerächt? gib acht, daß du nach dem Braten nicht greifst, eh' er gar ist! du könntest ihn schwerlich verdauen!« …

Der Wind treibt die Flammen vom brennenden Stalle aufs Haus zu. Rot leuchtet's durch die Fenster hinein in die Halle. Im Gebälke fängt's an zu knistern. »Was starrt ihr und zittert, Weiberleute?« ruft Helgi, »in den Oberstock mit den Molkenbütten und löscht!«

Die Hand über den Augen schaut Flosi empor: zu den Luken hervor schießt das Naß zischend hinein in die Glut. Von hinten her kommt Mörd geschlichen. »So bringen wir's niemals zu Ende: über die Köpfe, aufs Dach hinauf muß ihnen der Brand!« »Wer soll ihn legen vor den beiden Türhütern droben? willst du's?« »Jawohl, und ohne Skarphedins Axt zu nahe zu kommen! Siehst du den Haufen Dörrzeug drüben am Zaun? in brennenden Bündeln schießen wir's ihnen hinauf!« »Gut zu gebrauchen bist du bei allem Schurkenwerk, Mörd!« …

Die Dachsparren prasseln, hoch schlägt die Flamme empor. »Jetzt haben wir sie!« jauchzt Grani.

Skarphedin in der Türe verzieht spöttisch die Lippen. »Wer hätt' es geglaubt? nun hat sie doch recht behalten mit dem Kehrichthaufen am Zaune, die Muhme!«

Brandgeruch dringt in die Halle. Die Stiege vom Oberstocke herab kommen die Mägde gerannt. Jammergeschrei gellt. »Verloren sind wir! – Rette, Vater Njal, hilf!«

Hochaufgerichtet steht der Greis im Gewühl. »Was fürchtet ihr euch? Gott ist hier: Gott ist im Tode bei uns wie im Leben!«

Er tritt zwischen Skarphedin und Kari hindurch ins Freie, von Flammen über dem Haupte umlodert. »Ist etwa Flosi hier in der Nähe, so daß er mich hört?«

In den Feuerschein tritt der drüben. »Was willst du?« »Ist eine Aussicht, daß es noch zum Vergleich kommen könnte?« »Nein, keine ist!« »Wollt ihr mit uns Weiber und Kinder verbrennen?« »Deinen Söhnen und Kari allein gilt's: frei abziehn magst mit den andern du!«

In die Halle tritt der Alte zurück. »Geht nun ihr alle, denen es Flosi erlaubt!« »Helgi!« ruft Thorhalla, sein Weib. – »Geh,« spricht er, »ihre Mutter sollen die Kinder behalten!« Tränen zittern ihr in den Augen. »Nicht so dachte ich von dir zu scheiden!« Astrid, Grims Frau, wirft Helgi ihren Mantel um die Schultern. »Da, zieh die Kapuze über den Kopf und komm im Haufen mit uns!« Er sträubt sich. – »Vorwärts!« herrscht Skarphedin, »dich hat das Schicksal durch sie zu unserm Rächer erlesen!« …

Über die Wiese hinab schreiten die Frauen und Knechte, dicht aneinander gedrängt.

Drüben steht Flosi, das bloße Schwert in der Faust, und mustert funkelnden Blickes die Schar: »Die Große da in der Mitte unter den Weibern, die mit den breiten Schultern, holt mir die einmal her!«

Da schnellt sie auf, wirft den Mantel zurück – und Helgi springt mit einem mächtigen Satze unter die Feinde. Über den Schädel schlägt seine Klinge dem nächsten. Da schmettert Flosis Schwert dem Njalssohn in den Nacken …

»Das ist mißlungen!« sagt Skarphedin droben, »vorangegangen ist er uns nun!«

Heftiger brausen und lodern über ihnen die Flammen. Zu den Fensterluken hervor quillt der Rauch. Der Giebel über der Hallentür neigt sich nach vorn …

Flosi tritt näher. »Was zögerst du, Njal? kommt heraus, du und dein Weib!« »Kommt, Schwäher und Schwieger!« ruft Ketil Breitbart von hinten.

In der Türe taucht Njal auf, an der Rechten Thora. »Ich denke nicht, mich von meinen Söhnen zu trennen!« Sie sagt: »Als Njal mich zum Weib nahm, hab' ich geschworen, ein Schicksal sollte über uns ergehn bis zum Tod: den Schwur will ich halten!«

»Zwingt mich nicht, Greise zu morden: besinnt euch!«

Sie gehen schweigend ins brennende Haus. Da erblickt Thora den Enkelsohn, Karis Knaben, im Eck. »Du noch hier, Thord?« ruft sie erschrocken, »hinaus mit dir schnell!« »Aber du hast mir versprochen,« klagt das Kind, »immer dürfte ich bleiben bei euch!« »Närrchen, lauf: um dein junges Leben geht's jetzt!« Er faßt nach ihrem Rocke. »Nein, Ahne, ich will nicht! lieber möcht' ich mit dir und Vater Njal sterben, als bei den andern leben!« »Mutter,« sagt Njal, »wer weiß, vielleicht hat er recht: wir wollen ihn nicht verstoßen! So laß uns zur letzten Ruhe gehn miteinander, denn hier haben wir nichts mehr zu schaffen!« An der Wand hinten breiten sie Decken über den Boden: darauf liegen sie, das Kind zwischen sich, nieder. Das Kreuzeszeichen schlägt er über die Frau und den Knaben. »Wenn wir erwachen, sind wir weit weg von hier, Thord, in einem besseren Land!« Dann zieht er eine frische Ochsenhaut über sich, die sie alle vom Kopf bis zu den Füßen verhüllt.

Von der Schwelle blickt Skarphedin hinter sich. »Früh gehn heute die Eltern zu Bett mit deinem Jüngelchen, Kari! doch das ist zu verstehen, denn alte Leute sind sie! Wir aber haben unser Tagewerk noch nicht vollbracht!« Nach dem Speer faßt er, dem letzten, holt aus, wirft – und springt mit Kari zurück: ein Funkenregen stiebt vor ihnen nieder, vom Giebel herab prasseln Bretter, Balken dröhnen …

»Her, her, Gesellen!« brüllt draußen Grani, »zu Ende geht es mit ihnen!« Da schwirrt aus den Flammen ein brennendes Scheit über ihn, noch eines!

»Zurück, Leute!« schreit Flosi, »haltet ihnen die Schädel nicht hin!«

Sie stutzen.

Das Dach senkt sich.

Durch den Qualm drinnen taumelt Skarphedin. »Vater!« ruft er: nichts regt sich. »Grim!« Aus dem Rauche ächzt Kari: »Da liegt er am Boden, erstickt!«

Ein Krachen! das Haus wankt, Staubwolken wirbeln empor! Niedergebrochen ist der Firstbalken: vom Dache zum Grund starrt er schräg durch die Halle, und darüber funkeln die Sterne.

In die Knie ist Kari gestürzt. Nach seiner Schulter greift Skarphedin. »Da schau: ins Freie hinaus hat uns ein Gott die Brücke geworfen! lauf, Gesell!« »Du zuerst, Freund!« »Mir habt ihr Gehorsam gelobt: springe zu!« »Wohl denn! doch dann, fürcht' ich, kehr' ich nicht wieder zu dir zurück!« Über das brennende Holz läuft Kari empor, in Flammen loht das Gewand an ihm auf, und er verschwindet. Ihm nach rennt Skarphedin: da kracht unter ihm der Balken entzwei …

Vor den Rauchschwaden, die der Wind vom Hause dicht über den Boden hin wälzt, sind Flosis Leute auseinandergetreten.

»Was war das?« ruft Mörd, »huschte da nicht grade einer im Qualme vorüber?« Grani wirft den Kopf auf. »Gespenster sieht deine Angst: dein eigner Schatten im Rauch ist's, vom Flackern des Feuers bewegt …«

Kleiner werden und matter blinken die Sterne. Grau bricht in die Nacht die Dämmerung ein. Zusammengebrochen ist das Feuer im Haus, in sich selber verzehrt. Geborsten starren im bleichen Lichte die Wände, schwarzverkohlt, ohne Dach, und weiß dampft der Qualm aus den Trümmern hinter ihnen empor.

Fahlen Gesichtes stehen die Männer darum. »Da drinnen lebt jetzt nichts mehr!«

Da summt es sacht durch die Luft. »Horch!« flüstert Flosi. Reglos lauschen die Mannen. Eben hörbar tönt's aus den Trümmern:

Einem getreu lebt' ich all' meine Tage,
Dem herrischen Willen in hartem Herz!
Wie einst ich ihn einsog, verhauch' ich den Atem:
So labt mich im Tode die letzte Lust!

Es verstummt und bleibt still.

»Skarphedin!« murmelt Flosi.

Sie treten unter die rauchenden Trümmer. Da prallen sie schaudernd zurück. Zwischen die Wand und den niedergebrochenen Giebelbalken geklemmt, starrt er aufrecht, das Gewand halbverbrannt, die Haare versengt, die toten Augen offen, zu seinen Füßen Grim zusammengekrümmt.

In Flosis Rücken faßt einer Grani am Ärmel. »Was ist denn das?« flüstert er und weist auf die Ochsenhaut hin, die sich über dem Boden an der Innenwand wölbt. Grani zieht sie vorsichtig weg. Njals Silberhaupt taucht auf, die Augen geschlossen, als schlief er; zu ihm aufgewandt liegt Thoras Gesicht; bei den Händen halten sie das Kind zwischen sich: das hat in den Decken sein Köpfchen vergraben.

Flosi wendet sich ab und geht hinaus.

*

Morgen ist's geworden. In roten Streifen glüht's über den Bergen im Osten. Da kommt von Norden her einer gesprengt, ein Bauer mit dichtem grauem Bart über der Brust, Geirmund mit Namen: entfernt ist er mit den Sigfussöhnen verwandt.

Vom Gaul springt er, starrt zum Gehöft in Rauch und Trümmern hinüber, dann schüttelt er einmal ums andere den Kopf. »Eine Großtat, scheint's, ward hier vollbracht!« Finster blickt Flosi ihn an. »Vielleicht wird man es auch eine Übeltat heißen! Hier liegen verbrannt und im Rauche erstickt Njal, der Alte mit seinem Weibe Thora, ihre Söhne Skarphedin und Grim, ihr Enkelsohn Thord und Sölmunds Sohn Kari! Dem Helgi aber habe ich das Haupt abgeschlagen!«

»Kari?« ruft der Bauer, »Sölmunds Sohn Kari? Da hast du einen Lebenden unter den Toten genannt: vor ein paar Stunden erst hab' ich ihn selber gesprochen!« »Wo?« ruft Flosi. – »Einen Gaul hatte er sich beim Nachbar geliehen, arg verbrannt waren ihm Kleider, Haare und Bart. Hierher schickte er mich mit einem Gruße an euch: er hofft, euch bald an anderem Orte zu treffen!«

»Da habt ihr es nun!« zetert Mörd, bleich bis in die Lippen, »recht hab' ich gesehn: im Rauch entwischt ist er uns!«

»Halbes Werk,« spricht Flosi, »kein Werk! umsonst, uns selber zum Schaden nur haben wir unsere Seelen mit Frevel beladen!«


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