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aum war Thrain Sigfussohn vom Althing heimgekommen, da hieß er Gerd seine Sachen herrichten zur Auslandsfahrt nach Norwegen. »Zeit wird es für mich, daß ich endlich einmal wegkomme, Frau, sonst werd' ich zu alt! auch freut es mich nicht mehr daheim, seit unsere Sippe durch Njals Weisheit so weit unter Gissur gebeugt ward, daß wir Gunnar in die Verbannung ziehn lassen müssen!«
Das war ihr recht, denn nachdem seine erste Verliebtheit geschwunden, ging er rauh mit ihr um, so daß sie zur Magd im Haus ward, um die sich niemand viel scherte. Höskuld, das Kind, aber freute sich auf die Geschenke, die der Vater ihm heimzubringen versprach.
Als die Njalssöhne Helgi und Grim von Thrains Absicht erfuhren, lagen sie dem Vater von neuem an, wie sie schon oft getan, er solle auch sie endlich reisen lassen ins Ausland, nun wo der Friede gesichert sei durch den Vergleich; denn bis dahin hatte er sie Gunnars Fehden wegen zurückgehalten im Gau. Auch jetzt noch sträubte er sich lange dagegen. Als sie aber gar nicht ausließen mit ihren Bitten, sprach er: »Es scheint euer Schicksal zu sein, dem ihr nicht ausweichen könnt. So fahrt denn, und ich denke, ihr werdet zunächst auch in Ehren und heil wieder kommen!«
Die beiden machten sich reisefertig, und binnen wenigen Wochen schon stachen sie aus demselben Hafen wie Thrain in See, aber auf einem andern Segler, denn sie hatten es ihm nicht vergessen, daß er abseits am Wegrain saß und zusah, als ihr Ziehvater Thord erschlagen wurde von Sigmund und Skjöld.
Unterdessen hatte auch Gunnar eine Fahrgelegenheit für sich und Kolskegg gefunden. Sie ließen ihre Sachen aufs Schiff schaffen, das in Arnhausen zur Abfahrt bereit lag. Dann ritten sie noch einmal durch den Gau, Abschied von den Verwandten und Freunden zu nehmen, und allen zu danken, die ihnen Liebes erwiesen.
So kam der Tag ihrer Abreise heran.
Ein klarer Sommermorgen fing eben an, über dem Lande zu blauen. Vorm Hause scharrten die Rosse der Brüder. Sie traten aus der Tür, von den Hausgenossen begleitet. Gunnar nahm eins ums andere, von der Mutter bis zum Hirtenbuben, in die Arme und küßte alle. Dann sprang er in den Sattel und trabte, ohne sich umzublicken, mit Kolskegg davon.
Sie waren schon eine Weile geritten, da strauchelte Gunnars Gaul: er fuhr zu Boden, kam auf die Füße, wandte sich um – und blieb reglos stehn. – »Hast du Schaden genommen?« rief Kolskegg und zügelte seinen Hengst. Keine Antwort kam ihm.
In der Morgensonne, sah Gunnar, blinkte der Giebel am Hügel: auf der Weide ums Haus brüllten Rinder, Schafe blökten, mit dem Milcheimer ging eine Magd über den Hof. Tief zog Gunnar den Atem ein und leis sprach er vor sich hin, daß es Kolskegg grad eben vernahm: »Wie schön ist die Halde: so schön sah ich sie noch nie! Grün schimmern die Wiesen, in gelber Fülle die Felder!« Er stieß die Hellebarde in den Boden. »Und nun weiß ich's: ich bleibe daheim!«
Kolskegg erschrak und bog sich vom Rosse herab. »Was sagst du da, Gunnar? das kann dein Ernst doch nicht sein! den Gefallen wirst du doch deinen Feinden nicht tun, daß du den Vertrag brichst? Denk daran, was Njal dir geweissagt!«
Bleichen Gesichtes sprach Gunnar: »Ich bleibe! und ich wollte, du tätest wie ich!« »Nimmermehr!« rief Kolskegg, »niemals werd' ich zum Neiding an mir selber werden und brechen, was ich beschworen! Das einzige ist's, was mich von dir trennen kann, Bruder! So sag's denn der Mutter und den Gesippen, nie wieder kehr' ich nach Island zurück, denn von deinem Tod werd' ich bald draußen hören, und dann werd' ich überallhin eher als nach Hause begehren!«
Er wandte den Gaul, schwang die Peitsche und jagte davon. Gunnar sah ihm nach, bis er in der Ferne verschwand. Dann stieg er in den Sattel und trabte heimwärts.
Am Wege pflügte auf seinem Acker ein Bauer und sah auf, als er die Hufschläge hörte. »Was vergessen, Gunnar?« rief er. Der schüttelte den Kopf und gab dem Hengste die Sporen.
Auf dem Hofe lief das Gesinde zusammen und scharte sich fragend um ihn. Er stieg vom Roß. »Führt den Gaul in den Stall,« sprach er, »ich fahr' nicht ins Ausland!«
In die Türe trat Rannweig und schlug schweigend die Hände zusammen.
*
Als aber Mörd auf Groß Tempelhof davon erfuhr, jubelte er. Stracks ritt er nach Moosberg zu seinem Schwäher und hetzte, nun hätte sich Gunnar selber in ihre Hände gegeben! Gissur hörte ihm zu und senkte den Kopf auf die Brust. »Wenig freut mich dein schadenfrohes Gekrächz! schad' ist's um einen Helden wie Gunnar, aber freilich, solch offenen Rechtsbruch können wir uns nicht bieten lassen von ihm!«
un nahm Gunnar sein Leben auf Haldenende auf wie zuvor. Zum Herbstbier lud ihn sein Schwager Olaf nach Heerdenhöh ein. Er sagte auch zu, doch als es so weit war, mochte er nicht und blieb daheim.
So ging es den Winter durch bis zum nächsten Althing.
Da erhob Gissur die Klage gegen Gunnar wegen Vertragsbruch, und er ward vogelfrei erklärt für alle, denen er einen Gesippen an der Ehre gekränkt, am Leibe verletzt oder erschlagen.
Njal sprach nicht dawider.
Kummervoll saß er in seinem Zelte, da kam gegen Abend Hjalti Skeggissohn zu ihm herein, und nachdem sie über allerhand hin und her geredet, sagte er: »Ich bin gekommen, Gunnar meinen Dank abzustatten dafür, daß er meine Bitte dazumal am Thinge geehrt hat: Gissur wollte mich gegen ihn zum Rachezuge gewinnen und zählte mir viele Häuptlinge auf, die mit ihnen im Bund sind. Mir scheint, da zieht es sich schwer über Gunnar zusammen!«
Da brach Njal sofort mit den Söhnen vom Thing nach Bergthorsbühl auf und warnte den Freund: Skarphedin und Rolf, bot er ihm an, sollten bei ihm wohnen bleiben, um ihn mit ihrem Leibe zu schützen. Aber Gunnar wies es ab. »Um meinetwillen sollen nicht auch noch deine Söhne ihr Leben verlieren!« Njal entgegnete: »Und wenn du erschlagen bist, an wen anders, glaubst du, kommt es dann, dich zu rächen?« »Das ist alsdann ihre Sache, nicht meine. Aber eine Bitte hab' ich an dich: nimm dich um Högni an, wenn ich tot bin, als wenn ich es wäre, denn ein wackerer Mann verspricht er zu werden. Weniger ist mir's um Grani zu tun: er schlägt nach der Mutter!«
Schweigend, in schweren Gedanken ritt Njal mit den Söhnen nach Haus. Gunnar aber kümmerte sich um alle Warnungen nichts und ging nach wie vor allein über Land, so oft es ihm taugte.
ur Heuernte auf die Landinseln hatte er im Herbst das Gesinde geschickt, die beiden Knaben aber waren nach Grießach gegangen, den Vetter Höskuld zu besuchen, denn sie spielten gern mit dem Kinde. So war Gunnar mit der Mutter und Hallgerd und dem Irenhund Mohr allein zu Hause geblieben.
Zu derselben Zeit rannte Mörd auf Groß Tempelhof geschäftig zwischen Stall und Haus hin und her: von überallher kamen zu ihm die Gäste geritten, und bald klirrte der weite Hof ringsum von Waffen. Da waren der Gode Gissur und der Gode Geir mit seinem Sohn Hroald; Starkad und Thorgeir; Önund vom Trollenwald und sein Sohn Eilif; Finn, der Norweger aus Sandschlucht, der die Gudrun Nachtsonne zum Weibe gewonnen, und andere mehr.
Guten Mutes waren sie und sprachen tüchtig dem Bier zu, denn sie meinten, fehlschlagen könne es ihnen diesmal nicht gegen Gunnar, auch dürfte es kein allzuschweres Werk werden, da er allein mit den Frauen wär' und Kolskegg weit weg im Ausland. Da hob Mörd die Hände: »Beschreit's nicht! unbemerkt müssen wir an ihn kommen, sonst wird es Blut genug kosten, und da gilt es, den Teufelshund, den ihm sein Schwager geschenkt hat, vorher mit List wegzuschaffen!«
Als es Nacht ward und der Mond am Himmel emporstieg, brachen sie auf.
*
Thorkel hieß Gunnars nächster Nachbar, ein rüstiger Bauer: der ging bei ihm ein und aus und war mit allen gut Freund, den Irenhund Mohr mit eingeschlossen, den er mit manchem guten Brocken erfreute.
In seiner Bettkammer lag er in tiefem Schlafe, da erwachte er plötzlich: ihm war, als hörte er's in der Finsternis vor sich atmen. In demselben Augenblick fuhr ihm eine harte Faust an die Kehle, und eine Schwertspitze blinkte ihm in die Augen. »Still, oder du stirbst! leg dich schnell an und komm mit hinaus!« Da erkannte er Thorgeir, Starkads Sohn …
Waffen blitzen draußen im Mondschein rings um ihn, dahinter drohen wilde Gesichter. Mörd dringt auf ihn ein mit erhobenem Schwert. »Nun hast du die Wahl: Gunnars Hund lockst du vom Haus weg oder wir hauen dich hier vor deiner Tür in die Pfanne!« …
Vorm Hohlweg, der zum Gehöfte nach Haldenende hinaufführt, stehn sie im Schatten. Auf der Kante des Hausdaches, sehen sie, liegt im hellen Mondschein der Rüde, zwischen den Vorderpfoten die Schnauze. Den Bauer stößt Mörd in den Rücken. »Mach vorwärts!« Thorkel schleicht die Schlucht aufwärts. Önund vom Trollenwald folgt ihm, die Axt in der Faust …
Aus dem Hohlweg streckt der Bauer spähend den Kopf und pfeift leis. Der Schädel des Rüden schnellt auf, dann fängt er an sacht zu wedeln und springt vom Dache herab. »Daher, Mohr!« flüstert Thorkel und tritt vorsichtig ins Licht.
Der Hund trottet auf ihn zu – da erblickt er im Schatten hinter ihm einen Fremden und stürzt sich in jähem Sprung auf Thorkel, den Verräter, wirft ihn zu Boden, schlägt ihm das Gebiß in den Bauch. Die Axt haut Önund dem rasenden Tier in den Schädel. Gell heult der Hund auf und fällt zusammen.
Im Oberstock springt in der Schlafkammer Gunnar vom Lager. »Übel mitgespielt hat dir da einer, Freund Mohr!« murmelt er, »das war dein letzter Warnungsschrei dünkt mich!« Er wirft sein Gewand um, greift nach Bogen und Köcher und ruft zu den Frauen hinüber: »Auf aus den Betten: Gäste bekommen wir, scheint's!«
*
Durch die Schlucht klimmen die Männer, einer hinter dem andern, empor. Droben stöhnt Thorkel im Blute, Önund kniet über ihm.
Gissur taucht auf neben ihnen und raunt es über die Schulter zurück: »Wer wagt es von euch, auszuspüren, ob Gunnar daheim ist?«
Finn, der Norweger, schleicht vor und klettert wie eine Katze empor an der niederen Wand … Im Oberstocke erlischt das Mondlicht, dunkel streicht ein Schatten über die Luke – Gunnar sticht mit der Hellebarde hinein: frei wird das Fenster, und dumpf schlägt es draußen zu Boden.
Die Linke gegen die Seite gepreßt, stolpert Finn zu den Seinen zurück. – »Ist er drin?« flüstert Gissur. »Seine Hellebarde ist es einmal!« ächzt Finn, »das habe ich zu spüren bekommen!« und bricht zusammen …
Sie rannten zum Hohlweg hervor: Gunnars Pfeile schnellten ihnen entgegen. Einer stürzte, neben ihm krachte der zweite zu Boden, der dritte sank in die Knie. Da sprangen die andern zurück.
Nun versuchten sie es auf andere Weise: einzeln krochen sie von verschiedenen Seiten heran. Aber wo einer den Kopf hob, schwirrten Gunnars Geschosse, als wäre er an allen Ecken und Enden zugleich.
Zweimal noch stürmten sie alle zumal vor, und schon waren sie nahe am Haus dran, da mußten sie wieder zurück.
Im Mondlicht dunkelten die Leichen über der Wiese verstreut, und das Ächzen der Verwundeten tönte durch die Nacht …
Im Oberstock rief Rannweig hinter dem Sohne: »Schau nur, sie weichen!« Er sah auf dem Dach neben der Luke einen Pfeil liegen: der war von den Feinden gekommen. »Ihr eignes Geschoß schick' ich ihnen nach!« murmelte er. – »Tu's nicht!« flüsterte sie, »laß sie, wenn sie abziehn, in Frieden!« Er aber streckte den Arm zum Fenster hinaus, holte den Pfeil herein und schoß nach einem weit draußen links: der rollte hinab.
Drunten rief Gissur: »Bleibt noch, Leute, verzagt nicht! habt ihr's gesehn? eine Hand langte nach dem Pfeil auf dem Dach: die Geschosse gehn ihnen aus!« »Werfen wir ihnen Feuer ins Haus!« zischte Mörd. Gissur wandte sich jäh. »Niemals, so lange ich lebe! weißt du keinen andern Rat als Schurkereien zu üben?«
Mörd blickte um sich. »Dort,« raunte er, »flehst du, rechts vom Stall liegen die Seile, mit denen sie die Dächer festspannen gegen den Sturm: wenn's uns gelänge, die um die Firstenden droben zu schleudern als Schlinge!« …
»Was war das?« ruft Gunnar. Wie ein Peitschenschlag hat's auf die Schindeln geknallt über ihm. Aus dem Dunkel im Eck kommt Hallgerd hervor. In den Giebelwänden beginnt es zu knistern, das Gebälk schwankt. Sie starren hinauf. Rannweig schreit auf: »Das Dach, sie reißen's uns über dem Kopf weg!« »Hinab in die Halle mit euch!« ruft Gunnar. Er duckt sich: es kracht, Bretter splittern, über ihn weg fegt es und rumpelts …
Im Mondlicht steht er droben allein und schnellt die Pfeile.
»Im Haus verbrennen sollten wir ihn!« drängt Mörd von neuem. Zornig schüttelt Gissur den Kopf.
Unterdessen ist Eilif Önundssohn vom Stall her im Schatten herangeschlichen ans Haus: an der Wand hinten klimmt er empor, greift über den Rand mit der Linken. Die Füße gegen den Balken gestemmt, richtet er sich auf und schlägt mit dem Schwerte nach Gunnar – der fährt zurück – die Bogensehne in seiner Hand trifft's: sie springt. Mit der Hellebarde rennt er den Gegner vom Dache und poltert die Stiege hinab in die Halle. »Schnell, Hallgerd,« ruft er, »zwei Strähne aus deinen Haaren, windet sie mir zur Sehne zusammen!« Sie tritt an die Wand zurück und lächelt tückisch zu ihm auf. »Liegt viel daran, Gunnar?« »Mehr nicht und weniger nicht als mein Leben!« Da ballt sie die Fäuste und streckt sich. »Nun hab' ich dich, wo ich dich gewollt! den Backenschlag, den du mir gegeben, vergelt' ich dir nun: nichts als meinen Haß sollst du haben!« »Hündin!« schreit Rannweig. – »Still, Mutter,« sagte er, »laß sie: seinen Ruhm sucht sich nach dem eigenen Herzen ein jeder!« Er greift nach der Hellebarde und rennt aus der Türe ins Freie.
Da stürmen sie von allen Seiten über ihn her.
Er wehrte sich lange: zweimal fiel er, von Wunden bedeckt nieder und sprang wieder auf. Endlich stürzte er vor der Tür hin.
Im Kreise scharten sie sich um ihn. Auf dem Rücken lag er, die Lippen zusammengepreßt, streng und herb das Gesicht, als wehre er ihnen im Tod noch zu nahn.
Lange starrte Gissur stumm zu ihm nieder. »Einen Gewaltigen hingestreckt haben wir da, und sein Ruhm wird höher wachsen als unser Werk an ihm, fürcht' ich!«
Aus dem Hause traten die Frauen. An die Mutter, die zum toten Sohn herabsah, wandte sich Gissur. »Willst du unsern Gefallenen Raum für ein Grab gönnen auf deinem Grunde?« Sie blickte auf, und ein Zucken ging durch ihr Gesicht. »Nicht ihnen allein: euch allen miteinander am liebsten!« »Viel hast du verloren,« sprach er, »da ist es dir nicht zu verübeln!«
Er verbot seinen Mannen zu plündern und das Geringste in Haus und Hof anzurühren.
Als sie sich fertig machten zum Aufbruch, sagte Thorgeir: »Zusammenbleiben werden wir am besten fürs erste, denn einzeln auf unsern Gehöften werden wir vor den Sigfussöhnen schwerlich bestehn!« Und er schlug vor, sie sollten sich alle miteinander nach Oddi an der Grenze des Gaues im Westen verziehn.
Damit waren alle einverstanden, und sie ritten ab.
Hroald, Geirs Sohn, prahlte in Oddi damit vor allen Leuten, den Todesstoß hätte er Gunnar gegeben, und Thorgeir Starkadssohn rühmte sich, er hätte ihm die erste Wunde versetzt. Gissur krauste die Stirne und blickte finster zu solchen Reden. – »Was hast du nur, Freund?« fragte ihn Geir, »froher sahst du drein, eh' wir an Gunnar Rache genommen!« »Es mußte sein,« sagte er, »aber meinst du, mich freut's, einen Helden gefällt zu haben solchen Wichten zulieb, wie die meisten seiner Gegner es sind?«
Groß war die Trauer Njals um den Freund, und im ganzen Gau ward, wo man auch hinhörte, übel von dem Totschlag geredet.
in hoher Grabhügel ward auf Haldenende aufgeworfen: dort setzten sie Gunnar bei, aufrecht im Sessel, den Purpurmantel um die Schultern, den Helm auf dem Haupt, mit dem Gesichte nach Osten, den treuen Rüden zu seinen Füßen. Seine Hellebarde aber nahm Rannweig an sich und verbot jedermann, sie zu berühren.
So hart war sie seit seinem Tod gegen Hallgerd geworden, daß die sich dort nicht mehr zu halten vermochte und mit Grani nach Grießach floh zu Gerd, ihrer Tochter.
Allein hauste die alte Frau nun mit Högni und dem Gesinde: das war um den Verlust des lieben Herren betrübt.
Eines Nachts, als sie eben zu Bett gehen wollte, kam der Hirtenbub in die Frauenstube zu ihr, bleich wie der Tod: am Grabhügel war er vorbeigeritten im Dunkel, da erstrahlte ein Licht von innen heraus, und in dem Scheine saß Gunnar, wie wenn er lebte – froh sah er aus und schien dem Burschen zu singen.
»Soll ich's Högni sagen, Herrin?« fragte er. – »Nein, denn er wird dir's nicht glauben, doch mach' dich zu Njal auf und erzähl' ihm alles haarklein!« …
Zweimal nacheinander ließ sich auf Bergthorsbühl Njal vom Hirten die Märe berichten; dann hieß er Skarphedin seine Waffen nehmen und nach Haldenende reiten, um Högni zur Seite zu stehn. Dort ward der Gast mit Freuden vom Sohn und der Mutter empfangen.
Eines Abends – wenige Tage, nachdem er gekommen – der Mond schien ab und zu zwischen dunkeln Wolken hervor – schritt er mit Högni im Süden des Grabhügels hin, da ward ihnen, als täte der Hügel sich auf: vier Kerzen brannten darin zu Häupten des Toten, die warfen keinen Schatten; er aber hatte sich im Sessel gewendet, schaute zum Monde empor und sang, während der Rüde zu seinen Füßen lauschend den Kopf hob – deutlich konnten sie die Worte vernehmen:
Heiteren Herzens rast' ich im Hügel,
Tatendurstiger Tage gedenk':
Nimmermüd' schwang ich im Schlachtenlärme
Den Schurken zum Schrecken das rächende Schwert.
Einen ließ ich als Erben auf Erden,
Weiter führt er des Vaters Werk:
Wird in Treuen des Toten denken,
Wie um den Sohn ich im Leben gesorgt!
Da losch das Licht, und der Hügel ging wieder zu. Reglos standen die beiden im Dunkel. – »Hättest du das jemandem geglaubt, wenn du's nicht selber erlebt?« murmelte Skarphedin. – »Keinem außer Njal, deinem Vater allein!« »Um Großes geht's, wenn sich die Toten den Lebenden zeigen!« sprach der Njalssohn, »und ich meine, da war eine Mahnung in seinem Gesange, die wendete sich an dich, Freund!« Tränen traten in Högnis Augen. »Ein Knabe bin ich: wie soll ich allein gegen die Übermächtigen kämpfen?« »Da sei du getrost: nun will ich es Gunnar gedenken, wie er sich verhielt, als wir seinen Vetter Sigmund erschlugen. Komm heim und hol' dir die Waffen des Vaters! Zagen und Zaudern taugt nicht!«
Als Högni nach der Hellebarde an der Hallenwand griff, gellte es hellauf aus ihr. Rannweig stürzte zur Schlafkammer hervor, das graue Haar aufgesträubt über dem hagern Gesicht. »Wer wagt es, meinem Verbote zu Trotz nach Gunnars Waffe zu greifen?« »Ich, Ahne!« rief Högni, »dem Vater in Wallhall will ich sie bringen!« Da faßte sie mit beiden Händen nach seinem Arme, und ihre Augen flammten. »Führe sie ruhmvoll und räch' ihn!«
Als Skarphedin und Högni vom Haus ritten, flogen im Dunkel zwei Raben mit ihnen und begleiteten sie auf dem ganzen Weg bis nach Oddi. Dort aber hatten sich Mörd und Thorgeir mit Starkad von den andern auf ein paar Tage getrennt, um auf ihren Gütern nach dem Rechten zu sehn.
ls die beiden Freunde das Gehöft vor sich auftauchen sahen, ging der Tag schon zur Rüste. Sie stiegen von den Gäulen, führten sie vom Wege ins Ufergestrüpp am Strom und legten sich nieder im Dickicht, bis es stärker zu dämmern begann. »Komm nun!« raunte Skarphedin und erhob sich.
Über der Weide vorm Hof lagerte gleich hellen Felsblöcken im Zwielicht die Herde. »Warte hier!« flüsterte er, »ich öffne das Gatter!«
Als er zurückkam, trieben sie das Vieh miteinander hinein. Dann bargen sie sich hinterm Zaun.
Drinnen trappten die Rinder über die Wiese. Zum Hause hervor liefen zwei mit Speeren in Händen. »Scheuch sie, Hroald!« rief Önund vom Trollenwald. Sie jagten das Vieh zum Tore hinaus. »Wer hat nur das Gatter geöffnet?« fragte Önund.
»Ich!« dröhnte es: vor ihm schnellte Skarphedin auf und hieb ihn nieder. Hroald warf sich Högni entgegen und stieß mit dem Speere nach ihm: den Schaft schlug der Knabe in Splitter und trieb ihm die Hellebarde ins Hirn. »Wacker, Junge!« rief Skarphedin, »nun suchen wir die unterm Dreihorne auf!« …
In der Halle zu Oddi stand Geir hinterm Tisch auf. »Was bleiben die beiden so lang? kommt, ihnen helfen!« Er schritt mit zwei Genossen hinaus. Auf der Wiese war kein Stück Vieh mehr zu sehen. Sie gingen zum Gatter hinab: da lagen Önund und Hroald im Blute …
Bleich stiegen im ersten Frühlicht die Gipfel des Dreihorns aus dem Dämmer im Tale empor. Vorm Gehöfte standen Skarphedin und Högni: weit und breit regte sich nichts. »Nun lerne, wie man Gimpel lockt!« sprach der Ältere. Er klomm aufs Stalldach, von dort zum Hause hinüber und fing an, das Moos vom Giebel zu scharen, als rupften hungrige Rinder.
Drinnen tat's einen Rumpler. Dann brummte es: »Nimm die Waffen mit, Sohn!« »Wozu denn?« gab es zurück. – »Vorsicht hat noch niemals geschadet!« Aus der Tür polterte Starkad. Skarphedin sprang vom Dache herab und schlug ihn nieder. Thorgeir stürzte hervor, die Axt in der Faust: Högni rannte die Hellebarde ihm in die Brust.
»Auf zu Mörd nach Groß Tempelhof!« rief der Njalssohn.
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Am Wege erwischten sie ihn allein. Er fiel auf die Knie, hob die Hände und bat um sein Leben. Högni wollte nicht. Da lächelte Skarphedin verächtlich. »Laß den Kerl laufen! das Schurkenblut in seinen Adern ist die Schererei schließlich nicht wert, die wir mit seinem Schwäher Gissur bekämen!«
So gaben sie ihn frei, doch ein gewaltiges Lösegeld mußte er zahlen. Kaum aber saß er auf seinem Hof wieder sicher, da knirschte er voller Ingrimm: »Die Narren! den ließen sie laufen, der ganz allein Gunnar schlug, auch wenn er die Waffe nicht wider ihn schwang: teuer zu stehn soll ihre Verachtung sie kommen!«
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In der Halle zu Oddi saß vor der Leiche seines Sohnes der Gode Geir. Gissur trat zu ihm. – »Hilf mir nun, Freund, meinen Toten zu rächen!« grollte der Vater. Da schüttelte der Gode den Kopf. »Laß es gehn, rate ich dir! reinere Hände hob Högni gegen Hroald als wir gegen Gunnar!« »Du läßt mich im Stich?« »Buße für deinen Schmerz um den Sohn kann ich dir schaffen, nicht Rache! Oder willst du allein gegen den ganzen Gau kämpfen? gegen die Sigfussöhne und Njal samt seinen Söhnen und Vettern? Weißt du, was Asgrim auf Achenzunge gesagt? den Speer, der Gunnar traf, hätt' er im eigenen Herzen gespürt! und so wird es noch manchem zumut sein!«
nter dem Felsen auf dem Thingfeld steht Njal: verglichen sind die Gegner und erreicht hat er, was er gewollt: der Angriff auf Gunnar, ob er gleich vogelfrei war, ist in die Bußen verrechnet worden, als wäre der Totschlag an einem schuldfreien Manne begangen. Da kreuzt er die Arme über der Brust und spricht leisen Lautes zur lauschenden Menge, doch so, daß ihn die Fernsten noch in der Stille vernehmen: »Wie es mit Gunnar hier ging, so war es von jeher im Leben, so ist es und wird's immer sein: die Kleinen, die vielen, fällen den Großen! denn die flüchtige Zeit ist ihnen zu eigen gegeben, aber mit ihr schwinden auch sie ohne Spuren dahin, und der Große allein, den sie gefällt, geht in die Ewigkeit ein!«