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Viertes Stück: Nachbarnneid

Auf der Händelsuche

ie drei Söhne Starkads, dessen Gehöft am Fuße des Dreihornes lag, und ihre drei Vettern, Egils Söhne, die unweit davon in der Sandschlucht am Forellensee hausten, diese sechs hielten wie Pech und Schwefel bei allen Händeln zusammen. Und sie hatten deren genug, denn es waren gewalttätige Burschen. Da war ihnen Gunnars wachsender Ruhm ein Stachel im Herzen.

Eines Winterabends saßen sie alle miteinander in Starkads Halle unterm Dreihorn beim Bier. Zu dem Gelage hatte der Hausherr auch die Nachbarn geladen, so daß alle Bänke voll besetzt waren. Da wurde hin und her geredet über Menschen und Vieh, und schließlich fragte Thorgeir Starkadssohn, ob sie wohl meinten, daß jemand im Gau sei, der sich getraue, seinen Hengst gegen den ihren, den prächtigen Goldfuchs, zum Roßkampf zu stellen. »Sicherlich niemand!« gaben die Nachbarn einer wie der andere zur Antwort, denn sie hielten für rätlich, den wilden Burschen nach dem Munde zu reden.

Unter den Frauen auf der Bühne hinten saß Hilde, die Heilkundige, Thorgeirs Schwester: die sah von ihren schmalen Händen im Schoß auf und wurde rot im Gesicht. »Gewiß!« rief sie, »kenne ich einen: der scheut euern Übermut nicht, und das ist Hamunds Sohn Gunnar!«

Da schlugen die Brüder gröhlend auf den Tisch, und Hauk Egilssohn grinste. »Das war zu erwarten: kein Mädchen und kein Weib ist auf Island, dem Gunnar nicht der Herrlichste dünkte! Aber wenn auch Geir und Gissur den Schwanz vor ihm einziehen mußten, deswegen braucht's andern Leuten noch nicht ebenso zu ergehn!« »Dir zu allererst, Hauk, wenn du dich an ihn wagst!«

Nun hob sich unter ihnen ein heftiges Streiten. Da grollte der Hausherr dazwischen: »Laßt mir die Hände vom Gunnar: gegen seinen Glücksgeist kommt ihr nicht an!« »Wir wollen ihm ja nichts Böses: unsern Hengst ausversuchen wollen wir nur gegen den seinen!« »Das kennen wir schon!« knurrte Starkad.

Gunnar aber hatte in seinem Stall einen Braunen von vier Jahren, sehnig und schlank, mit großen Augen, die glänzten so klug, als könnte er Menschenrede verstehn: er war an seinen Herrn so gewohnt, daß er ihm wie ein Hund überall nachlief …

Als es Frühling ward und die Wege halbwegs getrocknet waren, ritten die Starkadssöhne alle drei nach Haldenende hinüber.

Gunnar hieb grad vorm Hause einen Balken zum neuen Pfeiler am Hochsitz zurecht, denn er war ein Meister im Zimmern. Als sie am Zaun von den Gäulen stiegen, blickte er auf von der Arbeit. »Ei, die vom Dreihorn! tretet ein, Nachbarn!« Aber Thorgeir sagte, das wollten sie lieber ein andermal, heut' hätten sie nur eine Frage an ihn: ob er sich's wohl getraue, seinen Hengst gegen den ihren kämpfen zu lassen?

Gunnar schlug das Beil in den Balken und wandte sich zu ihm. »Trauen? so schüchtern bin ich nicht, daß es mir an Schneid dazu fehlte!« »So sagst du zu?« rief Thorgeir. Gunnar kreuzte die Arme. »Wenn es billig und ohne Trug dabei zugehen soll zu jedermanns Lust und niemand zuleid! wenn ihr aber glaubt, mit mir umspringen zu können, wie ihr's mit andern gewohnt seid, so werdet ihr euch verrechnen!« …

»Erzählt!« sprach Starkad unterm Dreihorn, als seine Söhne aus dem Sattel stiegen, »wie ist's euch bei Gunnar gegangen?« »Er drehte sich und wand sich auf alle Weise, um sich davon zu drücken, aber wir ließen nicht locker!« »Ebenso langmütig ist er,« rief Hilde, »wie er hartnäckig ist, wenn sein Geduldsfaden reißt! und ihr werdet's zu spüren bekommen!« …

Gunnar ritt nach Bergthorsbühl und erzählte Njal, wie es ihm mit den Starkadsöhnen ergangen. Der sagte: »Ja, ausweichen konntest du ihnen nicht wohl, aber neue Feindschaften wirst du dir damit zu den alten erwerben!«

 

Die Hengsthatz

m die Zeit starb Gunnars Schwäher im Lachsachtal, und seine Enkeltochter Gerd gebar zu Grießach dem Thrain einen Knaben: den nannten sie nach dem Ahn Höskuld, denn so wollte es Hallgerd. Sie selber hatte zwei Söhne von Gunnar. Högni, der ältere war ein stiller Bursch, verschlossen und nicht leicht geneigt, zu vertrauen, aber verlässig in allen Dingen und wacker. Grani hatte die Augen der Mutter: schönen Leibes war er und geschmeidig, so daß ihn die Frauen, wenn er in ihre Nähe kam, gern auf den Schoß zogen, doch solch ein Verlaß war nicht auf ihn wie auf den Bruder. Hjört Hamundssohn aber war nun zu einem kräftigen Jüngling herangewachsen, der Gunnar ebenso wenig von der Seite ging wie der ältere Kolskegg …

Zwischen dem kahlen Rücken der Stromhalde und den Wänden des Dreihorns breitet sich ein ebenes Feld. Dort sollte die Pferdehatz sein, zu der die Starkadssöhne Gunnar geladen. Von weither waren die Leute gekommen, denn sie versprachen sich bei so scharfen Hengsten und so schneidigen Führern ein seltenes Vergnügen davon.

Bei den Roßkämpfen ging es aber so zu, daß einer den Hengst an der Leine vorführte und der andere ihn mit dem Stecken antrieb, daß er nicht nachließ.

Wie ein Bienenstock summte vom erwartungsvollen Gemurmel der Menge unter dem hellblauen Himmel das Feld.

Um Thorgeir hatten sich die Sippen Starkads und Egils mit ihren Nachbarn geschart. Er sah unterm dunkeln Kraushaar etwas bleicher als sonst aus: in goldgelber Jacke, trat er unruhig von einem Fuß auf den andern, als könne er's nicht erwarten. »Nimm den Gaul kürzer beim Zügel, Vetter Hauk!« murmelte er.

Ihnen gegenüber standen die Sigfussöhne und Njal mit den Seinen, vor ihnen Gunnar: er hatte den Purpurrock um, auf den Kragen fiel sein helles Haar nieder; die Hand in den Hüften, musterte er ruhigen Blickes die Menge vor sich. Skarphedin trat neben ihn und bleckte die Zähne. »Soll ich nicht lieber statt deiner den Braunen hetzen, Geselle? Ein hochfahrender Kerl ist der Thorgeir dort, da wär' ich ihm gegenüber grad recht am Platze!« Gunnar lächelte. »Nein, Freund, denn dann würdet ihr bald aufeinander losschlagen statt auf die Gäule, und das soll nicht sein!«

Der Kampfrichter hob den Stab. Skarphedin und Hauk sprangen vor, die Rosse am Zügel. Gegeneinander rannten die Hengste, stiegen hoch, schlugen mit den Hufen und bissen sich in die Hälse, daß die Hautfetzen flogen. Die Menge jauchzte vor Lust. »Der Braune, der Braune wird Herr! – Wehr dich, Füchslein!«

»Hauk,« knirschte Thorgeir, »paß auf jetzt: hinter die Kruppe stoßen wir beide aus allen Kräften den Fuchs, daß die Gäule über Gunnar stürzen und er in den Dreck fliegt!«

Aber schon hatte es jener ersehen und warf seinen Hengst so gewaltig dawider, daß der Rote sich überschlug: zu Boden purzelten Thorgeir und Hauk.

Gelächter erdröhnte ringsum.

Sie sprangen auf und fuhren auf Gunnar zu: der wich aus, packte den Hauk an der Brust, hob ihn hoch und schmetterte ihn aufs Geröll, daß er reglos lag wie ein Mehlsack. Thorgeir aber hatte sich über den Braunen hergemacht und hieb auf ihn los wie von Sinnen. Gunnar schlug ihn mit der Hetzstange nieder und faßte dem Hengst nach dem Kopf; der zitterte an allen Gliedern, dicke Striemen über dem Leib, und das eine Auge im Blute war ausgelaufen! Gunnars Lippen zuckten. »Übel zugerichtet hat dich der feige Schuft: nun müssen wir scheiden, denn als Krüppel, mein guter Gesell, sollst du mir nicht siechen. Tu ihn ab, Kolskegg: ich kann's nicht!«

Unterdessen war Thorgeir wieder auf die Beine gekommen und zog das Messer. Da warfen sich die Leute von beiden Seiten dazwischen: das gab ein Gedränge, Geschrei und Geräuf!

Gunnar stand gelassen dabei, als ginge es ihn nichts an, bis das Lärmen vertobte.

Njal ging auf Starkad zu und fragte, ob er sich für den Sohn vergleichen wolle wegen der Schläge hüben und drüben. Aber Thorgeir schrie, er wolle nur eines: den Gunnar tot liegen sehen!

»Fester steht Gunnar auf den Füßen,« rief Hjört, der junge, »als daß er von deinem Geschrei umfallen sollte!«

So schieden sie unversöhnt voneinander …

Im Herbst auf dem Gauthing erneuerte Njal den Friedensantrag für den Freund, und als Thorgeir es wiederum abwies, erklärte er vor der versammelten Gemeinde als Zeugen, nun habe Gunnar mit seinem Angebot dem Gegner genug getan nach dem Gesetz für den Schlag mit der Stange und sei vor den Volksgenossen gereinigt!

Jetzt meinten die Leute, müßte es bald zu Gewalttaten kommen, doch blieb es wider Erwarten fürs erste ruhig im Gau.

 

Von Olaf Pfau und Asgrim Ellidissohn

m nächsten Althing traf Gunnar seinen Schwager Olaf Pfau, den Sohn Höskulds, der war nach des Vaters Tode im Lachsachtale allein Herr. Sie kamen öfter zusammen, die beiden Schwäger, denn sie fanden aneinander Gefallen, und Olaf lud Gunnar zu sich nach Heerdenhöh ein. Zugleich warnte er ihn, er solle vorsichtig sein auf all seinen Wegen und nie ohne größere Mannschaft über Land reiten, denn er hätte gehört, die unterm Dreihorn ließen all seine Schritte bewachen.

Auf diesem Thinge hatte Asgrim von Achenzunge, der Gode, dessen Tochter Helgi Njalssohn geheiratet hatte, eine Gerichtssache wider den Skalden Ulf auszufechten. Dabei unterlief ihm, was ihm noch nie geschehen war, daß er einen Verstoß beging, indem er nur fünf Nachbarn statt ihrer neun zu Schwurzeugen aufrief. Somit fiel seine Klage hin auf die Rüge des Gegners. Da stand Gunnar auf und sprach zum Skalden: »Wenn man von dir sein Recht nicht erlangen kann, Ulf, auf diesem Wege, so werde ich dich zum Holmgang mit mir fordern!« »Mit Asgrim habe ich's zu tun, nicht mit dir!« rief der. – »Du wirst aber doch mit mir vorlieb nehmen müssen, denn wunderlich finden würde es Njal, wenn ich nicht für seinen Gegenschwäher eintreten wollte, wenn er selbst nicht dabei ist!«

Da gab der Skalde klein bei und zahlte die Summe aus, um die er eingeklagt war.

»Das werd' ich dir niemals vergessen, Gunnar!« sprach Asgrim, »auf deiner Seite stehen werd' ich von nun an bei all deinen Händeln!« Und er bat ihn, er solle ihn doch noch in diesem Sommer besuchen. Das sagte Gunnar zu.

Als Njal davon erfuhr, machte er sich nach Haldenende auf, dankte Gunnar für seinen Beistand und bot ihm an, seine Söhne sollten ihn nach Achenzunge geleiten, »denn seit der Hengsthatz vorm Jahre solltest du nicht allein reiten!« Gunnar sagte, das wäre ein rechtes Freundschaftsangebot und er wolle sich's überlegen.

Als es aber so weit war und Kolskegg fragte, ob er Nachricht nach Bergthorsbühl geben solle, schüttelte er den Kopf. »In Händel mit den Nachbarn sollen Njal und seine Söhne durch mich nicht geraten! Es langt, wenn wir zu dritt reiten: du, Hjört und ich!«

Sie kamen auch ohne weitere Fährde nach Achenzunge, blieben dort einen halben Monat zu Gast und wurden trefflich bewirtet. Als sie aufbrachen, wollte sie Asgrim mit den Knechten heimwärts geleiten, aber Gunnar meinte, das wäre nicht nötig.

So ritten denn die drei Brüder allein. Gunnar hatte die Hellebarde bei sich, das Schwert Ölwirslust und den Köcher mit dem Bogen voll Pfeile. Auch Kolskegg und Hjört waren gut mit Waffen versehen.

 

Sigurd Schweinskopf

igurd Schweinskopf hieß ein Mann, den hatten die Starkadssöhne bezahlt, daß er dem Gunnar aufpasse und ihnen berichte. Der kam nun Hals über Kopf angejagt auf dem Gehöft unterm Dreihorn, lief in die Halle hinein, wo sie grad beim Frühmahl saßen, und meldete, auf dem Rückweg von Achenzunge sei Gunnar mit den Brüdern allein: so günstig würden sie's nie wieder treffen! hinter den Knabenhügeln würden sie ihnen den Weg am besten verlegen – das war eine Kette von Sandhügeln, in denen hatten sich vor vielen Jahren mehrere Kinder verlaufen und waren umgekommen im Schneesturm.

Über den Tisch schoß mit dem Oberleib Thorgeir. »Wie viel Leute werden wir brauchen, was meinst du?« »Nehmt nicht zu wenige mit, rat' ich euch!« »Reite zu Egil und meld' ihm: fünfzehn Mann stark kommen wir und ebenso viele stellen soll er!«

Als der Bote zur Halle hinaus war, hob Thorgeir der Schwester die Faust unter die Augen. »Schau dir die Hand an, Hilde: die wird heute vor Nacht noch Gunnar Hamundssohn fällen!« Sie warf die Lippen auf. »Eher wirst du, den Kopf auf der Brust, heimschleichen von euerm Treffen!«

Als Sigurd bei Egil in Sandschlucht seine Botschaft ausgerichtet hatte, rief Hauk: »Mit Kolskegg wollte ich immer schon meine Kraft messen: seinen Kopf beding' ich mir aus!« »Da wirst du zu tun bekommen, bevor du ihn wegreißt,« sagte Sigurd, »denn er sitzt ziemlich fest auf dem Nacken!«

Zwei Norweger wohnten bei Egil: Stein und Finn, die forderte er auf, mitzutun. Sie aber meinten, es ginge sie nichts an, denn sie hätten keine Händel mit Gunnar gehabt, und seltsam käme es ihnen vor, daß es hier dreißig Mann dazu brauchte, um dreien den Weg zu verlegen!

Zornig brummend ging Egil davon. Da trat die Hausfrau auf Stein zu: ihre Augen flammten unter dem Grauhaar. »Soweit hat unsere Tochter Gudrun ihren Stolz vergessen, daß sie sich mit dir einließ: deine Nachtsonne genannt hast du sie! und nun weigerst du dich, ihrem Vater zum Kampfe zu folgen, du Schuft!« Er erbleichte. »So will ich denn reiten, doch wiedersehn wird Gudrun mich alsdann nicht mehr: meinen Tod hat mir heut' nacht eine verkündet, der siehst du jetzt gleich auf ein Haar!« Er zog einen Schlüssel hervor und gab ihn Finn. »Nimm ihn: zu meiner Truhe gehört er, denn ich werde sie niemals mehr auftun! dir sollen meine Sachen gehören, doch denke nicht dran, mich zu rächen, sondern mach' dich von hier, so schnell du kannst, aus dem Staube, sonst wird es dir gehen wie mir!«

Er sattelte sein Roß und ritt mit den andern davon.

 

Aus dem Hinterhalt

inen guten Teil ihres Weges hatten die Brüder zurückgelegt, und schon waren sie durch die Furt der Krummach geritten, da fing es Gunnar an so mächtig zu schläfern, daß er jählings hielt, aus dem Sattel stieg, gleich am Weg niedersank und sofort einschlief. Neben ihm kauerten Kolskegg und Hjört nieder.

Sacht verhauchte am Himmel die letzte Röte im Westen. Die bleiche Dämmerung der Sommernacht wob allein überm Lande. Eine Weile lag Gunnar ruhig und atmete tief, dann hob er an zu murmeln, stöhnte, warf den Mantel von sich, und Schweißtropfen traten ihm auf die Stirne. »Horch, wie er keucht!« flüsterte Hjört, »ich will ihn wecken!« Kolskegg sah nachdenklich auf den Stöhnenden nieder. »Laß ihn! wer weiß, was seine Seele jetzt sieht? vielleicht können wir alle es brauchen!«

Da wurde er stiller, schlug die Augen auf und starrte sie verständnislos an. »Ihr seid's!« sprach er endlich. Langsam richtete er sich im Geröll auf. »Weit weg war ich! und das weiß ich: wär' mir der Traum gekommen, eh' wir von Achenzunge geritten, so hätte ich Asgrims Geleit nicht verschmäht! Hört, Brüder! An einen Hügel gelehnt stand ich mit euch und sah: auf der Ebene vor uns wimmelte eine Wolfsherde bis zum Himmelsrand hin wie ein Meer in grauem Gewoge, daraus bleckten weiß wider uns die Gebisse fauchten die Rachen und toste Geheul, als pfiffe der Sturm von den Gletschern. Ich spannte den Bogen und schoß, und alle, die ansprangen, stürzten. Aber über ihre Bälge jagte zähnefletschend die Herde immer näher heran. Nun griffen wir zu den Schwertern und schlugen drein, daß das Blut rot über uns spritzte. Da sah ich Hjört wie vom Blitz niederstürzen, über ihn warf sich, das Fell gekrümmten Rückens gesträubt, ein riesiges Tier, riß ihm mit den Zähnen die Brust auf und rannte mit seinem blutenden Herzen im Rachen davon!« Er atmete schwer, dann sprach er: »Drum will ich, du sollst nun sofort zu Asgrim zurück, Hjört, und bei ihm bleiben!« Der Junge lachte. »Wenn alle Träume wahr werden wollten, müßte es wunderlich zugehn im Leben! Doch wenn auch mein Tod an deiner Seite gewiß wär', sollt' ich dich darum verlassen? oder willst du mir raten, was du selber sicher nicht tätest?«

Sie brachen auf und ritten weiter nach Osten. Der Himmel über dem Inselferner fing an sich zu röten, und im Morgenlicht tauchten aus der Ebene die runden Kegel der Knabenhügel vor ihnen auf. Da zog Gunnar die Zügel an, und ein Schauder lief über sein Gesicht. »Das ist ja der Ort, an dem ich im Traume gewesen!«

Kolskegg erwiderte nicht. Auf den Hals des Rosses gebeugt, spähte er. »Sind das nicht Speerspitzen, die dort blitzen? – Freilich!« rief er, »und nicht wenige scheinen's zu sein! weichen wir ihnen aus?« Gunnar warf den Kopf auf. »Warum? von meinem Wege drängen laß ich mich nicht!« »Recht so! nun hast du ausgeträumt, Bruder!«

Sie ritten gradaus. »Die Starkadsöhne sind drunter!« rief Kolskegg, »an den Helmen erkenne ich sie!« …

Zu den Hügeln hervor trabte die Schar der Verbündeten. »Kreist sie ein!« schrie Thorgeir an ihrer Spitze …

Gunnar richtete sich in den Steigbügeln auf. »Allzuviele sind's, als daß wir ihnen hier standhalten könnten!« Er blickte rings um sich. Zur Linken blinkte das breite Bett eines Stromes. »Dorthin auf die Landspitze, Brüder: dort können sie nicht mit der Menge heran!« Er gab dem Rosse die Sporen.

Hinter ihnen her jagte Thorgeir mit seinem Haufen. »Nun heißt es, Fersengeld geben, was, Gunnar?« schrie er ihm nach. – »Wart's ab!« rief der über die Schulter zurück. Er sprang vom Gaul, stellte sich mit den Brüdern über der Landenge auf, kniete nieder und schüttete die Pfeile aus dem Köcher vor sich.

Auch die Gegner waren von den Rossen gestiegen und kamen im Haufen gestürmt, Sigurd Schweinskopf vornedran: die Tartsche über dem Kopf rennt er, in der Rechten den Speer. Gunnars Sehne klingt hell: durch den Holzschild schlägt der Pfeil dem Stürmer ins Auge zum Nacken hervor! mit dem Kopf in den Sand stürzt er. Die um ihn prallen zurück. Und wieder schwirrt es von drüben: Ulfhedin, Starkads Verwalter, greift nach dem Geschoß in der Brust, fällt, über ihn stolpert sein Hintermann, der Helm klirrt herab – ein Stein saust, Kolskegg hat ihn geschleudert – auf den entblößten Kopf kracht er: der Mann sackt zusammen.

»Vorwärts, auf den Leib ihnen! vorwärts!« schreit Starkad, »sonst schießen sie uns aus der Ferne zusammen!«

Pfeil um Pfeil schnellt Gunnar von der Sehne: über die Gefallenen springen die Gegner heran. Schon sieht er das Weiße in ihren Augen. Da wirft er den Bogen von sich – schildlos, das Schwert in einer Hand, in der andern die Hellebarde haut und sticht er auf die Anrennenden ein: ein Leichenwall türmt sich vor ihm. Zu seiner Rechten, sieht er, hat Kolskegg zwei niedergeschlagen, zu seiner Linken stößt Hjört einem Egilssohn den Speer durch den Leib, dem andern das Schwert in die Kehle. »Wacker,« ruft er, »mein Junge!«

Aus dem Haufen hinten schreit Thorgeir: »Zu dritt über ihn, Brüder!« Sie stürzen vor. Dem einen schmettert Gunnar mit der Hellebarde das Schwert aus der Faust und mit demselben Schlag dem andern die Axt in den Hals, daß der Kopf vom Rumpf fliegt. Thorgeir läuft zurück.

Hauk Egilssohn rennt an gegen Kolskegg: der hat eben erst einen gefällt und will den Schild gegen den neuen Feind vor sich werfen, da fährt ihm Hauks Speer in den Schenkel. Er zuckt zusammen und stampft mit dem schleppenden Schaft in der Wunde auf den Egilssohn zu, holt aus, und eh sich der zu schirmen vermag, schlägt er ihm mit einem Hiebe das linke Bein ab über dem Knie. Egil, der alte, brüllt auf: sein letzter Sohn war's! Wutschnaubend stürmt er heran. Durch Schild und Leib stößt Gunnar ihm die Hellebarde, schwingt ihn hoch und schleudert ihn hinter sich: dumpf klatscht der Körper ins Wasser.

Ihm nach steht schreckensbleich der Norweger. Beim Arme schüttelt ihn Starkad. »Elender Kerl! was stierst du, statt deinen Hausherrn zu rächen?«

Stein stöhnt auf, reißt die Axt aus dem Gurt, wirft sich auf Hjört und spaltet ihm die Brust, daß Lunge und Herz hervorquellen. Gunnar erblickt's, stößt mit der Hellebarde den Norweger nieder und tritt ihm mit dem Fuß auf den Nacken. »Gudrun!« röchelt Stein, »Nachtsonne, leb' wohl!«

Börk, Starkads zweiter Sohn, fällt vor Kolskegg.

Da wenden sich die andern zur Flucht. »Trolle sind's, keine Menschen!« ächzt Starkad und springt in den Sattel …

Vierzehn Mann der Verbündeten sind beim Kampf vor den Knabenhügeln gefallen, und von Gunnars Seite liegt als der fünfzehnte Hjört, der junge, am Boden. Auf seinem Schilde tragen die Brüder ihn heim. Da schlägt Rannweig, die Mutter, die Hände über der Leiche ihres Jüngsten zusammen …

Den Kopf auf der Brust, wie Hilde es ihm vorausgesagt hat, kommt Thorgeir mit dem Vater ohne die Brüder geritten. Und söhnelos sitzt Egils Witwe auf dem Gehöfte zu Sandschlucht. Da bittet sie Finn, Steins Genossen, er möchte ganz bei ihr bleiben. Er will zuerst nicht, denn des Freundes Warnung bringt er nicht aus dem Kopf. Als sie ihm aber die Tochter zum Weibe verspricht und damit ihr ganzes Eigen zum Erbe, da entschließt er sich doch dazu. Und nun leuchtet sie einem anderen Manne mit ihrem milden Schein, die Nachtsonne Gudrun.

 

Um Beistand

achdem sie Hjört auf Haldenende im Hügel gebettet hatten, ritt Gunnar mit Kolskegg nach Bergthorsbühl. Dort trug er dem Freunde seinen ganzen Handel ausführlich vor. Da meinte Njal: »Das ist eine schwierige Sache wegen der vielen Leute, die ihr gefällt! die muß ich mir zuerst einmal allein überlegen!«

Als er nach einer Weile zurückkam, sagte er: »Ich meine, nun hab' ich's! Das erste wird sein, daß du die Toten am Schlachtfeld ausgraben läßt und sie vor den Nachbarn als Zeugen für bußlos gefallen erklärst, weil sie euch nach dem Leben getrachtet. Dann sollst du Hauk als den Schuldigen an Hjörts Tode benennen!« »Aber der Norweger war's doch, der ihn erschlug!« »Gewiß,« sagte Njal, »dennoch sollst du ihn dazu nennen, weil du ihn zuerst bei der Hengsthatz angepackt hast, das Weitere aber laß meine Sorge nur sein. Endlich will ich zwei Sachen, die ich zu führen hätte, an dich abtreten, damit du Gegenklagen hast wider sie: die eine gegen Starkad, weil er Holz gefällt in meinem Wäldchen unterm Dreihorn; die andere gegen Thorgeir, der eine meiner Basen verführt hat. Und auf beidem steht Waldgang. So hoff' ich deinen Handel zu gutem Ende zu bringen!«

Inzwischen beriet Thorgeir Starkadssohn sich mit dem Vater, und sie kamen überein, Walgard auf Groß Tempelhof aufzusuchen und ihn zu bitten, daß er ihre Sache als Rechtskundiger führe.

Aber Walgard schüttelte, als sie's ihm antrugen, den eisgrauen Kopf. »Ein alter Mann bin ich geworden und denke demnächst nach Norwegen zu fahren, im Land meiner Väter zu sterben. Fragt lieber den Mörd, ob er will, denn so jung er ist, steckt er voller Kniffe, und meinen Haß gegen Gunnar und seine Gesippen habe ich ihm vererbt!«

Nun wandten sie sich an den Sohn und boten ihm vieles Geld. Der blinzelte sie aus den verschlagenen Schlitzaugen an. »Mit Geld allein ist es hier nicht getan, wenn ich mich euretwegen verfeinden soll mit den mächtigsten Männern im Gau!« Und er rückte heraus mit der Sprache: Thorkatla, die Tochter Gissur des Weißen, hatte es ihm angetan und zwar so, daß der ränkesüchtige Bursch froh war, jedem Wink ihrer Augen zu folgen. »Wenn ihr mir die durch eure Fürsprache zum Weibe verschafft, so bin ich zu euerm Beistand bereit!« Das sagten sie ihm ohne weiteres zu, ritten nach Moosberg und erreichten es in der Tat binnen kurzem, daß Gissur seine Einwilligung gab. Auch Thorkatla sträubte sich nicht, obwohl sie nicht übermäßig viel Liebe zu Mörd verspürte; denn sie meinte, einen, der ihr so blind ergeben wäre wie er, würde sie nicht so leicht finden.

Im selben Winter noch ward die Hochzeit zu Moosberg mit großem Gepränge gefeiert.

So waren denn die Gegner auf beiden Seiten zum Rechtsstreit im kommenden Jahre gerüstet.

 

Die Verrechnung

in windstiller Sommertag brach an: reglos standen hoch im Blau weiße Wölkchen und glänzten friedeselig herab aufs Gewoge unten am Thingfeld.

Am Gerichtsfelsen lehnte Olaf Pfau unter den Goden und sah seinem Schwager entgegen: im Purpurrock, bloßen Hauptes kam er durch die Menge geschritten, hinter sich in langem Zug die Sippen des Njal und des Sigfus. Um Starkad und Thorgeir aber sammelten sich Gissur und Geir; Hjalti ihr Nachbar, der Christ; Runolf der Sandgodensohn und viele andere. Mörd lief hin und her und fuchtelte mit den Händen.

Als beide Teile ihre Sache vors Gericht gebracht hatten, erhob er gleich Einspruch. »Wie darf der Mann hier, Gunnar Hamundssohn, Klage erheben, der das Recht dazu verwirkt hat, da er Thorgeir Starkadssohn niederschlug bei dem Roßkampf, bevor ihn der tätlich berührte?«

Für Gunnar sprach Njal: »Warst du auf dem Gauthing im Herbst?« fragte er. – »Nein,« sagte Mörd. – »Das war ein Fehler, du hättest zugegen sein sollen: denn da habe ich Gunnar wieder ehrlich gemacht zu allen Rechtshandlungen vor den Genossen, weil Thorgeir sich geweigert, seinen Friedensantrag zu hören! oder ist's nicht so, Leute?« »So ist's!« schallte es aus der Menge.

Mörd kniff die Augen zusammen. »Den Hauk habt ihr als Schuldigen an Hjörts Tode benannt: damit fällt eure Klage dahin, denn der Norweger Stein war's, der ihn erschlug! oder könnt ihr's bestreiten?« – »Keineswegs,« entgegnete Njal, »aber weißt du es nicht: dem Angegriffenen stellt es das Gesetz frei, unter denen, die gemeinsam gegen ihn vorgingen, den als Totschläger zu nennen, auf den es ihm ankommt!«

Der andere fuhr auf. »Ist das so, Rechtsprecher Skapti?« Der nickte. »Freilich, wenn auch wenige darum wissen wie Njal!«

Mörd schnaufte. »Als bußlos gefallen habt ihr vom ersten bis zum letzten all eure Gegner erklärt!« rief er, »da habt ihr sie an ihrem Mannesrechte gekränkt, und darauf steht die Acht!« »Nicht doch,« entgegnete Njal, »oder meinst du, der Nachweis fiele uns schwer, daß sie, ihrer dreißig, böswillig und ohne Anlaß über die drei hergefallen?«

Mörd schwieg und wurde dunkelrot im Gesicht. Gissur zog die Brauen zusammen: ihre Klage schien niederfallen zu sollen. Da trat Hjalti von ihnen weg auf Gunnar zu. »Würdest du wohl mein Wort so weit ehren, daß du dich jetzt noch zu einem Vergleich bereit erklärst, wenn ich dich darum bitte?« »Ich will's, wenn du versprichst, dich nie mehr auf die Seite meiner Gegner zu stellen!« »So soll es sein,« rief Hjalti.

Starkad und Thorgeir schalten auf Mörd ein. Gissur zuckte die Achseln. »Verfahren ward freilich der Karren, aber seine Schuld ist es nicht: warum habt ihr es ihm auch verschwiegen, daß Gunnar von Njal gereinigt ward auf dem Gauthing!«

Nun erwies es sich, wie nützlich es für Gunnar war, daß Njal ihm seine Klagen abgetreten hatte gegen Starkad und Thorgeir; denn die wurden nun samt dem böswilligen Angriff auf ihn gegen die vielen Toten auf der andern Seite verrechnet, und er kam mit geringeren Bußen davon, als er befürchtet.

»Einen besseren Freund als Njal finden könntest du nicht, Schwager!« rief Olaf Pfau. – »Lang müßte ich leben,« sprach Gunnar, »wollte ich ihm all seine Guttaten vergelten!«

Nun war der Friede wieder hergestellt zwischen den Gegnern, aber damit war der Haß und der Neid gegen Gunnar nicht aus den Herzen getilgt.

 

Neue Ränke

om Thingfelde schritten Thorgeir und Mörd auf der Brücke über die Axtach zu ihren Zelten. »Nieder muß er mir!« schäumte Thorgeir, »trotz allen Vergleichen, so oder so!« Der andere blickte ihn von der Seite an. »Wie willst du das, he? mit Waffengewalt geht's nicht, das habt ihr zur Genüge, denk' ich, erfahren, und am Gerichte breitet Njal schützend die Arme vor ihn!« An den Lippen nagte der andere. Da legte ihm Mörd die Hand auf den Arm. »Einer nur ist, der Gunnar fällen kann,« sagte er, »er selber muß sich das Verderben bereiten! Hast du nicht davon gehört, was ihm Njal einst geweissagt? zwei im selben Sippenknie wie Vater und Sohn dürfe er nicht erschlagen, wenn es nicht abwärts gehen solle mit ihm! und nach einem solchen, dem Gunnar den Vater abgetan, brauchen wir nicht lange zu suchen!« …

Nach Otkels Tode hauste auf Hofkirchen sein Sohn Skarf. Der war nunmehr siebzehn Jahr alt geworden, ein großer fester Bursch, treuherzig, aber etwas leichtgläubig und Schmeichlern zu vertrauen geneigt.

Eines Abends erschienen Mörd und Thorgeir bei ihm zu Besuch, ließen sich von ihm in Haus und Hof herumführen und lobten ihm alles, daß es ihm süß einging und er glaubte, noch nie so gute Gesellen getroffen zu haben. – »Was für ein Mann war doch dein Vater, Skarf!« sprach Mörd, als sie beim Nachtmahle saßen, »da wundert's die Leute, daß er ungerächt modert im Hügel, zumal ihm ein Sohn lebt wie du!« »Was kann ich dazu tun? verglichen haben sich Geir und Gissur mit Gunnar für mich, da ich noch ein Bub war!« »Das war der Njal!« rief der Gast, »Feuer und Wasser wird der Allesversöhner nächstens vergleichen! Aber einer, der zu Heldentaten bestimmt ist wie du, sollte sich dadurch nicht abhalten lassen!« »Zum Vertragsbrecher will ich nicht werden!« »Das sollst du auch nicht! aber einen rechten Schabernack könntest du Gunnar doch spielen, das wäre ein rühmliches Werk. Horch einmal, Freund, da ist auf Haldenende seine Nichte Ormhild, ein sauberes Ding, und ein schmucker Bursche bist du: wie wär's, wenn du dich an die heranmachen tätest? Aus dem Hause weisen kann er dich nicht, ihr seid ja versöhnt, da dürfte er einen weidlichen Ärger haben davon!« »Ich weiß nicht, das will mir nicht recht eingehen!« »Ja, ohne Gefahr ist es freilich nicht, einem Manne wie Gunnar die Spitze zu bieten, und wenn du dich nicht traust …« »Wer sagt dir das,« fuhr Skarf auf, »daß ich mich nicht traue?«

 

Ormhild

s war um die Julzeit, im Winter, da rief Gunnar auf Haldenende die Nichte zum Zwiegespräche mit sich. Er saß auf der Bank; sie stand, die Enden der flachsgelben Zöpfe vor sich in den Händen, und sah verlegen drauf nieder. – »Die Mutter ist nicht mehr zufrieden mit dir: bei allem andern bist du mit deinen Gedanken als bei der Arbeit. Mir scheint, Skarf Otkelssohns Besuche sind daran schuld!« Sie wurde rot bis unter die Haare. – »Wenn du deine Ehre vor ihm nicht zu wahren verstehst, so muß ich dafür sorgen!« …

Als Skarf am nächsten Abend wieder in die Halle trat, schickte Gunnar die andern hinaus. »Meine Rede ging noch immer gradaus, und so werde ich's auch mit dir halten: was willst du mit deinen Besuchen bei Ormhild?« – Das ginge niemanden etwas an, sagte Skarf, und Hallgerd, der Hausfrau wäre es recht, wenn er käme! – »Übeltun wird nicht besser durch Trotz! willst du mich etwa treffen durch sie? ist das ehrenhaft, sag', deinen Mut am Gegner dadurch zu kühlen, daß du ein Mädchen verführst?« Der Junge blickte zu Boden und schwieg. – »Kein übler Bursch bist du, Skarf, ich weiß es! drum warne ich dich: laß dich von andern nicht hetzen zu deinem Schaden!« …

Der Schnee wirbelte in dichten Flocken über das Gehöft von Groß Tempelhof hin. Durchs weiße Getriebe trabte ein Reiter vors Haus und sprang vom Gaul. – »Bist du's, Skarf?« rief Mörd, als er in die Halle trat und den nassen Mantel von sich warf. »Was führt dich in dem Unwetter her?«

Der Bursch saß auf die Bank nieder. »Mit meinen Besuchen auf Haldenende ist's aus!« stieß er's hervor, »wie ein Vater hat Gunnar zu mir gesprochen, und ich hab' mich geschämt!« Mörd blinzelte ihn an und lachte. »Hört doch: wie ein Vater! Mir ward es anders berichtet! Gerühmt hat er sich, zum Haus hinaus hätte er dich mit barschen Worten gewiesen, wie ein begossener Hund seist du davongeschlichen, und die Lust sei dir nun wohl für immer vergangen, dich in Haldenende zu zeigen!«

Skarf tat den Mund auf und starrte ihn an. »Ist das wahr?« Er war bleich im Gesichte geworden. – »Traust du mir nicht? frag' nur bei den Nachbarn herum!« …

Als Gunnar von einem Besuche bei Thrain spät abends zurückkam, saßen im matten Feuerscheine der Halle Skarf und Ormhild allein, und er hatte den Arm um ihren Nacken gelegt.

Gunnar stutzte. »Das hätt' ich von dir nicht erwartet!« rief er, »wohl denn, willst du im Guten nicht hören, so mußt du es eben im Bösen: hinaus mit dir, Skarf!« Der Bursch sah trotzig auf. »Ormhild besuch' ich, nicht dich!« Gunnar ging auf ihn los. »Herr hier im Hause bin ich noch: hinaus!« Skarf sprang auf und griff nach dem Kurzschwert an der Seite. Ormhild schrie. Gunnar packte ihn bei den Armen, so fest, daß er sich vergebens wand, loszukommen; dann hob er ihn wie ein Kind hoch und setzte ihn vor die Türe.

*

Als Skarf zähneknirschend vor Mörd auf Groß Tempelhof stand und ihm von der Schmach stammelte, die Gunnar vor Ormhilds Augen ihm angetan, jauchzte der auf. »So ist's recht! nun hat er den Frieden gebrochen, nun hat er selbst dir die Hände zur Vaterrache gelöst!«

 

Der Irenhund Mohr

n diesem Herbste ritt Gunnar nach Heerdenhöh im Lachsachtal zu Olaf Pfau, seinem Schwager, und blieb bis zum ersten Winterfeste bei ihm zu Gast. Da wurden sie so gute Freunde, daß es ihnen schwer fiel, sich zu trennen. Als sie zum letzten Male beieinander saßen, sprach Olaf: »Reich, Schwager, ist dein Leben an Ruhm und Ehren geworden, aber reicher an Feinden noch und an Gefahren. Drum bitte ich dich, habe acht! und nimm zum Abschied drei Kleinode von mir, die ich für das Wertvollste halte, was ich besitze: den Goldring hier und den Purpurmantel hab' ich von meiner Mutter Melkorka geerbt; die aber hat ihn von ihrem Vater, dem Irenkönig Myrkjartan. Und den Schwarzen da am Boden, den großen zottigen Rüden hab' ich zum Geschenk bei meinem Besuch in der Heimat der Mutter bekommen. Mohr heißt er wie die schwarzen Heidenkerle im Süden und hat Menschenverstand: eher wird er sein Leben lassen, als in der Not von dir weichen!« Er rief dem Tiere, gebot ihm zu Gunnar zu gehn und bei ihm zu bleiben. Da schritt der Rüde mit den Feueraugen im schwarzen Schädel stracks auf ihn zu und legte sich nieder zu seinen Füßen.

Sechs Knechte geleiteten den Gast von Heerdenhöh bis nach Hause, so hatte es Olaf gewollt. Der Rüde Mohr lief hinter Gunnars Gaul drein, und bald ward er mit allen Hausgenossen auf Haldenende gut Freund; nur an Hallgerd konnte er sich durchaus nicht gewöhnen, und wenn sie ihm schön tun wollte, fletschte er die Zähne und sträubte das Rückenhaar auf.

 

Notwehr

ie Landinseln hieß man jene Strecke im Gau, die von den Nebenflüssen des Waldstroms und der Querache bis zum Meere durchfurcht wurde. Gunnar hatte dort Grasland zu eigen.

Es war im Frühjahr. Er und Kolskegg waren hinausgeritten, um von dort Heu aus den Schuppen nach Haldenende zu holen, den Rüden aber hatten sie daheim gelassen, das Haus zu hüten. Auf dem Rückweg trieb ein jeder von ihnen zwei mit Heubündeln hochbeladene Gäule vor sich.

Es dämmerte schon, als sie zwischen die Felsen der Rotwand hineinritten, kurz vorm Zusammenfluß der Zweigache und des Waldstroms. Da schwirrte plötzlich ein Pfeil durch die Luft: eins der Lasttiere bäumte sich, stürzte, und die andern stoben in wilder Flucht auseinander.

Die Brüder sprangen von den Gäulen und warfen sich hinter Felsblöcken nieder.

Aus den Schluchten rechts und links von ihnen schlichen im Dämmergrau dunkle Gestalten und sammelten sich hinter Steinwällen droben.

Gunnar hob den Bogen von der Schulter und warf Kolskegg eine Handvoll Pfeile hinüber …

Im Haufen, der links von ihnen am Felseneck hielt, zischte Mörd: »Springt nun, Leute!«

In der Schlucht rechts flüsterte Thorgeir: »Bursche, braucht eure Beine: nacheinander hinab!«

Den Helm stülpte Skarf über. Einer sprang vor, rannte, und überschlug sich, wie ein Hase im Lauf, Gunnars Pfeil in der Brust.

Von der andern Seite kamen zwei dicht hintereinander mit geschwungenen Speeren gerast. In die Stirn schlug dem vordern Kolskeggs Geschoß: er drehte sich jäh um sich selber und fiel. Der andere zuckte zurück, wandte sich und stürzte, das Eisen des Gegners im Nacken.

Aus Thorgeirs Schar droben dringt dumpfes Gemurmel. »Zu früh ist's noch zum Angreifen, Herr!« flüstert an seiner Seite der Großknecht, »laßt es erst Nacht werden, Herr!« …

Hinter seinem Felsblock wendet Kolskegg zum Bruder den Kopf. »Was für ein Räuberpack mag das sein?« »Mörd mein' ich droben schleichen gesehen zu haben!« Still ist's geworden. Im Geklüft sind die Gegner verschwunden.

Dunkel wird's. Über den Felsen erstrahlen reiner und stärker die Sterne.

Da fährt Gunnar auf. »Bruder, zurück an die Wand: jetzt wird's ernst!« Durch die Finsternis strömt es dichtgedrängt aus beiden Schluchten herab. Dahinein zischen die Pfeile der Brüder.

Immer schneller wälzt sich der dunkle Menschenwall her. »Was ist, Skarf,« keucht es Thorgeir im Rennen, »läßt du die andern voraus, wo es gilt, deinen Vater zu rächen?«

Aufbrüllend stürzt der Bursche vorwärts, die Axt überm Kopfe.

Zu Mörd hinüber springt Thorgeir sofort. »Erreicht ist's: vor Gunnars Hellebarde steht Skarf!«

»Zurück alsdann mit den Unsern! – Flieht, Bursche!« kreischt Mörd. Nach rückwärts verläuft sich im Dunkel der Schwarm. Hufgetrappel verhallt in der Ferne …

Im Sternenlicht beugt sich Gunnar über die Leiche zu seinen Füßen. »Skarf Otkelssohn ist's! er hat es nicht anders gewollt! Nach Bergthorsbühl, Kolskegg: Njal soll von dem Überfall wissen!«

*

»Schlimm ist das!« sprach Njal, als die Brüder, heiß vom Kampf und vom langen Ritt, in der Halle vorm Bier bei ihm saßen. »Nun ist geschehen, wovor ich dich gewarnt: Otkel und Skarf, Vater und Sohn, zwei im selben Sippenknie hast du erschlagen. Jetzt hüte du dich vorm letzten: je einen Vertrag mit deinen Gegnern zu brechen!«

Unwillig warf Gunnar den Kopf auf. »Immer wieder kommst du mir mit dem Alten! da ist doch gar nicht dran zu denken bei mir!« »Und doch geschah schon oft, woran die Leute am wenigsten dachten!« murmelte Njal.

*

Die Faust ließ Gissur der Weiße in Moosberg schwer auf den Tisch fallen, als Mörd, sein Schwiegersohn, ihm mit Mund und Händen vom blutigen Kampf an der Rotwand erzählte. »So geht das nicht weiter: recht oder unrecht – ganze Geschlechter tilgt uns der eine Mann aus!« Und er übernahm die Klage für die Verwandten.

 

Friedenschluß

ieder einmal standen Gunnar und Njal vor der Schöffenbank auf dem Althing, und ihnen gegenüber erhob Gissur unterm freien Himmel die Stimme, daß es weithin zu allem Volk übers Feld drang.

»Ich mache kund wider Gunnar, den Sohn des Hamund, straffälligen Angriff, darum, daß er den Skarf, Otkels Sohn, versehrte mit einer Wunde bis in das Leibesinnere hinein, so daß er den Tod davon hatte. In die Acht zu tun, sage ich, ist er darum als Waldgänger, den niemand nähren darf, noch zu Haus halten, noch schirmen, noch schützen darf weder mit Rat noch mit Tat. Das mache ich kund, wie das Gesetz es verlangt, zu der versammelten Gemeinde Gehör!«

Njal trat vor Gunnar: im Sonnenlichte glänzte hoch und schmal seine Stirn. »Deine Klage, Gode Gissur, tue ich durch und nenne Zeugen dafür, daß es Skarf war, der wider Gunnar auszog, ihm Schaden am Leibe zu tun!« »Deinen Einspruch, Njal, tue ich durch!« entgegnete Gissur, »denn zuerst griff Gunnar den Skarf am Leib an und verletzte ihn an der Ehre, als er ihn aus dem Haus tat. Da brach er den Frieden, den er beim Vergleich mit Otkel beschworen!« »Mit nichten, denn der den Frieden zuerst brach, war Skarf, da er Ormhild, Gunnars Nichte, nachstellte in seinem Hause! Und damit wird deine Klage völlig durchgetan, Gissur! Aber damit ihr seht, daß es uns nicht nur darauf ankommt, recht gegen euch zu behalten, sondern auch, daß ein redlicher Friede zwischen uns werde, so bieten wir euch die Hand zum Vergleich: ein Schiedsgericht aus den Besten im Land soll den Spruch tun!«

Gunnar sah den Freund erstaunt an, aber Gissur und die Seinen stimmten ihm hastig zu.

Da ward im Schiedsgerichte Skarf zwar für bußlos gefallen erklärt, zugleich aber bestanden die meisten darauf, daß Gunnar und Kolskegg des Landes verwiesen würden auf drei Jahre; denn der Männerhaufe, den die Brüder erschlagen, sei nun so groß geworden, daß man es nicht ohne weiteres hingehn lassen könne; auch sei es am besten, die beiden kämen den Gegnern für eine Weile ganz aus den Augen. Hielten sie aber den Vergleich nicht, die Brüder, so sollten sie ihren Feinden vogelfrei sein!

Schweigend hörte Gunnar den Spruch an und ging wortlos davon. Njal folgte ihm. »Nun grollst du mir, Freund, zum ersten Male im Leben, und doch habe ich zu deinem Besten gehandelt. Denn hätte ich sie schmachbedeckt abziehen lassen mit ihrer Klage, dann wäre deines Lebens auf Island nicht mehr gewesen!« »Das wird so sein,« sagte Gunnar, »und ich grolle dir nicht, aber bitter ist's, schuldlos statt der Schuldigen in die Verbannung zu müssen! und so haben denn mich die Gegner letzten Endes besiegt!« »Besiege dich selbst, Freund!« sagte Njal, »halte aus die paar Jahre: reichen Segen wird es dir bringen, glaub mir's! ruhmvoller wirst du als je einer leben auf Island und spät erst, von allem Volke geliebt, in Frieden verscheiden. Andernfalls aber wird es alsbald dein Tod sein!«

Als Gunnar im Zelt seine Sachen mit Kolskegg und den Knechten verpackte, trat Thrain Sigfussohn zu ihm herein. »Da hast du's nun mit deinem Njal!« schalt er, »frei wärst du davon gekommen, den Feinden zum Hohn, ohne sein Versöhnungsgefasel!« Gunnar kreuzte die Arme. »Schweig,« sprach er, »Unkraut zu säen zwischen Njal und mir suchst du vergebens: was weißt du von unserer Freundschaft!« …

Schweren Ernstes voll sahen Njals Augen, als er, vom Thinge zurückgekehrt, allein mit Thora vorm Herdfeuer saß. – »Ist nun Gunnar beleidigt durch dich?« fragte sie. Er schüttelte den Kopf. »Durch mich nicht: aber gekränkt meint er durchs Schicksal zu sein, und ob das besser ist, weiß ich nicht. Als sei etwas entzweigegangen in ihm, so kommt er mir vor!« …

Auf Haldenende hatten sie schon durch landfahrendes Volk vom Spruche des Schiedsgerichtes erfahren, als Gunnar dort eintraf. Rannweig ging ihm entgegen, legte ihm die Hände auf die Schultern und sah ihm in die Augen. »Anders, als die Feinde meinen: zu deinem Besten wird dir dies ausgehn, Sohn, sei getrost!«

Hallgerd stand dabei und lächelte spöttisch.

Die Söhne kamen heran. Högni, der ältere, blickt den Vater groß an, und als er ihm die Hand gibt, zittert sie leis in der seinen. Grani wirft die roten Locken aus der Stirne und grüßt. »Schon zurück, Vater, vom Thinge?« …

In der Abendkühle geht Gunnar durch die Wiesen und Felder ums Haus; Mohr, der zottige Rüde, folgt ihm auf dem Fuß … »Wacker geschafft haben sie heuer, die Leute,« denkt er, »wie wird das sein, wenn ich weg bin?« … Er tritt in den Stall, klopft den Kühen die feisten Rücken, streichelt den Gäulen den glatten Hals. »Drei Jahre,« denkt er, »eine lange Zeit sind drei Jahre!« …

Die Kerze brennt in der Schlafkammer neben dem Bette. Auf dem Schemel hockt er, den Kopf vornübergebeugt. Aus der Frauenstube tönt immer noch Geschwätz und Gelächter herüber: Granis, Hallgerds Stimmen erkennt er. Jetzt fängt eins gar an zu singen, verhallend klingt's an sein Ohr: »Ein grimmiger Held Räumt seinen Gegnern das Feld!«

Im Verschlag neben ihm knarrt's. Er steht auf und geht mit der Kerze hinüber. Rot fällt der Lichtschein ins Dunkel. »Schläfst du nicht, Högni?« Dicke Tränen im Auge, hat der Knabe die Fäuste unter der Decke geballt. Auf den Bettrand sitzt Gunnar zu ihm hin. »Jung bist du noch, Högni, und doch wirst du nach dem Rechten sehn müssen, so lange ich auswärts sein werde. Da halte du dich an Njal, wenn du Rat und Hilfe brauchst, und an niemand anderen, hörst du!« …

Gunnar schläft. In seinen Traum hinein summt's: »Ein grimmiger Held Räumt …« Nein, denkt er, das ist doch nicht wahr: nicht ein grimmiger Held – Gunnar heißt es! Er sucht mühsam die Worte zusammen. »Gunnar, der Held, Räumt seinen Gegnern das Feld!« Und er erwacht.


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