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Zweites Stück: Freundschaft

Frauenzank

un saß Hallgerd als Hausfrau auf Haldenende. Gewonnen hatte sie den Mann, den sie gewollt, und sie ruhte in seinen starken Armen zufrieden. Lange aber ließ sie die Herrschsucht nicht rasten. Zunächst fing sie an mit harten Worten unters Gesinde zu fahren, und wenn er es ihr verwies und sie zur Milde mahnte, empörte sie sich: weichmütig hieß sie es und eines Helden am wenigsten würdig! Und so oft er ihren Hochmut zu zügeln versuchte, trat ihm in Trotz und Haß eine andere Hallgerd entgegen als die mit dem Reichtum ihrer Schönheit ihn überschüttet. So kam es immer öfter zum Streit zwischen ihnen, und ihm ward es wie einem, der aus lindem Morgenschlummer zu rauher Wirklichkeit aufwacht.

Abseits von alledem hielt sich Rannweig, die Mutter. Die Lippen zusammengepreßt, ging sie schweigend im Hause herum – »wie ein graues Gespenst« meinte Hallgerd.

Auch zwischen seinen Brüdern und ihr kam es zu keiner Freundschaft. Sie war es gewohnt, daß die Männer alsbald ihrer stolzen Schönheit sich beugten: dazu aber taugte Kolskeggs Nacken nicht, und der des jungen Hjört bog sich ebenso schlecht. – »Störrisch sind sie mir wie schlechtgezogene Knechte!« schalt sie. Da fuhr Gunnar auf. »Verknechten willst du, scheint es, uns alle!« rief er und ward so zornig, daß sie es verspürte, ihrem Willen werde sie ihn mit offener Gewalt niemals untertan machen. Da begann sie denn damit, es hinter seinem Rücken erzwingen zu wollen und ihre Zuflucht zu trotzigen Lügen zu nehmen.

Gunnar und Njal hatten es allezeit so gehalten, daß sie einander abwechselnd in jedem Winter einmal auf mehrere Wochen besuchten. Diesmal war die Reihe an Gunnar. Er sagte es Hallgerd, sie solle sich dazu schicken, da warf sie den Kopf auf. »Was soll ich dort? was hab' ich mit dem Bauernweibe zu tun, das Njal sich zur Hausfrau gewählt hat? Soll ich sie etwa über mich zu Gericht sitzen lassen, weil meine Finger nicht krumm von Magdarbeit sind wie ihre Klauen?« Er entgegnete kurz: »Als meine Frau wirst du zu meinen Freunden mir folgen! oder ward es dir lästig, es länger zu sein?« …

»Gunnar will uns in den Jultagen aufsuchen, Thora!« sagte Njal und trat zu ihr vor dem Herde, »grad hat er mir Botschaft gesandt!« Schärfer zogen sich die strengen Falten um ihren Mund. »Das heißt wohl, Hallgerd kommt, sich von mir bedienen zu lassen! Zuwider ist sie mir auf der Hochzeit in ihrem Hochmut geworden!« »Freundlich wirst du der Frau unseres Freundes begegnen!« »Ich will's, so lange sie's will, denn das wirst du von mir nicht verlangen, daß ich mir alles gefallen lasse von ihr!« »Verlangen kann ich es nicht, daß du dich weiser als sie zeigst, aber ich wünschte es dir!«

Bald danach kamen die von Haldenende im Schlitten gefahren. Froh waren die Freunde, nach langer Zeit wieder miteinander zu hausen. Spät saßen sie am Langfeuer bis in die Nacht auf und beredeten, was ihnen am Herzen lag. Die Söhne gingen ab und zu und lauschten ihren Gesprächen, von ihnen zu lernen. An der Türe saß Thord, der Großknecht und schnitzte an der Kufe des Schlittens: freigelassen aus der Leibeigenschaft hatte seinen Vater Njals Vater, drum hieß man ihn den Freigelassenensohn; leicht ergraut war ihm schon der Rundbart, alle Kinder Thoras hatte er mitauferzogen, und sie hingen wie an einem andern Vater an ihm.

Auch zwischen den Frauen blieb es eine Weile freundliches Wetter. Thora achtete den Wunsch ihres Mannes, und Hallgerd scheute sich doch, hierin Gunnars Willen offen entgegen zu handeln. Aber immer schwerer wurde es allmählich für Thora mitanzusehen, wie Hallgerd sich im Bett bis schier zum Mittage dehnte, während sie die übrige Zeit lässig im Geplauder mit Frauen und Männern verbrachte. Und der Hausfrau strenges Schauen deutete die wiederum nicht freundlich für sich. Da fingen von Hallgerds Seite an spitze Reden zu schwirren, und darauf blieb ihr die andere die Antwort nicht schuldig.

Eines Abends brachte Helgi sein Weib Thorhalla mit zu den Eltern. Thora nahm sie bei der Hand und führte sie zur Frauenbank hinten. Dort saß Hallgerd auf dem Ehrenplatz in der Mitte. Die Arme untergeschlagen, blickte sie die beiden starr an und rührte sich nicht. »Rücke du nun vor meiner Schwiegertochter!« sprach Thora. – »Fällt mir nicht ein: ins Eck schieben lasse ich mich nicht von dir!« »Hallgerd!« rief Gunnar. Da rückte sie ein wenig zur Seite, daß Thorhalla grad noch Platz nehmen konnte, aber die Röte, die ihr in die Wangen gestiegen war, wich nicht.

Nun holte Thora Wasser zum Waschen für die Männer nach Tisch: als sie an Hallgerd mit der Schale vorbeikam, faßte die nach ihrem Arme. »Wie rot deine Hände sind, Liebe, und die Schorfnägel an deinen Fingern! Nun, dafür wächst deinem Njal auch kein Bart wie andern Männern, und so gleicht es sich bei euch wieder aus!«

Thora setzte die Schale nieder. »Richtig daran ist, daß wir einander lieb haben, und eins dem andern nicht vorhält, was ihm gebricht! Dein erster Mann Thorwald aber, der hatte einen Bart, denk' ich, und doch warst du es, die ihn erschlagen ließ in seinem eigenen Hause!« Hallgerd erbleichte vor Zorn. »Was nützt es mir nun,« schrie sie, »den ersten Kämpen auf Island zum Manne zu haben, wenn man mich ungestraft schmähen darf vor ihm?«

Gunnar erhob sich hinter dem Tische und schritt auf sie zu. »Unfrieden zwischen uns Freunden zu stiften, wird dir nicht gelingen: wir fahren heim!«

Höhnisch lachte sie auf und stieg die Stufen zur Diele hinab. Unter der Türe drehte sie sich noch einmal um nach der Hausfrau. »Wir sind noch nicht am Ende miteinander, wir zwei!« »Um so schlimmer für dich!« rief Thora …

»Nun haben sie einander Fehde angesagt, unsere Frauen!« sagte Njal beim Abschied zu Gunnar. – »Deswegen bleibt es zwischen uns doch beim Alten!« entgegnete der. – »Ja,« sprach Njal, »zum Guten wenden wollen wir's, so lange es geht, was sie böse unter sich meinen!«

 

Auge um Auge

m Sommer nach diesem Zanke der Frauen ritt Njal mit den Söhnen aufs Althing, und auch Gunnar machte sich dahin auf mit den Brüdern. »Halte dich ruhig daheim,« sprach er zu Hallgerd, »und richte mir keine Ungelegenheiten an bei meinen Freunden, während ich weg bin!« Sie lächelte tückisch hinter ihm her. »Hole der Troll deine Freunde!« dachte sie …

Ein Gehölz an der Rotenwand, kurz vorm Zusammenfluß der Zweigache mit dem Waldstrom, gehörte Njal und Gunnar gemeinsam. Sie pflegten ihren Bedarf daraus, jeder nach seinem Gefallen, zu hauen, und es hatte deshalb noch nie einen Anstand gegeben.

Swart hieß ein Knecht aus Bergthorsbühl, ein tüchtiger Arbeiter und gefälliger Bursch. Den schickte Thora zum Holzfällen hinaus.

Das wurde Hallgerd von fahrendem Volk hinterbracht. »Die denkt uns wohl auszuplündern, während die Männer auswärts sind!« rief sie, »der Sache will ich ein schnelles Ende bereiten!« Rannweig sah von ihrem Spinnrad im Eck auf. »Hausfrauen sind deshalb um nichts schlechter, weil sie keine Händel anfangen hinter dem Rücken des Mannes!« »Ei, sieh doch!« höhnte die Schnur, »ist dir die Sprache wiedergekommen: ich dachte schon, stumm geworden wärst du für immer, seit ich an deine Stelle im Hause getreten!«

Einer unter den Knechten war, der kam mit Hallgerd gut aus: Kol hieß er, dunkel von Haaren und Haut, öfter, als not tat, hafteten seine Blicke an ihrer hohen Gestalt, und sie merkte es, daß er den eigenen Willen ihr gegenüber verlor. Eines Morgens in aller Frühe trat sie auf ihn zu und reichte ihm eine Streitaxt, die sie aus der Waffenkammer des Mannes geholt. »Arbeit hab' ich für dich: in unsern Wald unter der Rotenwand sollst du reiten und den Swart von Bergthorsbühl treffen!« »Was soll ich mit ihm?« »Da fragst du noch? ein Kerl wie du, der seine Hände mehr als einmal im Blute ehrlicher Leute gewaschen! Erschlagen sollst du ihn, Tölpel!« Er verzog den Mund und ward bleich. »Gut,« sagte er, »aber in meinen eigenen Tod schickst du mich, Hausfrau, das wisse!« »Schaut den Feigling!« rief sie, »da scheut er wie ein Ackergaul bei Waffengeklirr! Bleib daheim, Bübchen: ich finde schon noch einen mit mehr Schneid!«

Rot vor Zorn und bleich vor Schmerz ward Kol: die Streitaxt schwang er auf die Schulter, ging zur Weide hinaus, fing sich einen Hengst aus der Herde und sprengte zu Tal.

Als er am Waldrand vor den Rotwandfelsen zu Boden sprang, hörte er aus dem Gehölz laute Axtschläge hallen. Er band den Gaul an einen Zweig und schlich behutsam dem Schall nach. Bald sah er zwischen den Bäumen ein Beil aufblitzen und erblickte den Swart, wie er drauf loshieb, daß die Splitter rings um ihn stoben. Von hinten her lief er ihn an. »Dreinzuschlagen weißt nicht du allein!« schrie er, »da hast du's!« und er schmetterte ihm die Axt in den Schädel …

Als er heimkam und der Frau in knappen Worten berichtete, wie er ihren Auftrag ausgeführt, hieß sie ihn einen tüchtigen Burschen. »Ich weiß nicht,« entgegnete er, »ob der Hausherr derselben Ansicht sein wird!« »Da sei du nur außer Sorge!« rief sie, »unter meinen Fittichen bist du sicher vor ihm und vor jedem!« »Mag sein,« sprach er, »aber anders ist mir's letzte Nacht im Traume erschienen!«

Sie sandte Boten aufs Althing, ihrem Manne die Neuigkeit zu berichten. Schweigend hörte Gunnar in seiner Bude sie an, und sie wurden nicht klug daraus, ob er die Sache billige oder nicht. Dann holte er einen Beutel aus der Lade hervor, zählte Geld hinein, steckte ihn hinter den Gurt und ging, Njal in seinem Zelt aufzusuchen. Er traf ihn allein an und sagte es ihm ohne Umschweife: »Den Tod eures Swart habe ich dir zu künden: erschlagen hat ihn Kol, unser Knecht, dahinter aber steckt Hallgerd!«

Njal schwieg und überlegte eine Weile, dann sprach er: »Gut wär's, wenn du dein Weib etwas fester im Zaum halten könntest!« Gunnar sah an ihm vorüber. »Da ist alle Mühe vergebens: so laut sie schilt, grad heraus ist sie nicht! jedem Zaum weiß sie hinterrücks zu entschlüpfen.« Njal blickte ihn von unten auf an. »Eine schwere Last hast du da auf dich genommen!« »Verblendet, lud ich sie selber mir auf und glaubte klüger zu sein als die, die mich warnten! Nun muß ich sie tragen. Fälle jetzt gegen mich in deiner eigenen Sache das Urteil: von vorneherein füg' ich mich ihm!« »Teuer kommen wird es dich, alles Unheil, das von ihr ausgeht, zu büßen, denn der Stein, den sie ins Rollen gebracht, reißt nun andere mit!«

Danach setzte er die Buße fest auf das Mindestmaß dessen, was für das Leben eines Leibeigenen gebührt, zwölf Unzen in Silber. »Denn ich denke, auch du wirst deine Leute nicht grad viel höher bewerten, wenn sich je etwas ereignen sollte von unserer Seite!«

Gunnar zog den Beutel hervor und reichte ihn Njal. »Gewiß nicht: da sind die zwölf Unzen!« Darauf gaben sie einander die Hand.

Als Njal den Geldbeutel daheim in die Truhe tat, sah ihm Thora zu, die Arme gekreuzt. »Und damit soll das Unrecht gebüßt sein, das sie uns angetan hat, die Hallgerd? Vor allen Leuten rühmt sie sich laut des Mordes an unserem Knechte! dürfen wir ihr das ungestraft hingehen lassen?« »Hältst du es für richtig, dich im Übeltun mit ihr zu messen, so wisse: denen wirst du zur Gehilfin damit, die, statt zu versöhnen, zerstören!« »Für mein Recht allein kämpfe ich!« »So gehört auch der Haß gegen Hallgerd, scheint es, zu deinem Rechte!«

Eines Tages war Njal mit den Söhnen auf Thorolfshöh, dem Eigengute Skarphedins, ihm bei der Heuernte zu helfen, und Thora saß allein mit der kleinen Helga in der Nachmittagssonne vorm Haus. Da kam vom Tal her ein Mann auf rabenschwarzem Hengste langsam geritten, den Helm am Sattelknopf, am Gurte das Schwert, den Speer in der Rechten. Grad saß er im Sattel, gedrungenen Leibes, kühn blickten die Augen unter der breiten Stirne hervor. Er stieg vorm Hause vom Roß und ging auf die Frau zu. »Atli heiße ich, ein freier Mann bin ich und suche Arbeit!« »Wozu bist du zu brauchen?« fragte sie. – »Jede Art Landarbeit kann ich, doch verhehle ich's nicht: der Kopf da auf meinen Schultern ist ziemlich hart, und mancher Mann mußte schon wegen meiner Wunden an seinem Leibe verbinden!« »Wenn du kein lahmer Bursch bist, um so besser!« entgegnete sie. – »Hast du hier zu bestimmen?« fragte er. – »Njals Weib bin ich, und das Gesinde steht unter mir!« »Willst du es mit mir versuchen?« »Ja,« sagte sie, »unter einer Bedingung! deine Fehler verhehlt hast du mir nicht, und so verhehle ich dir's nicht, wozu ich dich brauche: zu Willen mußt du mir sein, auch wenn ich dich einmal auf Arbeit, die nach Blut schmeckt, aussenden sollte!« »Hast du denn nicht dazu an deinem Mann und den Söhnen genug?« »Das geht dich nichts an,« sagte sie, »das ist meine Sache!« Da wurden sie handelseins.

Als Njal mit den Söhnen spät abends eintraf, fragte er, wer der Fremde da sei? – »Unser neuer Knecht,« sprach sie, »ich hab' ihn gedungen: er scheint mir zu allerhand zu gebrauchen!« »Zu Mehrerem vielleicht als grade zu Gutem!« sprach Njal. Die Brüder aber stellten sich alle vier sofort freundlich zu Atli.

Als Njal sich im nächsten Sommer zum Ritte aufs Althing rüstete, holte er einen Geldbeutel aus der Lade. Skarphedin, der dabei stand, fragte: »Woher hast du den, Vater?« »Gunnar hat mir damit den Swart vorm Jahre gebüßt!« Der Sohn bleckte die Zähne. »Da vermutest du also, du könntest ihn jetzt deinerseits nötig haben!«

Als die Männer aus dem Hause waren, rief Thora Atli vor sich. »Weißt du es noch, was du mir vorm Jahre versprochen, als ich dich eingestellt habe? Nun ist die Zeit da, es zu erfüllen: Kol, den Mörder, sollst du aufsuchen und ihn erschlagen!« »Recht so!« rief er, »ziemliche Bösewichter werden wir sein, alle beide, da ist es um keinen groß schade!«

Er nahm sofort seine Waffen auf, holte den Gaul von der Weide und machte sich auf den Weg nach Haldenende. Von dorther kamen Leute gegangen, die fragten ihn, wohin er wolle. – »Ein Pferd suchen, das uns entlaufen!« »Da wird dir Kol, der Schlagetot, am besten Auskunft geben können,« sagten sie, »er war die Tage auf der Alm droben und reitet jetzt eben heim!«

Er gab dem Rosse die Sporen und sprengte dem Kol nach, was das Zeug hielt. Kurz vor Haldenende erreichte er ihn: auf schwerbeladenem Gaule ritt er im Schritt. – »Da hast du tüchtig aufgepackt, Nachbar!« rief er ihm zu. Kol schielte unter den schwarzen Brauen hervor. »Was geht das dich an, Lumpenkerl, scher dich weiter!« »Noch nicht,« entgegnete Atli, »erst hab' ich noch ein Geschäft mit dir abzumachen, und das wird das letzte in deinem Leben sein, denk' ich!« Er holte aus mit dem Speer. Kol riß die Axt aus dem Gurte. Aber schon krachte der Spieß ihm in die Brust, und er stürzte zu Boden.

Atli ritt weiter, bis er auf die Knechte Hallgerds stieß unterm Gehöfte. »Dahinten am Weg steht ein Roß,« rief er ihnen zu, »darunter liegt Kol und ist tot!« »Erschlagen?« schrien sie. – »Kaum wird es Hallgerd so scheinen, als sei er eines natürlichen Todes gestorben!«

Er wandte den Gaul und sprengte heimwärts. Thora dankte ihm sehr für seinen Beistand. – »Wie aber wird sich dein Mann dazu stellen?« fragte er. – »Es wird ihn nicht überraschen: denn wozu hat er Gunnars Geldbeutel sonst mitgenommen, als um die Buße für Kol damit zu entrichten?«

Als Gunnar auf dem Thinge durch Hallgerd von dem Totschlag erfuhr, sandte er einen Boten in Njals Zelt mit der Nachricht. Skarphedin schmunzelte. »Schneidig sind unsere Knechte geworden: früher prügelten sie einander nur windelweich, jetzt aber greifen sie gleich zu den Waffen!«

Njal holte den Geldbeutel hervor und ging zu Gunnar hinüber. Der begrüßte ihn herzlich wie immer. »Nun hat meine Hausfrau der deinen Gleiches mit Gleichem vergolten!« sagte Njal. – »Ich kann es ihr nicht verdenken!« entgegnete Gunnar. – »So bestimme du nun die Buße!« »Es sei: zwölf Unzen werden genügen!«

Njal reichte ihm den Beutel, und Gunnar sah wohl, daß es sein eigener war, den er vorm Jahre dem Freunde gegeben.

Als Hallgerd erfuhr, er habe sich wieder verglichen, geriet sie vor Wut außer sich. Er aber kümmerte sich nicht darum.

 

Zahn um Zahn

n diesem Winter ließ Hallgerd ihren Vetter von den Westföhrden kommen, Brynjolf, den Sohn ihres Mutterbruders, des Swan. Das war ein Tunichtgut, wie auch sein Vater gewesen. Sie hatte es aber Gunnar verheimlicht. Als er den Burschen im Haus erblickte, runzelte er die Brauen und fragte, was der hier wolle. – »Meine Verwandten werden mich doch wohl noch besuchen dürfen!« rief sie, »oder tut es dir leid, das Brot mit ihnen zu teilen?« »Die Bosheit an meinem Tische zu nähren, das tut mir leid: denn in schlechtem Ruf steht dein Vetter!« »Nicht alle sind so sanft und so brav, daß sie Mord und Totschlag an ihren Leuten mit Geld abbüßen lassen!« Aber da traf sie sein Blick, daß sie zurückwich.

Der Bursch ließ es sich den Winter über wohl sein auf Haldenende … Auf Bergthorsbühl sprach im Frühjahr Njal zu Atli: »Ich wollte, du rittest nun heimwärts, ehe Hallgerd in Versuchung kommt, über deine Lebensdauer verfügen zu wollen!« »Davor fürcht' ich mich nicht: hier und nirgend anders möchte ich bleiben!« »Ratsam ist's nicht!« sagte Njal. – »Lieber ist mir's, bei euch in die Binsen zu gehn, als mich um einen andern Brotherrn zu schaun! und eine Bitte habe ich nur: laßt mich als freien Mann, der ich bin, und nicht als Arbeitsknecht schätzen, wenn mir je etwas zustoßen sollte!« »Das verspreche ich dir! und an mehr noch wird Thora wohl denken!«

Darauf ritt der Vater mit den Söhnen wie alle Jahre zum Thinge. Dort trafen sie sich mit Gunnar und seinen Brüdern und waren froh aneinander.

Unterdessen hatte Thora den Atli nach Thorolfshöh hinausgeschickt, Kohlen im Walde zu brennen, und es dauerte nicht lange, bis Hallgerd davon erfuhr. Sie suchte Brynjolf auf: der saß allein in der Küche vorm Bierkrug. »Wacker gemästet hast du dich, Vetter, bei uns, und ich habe derweil böse Blicke auszuhalten gehabt wegen deiner! Meinst du nicht, daß nun auch du mir dafür einen kleinen Gefallen tun könntest?« »Aber gern!« rief er, »zu allem bin [ich] bereit, was du wünschest!« Sie beugte sich über ihn, ihre grünen Augen erglühten. »Den Atli sollst du auf Thorolfshöh mir aus dem Weg räumen!« Er zuckte zusammen, und sein Gesicht ging in die Länge. »Das nennst du einen kleinen Gefallen?« Sie wandte ihm den Rücken und saß auf die Bank nieder. »Oh, daß mir Ziehvater Thjostolf noch lebte: jetzt erst weiß ich, was ich an ihm gehabt! dem saß der Mut nicht im Maul wie heutzutage den Jungen! Scher dich hinaus und schau, wo du unterkommst, undankbarer Bursch!« Er tastete nach ihrem Arme. »Nun, Base, nun, nur nicht so hitzig: abgeschlagen hab' ich dir's nicht! nur beraten solltest du mich: wie fange ich's an?« …

Als er vorm Walde von Thorolfshöh abstieg, nahm er eine dicke Rauchwolke wahr zwischen den Stämmen. Im blaugrauen Qualm gegen Sicht gedeckt, schlich er durchs Dickicht. Auf einer kleinen Lichtung sah er Atli hantieren: mit der Schürstange fuhr er mächtig im glühenden Kohlenhaufen herum, daß Flämmchen überall zuckten und wie bei einem Brande der Rauch quoll. So eifrig schaffte er, daß Brynjolf mit der Axt in der Faust unbemerkt bis dicht an ihn herankam. Da schwang er die Waffe hoch und hieb sie ihm in den Rücken. Aber zu seinem Schrecken stürzte Atli nicht, wie er erwartet, sondern fuhr mit dem Eisen zwischen den Schultern so heftig herum, daß Brynjolf den Schaft fahren ließ und grad noch zur Seite springen konnte; denn Atli schlug mit der Schürstange so gewaltig zu, daß sie zerkrachte. Dann sank er in die Knie. »Kein Heldenstück hinterrücks war's! hol dir nun aus meinem Buckel die Axt!«

Aber Brynjolf wagte es nicht, ihm zu nahen, bis er vollends zu Boden fiel und kein Lebenszeichen mehr gab. Danach zog er mit mächtigem Prahlen ein auf Haldenende. Hallgerd jubelte und ließ es Thora ausrichten, nun habe sie ihr die Ermordung des Kol heimgezahlt mit den Zinsen! …

»Teuer zu stehen kommen dich deines Weibes Verwandte!« rief Kolskegg, als die Brüder auf dem Thinge davon erfuhren. Gunnar suchte sofort den Freund auf. »Weißt du es schon? eine schlimme Tat ist geschehen: erschlagen ist Atli, und ich habe ihn dir zu büßen!« Njal nickte. »Auch das und Schwereres noch wird uns nicht entzweien, denn von unserem Wege werden wir uns nicht drängen lassen durch andere! Aber ein freier Mann war Atli seiner Geburt nach, und da muß ich sein Leben höher als das eines Leibeigenen werten!« – So wär' es nur billig, meinte Gunnar, sie reichten einander die Hände und waren damit von neuem verglichen.

Skarphedin hatte zugehört und lächelte spöttisch. »Hallgerd sorgt dafür, daß sie bei uns nicht an Altersschwäche eingehn, die Knechte!« Gunnar blickte ihn von der Seite an. »Hin wie her, heißt es hier wohl! denn auch deine Mutter scheint mir's nicht anders zu meinen, als daß Hieb auf Hieb folgen muß!«

Als es auf dem Thinge bekannt wurde, daß für Atli ein Hundert in Silber gezahlt worden sei, meinten manche, das sei reichlich für einen, der immerhin als Knecht gearbeitet habe. Aber Gunnar entgegnete zornig auf solche Reden: eher würden andere ihn übervorteilen wollen als Njal, und mit höherem Wergeld seien schon viele gebüßt worden, die weniger wert gewesen als Atli! …

Schwer kam Hallgerd darüber hinweg, daß sich die Männer zum dritten Male verglichen hatten, und wie sie meinte, auf ihre Kosten. »Das wirst du gewöhnen müssen!« sprach Gunnar, »keinen Hausgenossen Njals, dem du nach dem Leben stellst, werde ich je ungebüßt lassen!« »Ihr seid einander wert, du und er,« höhnte sie, »einer so brav wie der andere!«

Als Njal wieder daheim saß, sprach er zu Thora: »Wie denkst du nun darüber: soll das so weitergehn mit dem Morden?«

»Dein Versprechen hast du Atli gehalten,« sagte sie, »nun muß ich das meine erfüllen, denn auch ich habe ihm eines gegeben!« »Leid tut's mir für dich, denn dir steht es nicht an: Hallgerd hat recht, wenn sie wütet, nicht du! So sieh denn zu, wo du landest!«

Sie aber wandte sich nun an Thord, den Freigelassenensohn, ihren Großknecht. »Geschont, Freund, habe ich dich, so lange ich konnte, aber nun kommt es als letzten an dich, da mein Mann und meine Söhne in dieser Sache mir ihre Hilfe versagen: Atli rächen sollst du!« »Ein Werkmann bin ich zwar und kein Kämpe,« sprach er, »dennoch will ich es gerne versuchen, denn einer nach meinem Herzen war Atli!«

Er ritt in Waffen nach Haldenende hinüber. Hallgerd lachte, als sie ihn in Helm und Brünne herantraben sah. »Wer kommt denn da so kriegerisch her? man kennt dich kaum noch, Thord!« »Brynjolf möchte ich sprechen,« rief er. – »Am untern Anger ist er im Tal: was willst du von ihm?« Er sagte es grade heraus: »Zur Rede stellen will ich ihn wegen Atli!« Da lächelte sie von neuem. »Das wird so gefährlich nicht werden, wenn du's tust! Hast du überhaupt schon Blut gesehen außer das von Federvieh, Rindern und Schweinen, oder wenn es dir von der Nase getropft?«

Rannweig trat aus der Türe. »Unrecht tust du, ihn zu verspotten: ein Mann von Mut ist er, trotzdem er sich bisher nicht in Männerkämpfen versucht hat, und du wirst es zu deinem Schaden erfahren!«

Unterdessen hatte Thord den Brynjolf unten vorm Gehöfte getroffen, wie er grad heimritt. »Wehr dich!« schrie er ihn an, »denn zum Schurken will ich nicht werden, der dich ungewarnt niederschlägt!« Brynjolf sprengte auf ihn los mit geschwungenem Schwerte. Thord schlug mit der Axt dagegen, daß die Klinge zersprang: dann hieb er ihm, der mit dem Oberleibe zurückfuhr, das Beil in die Brust. Tot stürzte Brynjolf vom Gaul.

Ein Hirtenbub am Weg hatte, starr vor Schreck, den Kampf mitangesehen. Den schickte Thord zu Hallgerd, ihr die Nachricht vom Tod ihres Vetters zu bringen …

»Heil deinen Händen!« rief ihm auf Bergthorsbühl Thora entgegen, als er mit der blutigen Axt über der Schulter in die Hallentür trat. Njal sah auf von der Bank. »Merkwürdig, was jetzt alles für Leute zu Totschlägern werden, und du nun auch noch in deinen alten Tagen, Freund Thord!« »Eher würde man solches mit Recht von deinen Söhnen erwarten,« sprach Skarphedin scharf. – »Haltet ihr euch nur still: die Zeit wird kommen, wo ich euch nicht mehr abhalten darf, auch wenn ich es wünschte!«

Auf dem nächsten Althing suchte er Gunnar auf und bat ihn die Buße für Brynjolf zu fordern. »Viel hat der Kerl nicht getaugt,« sagte der Freund, »und schade um ihn ist es nicht, immerhin werden wir ihn als Freien einschätzen müssen!« »Gewiß,« sagte Njal, »wieviel macht es?« »Einhundert Silbers!«

Von diesen Händeln zwischen den Frauen ward überall im Lande geredet, und die Leute wunderten sich, wie die Freunde, ohne sich durch die Gehässigkeiten der Weiber beirren zu lassen, die Bluttaten so untereinander zu schlichten verstanden, daß trotz alledem keine Fehde zwischen den Sippen entbrannte.

Walgard auf Groß Tempelhof aber, der es Gunnar immer noch nicht vergessen hatte, daß er wider seine Heirat mit der Base geredet, und der nur auf die Gelegenheit lauerte, ihm ungefährdet am Zeuge flicken zu können, Walgard lächelte hämisch und sprach zu Mörd, seinem Sohne: »Nun heißt es die Ohren spitzen, mein Lieber, denn bei den Totschlägen unter den Knechten wird es nicht bleiben, wenn ich die Täubchen Hallgerd und Thora recht kenne!« Da steckten sie die Köpfe mit ihrem Nachbarn Skamkel auf Klein Tempelhof zusammen, einem törichten und verlogenen Burschen, und der Verkehr lebte auf zwischen ihnen und allen, die Njal und Gunnar neidig um ihr Ansehen waren.

 

Blut um Blut

n diesem Winter kam nach Haldenende ein Vetter Gunnars zu Gast, Sigmund Lambis Sohn, ein stattlicher Mann, schön von Ansehen, in den Waffen erfahren und ein kunstreicher Skalde. Weit herumgekommen war er zu Wasser und Land und wußte von seinen Abenteuern zu sagen, daß die Leute Maul und Augen aufsperrten. Nur etwas verwildert war er auf seinen Fahrten, und als oberstes Recht galt ihm, was ihm grad taugte.

»Ich freue mich, dir bei mir Herberge zu geben,« sprach Gunnar, »vor einem nur hüte du dich: gehört haben wirst du vom Zwiste der Frauen – laß dich da nicht hineinziehn, sonst nimmt es ein schlechtes Ende mit dir!« »Ich bin gewarnt!« sagte Sigmund.

Doch dauerte es nicht lange, da hatte ihn Hallgerd so eingesponnen mit dem Glanz ihrer Schönheit und der Gewalt ihres herrischen Wesens, daß er ihr überall nachging und ihr mehr glaubte als Gunnar. – »Einen Helden hatt' ich geglaubt zum Mann zu bekommen,« sprach sie eines Abends in der Frauenstube zu ihm: »und einen Schwächling hab' ich erhalten: denen zu Bergthorsbühl, wie sich's gehört, zu begegnen, traut er sich nicht! selber muß ich auf Rache sinnen für meinen Gesippen! wär' ich doch nur nicht ein Weib, das sich um Hilfe schaun muß bei andern!« Er warf sich in die Brust. »Da wirst du nicht weit zu suchen brauchen, mein' ich!« Ihr Gesicht rückte ihm näher. »Willst du mir beistehen? ja?« …

Bald danach ritten sie miteinander nach Grießach zu ihrem Schwiegersohn Thrain. Die drei setzten sich bei verschlossenen Türen zusammen. Da hob sie an, wider Njal und die Seinen zu hetzen und über Gunnar zu klagen. »Was das Bauernweib drüben gegen uns auch ersinnt, alles läßt sich Gunnar von ihnen gefallen: die Ehre der eigenen Sippe zu schützen weiß er nicht mehr! ganz verlassen bin ich! jetzt könntest du's zeigen, Thrain, daß du mir ein rechter Tochtermann bist!« »Ich meine,« entgegnete er, »auch du hast unter den Knechten der Thora ziemlich aufräumen lassen!« »Nichts hab' ich getan, wozu ihr Hohn mich nicht zwang. Und ihr Sigfussöhne alle werdet's noch zu spüren bekommen, wenn denen auf Bergthorsbühl der Hochmut so üppig ins Kraut schießt!«

Gunnar sah nun, daß er Sigmund vergeblich gewarnt hatte, und er meinte zu merken, worauf es mit der Freundschaft zwischen ihm und Hallgerd und ihren Besuchen bei Thrain hinauslief. Da schickte er Kolskegg zu Njal und ließ ihm ausrichten, Thord sollte acht auf sich haben, denn es gäbe welche, die sich um keinen Vergleich scherten.

Einmal – es war im Frühjahr und der Schnee schon von den Hügeln geschmolzen – stand Njal mit Thord vor der Haustür. Da hob der Großknecht den Arm. »Was ist denn das? dort in der Mulde, da liegt ja unser Geißbock im Blut!« Der Hausherr sah hinüber und dann blickte er Thord an. »Dort ist nichts!« »Jetzt ist's auch verschwunden!« rief der andere, »das war einmal seltsam: was mag das bedeuten?« »Dein Schutzgeist wird es gewesen sein, der dich gewarnt hat: sehr vorsichtig, Freund, mußt du nun sein auf all deinen Wegen und Stegen!« Aber Thord sprach gelassen: »Das wird doch nichts nützen, wenn mir's bestimmt ist, zu sterben!« Und er ging und ritt wie immer überallhin.

Inzwischen war auf Haldenende ein Freund Sigmunds eingetroffen, Skjöld mit Namen, und Sigmund hatte um Unterkunft für den Genossen auf ein paar Wochen gebeten …

Nun kam die Zeit heran, daß Njal mit den Söhnen zum Thing mußte. Diesmal wollte er auch Thord mit sich nehmen, um ihn Hallgerds Wut in Gunnars Abwesenheit zu entziehen. Vorher aber schickte er ihn noch zu den Vettern in Felsheim unter dem Inselferner mit einer eiligen Botschaft: doch sollte er dort nicht länger als eine Nacht bleiben und dann heimreiten, ohne sich irgendwo aufzuhalten. Aber auf dem Rückweg war der Waldstrom so von plötzlichen Regengüssen geschwollen, daß es unmöglich war, überzusetzen.

Vergebens wartete Njal ein paar Tage auf ihn. So ritt er denn ab und ließ ihm durch Thora ausrichten, nachkommen sollte er ihnen. Bald darauf traf Thord ein. Da meinte die Frau, nun habe er sich doch einmal verspätet, und da sollte er vorher noch geschwind nach den Knechten auf dem Meiler in Thorolfshöh sehen und von dort aus den andern folgen.

Unterdessen war aber auch Gunnar von Hause geritten …

Mörd Walgardssohn hatte sich von Groß Tempelhof aufgemacht, den Starkad mit seinen Söhnen unterm Dreihorn aufzusuchen. Da sah er Thord auf dem Wege nach Thorolfshöh traben. Sofort bog er rechts ab und sprengte nach Haldenende. Er traf Hallgerd mit Sigmund und seinem Genossen, dem Skjöld. »Wenn ihr etwas mit Thord abzumachen hättet, so solltet ihr eilen!« rief er und erzählte ihnen von seiner Begegnung.

Hastig wappneten sich die Männer und stiegen zu Roß. – »Vergeßt nicht, den Thrain von Grießach mitzunehmen!« rief sie ihnen nach.

Sie suchten ihn auf und legten sich zu dritt in den Hinterhalt am Wege, der von Thorolfshöh zur Althingebene führt.

Es dauerte nicht lange, da sahen sie Thord von der Höhe herab reiten, den Speer in der Rechten. Da fragte Thrain: »Braucht ihr beiden mich wirklich, um mit dem einen Mann fertig zu werden? Gunnars wegen nämlich bliebe ich lieber beiseit!« »Leg nur den Helm ab,« rief Sigmund, »und schau uns zu!«

Sie sprangen auf die Gäule und verstellten dem Großknecht den Weg. »Herunter vom Roß!« schrie Sigmund, »da hilft jetzt nichts: du mußt sterben!« »Erst wollen wir's doch miteinander im Zweikampf versuchen!« rief Thord und gab dem Rosse die Sporen. Sie aber fielen zu zweit über ihn her. Die Speere schlug er ihnen zu Stücken und wehrte sich wacker. Endlich wurden sie seiner doch Herr. Von Wunden bedeckt vorn und im Rücken lag er im Blute am Boden.

Vom Wegrain her kam Thrain geschritten. »Schön war das nicht mitanzusehen, wie ihr ihn hingemacht habt!« sprach er, »mich reut's, daß ich mich von der Schwieger habe aufreden lassen! Mit den Njalssöhnen wird das was geben, wenn sie vom Tod ihres Ziehvaters hören!« …

Den Kopf in die Hand stützte Njal im Zelte und sah lange stumm vor sich nieder, als er durch Gunnar den Tod seines Großknechts und alten Gesellen erfuhr. Dann sah er zum Freund auf. »Gut ist's, daß meine Söhne nicht da sind, denn sonst käm' es nimmermehr zum Vergleich. Auf der Stelle schließen müssen wir ihn, ehe sie dreinreden können. Und zwar werde ich diesmal das Doppelte dessen verlangen müssen, was du für Atli erlegt, zweihundert in Silber, sonst werd' ich sie kaum im Zaum halten können!« – Das wäre keineswegs überfordert, meinte Gunnar und legte das Geld sofort auf den Tisch …

Finster sahen Helgi und Grim, und Skarphedins Brauen zuckten, als Njal ihnen den Tod ihres Ziehvaters kund gab. »Sigmund und Skjöld waren es, die ihn mitsammen erschlugen, Thrain aber saß beiseit, die Hände im Schoße!« Skarphedins Zähne knirschten. »Viele scheinen da nötig gewesen zu sein, um dem einen Herr zu werden, und er war doch kein Kriegsmann! Wie lange noch, Vater, werden wir die Faust im Sack ballen müssen?« »Bald wird sich das ändern, aber den Vertrag gebrochen haben sollt dann nicht ihr, sondern jene!«

Sigmund und Skjöld saßen nach wie vor zu Haldenende unter den Fittichen Hallgerds, als wär' nichts geschehen.

Kolskegg grollte. »Daß du die Schurken noch länger unter deinem Dach leiden magst, Bruder!« »So duldsam gemeint, wie es ausschaut, ist's nicht!« sagte Gunnar, »ausessen sollen sie's hier und nirgend anders, was sie sich hier eingebrockt haben!« …

Im Frühjahr waren eines Tages Hausiererinnen eingetroffen in Haldenende. Da ging es in der Frauenstube eifrig zu mit Mustern und Feilschen. Sigmund und Skjöld saßen unter dem Weibervolk mitten drin. – Von Bergthorsbühl wären sie gekommen, erzählten die Händlerinnen, aber wenig verkauft hätten sie. Beschäftigt sei dort alles gewesen wie immer: die Hausfrau hätte große Wäsche gehalten, die Männer ihre Waffen geputzt und gerichtet, und die Knechte Dung auf die Wiese gefahren. – »Den hätte Vater Njal besser für sein Kinn aufgehoben,« spottete Hallgerd, »daß ihm ein Bart wüchse wie einem richtigen Mannsbild! Wißt ihr was?« rief sie, während die Weiber kicherten, »Wir wollen ihn nur noch den Ohnebart heißen und die Dungbärtler seine Söhne! Mach' uns schnell einen Vers darauf, Sigmund!« »Das werd' ich gleich haben!« rief er, »paßt auf!

Der Alte heißt der Ohnebart,
Die Jungen schlugen aus der Art:
Die Schnauzen düngten sie mit Mist,
Wie an den Stoppeln zu sehen ist!«

Lautes Gelächter scholl durch die Stube. – »Ein kostbarer Kerl bist du doch!« rief Hallgerd dazwischen, »und wie wir einander verstehen: kaum spitz' ich die Lippen, so pfeifst du!«

In dem Augenblick ging die Tür auf, und Gunnar trat herein, rot im Gesichte. Hallgerd erblaßte und wich zurück: auf einen Ruck ward es mäuschenstill in der Stube. Er sah mit blitzenden Augen von einem zum andern. »Wer je einen dieser Schandverse in den Mund nimmt, fliegt mir sofort aus dem Hause, verstanden!« herrschte er und ging hinaus.

Die Händlerinnen aber hatten sich alles wohl gemerkt und zogen mit der Geschichte von Gehöft zu Gehöft …

Zu Bergthorsbühl trat Thora an den Tisch, wo die Männer beim Nachtmahle saßen: um ihren Mund zuckte es bitter. »Herrliche Gaben habt ihr von Hallgerd erhalten, und ganz undankbare Gesellen müßtet ihr schon sein, wolltet ihr die Geschenke ihr ungelohnt lassen!« Skarphedin runzelte die Stirne. »Was für Gaben sollen das sein?« »Eure Namen hat sie verziert, und Sigmund hat es in lustige Verse gebracht: ihr heißt nun die Dungbärtler unter den Leuten und der Ohnebart euer Vater! Gunnar selbst geriet außer sich, als er's hörte, so gelassen er sonst ist! Ihr aber sitzt da wie die Klötze! Mehr Scham fühlt er für euch als ihr für euch selber!« »Nun legt sich unsere Mutter aufs Hetzen!« rief Skarphedin lachend. Aber rote Flecken traten auf seinen fahlen Wangen hervor. Helgi nagte an der Unterlippe. Stumm und starr saß Grim wie von Stein … Sie fing an von neuem zu schelten und sie zu schmähen und geriet immer ärger in Wut. Da stand Rolf auf, nahm sie unter den Arm und führte sie zur Halle hinaus. Aber sie riß sich wieder los und kehrte zurück. »Ehrlose Gesellen seid ihr und nicht meine Söhne,« rief sie, »wenn ihr des Ziehvaters vergeßt, der für uns in den Tod ging! Schändlich gebrochen ist der Vertrag, den euer Vater geschlossen!«

»Es ist genug, Thora,« sprach Njal, »verschwende nicht deine Kräfte!«

Gegen Mitternacht wachte Njal in seiner Schlafkammer auf. Da war es, als gingen Geister im Haus um: überall regte es sich, Schritte huschten, es knarrte und knirschte, sacht klirrte es wie von Waffen. Er saß auf. »Wer hat da an unsere Schilde gerührt?« flüsterte er. Thora lag offenen Auges im Bett neben ihm. »Unsere Söhne sind's!« sagte sie, »sie ziehen aus!« Njal warf den Mantel um und ging aus der Tür ihnen nach: am Hang unterm Hause schritten sie in der Dunkelheit alle vier. »Halt!« rief er, »wohin geht die Reise?« Skarphedin wandte sich um. »Auf die Schafsuche, Vater!« »In Waffen?« »Nun dann: auf Lachsfang!« »So geht denn euern Schicksalsweg!« murmelte er.

Als die Brüder sich unter der Stromhalde in den Hinterhalt legten, fing es an hell zu werden. Sie hielten sich still und spähten nach Haldenende hinüber.

Dort traten zwei aus der Türe und schwangen sich auf den Rücken der Gäule: Sigmund in rotem Wollenrock war es mit Skjöld; sie hatten ihre Waffen bei sich und ritten zur Pferdeherde hinab, die graste über der Weide unten am Bach.

»Seht ihr den Rotalben?« fragte Skarphedin, »nun schlag ich dir vor, Rolf, du bleibst zurück, denn allzu nahe haust du der Hallgerd! Ich aber will mir den Skalden vornehmen, und ihr, Helgi und Grim, laßt es seinen Gesellen spüren, wie's tut, wenn über einen zwei zumal kommen!«

Rolf setzte sich nieder, den Schild zu Füßen, den Speer an die Schulter gelehnt. Die andern rannten zur Weide hinunter. »Sieh dich vor, Verseschmied!« schrie Skarphedin, »die Dungbärtler kommen!« Sigmund sprang vom Roß, riß das Schwert aus der Scheide und schwang es: in des Gegners Schild hinein schlug der Stahl und blieb stecken: der Njalssohn riß ihn zurück, daß der andere stolperte und das Heft fahren ließ. Die Streitaxt hieb Skarphedin ihm in die Schulter: in die Knie stürzte Sigmund vor ihm. – »Jetzt hab' ich dir's beigebracht, höflich zu sein und dich zu verbeugen!« schrie der andere, »aber das langt nicht: die Erde küssen mußt du!« Röchelnd rollte der Skalde zu Boden. Der Njalssohn riß ihm den Helm weg, packte ihn bei den Haaren und schlug ihm den Kopf ab.

Unterdessen waren Helgi und Grim mit Skjöld zusammengeraten und hatten ihn abgetan, ehe er noch recht zur Besinnung gekommen.

Vom Bach unten starrte entsetzt der Pferdehüter herüber. Skarphedin winkte ihm: zögernden Schrittes nahte der Knecht. Sigmunds Haupt im Blute streckte der Njalssohn ihm an den Haaren entgegen. »Da, bring' das der Hallgerd und sag' ihr, der Dank der Ohnebartsöhne wär' es für ihre Geschenke!«

Zitternd stand der Knecht mit dem blutigen Kopf in der Hand, und kaum waren die Brüder hinter dem nächsten Hügel verschwunden, warf er ihn von sich, als wäre er glühend in seinen Händen geworden und rannte zum Hause hinauf.

Funkelnden Auges hörte Hallgerd in der Frauenstube ihn an. »Das ist gut!« zischte sie, »schade nur, daß du den Kopf nicht gebracht, wie sie dich hießen: der beste Ansporn zur Rache wär' es für den Hausherrn gewesen! aber es langt wohl auch so!« Sie ging in die Halle hinüber. »Gunnar,« rief sie, »die Njalssöhne haben deinen Vetter samt deinem Gaste erschlagen, und Sigmunds Kopf sollte der Roßhirt dir ins Haus hineintragen!« »So haben sie das Ende gefunden, das ihnen gebührt!« sagte Gunnar. Und alles Hetzen Hallgerds vermochte an seiner Gelassenheit nichts zu ändern: weder erhob er die Klage am Thinge, noch ließ er bei Njal unter der Hand auf Buße antragen.

Einige Zeit danach bekam er es mit einem schwierigen Rechtshandel zu tun, mit einer Klage, die er übernommen hatte von einem Nachbarn. Er ritt nach Bergthorsbühl und ward dort willkommen geheißen, als wäre nichts vorgefallen inzwischen. Als er seine Sache vorgebracht hatte, sprach Njal: »Das wenigste, was ich unserer Freundschaft schulde, ist's, daß ich dich berate!« und er wies ihm, wie er sich zu verhalten habe vor dem Gerichte. Danach sagte er: »Der Totschlag an deinem Vetter Sigmund ist noch nicht gebüßt!« »Er hat sich selber sein Schicksal bereitet,« entgegnete Gunnar, »und von mir aus hätte ich niemals etwas gefordert. Aber wenn du mich nun aus freien Stücken entschädigen willst, um unsere Freundschaft zu ehren, so weise ich es nicht ab, denn es wird mir sicher zugute kommen in der Meinung der Leute, wenn er nicht ganz ungebüßt modert!«

Njal zahlte zweihundert in Silber für Sigmund. Das sprach sich weit herum. Von neuem staunten die Leute, wie unerschütterlich fest sie zusammenhielten, die beiden Freunde. Und auch Thora gingen die Augen allmählich dafür auf, denn ihr Grimm war mit der Bluttat ihrer Söhne verraucht: dankbar empfand sie es, daß Gunnar nicht Rache nahm für den Gesippen, denn nun wäre es statt über die Knechte über ihre eigenen Kinder ergangen. Da begann sie es zu fühlen, daß sie besser getan hätte, dem Mahnen ihres Mannes zu folgen, ehe Atli und Thord im Blute gelegen; gesenkten Kopfes trat sie vor ihn und sprach leise: »Ich habe gefehlt gegen dich!« »Gegen dich selber hast du's am meisten,« entgegnete er.

Hallgerd aber hatte es endlich begriffen, daß alle Mühe vergebens war, Gunnar und die von Bergthorsbühl zu entzweien.


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