Edgar Wallace
Ein gerissener Kerl
Edgar Wallace

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16

Ursula Frensham saß wie in einem Traum. Ihr Glaube hatte sie nicht betrogen, so vage und unbegründet er gewesen war. Das erhoffte Vermögen war Wirklichkeit geworden. Immer wieder las sie Tonys Brief:

. . . Wenn ich Ihnen raten darf, verkaufen Sie nicht eine einzige Aktie. Haben Colburns Freunde recht, dann sind sie jede Summe wert; täuschen sie sich, wäre es unrecht, andere hineinzulegen. Der einzige, der Schaden erleiden kann, falls die Geschichte von den neuen Quellen unbegründet ist, bin ich, denn ich bin der Hauptkäufer gewesen. Ich brach in den Markt ein und räumte alles fort, was da herumschwamm, ehe meine Freunde in der City noch recht aufgewacht waren.

Es gab aber auch Leute, die nicht die Geduld hatten, zu der Tony riet. Ein gewisser Inspektor von Scotland Yard, der tausend Stück gekauft hatte, läutete seinen Mentor dreimal in zwei Stunden an und kam schließlich selbst angerückt.

»Zum erstenmal in meinem Leben habe ich Aktien gekauft«, jammerte er, »und sie quälen mich zu Tod, Mr. Braid. Jedesmal, wenn die Zeitung kommt, fürchte ich, ich bin ruiniert. Allmählich verstehe ich, warum Börsenleute so gefährdet sind. Nichts treibt einen Mann so sicher zum Verbrechen wie die Börse!«

Tony schlug vor, ihm die Aktien zum letzten Kurs abzunehmen. Mr. Elk schwankte.

»Wenn sie dann steigen«, warnte er Tony, »würde ich so wütend werden, daß ich für meine Handlungen nicht einstehen könnte. Ihr Leben hinge an einem Haar. Ich werde immer mehr zum Jobber. Das haben die Aktien aus mir gemacht. Gestern flüsterte mir einer zu – ein ganz hochstehender Mann noch dazu –, wenn ich viel Geld verdienen wollte, sollte ich nur in Diamanten à la baisse spekulieren.«

Tony blickte verdutzt auf.

»Ist das Ihr Ernst?«

»Jawohl«, bestätigte Elk, »ein ganz großer Mann.«

Er nannte den Namen. Es war, wie Tony erkannte, eine der wenigen Firmen in der City, die mit Julian Reef Geschäfte machte.

»Dieser Mann behauptete, Diamantenaktien würden stürzen. Er riet mir zu Differenzgeschäften, dieser sympathischsten Form des Diebstahls.«

Das gab zu denken. Noch lange, nachdem Elk gegangen war, saß Braid und brütete. Der Diamantenmarkt war fest. Die Hauptpapiere hatten seit Monaten den gleichen Kurs. Jeder Versuch, ihn zu senken, war gescheitert, obwohl gerade diese Aktien einst die empfindlichsten auf dem Minenmarkt gewesen waren. Er telefonierte den ganzen Nachmittag. Sprach mit bekannten Cityleuten, die ein vitales Interesse an dieser Industrie hatten, konnte aber keine Auskunft erhalten, die einen möglichen Kurssturz erklären konnte. Die Ausbeute war gut, und die Abnehmer der ganzen Welt verschlangen das gesamte Angebot, das Afrika auf den Markt brachte.

»Offenbar hat man Elk getäuscht«, dachte er und vergaß die Angelegenheit, bis . . .

Er ging in Ascot in seinem Garten spazieren, als der Diener ihn ans Telefon rief. Er erkannte die Stimme eines der größten Makler auf dem afrikanischen Markt.

»Was ist mit de Mesnes passiert?« rief er.

»Was soll denn passiert sein?«

»Sie sind heute morgen um drei Pfund gefallen, und alle Diamantenpapiere stürzen nach. Haben Sie etwas von einem gewaltsamen Einbruch gehört?«

Da erinnerte Tony sich an die Worte des Detektivs.

»Fragen Sie mal bei Bell und Steen an«, riet er und nannte den Namen der Firma, die Elk erwähnt hatte. »Vor einigen Tagen habe ich einen Tip bekommen, daß die vielleicht die Hand im Spiel haben.« Sehr bestürzt hängte er den Hörer ein. Daß der Hauptteil seines Vermögens in Diamantenaktien angelegt war, berührte ihn wenig. Er hatte in der letzten Woche ein Vermögen an Lulanga-Öl gewonnen und würde wahrscheinlich daran noch weiter gewinnen. Aber warum fielen Diamanten in einer so dramatischen, unverständlichen Weise?

Er hätte das Drama begriffen, wenn er gewußt hätte, was seit einigen Nächten in einer gewissen kleinen Fabrik zu Greenwich vorgegangen war.

 


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