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Es mußte doch etwas Wahres an den Gerüchten sein, die über Fürth's Verhältnisse bei seiner Rückkehr in Umlauf waren.
Er, dem seine Häuslichkeit, seine mit allem Comfort, aller Eleganz des Sport eingerichtete Wohnung bis dahin, wenn er seine Freunde nicht bei sich sah, nur eine Stätte des Ausruhens gewesen, verbrachte die ersten Tage daheim oder warf sich in den Sattel und ritt auf Umwegen zur Stadt hinaus.
Die Gesellschaft, großentheils schon von den Bädern zurückgekehrt, nahm seine Isolirung wie eine Verletzung hin. Selbst am Hofe begann man die Achsel zu zucken. Fürth war auch an diesem eine unentbehrliche Person geworden.
Er verreiste bereits nach wenigen Tagen, um mit seinen Gegnern einen Vergleich anzubahnen, was ihm sein Advokat gerathen, denn in der That war sein Prozeß zu seinen Ungunsten entschieden und die Umstände waren der Art, daß ihm kaum noch irgend eine Hoffnung blieb.
Stella fand bei ihrer Ankunft in Constanze's Wohnung ihre Zimmer in bester Ordnung, und erfuhr durch ein ihrer wartendes Billet Erwin's, daß eine kurze Geschäftsreise ihm unabwendbar geworden, daß er in wenigen Tagen zurückkomme.
Der Ton dieses Briefes war ein wenig kühl, aber die Zeilen waren ja in Hast geschrieben. Stella barg ihn nicht minder freudig an ihrer Brust.
Sie fühlte sich so frei in ihrer neuen Behausung. Helmine hatte sie zwingen wollen, zu ihr zu kommen, aber da draußen, und jetzt, da der Winter kam, – und wie hätte sie Erwin sehen sollen!
Helmine schrieb auch, Richter habe sich zu einem Besuch am nächsten Sonntag angemeldet; er sehne sich, sie zu sehen und dürfe es ja nicht wagen, ihr seine Aufwartung zu machen. Richter bitte so dringend, es sei große Wahrscheinlichkeit, daß er demnächst mit einer Kommission nach Amerika reisen müßte, um dort ein großes Bauwerk in Augenschein zu nehmen; er könne nicht reisen, ohne sie vorher gesehen und ihr gesagt zu haben, was er bisher nicht über die Lippen gebracht.
Warum konnte er nicht reisen! Was er ihr zu sagen hatte, wollte sie nicht hören. Sein Dienst als Remorqueur war ja zu Ende. Was für ein Gesicht sollte sie ihm zeigen! ...
Dennoch beschloß sie, hinaus zu fahren; sie wollte draußen unwohl erscheinen und durch ihr Kommen also ein Opfer bringen.
Sonderbar war ihr des Vaters Benehmen. Sie hatte ihn nach ihrer Rückkehr in einer Zeile um Geld gebeten, und er sandte ihr eine Bagatelle mit dem Hinzufügen, seine Kapitalien seien augenblicklich an der Börse so versteckt; er sende nächstens mehr.
Constanze hatte sie um eine Summe als Vorausbezahlung für Wohnung und Beköstigung gebeten und sie mußte diese jetzt warten lassen. Constanze trieb viel Luxus, und doch klagte sie, ihr Vater halte sie so knapp, sie wisse gar nicht mehr, woher sie ihre Toilette nehmen solle. Sie ging auch Abends häufig allein aus, um bei ihren Freunden Hülfe zu suchen.
Ihr Vater, Herr Neuhaus, der doch eine so achtbare Stellung als Kaufmann und Magistratsperson einnahm, kehrte auch immer erst Abends spät heim und nahm dann ein wenig kalte Speise zu sich, die Constanze für ihn bereit gestellt. Er speiste dann ganz allein und arbeitete noch, weil er die Führung der Bücher für einige kleine Geschäftsleute übernommen. Das eigene Geschäft mochte nicht mehr genug abwerfen.
Stella fühlte sich in ihrer neuen Stellung doch nicht so wohl, wie sie erwartet hatte. Constanze zeigte zuweilen eine so nervöse Laune. Sie hatte oft ein Theaterbillet, auch zwei, von denen sie eins Stella anbot. Diese lehnte gewöhnlich ab; sie wollte Erwins Rückkehr erwarten. Constanze fragte sie auch eines Abends, ob es wahr sei, daß Herr von Fürth sein Vermögen verloren.
»Aber was kann daran liegen,« setzte sie hinzu, »Dein Vater ist ja so reich, und der Titel Baronin von Fürth ist auch etwas werth ... Vielleicht verheirathe ich mich auch mit einem hübschen jungen Kaufmann, der während Du fort warst, öfter zu uns kam. Er ist viel auf Reisen und wird wohl zum Winter oder Frühjahr erst zurückkehren, um sich hier zu etabliren. So lange kann ich warten.«
Constanze sah recht blühend und hübsch aus; ihre Gestalt hatte sich zu ihrem Vortheil entwickelt. Wenn sie spät Abends im Negligé, Hals, Brust und Arme entblößt, des unbequemen Panzers ledig, noch zu Stella kam, um zu plaudern, bewunderte diese den schönen Gliederbau ihrer Freundin. Es erschien ihr so natürlich, daß sie Anbeter fand, aber es fiel ihr auf, daß der Ton dieses Mädchens jetzt viel freier klang; ihr Umgang mußte daran schuld sein. Constanze's rothblondes Haar hatte namentlich Abends eine seltene Wirkung; sie selbst war so stolz auf diese Zierde.
»Seit Du diesen Fürth liebst, bist Du wie umgewandelt,« sagte sie eines Morgens, als sie vor dem Spiegel saß und ihr langes goldiges Haar durch den Kamm gleiten ließ. »Es ist überhaupt recht einfältig, daß wir Mädchen so gar nichts von der Welt genießen sollen, bis wir geheirathet werden und Kinder kriegen, während die Männer, wenn sie heirathen, schon Alles getrieben haben, was Gott verboten. Die Frau Baronin von Wolffen zum Beispiel, die über uns wohnt, ist ganz gescheidt. Sie ist zufrieden, daß ihr Mann gestorben, denn sie kann jetzt thun, was sie Lust hat. Niemand fordert von ihr Rechenschaft, wenn sie sich das Leben angenehm macht. Ihre Kinder werden auf Staatskosten erzogen und da sind sie ihr nicht lästig. Sie sagt: sie danken es mir später doch nicht, wenn ich mir um ihretwillen das Leben verkümmerte.«
Stella betrachtete, kaum hörend, das neue Kleid, das sie auf dem Sopha liegen sah.
»Ich hoffe es zu bezahlen, wenn Du mir Dein Geld giebst,« sagte Constanze lächelnd. »Meine Rechnung bei der Schneiderin wächst bedenklich, aber ich kann doch nicht so in Lumpen einher gehen, wie es der Vater verlangt. Wenn es nach ihm ginge, müßt' ich immer in der Küche stehen und die Kartoffeln schälen. Ich würde doch nie einen Mann heirathen, der mir das zumuthete. Der Vater hat keine Idee, was Kleider kosten; ich nenne ihm deshalb immer nur den dritten Theil davon. Uebrigens rechne ich sicher darauf, daß mein Lotterie-Loos gewinnt; ich habe es geschenkt bekommen, und dergleichen bringt Glück.«
Stella in ihrer Herzensunruhe hörte das Alles an; sie hatte Constanze's reiferen Lebensanschauungen sonst immer beigepflichtet; augenblicklich dachte sie sehr gleichgültig über Alles, was nicht sie selbst betraf.
Uebrigens glaubte sie, Constanze doch bald verlassen zu müssen. Fürth hatte ihr beim Abschied in dem Schweizerthal mit heiligen Eiden geschworen, sobald sie zurückgekehrt, bei ihrem Vater um ihre Hand anzuhalten, und vielleicht paßte später für die Frau von Fürth, die bei Hofe verkehrte, der Umgang mit Constanze Neuhaus nicht mehr, wenn diese einen Kaufmann heirathete.
Die Letztere reizte sie zuweilen auch muthwillig, ihr erzählend, was sie über Herrn von Fürth gehört. Die Frau Baronin von Wolffen kannte ihn auch; er sollte schon gar zu viel Verheerungen unter den Weiberherzen angerichtet haben. Es sprach aus Constanze offenbar nur der Mädchenneid.
Stella kam am Sonntag zu Helmine. Richter war da. Ihm lag, während er zu ihr sprach, immer das Herz im Auge und auf der Zunge, aber sie wußte ihm das Wort abzuschneiden und vermied, mit ihm allein zu sein. Es war ihr immer, wenn sie ihn anschaute, als sei es allerdings recht Schade, daß sie ihn nicht lieben könne.
Auch Helmine sagte ihr unter vier Augen von den Gerüchten, die über Fürth im Gange. Sie hörte nicht darauf. Sie sprach ihr auch von Richter, und Stella meinte, davon könne man ja reden, wenn er von Amerika zurückkehre. Helmine sprach endlich auch flüchtig von Carl Holstein; Stella antwortete ihr, er sei gestern vor ihrer Wohnung gewesen und habe dringend gebeten, vorgelassen zu werden, aber sie sei eben beim Ankleiden gewesen und habe doch so allein einen jungen Mann nicht empfangen können.
»Er war gestern auch bei uns«, sagte Helmine. »Er scheint noch immer ganz toll in Dich verliebt zu sein; ich mußte ihm eine Photographie von Dir geben. Er ist übrigens noch zu jung; Richter ist eine viel bessere Partie für Dich. Sei nicht so kalt gegen ihn und sag' ihm einige ermunternde Worte.«
Helmine glaubte nicht an Stella's Unwohlsein, mit dem diese sich bei ihrem Erscheinen entschuldigt hatte. Sie fürchtete einen Rückfall des Mädchens. Aber Fürth war ja verreist und das beruhigte sie.
Stella brach früh auf. Richter begleitete sie zur Stadt zurück. Er sprach unterwegs von seiner amerikanischen Reise und seiner baldigen Rückkehr, und Stella hörte ihm ruhig zu.
Er verlange von seiner Gattin keine überschwengliche Liebe oder Leidenschaft, die in der Ehe ja doch nicht bestehen könne, hatte er schon in der Schweiz einmal gesagt; nur ein gutes Herz müsse seine Frau haben.
Er that ihr leid. Das war Alles, was sie in dem ihrigen für den geraden, ehrlichen Mann aufbringen konnte. Aber sie versprach, ihm vor seiner Abreise noch einmal bei Helmine begegnen zu wollen.
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