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8.

Lenning, der, jetzt ohne Amt und Beschäftigung, seine Klage auf Scheidung mit Beanspruchung des vierten Theils des Vermögens seiner Gattin eingeleitet und seine unangenehmsten Gläubiger auf die unfehlbar für ihn günstige richterliche Entscheidung vertröstet hatte, fühlte das Bedürfniß, in ruhiger Ueberlegung einen neuen Lebensplan zu entwerfen. Vielleicht aber war's mehr das Verlangen, den Fragen seiner kleinen Gläubiger aus dem Wege zu gehen, was ihn bestimmte, ganze Stunden des Tages in seiner Wohnung zu verweilen.

So öde, so nüchtern war's ihm aber in dieser! Stella war nach Auershof zu Helmine hinaus geschickt. Josephine begegnete ihm schweigend, mit schwerem Vorwurf im Auge. Er sprach nicht mit ihr, selbst nicht, als sie den Wunsch äußerte, in ihre Heimath Elsaß zurück zu gehen, da sie überflüssig geworden.

»Bleiben Sie!« war seine Antwort, obgleich er selber nicht wußte, zu was er sie behalte. Er schloß sich in sein Zimmer ein und gab Ordre, er sei für niemand zu Hause.

Indeß, es ward von Morgens bis Abends an seiner Thür geschellt. Alle, die Forderungen an ihn hatten, waren in Besorgniß um ihr Geld. Und der unglückliche alte Mann, der Pfeiffer, kam täglich, seit er wußte, daß Lenning zurück. Er verlangte aufs inständigste, ihn zu sprechen. Er weinte vor seiner Thür, er sei ja unschuldig; er habe einmal unvorsichtig den eisernen Geldschrank offen gelassen, als er hinausgegangen, Lenning sei im Bureau gewesen, er könne ihm gewiß sagen ...

So jammerte er Josephinen vor, als er nicht zu ihm dringen konnte, laut schluchzend, sein Dasein verfluchend, um sein armes Kind weinend.

Dieser Pfeiffer mit seinem Wehklagen, das fortwährende Schellen an seiner Thür, dazu der monotone Gesang Frettchens unter seinen Fenstern, die unheimliche, öde Wohnung. – – Seine Nerven zerrütteten sich.

Aber wo hinaus? Der Scheidungs-Prozeß konnte sich in die Länge ziehen. Er wagte nicht, sich zu zeigen; er war schimpflich abgesetzt und dieser Pfeiffer, was mochte der zu seiner Rechtfertigung den Leuten Unwahres erzählen! Was wußte er, wo Pfeiffer mit dem Gelde geblieben!

Nowinkow, der reiche Russe, der, wie ihm die bestochene Zofe gestanden, von Eliza empfangen wurde, hatte ihm allerdings Anträge gemacht; aber Nowinkow war jetzt sein Feind. Freunde, die ihm helfen konnten, besaß er nicht – nur Eine hatte ihm ihr Wohlwollen immer erhalten: die Gräfin Mompach, deren Schwager, der pensionirte General, Jahre lang seiner Frau den Hof gemacht, während er bei der Gräfin aus- und einging, einer geschiedenen Frau von jetzt fünfundvierzig Jahren, die ihre besten Jahre in Pest als Gattin eines hohen österreichischen Beamten verlebt, diesen verlassen, sich dann Jahre lang in Paris aufgehalten und erst, als es ihr an Erfolgen zu fehlen begann, nach Deutschland zurückgekehrt war.

Nur der krasseste Egoismus hatte Lenning früher verleiten können, sich dieser aufgeschminkten Kokette zu nähern, die, damals eine vermögende Dame, ihm allerdings dafür dankbar gewesen sein sollte.

Indeß er hatte damals wenigstens der Welt gegenüber einen Vorwand gehabt. Die Gräfin lebte mit ihrem Schwager, dem General, in Fehde um den Besitz des von ihr bewohnten alten Mompach'schen Hauses. Lenning galt als ihr Rathgeber in dem Zank, der endlich dahin geschlichtet worden, daß die Gräfin dem Schwager, der sein Vermögen bis auf einen Rest im Spiel und an die Weiber verloren, die obere Etage des alten Familienhauses für seine Lebenszeit abtrete. Und Beide vertrugen sich seither in dem Hause, obgleich sie in ewigen Meinungsverschiedenheiten lebten.

Der General, eine hochgewachsene Greisengestalt mit seinen aristokratischen Zügen, vom Podagra befallen und alle vier Wochen sein Schlafzimmer wechselnd, weil er behauptete, es sei feucht, war ein Kavalier der alten Schule, in dessen Augen Alles, was nicht über ihm oder neben ihm stand, nur Crapule. Sein Prinzip war aber, diesen armseligen unteren Klassen mit dem Beispiel der Gottesfurcht voranzugehen. Neben seiner Furcht vor Gott kannte er nichts als die Verehrung für das Weib; im Uebrigen liebte er einen steifen, reservirten Ton.

Er hatte seine Hand in allen Frauenvereinen, sein Coupé hielt stets nur vor den Thüren von Patronnessen; er verkehrte in keiner Familie, in der er nicht eine liebenswürdige Frau oder Tochter wußte, und in deren Gesellschaft war er dann der alte Ritter, der in vielen Tournieren bestanden.

Und sonderbar genug: als er in das Haus zog, war's ihm ein Dorn im Auge, daß seine Schwägerin sich einen Kutscher von stattlicher hübscher Erscheinung und einen Diener mit glattem, fast mädchenhaftem Gesicht hielt, daß ferner Lenning, ein immerhin hübscher Mann, auch ferner noch stundenlang in ihrem Boudoir saß, Abends oft seinen Thee bei ihr trank und sie, die doch schon über die Jugendthorheiten hinaus, diesen Mann stets in kokettester Toilette empfing.

Ein Weib, das in diesem Alter nicht mehr oder nicht schon tugendhaft, räsonnirte er, hat den Teufel im Leibe, und ein Mann, der sie da noch zu lieben anfängt, ist entweder ihr Schüler oder ein Lump.

In dem letzteren Licht erschien ihm dieser Lenning.

General Mompach lachte boshaft, wenn seine Schwägerin sich für Jünglingsvereine, Handwerkerschulen und dergleichen interessirte, und sie gab ihm das zurück, wenn sie ihm im Vorsitz von Frauenvereinen begegnete. Er erreichte es aber doch, daß die Gräfin den hübschen Diener abschaffte und dafür in den Zeitungen eine die Stelle einer Zofe und Gesellschafterin bekleidende Person suchte.

Marie Christel hatte sich auf diese Anzeige gemeldet. Sie gefiel der Gräfin. Der General hatte Manches an ihr auszusetzen, aber gerade deshalb wählte sie das Mädchen und nannte sie Marion. Der General schmunzelte heimlich; er hatte die Schwägerin überlistet; hätte Marion seinen Beifall gehabt, das hübsche Mädchen wäre nicht engagirt worden ...

Lenning hatte die Gräfin seit längerer Zeit vernachlässigt, obgleich sie ihn immer noch gern gesehen.

Sie hatte vor kurzem erst einem wohlthätigen Verein eine nicht unbedeutende Summe geschenkt. Sie mußte also bei Kasse sein.

Er kleidete sich an, um ihr seinen Besuch zu machen und ihr sein altes Lied, das Unglück seiner Ehe, zu klagen.

Sie empfing ihn freundlich, aber reservirt, denn der General saß eben bei ihr in Gesellschaftstoilette; sein Coupé stand vor der Thür.

Ihm war er sichtbar wenig willkommen. Der General war auch schlechter Laune, verheimlichte aber die Ursache. Marion war bereits wieder aus dem Hause gethan; die Gräfin hatte bisher geduldet, daß sie ihm Abends die gichtischen Füße umwickelte, nur um ihn, der Anfangs so Vieles gegen sie hatte, günstig für das arme Mädchen zu stimmen, und das war ihr der Art gelungen, daß sie, endlich doch Verdacht schöpfend, Marion in die Diakonissen-Anstalt gebracht.

Der General hatte von Lennings Amtsentsetzung gehört und seiner Schwägerin bei der Gelegenheit wieder Vorwürfe gemacht, daß sie einen Mann wie diesen begünstige. Er zeigte Lenning bei dessen Eintreten also eine saure Miene, erhob sich, ohne mit ihm zu sprechen und verabschiedete sich.

»Sie Unglücklicher,« rief die Gräfin, mit Lenning allein, ihm in einer rosa Atlas-Hausrobe, deren Brust und Vordertheil mit Pensées gestickt, entgegen rauschend, und seine Hand ergreifend, die er galant an seine Lippen führte, und ihm teilnehmend in das erschlaffte Gesicht blickend. »Wußten Sie denn nicht, daß der Handschuh, den Sie Ihrer Frau hinwarfen, jedenfalls von dem Prinzen aufgenommen werde? Man skandalirte gestern Abend bei der Prinzessin Georgine über Ihre plötzliche Amtsenthebung. Der Prinz ist imbecile geworden; die Gewalt, die dieses schöne Weib so viele Jahre auf ihn geübt, hat ihn auch körperlich herunter gebracht, denn sie ist wirklich noch von unbestreitbarer Schönheit. Er sieht sie zwar nur selten noch, weil sein Arzt ein Machtwort gesprochen, aber ein Wink von ihr genügt immer noch, um ihn zu jeder Unbesonnenheit zu bestimmen ... Armer Freund!«

Sie drückte seine Hand, schaute ihm so theilnehmend, bedauernd ins Auge und führte ihn zu dem Sessel, den der General inne gehabt.

Die Gräfin, korpulent, mit wunderbar schöner, fleischiger Hand, das strohgelb gefärbte Haar in kurzen Löckchen über dem meisterhaft mit künstlicher Jugendfrische überzogenen Gesicht, den schwarzen, wachholderfarbigen, listigen und lustigen Augen und dem kräftigen, bis zur Schulter entblößten, faltenlosen Halse – sie lehnte sich in ihren Sessel ihm gegenüber zurück, legte die schönen Hände in den Schooß und streckte die in zierlichen Pantoffeln steckenden Füßchen auf einen Schemel.

So saß sie und betrachtete ihn mit wehmüthigem Lächeln. Die gestickten Pensées auf ihrer Brust wiegten sich in melancholischen, wohlwollenden Tacten. Sie liebte die Männer und machte kein Hehl daraus.

»Ich wußte das Alles, Gräfin!« Lenning blickte düster vor sich nieder. »Meine Existenz war eine unwürdige; ich ertrug sie schon zu lange, um ... meines armen Kindes willen.«

»Das sehr hübsch zu werden verspricht! Nehmen Sie die Kleine in Acht; sie fällt auf, und fast möcht' ich meinen: sie sucht aufzufallen. Ich begegne ihr zuweilen ... Doch sprechen wir von Ihnen, Lenning! Was kann ich für Sie thun?« Sie nahm seine Hand.

Lenning zuckte die Achsel.

»Ich sehe mich vis-à-vis de rien!« seufzte er. »Dieser Schlag hat mich dennoch unvorbereitet gefunden.«

Die Gräfin schüttelte den blonden Kopf.

»Haben Sie Vertrauen zu Ihrer alten Freundin, die von Ihnen so lange vernachlässigt, und oft an Sie gedacht hat. Ich weiß zwar selber nicht, wie ich helfen kann ...«

Lennings Miene zeigte die größte Verzweiflung.

Sie hob sich im Sessel und zog ihn an sich. Lenning kniete vor ihr nieder, küßte ihre Hände und barg sein Antlitz in denselben. Sie fühlte eine Thräne auf der Hand und legte die andere auf sein Haupt.

»Stehen Sie auf!« sagte sie teilnahmsvoll. Sie hob seine Stirn und sah sein Antlitz verstört, denn Lenning hatte wirklich einen Moment, in welchem er sich gänzlich zerknirscht fühlte. Er ließ sich auf den Schemel zu ihren Füßen sinken und beugte die Stirn, während sein Arm auf ihren Knieen lag.

»Die Zeit ist augenblicklich eine so ungünstige«, sprach sie mit warmer Stimme, ihn vor sich duldend. »Es ließe sich sonst aus dem Umstand, daß man Sie so plötzlich und rücksichtslos Ihres Amtes enthoben, zu Ihren Gunsten Vortheil ziehen, denn am Hofe nimmt man jedenfalls Partei für Sie, zumal man weiß, daß Nowinkow und Andere da draußen aus und ein gehen, von meinem Schwager, dem alten Roué, gar nicht zu sprechen, der wohl der Unschädlichste von ihnen ist. Aber in diesem Moment, wo es allen Anschein hat, als sollten wir Krieg mit Frankreich bekommen, wird mir niemand Rede stehen. Alles hat den Kopf verloren.«

Lenning zuckte zusammen; er schaute überrascht auf ... Krieg? Er fühlte, daß nur das Ungewöhnlichste ihm Rettung bringen könne. Schon in den einsamen Stunden in seiner Wohnung hatte er gewünscht, die Erde möge sich aufthun und Alles verschlingen. Er hatte sich während der letzten Tage so von der Welt abgeschlossen, daß er nichts von Dem erfahren, was dieselbe mit so plötzlich sich aufthürmender Drohung in Athem erhielt.

Krieg! Das war eine Revolution, die das Unterste zu oberst kehren und auch ihn, dem das Grundwasser bereits bis an die Brust ging, wieder in die Höhe bringen konnte.

Was allen Anderen das Herz mit Bange klopfen machte, die Aussicht auf die blutigsten Eventualitäten, ihm klang das wie eine Himmelsbotschaft.

»Ich kann es Ihnen anvertrauen, lieber Freund. Der General ist eben schon in's Kriegsministerium gefahren, um zu horchen, ob es Neues giebt. Er ist sehr besorgt, denn er hat seine ihm übrig gebliebenen paar Thaler in französischer Rente angelegt und ist ein heimlicher Anhänger Frankreichs!«

»Krieg!« hallte es noch in Lennings aufathmendem Herzen. Mochten Hunderttausende zu Grunde gehen, wenn ihm nur Hülfe ward! ... Krieg! das bedeutete vor Allem ein Moratorium, eine Rechtfertigung zur Nichtbezahlung seiner Schulden. Er hätte ja vielleicht bezahlen können, wenn der Krieg nicht gekommen wäre! Er hörte schon die Trompeten, sah die Truppen zur Stadt hinaus ziehen ... O, bräche er morgen schon aus! ...

Lenning fand kein Wort. Nur seine Hand suchte dankbar die der Gräfin auf deren Knieen; er preßte sie und sie litt es.

»Wären Sie Soldat, Sie könnten Ihr Glück machen!« sagte sie nachdenkend. Dann die freie Hand an das Kinn führend: »Ich habe aber trotzdem eine Idee, ja, eine ganz gute Idee!«

Lennings Hand preßte die ihrige drängender, banger.

»Sie kennen Herrn Rafael Moritzsohn?«

Lennings Hand bebte leise. Der Name bot ihm am wenigsten Rettung, denn auch von diesem Bankhause war ihm ein Wechsel präsentirt.

»Moritzsohn war heute Morgen bei mir, er besorgt mir zuweilen Geschäfte an der Börse. Er bat mich dringend, den Einfluß meines Schwagers im Kriegsministerium aufzubieten wegen Armee-Lieferungen, die er im Kriegsfall übernehmen möchte.«

Die Gräfin überlegte; Lenning horchte athemlos. Er sah Licht.

»Moritzsohn ging so weit, mich an dem Gewinn betheiligen zu wollen, mehr noch sogar wenn ich mich mit Kapital betheilige, natürlich nur der Form wegen. Er durfte das wagen, denn wir haben so oft schon vom Gewinnen und Verlieren gesprochen. Wie beständig ich nun auch mit dem General in Zank liege in solchen Dingen habe ich Einfluß auf ihn; er ist habsüchtig und ich brauche ihm nur einen kleinen Profit in der Ferne zu zeigen ... Stehen Sie auf, lieber Freund! Lassen Sie uns die Sache überlegen!«

Sie half ihm sich erheben. Er mußte sich ihr gegenüber setzen.

»Um Ihnen die ganze Wahrheit zu sagen: der Krieg ist unvermeidlich; jeder Tag, jede Stunde kann ihn entscheiden; ich begreife nicht, in welcher Welt Sie gelebt haben, um nichts davon zu wissen! Der General überbringt dem Ministerium die Nachrichten, die er heut Morgen von seinen hohen Freunden in Paris erhielt. Ich schreibe sofort eine Zeile an Moritzsohn; er soll heute Mittag noch kommen. Sie, lieber Freund, haben in mir den Ausschlag gegeben. Moritzsohn soll die Lieferungen bekommen unter der Bedingung, daß er, sei es zur Wahrung meiner Interessen in dem Geschäft oder wie sonst, Sie mit einem Antheil interessire, daß Sie seine rechte oder linke Hand seien.«

Lennings Gesicht bedeckte sich mit hoher Glut. All das Blut, das in seinen Adern gestockt, während sie sprach, strömte zur Stirn. Hunderttausende waren zu gewinnen! Er konnte fort, auf der Stelle, sobald der Krieg erklärt, seinen Gläubigern vorläufig entrinnen und dem alten Pfeiffer, der ihm an allen Ecken auflauerte und allen Leuten schon erzählte, er wisse wohl, auf wen er den Verdacht werfen solle, aber er finde nicht einmal einen Advokaten, der seine Sache annehme.

»Lassen Sie, lieber Freund!« Sie wehrte ihm ab, als er ihre Hände mit Küssen bedecken wollte, und erhob sich lachend, ihm einen zärtlichen Schlag auf die Wange gebend.

»Ich schreibe sofort.« Sie eilte an ihr Bureau.

»Moritzsohn wird geflogen kommen; ich dictire ihm meine Bedingungen und dann fehlt uns weiter nichts als ... der Krieg.«

Mit gekreuzten Armen und hoch pochendem Herzen stand Lenning nur wenige Minuten an eine Etagère gelehnt, während die Gräfin, ihm den Rücken wendend, ihre Hand über das Papier führte.

Sie hatte eben den Brief geschlossen und sich erhoben, als der General sich wieder melden ließ.

»Ein gutes Zeichen!«

Hastig barg sie das Couvert im Busen; ein Blick sagte Lenning: es wird da nicht vergessen werden.

Der General trat ein mit sehr erregter Miene. Er sah mit Unwillen den abgesetzten Hofstaatssekretär noch da und wandte sich an die Gräfin, die bereits auf seinem Gesicht gelesen, was vorging.

»Ich danke Ihnen für Ihren Besuch,« sagte sie zu Lenning mit Herablassung, ihn verabschiedend, aber eine einzige Bewegung ihres Augenlids verständigte ihn.

»In einer Stunde hier!« flüsterte sie und Lenning empfahl sich, ohne daß der General von ihm Notiz nahm.

»Der Krieg ist da! Der Beschluß des Senats wird noch heute erwartet; er kann nur in einem Sinne ausfallen und ist als schon gefaßt zu betrachten ... Meine Rente, meine Rente!«

Der General ließ sich muthlos auf den Sessel fallen. Sein Podagra peinigte ihn.

Die Gräfin sprach kein Wort. Sie schellte und gab, dem General den Rücken wendend, den Brief zur Besorgung ...

* * *

Gegen Abend desselben Tages klebte die Kriegserklärung an allen Ecken.

Die Bevölkerung strömte in höchster Aufregung zu Tausenden in den Gassen. Es gab kein Herz, das seine gewöhnlichen Schläge that, und höher, immer höher stiegen zur Nacht die Wogen der Begeisterung.

Tausendstimmig hallten die Vaterlandslieder in den Straßen, vor dem Königsschloß. Die Mütter drückten, Herz und Auge voll Thränen, ihre waffenpflichtigen Söhne an's Herz. Das Volk war nicht siegestrunken, es war siegesbange, aber im Vertrauen auf Gott und seine Kraft.

In dem hintersten, geheimsten Zimmer des Mompach'schen Hauses saßen zu dieser Zeit beim Lampenschein die Gräfin, Lenning und Moritzsohn.

Sie sprachen von Geschäften ...

* * *


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