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Silberhochzeit.

Die Schwalben jagten sich in großen Scharen um den verwitterten Turm des alten Domes; immer höher und höher schwebten sie. Schließlich schossen sie in weitem Bogen davon, pfeilgerade über das steinerne Häusermeer Berlins gen Süd, hinaus in die lockende bunte Ferne. Denn draußen vor dem Brandenburger Tor stand ein vermummter, griesgrämiger Mann, der Winter, und pochte, Einlaß begehrend.

Schwälbchen blickte den abziehenden Namenschwestern, die sie alltäglich auf dem Schulweg gegrüßt, mit glänzenden Augen nach. Auch sie war heute davongezogen. Zum letztenmal hatte sie unter dem Schieferdach der Liesenschule geweilt; zum letztenmal schritt sie den seit zehn Jahren begangenen Weg. Erwachsen! Die kleine Ilse schaute so fröhlich in den wolkenverhangenen Herbsthimmel, als ob eitel Sonnenschein herniederlachte. Dann flog sie leichtbeschwingt, wie die sorglosen Schwalben da oben, hinaus in die unbekannte Ferne, in das lockende, buntdurchwirkte Leben.

Auch das graue Haus hatte sich nun wieder bevölkert. Gestärkt, in neugewonnener Frische war der Großonkel heimgekehrt; er wußte nichts mehr von überwundener Krankheit und beängstigenden Vorstellungen. Er saß wie ehedem an seinem Fenster und brummte über die tagelangen Regengüsse, das beste Zeichen, daß es ihm gut ging.

Hanni, die ihre fröhliche Kinderharmlosigkeit in dem freundlichem Pensionskreise wiedergefunden hatte, erkannte ihre »Schneeweiß« kaum mehr. Rosenrote Wangen hatte Marlene bekommen, das zarte Gesicht war leicht gebräunt, und die strahlenden Augen erzählten von all dem Schönen, das sie geschaut. Aber ein aufmerksamer Beobachter konnte noch mehr in den Blauaugen lesen; da grüßte versteckt ein holdlächelndes Kinderangesicht, die junge Hoffnung.

Lottes rotwangiges Antlitz war schmäler geworden. Baby hatte sie viele Stunden ihrer Nachtruhe gekostet; auch mochte das Insichhineinschlucken von Zurücksetzungen die Rosen auf ihren Wangen gebleicht haben.

»Na, du scheinst ja nicht besonders in Futter gestanden zu haben,« begrüßte sie der Großonkel überrascht.

O ja, genug zu essen hatte sie schon erhalten; aber Lotte wußte nun, daß es darauf ankommt, wie es einem schmeckt. Das graue Haus, das ihr früher ein Schreckgespenst war, begrüßte sie jetzt liebvertraut als Heimat. Dem Großonkel hatte sie nach der langen Trennung so selbstverständlich einen Kuß gegeben, daß sich dieser die ersten Minuten von seiner Überraschung nicht erholen konnte. Dem Marlenchen aber ging sie nicht von der Seite; erst wenn man in der Fremde geweilt hat, wirkt der Zauber der Heimat.

Frau Doktor Mertens hatte ihre Stütze nur sehr ungern gehen lassen. Wenn sie auch mit Anna einer Meinung war, daß Lotte einen »hochnäsigen Spleen« habe, so hatte ihr noch nie ein Fräulein das geleistet, was Lotte geradezu spielend bewältigte. Die Kinder hingen mit inniger Liebe an ihrem Fräulein, und sie selbst konnte sich der anmutigen Persönlichkeit Lottes nicht verschließen. Aber von längerem Bleiben wollte das junge Mädchen durchaus nichts hören, trotzdem auch ihm der Abschied von den Kleinen nicht leicht wurde. Lotte zählte die Tage, bis sie wieder »Mensch« war. Mochte der Großonkel jetzt noch so brummen und schelten, sie hatte den Mund halten gelernt; es verletzte sie auch lange nicht so, wie der Tadel von Fremden.

Onkel Heinrich war ärgerlich, daß sie die einträgliche Stellung so leichtsinnig aufgab; ihre Empörung über die ihr widerfahrene Verschiebung ihrer gesellschaftlichen Rangstufe hielt er für anspruchsvoll und dummstolz. Wie lange sollte er denn alle drei noch »füttern«?

Da aber mußte der Onkel plötzlich an den letzten Brief der blonden Henni denken, und freundlicher blickte er auf »ihr Vermächtnis«, die ungewöhnlich bescheiden schweigende Lotte. Doch die erneuten Bitten der Großnichte, sie doch zu ihrer Selbständigkeit Schreibmaschine und Stenographie erlernen zu lassen, fanden noch immer kein Gehör. Solch ein Kursus kostete Geld; mochte sie sich doch einem weiblichen Beruf zuwenden, zu dem sie nichts mehr zu erlernen hatte!

Lotte stand in der »Zelle«. Vor sich hatte sie ihren »Lohn« als Stütze der Hausfrau ausgebreitet. Sie war kein Pfennigfuchser; sie hatte immer nur Freude am Geld empfunden, wenn sie es gerade notwendig brauchte. Aber die ersten selbstverdienten Goldstücke, die blinken und funkeln doch ganz anders als gewöhnliches Geld; da blitzt all der Stolz und die Freude an der überwundenen Mühe mit.

Sollte sie das Geld zum Schreibmaschinenkursus verwenden? Der Onkel würde, wenn es nicht aus seiner Tasche ging, wohl kaum noch etwas einzuwenden haben. Lange stand sie, sann, überlegte und kämpfte. Dann strich sie das verlockende Gold zusammen und schloß es in das Kästchen, wo die Sparpfennige zu Väterchens Grabstein lagen. Erst mußte sie ihrer Kindespflicht genügen; dann konnte sie den Wünschen ihres eigenen Selbsts Rechnung tragen. Wie lange würde es noch dauern, bis sie endlich die große Summe zusammenhatten!

So stand Lotte wieder am Herd, im Waschhaus und am Plättbrett; sie hatte die ganze Wirtschaft jetzt allein zu besorgen. Marlene wurde, wie Prometheus an den Felsen, an ihre Nähmaschine geschmiedet; jedes Kleidungsstück, auch die Leibwäsche mußte sie eigenhändig nähen. Der Großonkel war noch von altem Schrot und Korn. Die billigen, fertig gekauften Sachen erklärte er für wertloses Zeug. Derb und haltbar mußte alles sein, was unter Marlenes Nähmaschine hervorging. Die jungen Mädchen stimmten darin durchaus nicht mit ihm überein, besonders Lotte nicht; aber »Putzteufel« und »Luxus« waren aus dem grauen Haus verbannt.

Trotzdem Lotte reichlich zu tun hatte, kam sie sich nicht recht befriedigt vor. Im Haushalt herumfuhrwerken, die Hände in Küche und Keller rühren, das konnte schließlich jede Dienstmagd. All ihre kürzlich von der Schule abgegangenen Freundinnen hatten ein anderes Feld für ihre Tätigkeit gesucht; die Wirtschaft lernten sie nebenbei oder gar nicht.

Schwälbchen bildete sich im Pestalozzi-Fröbel-Haus zur Kindergärtnerin aus und war selig mit der kleinen Welt. Martha, die Allwissende, spielte sich als Volksbeglückerin auf und betätigte sich in einer Krippe sowie in der Volksküche. Valli nahm Gymnasialkurse – Mädchengymnasien gab es noch nicht – und saß stets auf einem unsichtbaren Thron hoch über den Freundinnen. Elsa besuchte das Lehrerinnenseminar, und Grete feierte Triumphe im Ballsaal. Der »Große Kurfürst« aber war nach Lausanne abmarschiert, um die französische Sprache und den französischen Schick zu erlernen. Das war Lotte eine große Beruhigung; sie fürchtete sich schon vor dem Tage, an dem sie ihr nach der Trinkgeldgeschichte wieder begegnen würde.

So trieben all die jungen Frühlingsblüten des Kränzchens dem Sommer des Lebens entgegen, der ihren verschiedenen Neigungen verschiedene Ziele steckte. Das Freundschaftsband aber umschlang sie noch immer.

Eins gab es, was jetzt alle Gedanken und alles Wünschen der Schwestern in Anspruch nahm, mehr noch als die Freundinnen, die Rückerinnerung und das Träumen in die Zukunft. Würde der Großonkel endlich den Verkehr mit Onkel Theodor wieder gestatten? Bis in die kleinsten Einzelheiten ließ sich Lotte fast täglich von Marlene wiederholen, wie und was Onkel Heinrich zu Vetter Rudi gesprochen, was er dabei für ein Gesicht gemacht, ob seine Augenbrauen auch nicht wieder wie ein kleiner struppiger Wald ausgesehen hatten. Ach, Marlenchen erzählte ja nur zu gern; ob sie Hemdärmel ausbesserte oder Sonntagsblusen schneiderte, sie lebte und webte stets in jenen Münchner Tagen.

»›Es ist Theodor Elmert zu gönnen‹ – das hat er wirklich gesagt, Marlenchen?« Wohl schon zum hundertsten Male erkundigte sich Lotte danach.

»›Ja, es ist Theodor Elmert zu gönnen, daß er einen solchen Sohn hat!‹« Der Nachsatz war für Marlene die Hauptsache.

»Dann, ja dann kann er unmöglich noch etwas gegen Onkel Theodor haben, sonst würde er ihm bestimmt nichts gönnen.« Lottes Beurteilung des Großonkels war nicht gerade schmeichelhaft.

»Das Gescheiteste ist, wir fragen ihn geradezu, ob er noch etwas gegen den Verkehr einzuwenden hat; mehr als Schelte kann es ja nicht kosten, und man weiß dann wenigstens, woran man ist.«

Hangen und Bangen war Lotte unerträglich; lieber eine, wenn auch schmerzliche Gewißheit!

»Nein, nein« – Marlene wäre am liebsten in den Kasten ihrer Nähmaschine gekrochen – »denke doch, Lotte, wenn wir dadurch alles wieder verdürben!« Sie mochte das rosenrote Hoffnungszipfelchen nicht entbehren, das da irgendwo in weiter Ferne flatterte.

Aber Lotte ließ sich diesmal nicht, wie schon oft, von der älteren Schwester beschwichtigen. »Wer wagt, gewinnt!« Damit trug sie dem Onkel die zierlich zubereiteten Frühstücksbrötchen hinein.

»Hat dir dein Frühstück unterwegs auch so geschmeckt, Onkel?« begann sie mit leisem Herzklopfen.

»Hm!« Das hieß weder ja noch nein, aber der Großonkel ließ es sich munden.

»Im Münchner Künstlerhaus muß es herrlich sein.« Die junge Schauspielerin machte sich im Zimmer zu schaffen.

Der Großonkel hielt es jedoch nicht für nötig, sich wegen des Münchner Künstlerhauses in seiner Beschäftigung stören zu lassen.

»Hast du denn Rudi Elmert, der die goldene Medaille bekommen hat, nicht von früher her wiedererkannt?« Lotte zog kühn das Schwert, um den gordischen Knoten zu zerhauen; aber sie hielt es doch für geraten, die goldene Medaille einzuflechten.

Onkel Heinrich runzelte die Stirn und sah Lotte mißtrauisch an, sprach aber noch immer nicht.

Da zerschlug Lotte mit einem einzigen Streich das verworrene Knäuel ihrer tagelangen Bedenken.

»Hättest du jetzt noch etwas dagegen, Onkel, wenn wir – wenn wir mal zu unserem Onkel Theodor gingen?« Sie hielt den Atem an – flog sie wieder aus dem Hause?

Klirrend legte der Onkel das Besteck auf den Teller. »Untersteht euch,« sagte er dann rauh.

»Ja, aber du hast doch gesagt, es sei Onkel Theodor zu gönnen –«

»Was dir Marlene in die Ohren geblasen hat, ist mir gleichgültig.« Es war dem Großonkel höchst unangenehm, daß er sich zu solch einer unbesonnenen Äußerung hatte hinreißen lassen. »Ich habe nichts gegen diese Leute, aber einen Verkehr wünsche ich nicht.«

»Ja, aber warum –«

»Weil ich es nicht wünsche!« schrie nun der Großonkel mit der wiedererlangten Kraft seiner Lungen, um der Haltlosigkeit des Grundes mehr Gewicht zu verleihen, und wies gebieterisch zur Tür.

Lotte hielt es für geraten, nicht eine zweite Aufforderung abzuwarten.

»Na, abgeblitzt?« empfing Marlene sie ahnungsvoll in der »Zelle«.

»Ich bin selbst verduftet.« Lotte versuchte zu scherzen, trotzdem ihr nicht danach zumute war.

Marlene ging wieder mal mit verweinten Augen umher, und Lotte mit schlechtem Gewissen. Ihr vorschnelles Handeln war schuld; nun war alles zu Ende!

Ein paar Tage später kam aus München ein großer, eingeschriebener Geldbrief an den Onkel. Nachdenklich betrachtete der ihn, ehe er öffnete. Wie kam der Junge, der Heinz, dazu, ihm Geld zu senden?

»Rudolf Elmert« stand in markigen Strichen unter dem beiliegenden Briefe.

»Hm!« Der Onkel schob seine Brille hoch und begann zu lesen.

»Anständiger junger Mann,« brummte er dann zwischen den Zähnen; seine Menschenkenntnis hatte ihn nicht getäuscht. »Hm – scheint sein Bild ja gut verkauft zu haben –« er begann die braunen Papierlappen zu zählen. »Stimmt – aber der Sohn soll nicht von seinem ersten Gelde die Schuld des Vaters bezahlen; der junge Mensch verdient es, weiterzukommen.«

Des Onkels unverständliches Knurren und Brummen sollte ungefähr dies bedeuten. Dann nahm er seine Visitenkarte, schrieb mit großen steifen Lettern »Verjährt« darauf, steckte die Karte und die Geldscheine in einen Umschlag und sandte es zurück. Wer das dem geizigen Herrn Grimm noch vor einem Jahre gesagt hätte!

Wenn Lotte erst jetzt mit ihrer verfrühten Bitte an den Großonkel herangetreten wäre, am Ende hätte er kein so schroffes Nein entgegengesetzt. So aber wußten die Schwestern weder etwas von des Onkels milderer Gesinnung noch von Rudis Sendung. Sie arbeiteten fleißig vom Morgen bis zum Abend; ein Besuch im Schwalbennest oder für Marlene eine Stunde am Klavier, das war die ganze Erholung und Auffrischung.

Die kurzen Wintertage fraßen einander auf. Kaum hatte der Tag begonnen, so war auch schon der Abend da. Wieder schmückte sich der Platz mit den lustigen Weihnachtsbuden; wieder stand Lotte auf der Leiter und putzte die Fenster. Aber kein »Onkel Heinz« tauchte auf, denn der war von Vergrößerungen seines Geschäfts in Anspruch genommen. Die Weihnachtsgäste blieben diesmal aus.

Da, am zweiten Feiertag, zur Besuchstunde zwischen zwölf und eins, klingelte es. Lotte stand gerade am Bratofen; deshalb öffnete Marlene im weißen Latzschürzchen. Vor ihr stand ein schlanker Herr mit dunklem Pelerinenmantel, den weichen Filz tief in die Stirn gezogen. Aber Marlene brauchte gar nicht hinzusehen; sie wußte sofort, wer das war.

»Guten Tag, Kindchen! Heute wage ich mich in eure Höhle hinein. Aber Marlenchen, sieh mich doch nicht so entsetzt an ...!«

Marlene hatte dem laut sprechenden Rudi erschreckt die Hand auf den Mund gelegt.

»Ums Himmels willen – Rudi – geh, ehe der Onkel dich hört; er war neulich erst so böse.«

Sie wollte ihm die Tür vor der Nase zumachen. Aber der Vetter klemmte gemütlich seinen Fuß dazwischen.

»Bitte, mich dem Herrn Onkel zu melden; ich will ihm meine Aufwartung machen.«

Lachend schob er Marlene von der Tür fort. Ehe sie ihn noch anflehen konnte, von seinem vermessenen Vorhaben Abstand zu nehmen, öffnete sich die Tür, und der Onkel steckte den schlohweißen Kopf hinaus.

»Wer ist denn da?« fragte er.

»Ein Bettler,« stieß Marlene schnell hervor. Lieber lügen, als Rudi von dem Großonkel beleidigen lassen!

»Na, erlaube mal!« Anstatt möglichst rasch Fersengeld zu geben, pflanzte sich der Vetter breitspurig in der Tür auf. »Wie einen Bettler läßt du mich allerdings hier draußen an der Tür stehen. Bist du gegen alle Gäste so zuvorkommend, Marlenchen?«

Onkel Heinrich hatte die Stimme erkannt. Langsam und steif, einen vernichtenden Blick auf die beim Schwindeln ertappte Marlene werfend, trat er näher. »Was verschafft mir die Ehre?« fragte er nicht gerade einladend.

»Wenn Sie gestatten, werde ich Ihnen das drin erzählen, Herr Grimm; Sie sind doch zu Hause?«

Rudi öffnete mit liebenswürdiger Verbeugung die Tür zu des Onkels Zimmer und ließ ihm den Vortritt.

Zu Hause war der Herr Grimm – das ließ sich nicht bestreiten – und ein stichhaltiger Grund, den netten jungen Mann, mit dem er in München einen angenehmen Tag verbracht hatte, abzuweisen, war auch nicht gerade zur Hand. So blieb dem Großonkel nichts anderes übrig, als voranzuschreiten.

Marlene stand herzklopfend auf dem halbdunklen Korridor; sie wagte nicht, den beiden zu folgen. Mit angehaltenem Atem lauschte sie, ob der Onkel Rudi nicht die Tür wies.

»Ich hielt es für meine Pflicht, Herr Grimm, bei meinem diesjährigen Ferienaufenthalt vorzusprechen und mich zu erkundigen, wie Ihnen Ihr Sommeraufenthalt in den Bergen bekommen ist.«

»Danke, recht gut! Sie haben ein ziemlich starkes Pflichtgefühl; man findet das nicht immer bei Künstlern,« erwiderte der Onkel trocken.

»Ja, aber leider haben Sie mich in der Ausübung meiner Pflicht oder vielmehr Verpflichtung, die ich von meinem Vater übernahm, verhindert, Herr Grimm.« Rudi tat, als ob er den Spott des alten Herrn nicht merke. »Ich komme, um Ihnen auch für Ihre Großmut zu danken,« setzte er in wärmerem Ton hinzu, als er sah, daß die strengen Linien des schönen Greisenantlitzes sich bei seinen Worten milderten.

Es ist äußerst angenehm, durch ein Lobeswort in seiner Eitelkeit gekitzelt zu werden, besonders wenn einem das nicht oft geschieht. »Großmut« war ein Wort, das dem Onkel bisher noch niemand nachgerühmt hatte; auch erinnerte er sich jetzt wieder der anständigen Gesinnung des jungen Mannes. Er begann also sich mit dem unerwünschten Besuch abzufinden. Nach weiteren zehn Minuten empfand er wirklich Freude an der geraden, ehrlichen Art des jungen Künstlers; auch war für ihn ein Plauderstündchen mit einem Wesen, das keine Weiberröcke trug, etwas Seltenes. So schritt er schwerfällig zu seinem Spind, langte eine Flasche alten Weines und eine Kiste Zigarren hervor, die er nur für die Besuche von Heinz bereit hielt, und klingelte.

Im selben Augenblick flogen, wie auf Kommando, sämtliche Türen auf.

Im selben Augenblick flogen wie auf Kommando sämtliche drei Türen auf, die zu des Onkels Zimmer führten, und in jeder wurde ein neugieriger Mädchenkopf sichtbar, ein lichtblonder, ein goldbrauner und ein dunkelhaariger.

Vetter Rudi brach in ein herzliches Lachen aus; der Großonkel, er mochte wollen oder nicht, mußte in das natürliche, frische Lachen einstimmen. Die Augenblickskomik überrumpelte auch ihn.

Die drei Schwestern trauten ihren Blicken nicht. Jede Sekunde waren sie darauf gefaßt gewesen, den Vetter durch eine der Türen, an der sie zu lauschen versucht hatten, hinausfliegen zu sehen, und jetzt saßen die beiden gemütlich bei Wein und Zigarren zusammen und lachten sogar miteinander.

»Gläser!« befahl Onkel Heinrich, der schon wieder von seinem Ausflug in das Gebiet der Heiterkeit umkehrte.

»Marlenchen, der arme Bettler bittet um ein Gläschen Wein,« neckte Rudi, glückselig über die Aufnahme des Großonkels.

Der Onkel drohte dem jungen Mädchen ernstlich.

»Nur weil – weil du neulich so ärgerlich warst, lieber Onkel,« stotterte Marlene in einer Stimmung, in der sie die ganze Welt hätte umarmen mögen.

»Hm, wir wollen die Sache für diesmal abgetan sein lassen,« brummte der Onkel schnell, da es ihm unbehaglich war, daß sie vor seinem Gaste an jene Stunde rührte.

Marlene schleppte Gläser herbei, Lotte Untersätze und Korkzieher, Hanni Streichhölzer und Aschenbecher. Jede wollte sich um den lieben Gast mühen und dem Onkel gleichzeitig ihre Dankbarkeit beweisen.

Das Häslein draußen in der Pfanne mußte sehen, wie es ohne Lotte fertig wurde, denn die saß mit den Schwestern auf den altmodisch geschweiften Sesseln in des Großonkels Zimmer, jede ein Glas des teuren Weins vor sich. Rudi hatte Marlene das Einschenken abgenommen, und natürlich auch die Cousinen bedacht.

»Ihr solltet lieber Wasser zusetzen; der Wein ist zu stark für euch,« mahnte Onkel Heinrich fürsorglich.

Marlene war auch ohne das Glas Wein zumute, als ob sie bereits eine ganze Flasche allein ausgetrunken hätte; rosig wogte es vor ihren Blicken.

»Also im nächsten Sommer machen Sie mir den Gegenbesuch in München, Herr Grimm, falls ich nicht eher nach Berlin komme,« bat der junge Maler, sich verabschiedend.

Da sprach der Onkel die Hoffnung aus, ihn vorher noch einmal bei sich auf längere Zeit begrüßen zu können; der Wein hatte Herrn Grimm in die freundlichste Stimmung versetzt. Marlene und Rudi wechselten einen raschen Blick.

»Wer von euch ist Karline?« fragte Rudi, schon in der Tür, und wandte sich pfiffig zu klein Hanni.

»Ich – ich!« Lotte schob das Schwesterchen zur Seite und faßte des Vetters Pelerine.

»Du? Ich glaubte Hanni – na, da habe ich einen schönen Gruß für dich von einem Bekannten in München; addio – lebe wohl, Marlenchen!« Die schwarzen Pelerinenflügel flatterten die Treppe hinab.

Mochte es draußen gießen und hageln, mochte es stürmen und schneien, und der rauhe Winter mit Eisschollen die wehrlose Erde bombardieren, im grauen Haus wußten nur der Großonkel und klein Hanni von seinem argen Treiben. Schneeweiß und Rosenrot schwebten, ob sie in der Küche am Herd standen oder das eiserne Fußblatt der Nähmaschine traten, auf knospenden Blüten in goldenem Sonnengeflimmer; in ihnen jubelte der Lenz ...

Es wurde Anfang März. Draußen deckte noch tiefer Schnee Scholle und Acker; in der Stadt hatte er sich bereits zu gelblichbraunem Brei – »Matsch«, wie der Berliner sagt – über die Straßen ergossen. Da zog zu ungewöhnlicher Stunde Ilse Schwalbe die Glocke am grauen Haus.

Sie trug jetzt lange Kleider, die kleine Ilse, aber viel größer war sie inzwischen nicht geworden. Das war der einzige Kummer in ihrem lachenden jungen Leben.

Wenn es etwas besonders Wichtiges vorzutragen gab, mußte sie sich noch immer auf die Fußspitzen stellen. Heute streckte sie sich fast bis zu dem altmodischen Kronleuchter im Speisezimmer des grauen Hauses.

»Kinder, ich habe eigens das Pestalozzi-Fröbel-Haus geschwänzt, um euch zu sprechen.« Sie machte immer so unangenehme Kunstpausen an Stellen, wo es gerade interessant wurde.

»Also?« Lotte hielt im Bohnen des Fußbodens inne; sie brannte vor Neugier.

»Ihr sollt Theater mitspielen,« platzte Schwälbchen los. »In vier Wochen ist doch unsere Silberhochzeit, und da haben meine Brüder und ich ein großartiges Stück geschrieben, mit Tanz und allem Klimbim. Muttchen hat mir erlaubt, das ganze Kränzchen einzuladen, und euch natürlich obenan. Himmlisch!«

»Na und ob!« Lotte tanzte bereits mit dem schweren Bohner um den Tisch herum, während Hanni »Ich auch, Ilse, ich auch?« schrie. Marlene hatte die Stellung der Jungfrau von Orleans eingenommen.

»Morgen abend ist schon Leseprobe, pünktlich um sieben Uhr; unsere Eltern müssen wir hinauslotsen. Ich will noch zu all den Mädeln laufen und sie zum Mitspielen auffordern. Euer Onkel wird uns doch nicht etwa gar einen Strich durch die Rechnung machen?«

»Er ist jetzt recht menschlich,« antwortete Lotte anerkennend.

»Ja, ob er aber Theaterspielen erlauben wird?« Marlene hatte diesmal, im Rückblick auf ihre einstigen dramatischen Erfolge, nicht ganz unrecht mit ihrem »Unken«.

»Onkel Heinrich, Ilse ist da; wir werden zur Silberhochzeit ihrer Eltern eingeladen.« Damit zog Lotte die Freundin kurz entschlossen in des Großonkels Zimmer; Marlene und Hanni folgten hinterher.

»So – hm – läßt du dich auch mal wieder blicken?« Der alte Herr dachte gar nicht daran, daß Ilse nun nachgerade im Alter war, in dem man eine junge Dame mit »Sie« anredet.

»Ja, ich habe jetzt so viel mit meinen Kindern zu tun – denk mal, Lotte, sogar die Großen haben vor mir Respekt – und nun feiern wir doch unsere Silberhochzeit; da schwirrt einem der Kopf.« Ilse machte trotzdem ein recht vergnügtes Gesicht.

»Der Tausend, du feierst schon deine Silberhochzeit? Da hast du dich aber gut gehalten.«

Lotte kniff Marlene in den Arm, daß diese ein »Au« nicht unterdrücken konnte. Hurra, der Onkel war guter Stimmung!

»Sie dürfen doch kommen, alle drei, nicht, Herr Grimm?« begann Ilse zu quälen.

Der Onkel blickte von einem bettelnden Augenpaar in das andere.

»Wird es ein großes Fest?« fragte er dann.

»Ja, sechzig bis siebzig Personen.« Je mehr es waren, um so eher mußten doch die drei dabei sein!

»Na, dann ist überhaupt nicht daran zu denken.« Die runden Gesichter zogen sich in die Länge. »Ich habe nicht Lust, drei Hochzeitstoiletten zu kaufen.«

Hanni rollten bereits die Tränen aus den Augen, Lotte machte ein trotziges Gesicht, Marlene ein bittendes.

»Aber das ist ja gar nicht nötig,« – triumphierte Schwälbchen, »gleich vor der Tafel wird Theater gespielt, und wir bleiben nachher alle in unseren Kostümen; das ist viel malerischer und netter.«

Die drei Mädel schöpften wieder Mut. Aber der Großonkel zog die Stirn kraus.

»Theaterspielen? Marlene ist gerade überspannt genug – ich denke nicht daran, mir den Milchreis wieder anbrennen zu lassen! Charlotte, dem eitlen Ding, fehlen bloß noch Kostüme und so was, und Johanna ist überhaupt viel zu klein.«

»Ach, Herr Grimm, Sie müssen es Muttchen zuliebe tun! Denken Sie nur, kein bißchen würde sie sich freuen, wenn alle Mädel dabei wären, und meine besten Freundinnen gerade nicht!« Auch in Ilses grauen Augen blinkte es von verhaltenen Tränen.

»So – hm!« Wenn Ilse die Mutter ins Treffen brachte, konnte Herr Grimm nicht gut nein sagen, denn Frau Schwalbe hatte es um seine Großnichten verdient, daß sie ihr Ehrenfest mit verherrlichen halfen.

»Ich werde alt – ich bin lange nicht mehr energisch genug gegen euch junges Volk,« sagte er schließlich seufzend.

Die selbstsüchtigen Mädel wünschten dem Großonkel in diesem Augenblick Methusalems Alter; ihnen war durchaus nichts an seiner Energie gelegen.

Am nächsten Abend fanden sie sich pünktlich um sieben Uhr zur Leseprobe im Schwalbennest ein.

Fritz Schwalbe hatte die Regie übernommen. Er las das »großartige« Stück den jungen Schauspielern vor, aber Ilse unterbrach den Bruder unaufhörlich mit Erklärungen und Erläuterungen, so daß sie an die Luft gesetzt werden sollte. Es hieß »Ein Sommernachtstraum, frei nach Shakespeare« und gefiel den Mädeln zumindest besser als das berühmte Original. Die jugendlichen Herren fanden allerdings hin und wieder in der Parodie eine Geringachtung des großen Werkes.

Nun ging es ans Rollenverteilen. Leichter ist es jedoch, ein Drama zustande zu bringen, als acht junge Damen durch die ihnen zugedachten Rollen zu befriedigen. Zu dieser Erkenntnis kam auch Fritz Schwalbe. Jede wollte die Rolle der anderen, wie früher bei den Verlosungen der Kindergeburtstage, an denen ein allgemeines Tauschen der Gewinne stattfand. Nur die drei Schwestern Elmert waren mit allem zufrieden; sie waren so glücklich, überhaupt dabei sein zu dürfen, und außerdem nicht gewöhnt, irgendwelche Ansprüche zu machen.

Aber schließlich wurde doch eine Einigung erzielt, obgleich Valli behauptete, daß sie die alte Zeit, die Marlene vorstellen sollte, zehnmal besser geben würde, und Martha, die zwei Köpfe großer war als Ilse, gar zu gern deren Rolle als Puck übernommen hätte. Beim ersten Lesen der Rolle zierten sie sich alle mächtig; sie leierten und brachten die Pointen nicht heraus. Nur Marlene, die bereits ganz in ihrer Rolle lebte, legte das Pathos der Jungfrau von Orleans hinein. Die bösen Mädel kicherten hinter den vorgehaltenen Blättern, und Lotte schämte sich für ihr Marlenchen. Ilse aber sagte gemütlich, als Marlene mit großartiger Miene endete: »Zier dir man nicht so!« Da lachten sie alle, und Marlene nahm es nicht übel.

Fritz Schwalbe kratzte sich den Kopf; das gab noch ein saures Stück Arbeit! Vorläufig aber stärkte man sich an den Butterbrötchen, und dann mußte natürlich getanzt werden. Anders war es nicht denkbar, sobald junge Leute im Schwalbennest zusammenkamen. Wenn sich das Publikum bei der Aufführung nur halb so gut unterhielt wie die Schauspieler bei den Proben, konnte man zufrieden sein.

Der Großonkel mußte es jedoch noch bereuen, seine Einwilligung gegeben zu haben. Durch das graue Haus schwirrten von morgens bis abends Stichworte, gewagte Reime und Knittelverse. Lotte, die eine junge Holländerin aus Frau Schwalbes Heimat vorstellen sollte, stand zu jeder Tageszeit vor dem Spiegel und steckte sich das Handtuch als holländische Haube auf die glänzenden Flechten. Einmal hatte sie dabei das Essen überkochen lassen und ein andermal sogar des Großonkels Klingel überhört. Der riß ihr das holländische Handtuch nicht sanft vom Kopf. Seitdem versuchte die eitle Lotte nur abends beim Schlafengehen den kleidsamsten Kopfputz.

Hanni trippelte und huschte bloß noch; sie stellte in Gemeinschaft mit Gerda Schwalbe ein Hausgeistchen dar. Klein Hanni war inzwischen fast zwölf Jahre alt geworden und gerade in dem Alter, da Arme und Beine zu lang sind, und die Besitzerin mit den steifen Gliedmaßen nichts anzufangen weiß. Sie war so täppisch wie ein kleiner Bär und probierte daher sogar in der Liesenschule das zierliche Umherhuschen in allen Winkeln.

Nur wenn Marlene am Klavier das schlichtinnige Lied der alten Zeit einstudierte, schaute der Onkel von seiner Zeitung auf und lauschte ihrer weichen Stimme.

Nie fliegen die Tage schneller dahin, als wenn sie einem bestimmten Ziele zueilen. Das Sofakissen und die Eisservietten, die Marlene und Lotte in ihren Freistunden für Frau Schwalbe gearbeitet hatten, waren fix und fertig. Wochenlang hatten sie – da sie sich nicht trauten, den Großonkel um Geld anzugehen –, wenn er abends im Klub war, ihr Brot unbelegt gegessen und das Aufschnittgeld gespart, um ihrer lieben Frau Schwalbe eine Freude zu machen. Nur die Kissenfüllung machte ihnen starkes Kopfzerbrechen; die Kasse war erschöpft. Aber Lottes erfinderisches Gehirn schaffte mal wieder Rat. Die Kopfkissen wurden heimlich aufgetrennt und geplündert; wie in Frau Holles Reich stoben die Federn durch das graue Haus. Marlene meinte zwar, es sei Diebstahl, und hatte deshalb auch keine volle Befriedigung an dem hübschen Geschenk, zu dem selbst des Onkels Kopfkissen ein paar Federn lassen mußte. Wenn Frau Schwalbe das gewußt hätte, sie würde sich wohl kaum so darüber gefreut haben.

Die Generalprobe war glänzend ausgefallen und ließ daher das Beste für die Aufführung hoffen. Die Kostüme waren geradezu entzückend; Lotte bedauerte aufrichtig, nicht als Holländer Bauernmädel auf die Welt gekommen zu sein. Die Kostümfrage hatte wieder viel Hin und Her gegeben; niemand wollte Gelb, alle Hellblau oder Rosa. Hanni jammerte, daß der lange graue Bart sie so an der Nase krabbele. Marlene aber war glückselig; Mütterleins Rosenknospenkleid war wieder zu Ehren gekommen!

Zaghaft hatte das junge Mädchen den Onkel gefragt, ob er wohl etwas dagegen einzuwenden habe, wenn sie sich das Kleid der Mutter zur Aufführung zurechtmache. Er hatte heftig den Kopf geschüttelt; was sollte er wohl noch dagegen haben? Die Geister der Vergangenheit waren längst zum Schweigen gebracht. Aber als sie sich dann probeweise anzog und ihn, um ihn nicht wieder zu erschrecken, durch Lotte fragen ließ, ob sie sich ihm wohl in dem Kleide zeigen dürfe, da hatte der Onkel Heinrich lange, lange auf die holdselige Erscheinung geblickt. Dann wandte er sich still ab. Er wurde alt – sicherlich! Früher kannte er doch nicht solche Schwächen!

Hatte er A gesagt, mußte er nun auch B sagen. Schon zur Morgenfeier durften die Schwestern ins Schwalbennest. Hinter grünen Bäumen verborgen standen sie, und sangen im gemischten Chor: »Schmückt das Haus mit grünen Zweigen«, als das Silberpaar hereintrat. Dann sprach Ilse das Kranzgedicht. Es war sehr feierlich.

Nun kam endlich der langersehnte Abend heran. Hinter der Dilettantenbühne schwirrte es. Jeder memorierte voll Lampenfieber seine Rolle. Die Wangen glühten vor Aufregung; niemand brauchte sich schminken zu lassen.

»Bloß laut vorsagen – jedes Wort soufflieren!« Selbst Ilse und Lotte, die beiden Großmäulchen, waren ganz kleinlaut.

Das Klingelzeichen! Wer nie als Dilettant Thalias Bretter betreten hat, der ahnt nicht, daß der Herzschlag in diesem Augenblicke auszusetzen scheint.

Niemand wußte mehr den Anfang, und dann ging doch alles wunderschön. Ilse mit ihrer kleinen zierlichen Figur und dem lebhaften Temperament war ein vorzüglicher Puck; Martha fand allerdings, sie wirbele zuviel herum, aber die war die einzige. Das Publikum war begeistert, wenn auch die Laternchen der Hausgeister so heiß wurden, daß sie diese hinwerfen mußten. Wenn auch Lotte bei ihrem Tanz mit Totila, der sich in einen holländischen Seemann mit weiter blauer Leinenhose verwandelt hatte, den schweren Holzschuh verlor. Wenn auch der Vollmond, den man mit der Waldlandschaft fortzunehmen vergessen hatte, im nächsten Bilde an der Speisezimmerdecke des Schwalbennestes hing. Wenn auch Martha in einem lebenden Bild, wo sie unbeweglich dasitzen sollte, plötzlich laut niesen mußte und Teja, Marlenes Partner, »die jute alte Zeit, die einst jewesen und nich zurickkehrt« augenscheinlich nach »Kenigsbarch in Astpreißen« verlegte. Man erntete ganze Lorbeerwälder, und das Silberpaar unterhielt sich glänzend.

Als die drei Schwestern im fahlen Morgenschein den Schlüssel in das Türschloß des grauen Hauses steckten, knarrte das griesgrämige Haus ärgerlich im Schlafe über die Vergnügungssucht seiner jungen Bewohnerinnen. Die drei Mädel aber zogen die Schuhe ab und schlichen in Strümpfen an des Onkels Tür vorüber; er brauchte es nicht zu wissen, daß sie gar nicht mehr erst ins Bett gingen.

»Das war der schönste Tag meines Lebens,« sagte Lotte mit Inbrunst, legte wie Aschenbrödel das lustige Tanzkleid ab und griff gähnend nach dem Besen.

Über den Platz draußen rasselte schon der Milchwagen, und der Bäckerjunge trug die Semmeln aus. Es war Tag.


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