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(Bei Gernrode.)
Hoch über rauschendem Wald liegt die einstmals so stolz und kühn dreinschauende Lauenburg. Nur noch ein verfallener Turm und überwachsene Schutthaufen zeugen von der Pracht, die längst vergangen ist. Da, wo einst die Becher fröhlicher Ritter klangen, flüstert jetzt geheimnisvoll der Ginster, und der Fuß geht über leuchtendes Heidekraut.
In dunkler Nacht, wenn lautlos schwebend die Geister der Burg in fahlem Schein des Mondenlichts zu feierlichem Reigen zusammen kommen, dann kann es geschehen, daß unseren Blick eine leuchtende Blume von magischer Schönheit bannt, wie sie noch keinem Irdischen begegnete. Doch rühre sie nicht frevelnd an, Wanderer! Sie ist geheiligt. Ihr Tau sind die Tränen, die ihre Sehnsucht weint nach dem Herzallerliebsten, dem sie die Treue gewahrt, bis sie – als Menschenkind tot für die Welt – verwandelt ward in die wunderwirkende schöne Blume.
Jungfrau Berta lebte sittsam, tugendhaft und fromm bei ihrer Mutter und harrte eines geliebten, braven Burschen im Dorf, jedoch ein wilder Junker von der Lauenburg wollte ihr knospendes junges Leben zu eigen haben, aber nicht als ehrlicher Gemahl, sondern wie er manches unschuldsvolle Ding schon genommen. Doch Jungfrau Berta wußte sich zu retten und flüchtete in Gottes Schutz, sie ging ins Kloster.
Der Junker kannte keine Grenzen seiner Wut, Beschämung, Kränkung und erhöhten Begier. Mit einer Handvoll verwegener Gesellen ritt er gegen das Kloster, brach die Mauern und Tore und schleppte mit Gewalt das Mädchen fort aus dem Frieden seines Gottes, den das zitternde Herz mit heißen Gebeten rief. Doch schien es fast, als hörte der Allvater nicht das Flehen seines Kindes. Schon brachte es der verwegene Räuber auf seinen Burghof ein, den er nach allen Seiten wohl verschließen und mit Wachen umstellen ließ. Frech höhnte er die Zitternde, das Brautbett sei schon bereitet, nur noch Minuten trennten ihn von seiner Glückseligkeit.
Auf seine Arme lud er die Bleiche, sie hinauf zu tragen ins Gemach, da fiel sie leblos zusammen. Gleichsam, als öffne sich der Himmel, verbreitet überirdische Kraft ein strahlend Licht, so daß der Junker völlig geblendet ist. Dann naht sich ein Engel Gottes der Jungfrau, gleitet ihr mit sanfter Hand über das Haupt und küßt sie auf die Stirn. So ist sie nun geweiht, und auch erlöst vom Schicksal bangen Erdenlebens.
Doch da, wo sich das Auge dieser Jungfrau schloß, und wo der Boden getränkt ward von ihren Tränen, da blühet nun die Wunderblume auf den Mauerresten der längst zerfallenen Lauenburg, da blüht über den verwitterten Resten der Stätte vergänglicher Lust das Wunder standhafter Tugend.
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