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IV. Die norditalienischen Gewölbebauten

Hatten wir in Toskana aus kleinen Anfängen heraus einen bestimmten Typus der Bettelmönchkirchen sich konsequent entwickeln sehen, die Entwicklung bis zu ihrem Höhepunkt verfolgen können, so begegnen wir im Norden nicht derselben Erscheinung. Es ist als hätte mit der Entfernung von Assisi auch der Einfluß, welchen das neue Ideal der Armut gehabt, abgenommen, als hätte man die Vorschriften, die Franz den Seinen gegeben, weniger streng aufgefaßt. Schon kurz nach seinem Tode erheben sich, ihn zu ehren, mächtige, reiche Tempel, die einen merkwürdigen Gegensatz zu den schlichten mittelitalienischen Bauten bilden. Dieselbe Stadt Bologna, die stolz darauf war, den großen Zeitgenossen des Mannes von Assisi, Dominikus, für immer als den ihrigen zu besitzen, sah schon von 1230 an einen Bau zu Ehren des Franz erstehen, welcher den Stil der französischen Kathedralen nach Italien verpflanzte. Vielleicht war es eben der Wettstreit, in den hier zum ersten Male die beiden großen Orden traten, der die Minoriten veranlaßte, allen Traditionen entgegen in ihrer Kirche die Bedeutung ihrer Gemeinde den Dominikanern gegenüber in monumentaler Weise geltend zu machen. Zu gleicher Zeit fast wuchs in Padua die Kirche des heiligen Antonius empor. Die Mitte des Jahrhunderts fand Franziskaner und Dominikaner mit dem Bau ihrer Tempel in Venedig beschäftigt, und alle anderen Kirchen der Stadt überflügelnd entstand in Mailand S. Francesco. Was auf den ersten Blick befremdlich erscheint, die große Verschiedenheit in dem äußeren Auftreten der neuen Orden im Norden und im Süden, erklärt sich dennoch leicht. Die umbrischen Bergstädtchen lassen sich eben nicht vergleichen mit den großen, reichen und mächtigen Zentren des Handels und Lebens in Norditalien – die Stunde für Florenz und Siena hatte noch nicht geschlagen, nur Pisa durfte es wagen, mit den lombardischen Städten es aufzunehmen. Die Begeisterung, welche in Mailand, Parma, Bologna, Venedig, wie überall, die Menschheit für die unscheinbaren und doch in diesen Zeiten des Kampfes aller gegen alle so trostreichen, so ergreifenden Anschauungen des Franz erfaßt hatte, äußerte sich hier, wo alle Mittel gegeben waren, in dem Bau großartiger Stätten, in denen Reiche und Mächtige dem Ideale der Armut huldigten. Und dazu kommt, daß die ersten Niederlassungen der Bettelmönche hier in eine Zeit fallen, in der eine bedeutende, neue Formen suchende und bildende Bautätigkeit in voller Bewegung ist. Seit einem Jahrhundert fast ist die Lombardei beschäftigt damit, die Probleme der Gewölbebildung zu lösen, die Zisterzienser haben neue Formen und Ideen mit sich gebracht – erst 1221 ist Chiaravalle bei Mailand fertiggeworden, das so großen Einfluß in der Lombardei gewinnen sollte – kurz man wartete nur auf die Gelegenheit, die reichen und vielseitigen Erfahrungen praktisch zu verwerten, als diese nun zum gegebenen Augenblick eintrat. Das Volk verlangte und bezahlte große Kirchen, die Architekten sorgten dafür, daß sie auch reich gegliedert und schön wurden, und die Bettelmönche ließen es sich wohl gefallen. So sehen wir überall Leben und Tätigkeit. Man macht die verschiedenartigsten Versuche in der neuen Bauweise: das Losungswort für die Verarbeitung und Durchbildung des gotischen Stiles ist gegeben und Norditalien ist es, das diesen in seiner für ganz Italien charakteristischen Eigenart an den Bettelmönchkirchen entwickelt.

Bei deren näheren Betrachtung können wir im ganzen zwei große Kategorien unterscheiden. Die erste umfaßt Bauten, die sich im Grundriß noch an die alte Basilikaform halten, die zweite solche, in denen Zisterzienserbauten nachgebildet werden, und zwar nach den zwei verschiedenen Grundsystemen in zweifacher Weise, indem man sich entweder an den Kathedralentypus mit dem reich gegliederten Chor oder an den Typus der einfacheren Chorkapellenanlage hielt. Die Bauten der ersten Kategorie sind gewissermaßen Übergangsbauten, die anderen bringen und entwickeln die neuen Grundformen der italienischen gotischen Kirchenanlagen. Aus den folgenden Ausführungen scheint mir aber deutlich hervorzugehen, daß die italienische Gotik überhaupt ihrem wesentlichen Charakter nach sich direkt an die Baukunst der Zisterzienser anlehnt, daß die Zisterzienser die bestimmenden Ideen gegeben, die Bettelmönche sie ausgebildet haben. Das einzig wirklich Neue, was die Gotik in Italien erfährt, ist die Verbindung des seit den klassischen Zeiten im Süden stets beliebt gebliebenen Kuppelbaues mit den Zisterziensergrundrissen.

1. Der Basilika-Typus

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43. Allegorie der Keuschheit.
Fresko von Giotto.
Assisi, Unterkirche S. Francesco.

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44. Allegorie des Gehorsams.
Fresko von Giotto.
Assisi, Unterkirche S. Francesco.

Die zuerst hier zu erwähnende Kirche, vielleicht der erste größere Bau der Franziskaner im Norden, ist S. Francesco del prato in Parma. Über die Geschichte ihrer Entstehung sind wir nicht genau unterrichtet. Wir wissen nur, daß gleich nach 1226, dem Todesjahr des Heiligen, der Konvent mit Oratorium und Hospital errichtet und (nach Malaspina) 1250 vollendet wurde. Michele Lopez läßt den Bau 1230 beginnen, spätestens 1298 vollendet sein, und zwar auf Grund des ›Chronicon Parmense‹ (1858 p. 106), das 1298 ›ecclesiam novam Fratrum Minorum‹ erwähnt. Daraus können wir schließen, daß der von Flaminio di Parma auf Grund alter Quellen ins Jahr 1380 verlegte Bau nur eine Erweiterung bezweckte, nicht Neubau war. 1398 ist die Umgebungsmauer (?) vollendet. Von 1443 haben wir eine Notiz: ›incepti sunt pilones de quadredo in Ecclesia Minorum S. Francisci de Parma‹. 1460 ward das Radfenster vom Tagliapietra Albert von Verona eingeliefert. 1806 wurde die Kirche Kaserne, wenige Jahre später Casa di forza Flaminio di Parma: Memorie istoriche delle chiese e dei conventi dell' osservante e riformata provincia di Bologna. Parma 1760, S. 163. (1398 completus fuit murus Ecclesiae fratrum Minorum, quam coepit facere F. Joannis Quaglia de Parma.) – Affò: Il Parmigiano Servitor di Piazza. Parma 1796. – Donati: nuova Descriz. 1824. – Bertoluzzi: nuovissima Guida. 1830 (sagt: 1233 bezogen die Mönche das Kloster, Bau erst gegen 1238 vollendet; auf welche Quellen hin?) – Michele Lopez: II battistero di Parma. 1864, S. 28. – Malaspina: nuova Guida III. ed. 1869. – Martini: Guida. Grazioli (70er Jahre). – Mothes S. 455. – Verhältnisse nach eigner Messung ungefähr: Mittelsch. 9,72 m, Seitensch. 3,90, Pfeilerdst. 9,72 m.. Es kann kein Zweifel sein, daß die Anlage und wesentlichsten Bestandteile auf das 13. Jahrhundert, vielleicht sogar auf die erste Hälfte desselben zurückgehen. Dafür scheinen mir namentlich die kleinen rundbogigen Fenster im Mittelschiff, die noch durchaus romanisch sind, zu sprechen. Aus der Zeit des Neubaues im 14. Jahrhundert dürften die Kapellenanbauten am rechten Seitenschiff, sowie die polygone Gestaltung der Apsiden stammen, ob auch die spitzen Schneidbögen, wage ich nicht zu entscheiden. Unter Napoleon I. wurde, um Raum zu gewinnen, eine Decke in der Mitte eingezogen und die Kirche durch eine Ausfüllung der Arkaden mit Mauerwerk in drei gesonderte Räume geteilt. Sie ist eine dreischiffige Basilika mit offenen Dachstühlen, fünf mächtigen hohen Spitzbogen auf kräftigen Rundpfeilern mit einfachen Gesimskapitälen, fünfseitig geschlossener Hauptapsis mit achtteiligem Gewölbe und zweireihig angeordneten spitzbogigen Fenstern, und zwei kleineren vierseitig geschlossenen Seitenkapellen (das siebenteilige Gewölbe nur in der rechts erhalten). Die erste der fünf Arkaden an der Eingangsseite hat nur die halbe Spannweite der anderen. Am rechten Seitenschiffe sind zunächst vier größere quadratische, dann fünf schmale oblonge Kapellen angebaut, in denen zum Teil die alten Kreuzgewölbe mit Rundrippen erhalten sind. Neben der rechten Seitenapsis der Campanile. Die Fassade, fast ganz von modernen Fensteröffnungen durchlöchert, hat spitzen Giebel, vier Strebepfeiler, in denen je eine gotische Nische sich befindet, ein größeres rundbogiges, durch drei Rundstäbe mit gotischen Kapitälen gegliedertes Mittelportal, ein kleineres, in jüngster Zeit sorgfältig restauriertes ähnliches rechts. In der Höhe das Glücksrad: »ruota della fortuna«.

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S. Francesco in Parma

Haben wir in diesem frühen Bau noch das ausgesprochene Streben nach möglichster Einfachheit, so zeigt S. Francesco in dem benachbarten Modena, die erst im 14. Jahrhundert ihre jetzige Gestalt erhielt, bei derselben Grundanlage einer dreischiffigen Basilika mit einer um zwei Joche hinausgeschobenen dreiseitigen Hauptapsis und zwei ebenso geschlossenen Seitenapsiden eine reiche Gewölbeanlage. Die neun (inklusive des Chores elf) Joche des Mittelschiffes sind ungewöhnlich schmal oblong, die Stützen einfache viereckige Pfeiler. Die modernisierte Fassade hat ein spitzbogiges Portal und Radfenster.

Ob die Kirche der Franziskaner in Reggio, die nach Salimbene im Jahre 1285 Salimbene: Chronik in den ›Monumenta historica ad provincias Parmensem et Placentinam pertinentia‹. Parma 1857, S. 346. »1285 inchoata est fundari ecclesia fratrum Minorum de Regio; et frater Gilinus de Conrado de Regio primum lapidem posuit ibi in pilastro anteriori, juxta viam, quae est prope domum ecclesiae sancti Jacobi in VI feria infra octavam Pentecostes scilicet XVIII die mensis maji XV Kalendas Junii.« begonnen wurde, mit den eben besprochenen Bauten zusammenhängt, vermag ich nicht zu sagen, wohl aber zeigt eine Verwandtschaft die seit dem Anfang des Jahrhunderts als Arsenal dienende Kirche S. Francesco in Mantua. Da diese wenig bekannt ist, wird eine Beschreibung nicht überflüssig erscheinen. Wohl erhalten ist von dem Bau nur das Äußere: die stattliche, durch Strebepfeiler dreigeteilte Fassade mit schönem gotischem Steinportal, zwei hohen schmalen einfachen gotischen Fenstern, einem reizvollen Radfenster, sich kreuzendem Rundbogenfries und einem Spitzgiebel mit achtseitigen Fialen. Rechts schließt sich die Seitenwand der ersten großen Kapelle daran. Die rechte Seitenfront wird belebt durch die runden Abschlüsse der fünf Kapellen und die an Stelle eines Querschiffes hervortretende große Kapelle, die eine Fassade mit kräftigen fialenbekrönten Eckpfeilern, Kleeblattbogenfries, zwei im Kleeblattbogen geschlossenen hohen Fenstern und einer Rosette hat und den Details nach wohl aus derselben Zeit wie die Hauptfassade stammen könnte. Auch der Turm ist alt. Wer, durch diesen reichen Gesamteindruck gespannt, das Innere betritt, wird sehr enttäuscht. Dasselbe hat durch eine eingespannte Decke, zu deren Stützung in der Mitte der Kirche Pfeiler angebracht wurden, ein zweites Stockwerk erhalten. Diesem neuesten Umbau unseres Jahrhunderts muß aber schon früher ein anderer vorangegangen sein, der den alten Pfeilern korinthische Pilaster vorlegte, die alten Kreuzgewölbe im zweiten Seitenschiffe rechts in Kuppelgewölbe umwandelte und den Chor umgestaltete. Mit Sicherheit läßt sich nur sagen, daß der älteste Bau jedenfalls eine dreischiffige Pfeilerkirche von acht Jochen mit einer größeren Mittelapsis und zwei viereckig geschlossenen Seitenapsiden war. Die Pfeiler hatten, wie zwei Reste im rechten Seitenschiff beweisen, Halbsäulen mit niedrigen, an der Ecke abgefaßten Kapitälen vorgelegt. Die Haupttribüne hat jetzt eine Kuppel und runde Concha. Bis auf zwei sind alle Scheidbögen rund – vielleicht erst vom Umbau her –, die Quergurte spitzbogig. Die Gewölbe des Hauptschiffes sind oblong, die der Seitenschiffe fast quadratisch. Nun befindet sich aber rechts noch ein zweites Seitenschiff, an das sich zunächst eine große oblonge, dann fünf rundgeschlossene, schließlich eine gleichsam den einen Arm eines Querschiffes bildende große Kapelle anschließen. Dieser entspricht am linken Seitenschiff die Sakristei in der Anlage. Erscheint es auch von vornherein wahrscheinlicher, daß solche Unregelmäßigkeit Folge eines späteren Ausbaues ist, zumal das Äußere eine vorgeschrittene Gotik zeigt, so haben sich mir doch keine bestimmten Anzeichen ergeben, die ein Urteil möglich machten. – Von der Baugeschichte ist nichts bekannt, als daß 1304 ein gewisser Germanus den Bau vollendet Nach Carlo d'Arco: delle arti e degli artefici di Mantova notizie. Mantova 1857, vol. I, S. 92. Die Guiden des Cadioli: Descrizione etc. Mantova 1763 und Susani: Nuovo prospetto etc. di Mantova 1818 enthalten nichts die Baugeschichte Betreffendes. – Fassade: bei Runge: Beiträge zur Kenntnis der Backstein-Arch. Italiens. Neue Folge. Berlin 1853. XVI, I. Zu bemerken ist im Chore ein großes Fresko ganz im Stile Mantegnas. S. Domenico habe ich leider nicht im Innern besichtigen können. Es scheint wenig mehr von seiner ehemaligen Gestalt zu haben..

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S. Francesco in Mantua

Einen Schluß auf die alte Gestalt des Chores an der Kirche zu Mantua würde uns nun vielleicht S. Francesco in Brescia gestatten, erführen wir nicht aus einer alten Notiz, daß deren Chor ein gotischer Neubau des 15. Jahrhunderts ist. Hier ist das dreischiffige Innere, das aus sieben Jochen bestand, im letzten Jahrhundert durchaus verändert worden (dorische Säulen mit Rundbogen, Stichkappengewölbe), nur die Haupttribüne, die von zwei rechtwinkligen kleineren Apsiden, ganz wie in Mantua, flankiert wird, ist erhalten. Sie besteht aus einem quadratischen, einem darauffolgenden ganz schmalen oblongen Gewölbe und einer fünfseitigen Koncha. Wie war sie ursprünglich? Jedenfalls weniger tief, aber ob rechtwinklig oder polygon? Am linken Seitenschiffe befinden sich sechs Kapellen, von denen die vierte aus gotischer Zeit stammt, die fünfte und sechste außen eine hübsche Renaissanceverkleidung mit Pilastern hat. Der Turm ist alt erhalten, auch die Fassade im wesentlichen. Sie ist dreigeteilt, hat ein feingegliedertes rundbogiges Portal mit Knospenkapitälen, die sich als Sims bis zu den Strebepfeilern fortsetzen, ein großes Radfenster, einen sich kreuzenden Rundbogenfries und zwei moderne viereckige Fenster. Nach Malvezzis Chronik ist die Kirche 1265 vollendet, 1470 der Chor neu von Antonio Zurlengo gebaut worden Le pitture e scolture di Brescia. 1760. – Pitture ed altri oggetti di belle arti di Brescia. 1834. (Cavalieri.) – San Domenico, 1223 gegründet, ist 1611 total verändert und umgebaut worden. – Dagegen scheint S. Maria del Carmine in der Anlage S. Francesco verwandt gewesen zu sein. (Sieben Joche, got. Säulen, moderner tiefer Chor, sechs alte barockisierte viereckige Kapellen am rechten Schiffe.).

Schließlich ist an dieser Stelle die Kirche S. Francesco in Gubbio zu nennen, die ebenso wie einige andere obenerwähnte Bauten derselben Stadt entschiedene Beziehungen zu Norditalien aufweist. Jetzt im Innern vollständig barockisiert ist doch die dreischiffige Gesamtanlage mit drei fünfseitigen Apsiden erhalten; die achteckigen Pfeiler, die, wie in Modena, ziemlich eng (halbe Breite des Mittelschiffes) gestellt sind – nur die ersten zwei haben größere Distanz – dürften alt sein, tragen aber jetzt Rundarkaden. Die Seitenschiffgewölbe erreichten fast die Höhe derjenigen des Mittelschiffs. Die dreigeteilte Fassade hat ein rundbogiges Portal, einen horizontalen Spitzbogenfries und ein jetzt zugemauertes Radfenster. Die Seitenwand und die Apsiden sind durch Lisenen mit Rundbogenfries gegliedert und haben hohe, schmale gotische Fenster. An der Nordseite ist ein rundbogiges Doppelportal. Der über der südlichen Apsis sich erhebende eigentümliche Turm ist oblong achtseitig. Aus einem Breve Nicolaus' IV. geht hervor, daß Kirche und Konvent 1292 vollendet waren Guardabassi: Indice. S. 99. Maße: Msch. 7,29, Ssch. 4,59, Pfdist. 3,05. Auch die im 17. Jahrhundert umgebaute Kirche des hl. Dominicus in Fabriano mit einer siebenseitigen Apsis und einer reichen Lisenengliederung mit Spitzgiebelchen im Äußeren wäre vielleicht hier mit zu erwähnen..

Eine Anzahl anderer Kirchen, die, was das Festhalten an der alten romanischen einfachen Basilikaanlage betrifft, Verwandtschaft mit den obenbesprochenen zeigen, vergleichend mit in Betrachtung zu ziehen, würde zu weit führen, zumal die Übereinstimmung hier nur eine sehr oberflächliche ist und sich nicht auf die Anlage der Gewölbe und die Bildung der Details erstreckt, von irgendwelchem näheren Zusammenhange also nicht die Rede sein kann Vgl. z. B. die 1325 vollendete holzgedeckte Säulenbasilika S. Stefano sowie S. Maria del Carmine in Venedig, welch' letztere in der Anlage doppelter (nicht mehr erhaltener) Gewölbe an mailändische Bauten erinnert (1208-1250). Ferner S. Martino maggiore in Bologna, eine aus dem 14. Jahrh. stammende Pfeilerbasilika, den Dom in Arezzo, der nach 1277 gebaut wurde (Pfeiler, fünfseitige Hauptapsis, rechtwinklige Seitenapsiden), den Dom von Cesena um 1350 (Pfeiler mit vorgelegten Halbsäulen, Haupttribuna der von S. Francesco in Brescia ähnlich), S. Mercuriale in Forlì, und zahlreiche Gewölbekirchen in kleineren Städten der Lombardei, z. B. Castiglione d'Olona..

2. Der Kathedralentypus

Mit diesem kurzen Namen wollen wir eine Gruppe von Kirchen bezeichnen, deren Charakteristisches der Chorumgang mit Kapellenkranz ist. Es kann kaum zweifelhaft sein, daß dieser zum ersten Male in Norditalien mit der Kirche S. Francesco in Bologna, die von 1236-1260 gebaut ward, auftritt. Sie ist es, die für die gesamte Entwicklung der Gotik in Bologna bestimmend wirkt und ihren Einfluß selbst noch bei der Feststellung des Kirchenplanes für S. Petronio geltend macht; daß man dies früher nicht erkannt und ihrer Bedeutung bis zum Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches nicht gerecht geworden, liegt wohl hauptsächlich daran, daß sie als Militärdepot lange Zeit schwer zugänglich war, bis sie in neuerer Zeit, wiederhergestellt und nun viel bewundert, auch zum Gegenstand mancher Untersuchungen gemacht, dem Besuche geöffnet wurde. Der von Lübke in den Mitteilungen der Zentralkommission gegebene Grundriß ist sehr verfehlt, somit auch die danach gemachte Beschreibung Schnaases nicht genau 1860, S. 168. In seiner Gesch. d. Arch. S. 629 berichtigt Lübke selbst die falsche Zeichnung der Gewölbe, weiß aber nicht, daß der Hauptfehler in dem Weglassen des Kapellenkranzes besteht. – Schnaase VII, S. 126.. Mothes erwähnt wie jene nichts von dem wichtigen Kapellenkranz und hat irrtümliche Angaben über die Gewölbe. Es kann daher nicht verwundern, daß man früher auch nicht darauf aufmerksam geworden ist, daß der im Jahre 1267 begonnene Chor von S. Antonio in Padua nur in Nachahmung der älteren Minoritenkirche zu Bologna entstanden ist.

Über die Baugeschichte sind wir ziemlich genau unterrichtet. Alle älteren Guiden nennen als Zeit der Entstehung 1236 oder 1240, derjenige von 1755 als Baumeister den Marco Bresciani, und damit stimmen die neueren Forschungen Ghirardaccis überein, der Gonzatis Behauptung, ein Franziskaner Fra Giovanni habe den Bau geleitet, widerlegt und beweist, daß Marco da Brescia der eigentliche Architekt gewesen sei und jener Giovanni nur die Reparaturen zweier eingestürzter Bögen 1251 bis 1256 ausgeführt habe Pietro Lamo: Graticola di Bologna ossia Descriz. etc. fatta l'anno 1560. Bologna 1844. – Le pitture di Bologna. IV. Ed. 1755 (Longhi). Pitture, sculture ed architecture di Bologna (Longhi) 1776. (Dass. Ausg. v. 1792.) – Gualandi: tre Giorni in Bologna III, Ausz. 1865. – In den Guiden von 1820 u. 1825 findet sich nichts, da zu jener Zeit S. Francesco Dogana war. – Mothes S. 457. – Von der neueren Lit. vgl. Alfonso Rubbiani: La chiesa di S. F. 1886. – Abb. der Fassade bei Runge: Beiträge I. Folge Bl. 25, 31, 33 unzuverlässig. – Maße: Msch. 10,20 m, Ssch. 6 m, Pfdist. 5,26, Kapellentiefe 4,45, Pfeilerdurchmesser 1,62.. 1845 wurde die Kirche restauriert und polychrom bemalt und wurde in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts von Rubbiani wiederhergestellt. War es aber auch ein Italiener, der dem Bau vorgestanden, so zeigt dieser dennoch durchaus französischen Stil. Wenn es bei anderen gotischen Monumenten Italiens oft zweifelhaft bleiben kann, wie weit in ihnen ein fremder Einfluß sich geltend macht, hier kann keine Frage darüber sein. Das System des Chorumganges mit Radialkapellen ist ein in jenen frühen Zeiten Frankreich durchaus eigentümliches; wo wir es in Deutschland finden – und zwar mit wenigen Ausnahmen wie z. B. am Magdeburger Dom, am Dom zu Köln begegnet es uns hier erst später im 14. Jahrhundert – ist es entlehnt, während es dort sich bereits in den romanischen Bauten konsequent entwickelt hatte. Auf welche speziellen Vorbilder S. Francesco in Bologna zurückzuführen ist, wird sich ergeben, wenn wir den Bau einer genaueren Betrachtung unterziehen.

Es ist eine dreischiffige Pfeilerkirche mit sieben Jochen, nicht ausladendem Querschiff, halbkreisförmigem Chor mit Umgang und neun viereckigen niedrigen Radialkapellen (Abb. 58). Die über das Längsschiff ausladenden Kreuzarme sind wohl erst später im 17. Jahrhundert angebaut Mothes zweifelt, ob dies nicht schon bei der Reparatur von 1251-1256 geschah., ebenso die sechs Anbauten am linken Seitenschiff, von denen nur die auf das zweite Joch (vom Eingang aus gezählt) sich öffnende fünfseitig geschlossene Kapelle des heiligen Bernhardin der späteren Gotik angehört Nach dem Guida von 1755 um 1440 gebaut und mit Fresken von 1450 geschmückt, die in dem Guida von 1776 1456 datiert und in dem von 1792 einem Giovanni da Modena zugeschrieben werden, der die daselbst befindliche Tafel mit Bernhardin von Siena (mit Legendendarstellungen) 1451 gemalt. Pietro Lamo erwähnt gegenüber der Sakristeitüre ein Fresko: Geburt Johannes des Täufers »di mano di Giovanni Faloppia da Modena, e per cose antiche sono belle, e furono fatte l'anno 1428.« Es ist dies ein sonst unbekannter Meister, dessen Namen hier aber sicherlich nicht erfunden ist.. Das Mittelschiff hat am Eingange zunächst ein oblonges, dann drei quadratische sechsteilige Gewölbe, denen in den Seitenschiffen die doppelte Anzahl quadratischer Gewölbe entspricht. Die ziemlich niedrigen sieben Arkaden ruhen auf achteckigen Pfeilern mit simsartigen Deckplatten, über denen als Träger der Gewölbe dreiseitige Lisenen mit gotischen Blattkapitälen emporsteigen. Der mittlere Transversalgurt der sechsteiligen Gewölbe ruht auf einfachen schwächeren Pilastern. In den Seitenschiffen Pilaster. Wieviel hier auf Rechnung der Restauration kommt, wage ich nicht zu entscheiden. Im Hauptschiffe einfache spitzbogige Fenster. Das quadratische Gewölbe der Vierung ruht auf Pfeilern, von welchen die am Längsschiff (restauriert) mit vier von Akanthuskapitälen bekrönten Pilastern belegt sind, am Chor die alte Gliederung mit fünf Rundstäben bewahren. Die Kapitäle der letzteren haben rechts gotisches Blattwerk, links eigentümliche sirenenartige Vögel. Der Chor mit zehnfachem Gewölbe hat noch die alten Pfeiler mit vier größeren und vier dazwischen gestellten kleineren Rundstäben. An den Kapitälen finden sich einfache schilfartige Blätter, Lilien, Knospenblätter, einmal auch zwei Drachen mit ochsenartigen Köpfen, die sich beißen. Die Bögen sind hoch, lanzettförmig, die Fenster einfach spitzbogig, in der Höhe kleine Rundfenster; der Chorumgang ist niedriger als die Seitenschiffe. Die sphärisch angelegten Kapellen, deren hinterste später umgewandelt worden ist, sind niedrig. Als Träger der Gewölbe des Umgangs dienen verschiedenartig gestaltete Pfeiler, die teils fünfseitig aus dem Achteck gebildet, teils mit Rundstäben gegliedert sind. Einige Male finden sich an ihrer Stelle Konsolen, von denen mehrere modern.

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S. Francesco in Bologna

Das Äußere der Kirche zeigt Lisenen und Spitzbogenfries, Strebemauern über dem Seitenschiff, der Chor über den Kapellen ein vollständig nordisch ausgebildetes System von Strebebögen. Von den zwei Türmen stößt der ältere kleinere, 1261 gebaute, mit einfachen Fenstern versehen, an die Ostseite des rechten Querschiffes; der spätere, der reicher drei- und zweigeteilte Fenster zeigt und 1397 vom Capo maestro Antonio di Vincenzo gebaut wurde, steht etwas weiter rechts.

Die Fassade, unorganisch hoch über die Schiffe hinausgebaut und zu hoch im Verhältnis zur Breite, hat spitzen Giebel, Strebepfeiler, in der Mitte eine spitzbogige Türe mit spitzem Giebel, darüber zwei spitzbogige hohe, schmale Fenster, ähnliche kleinere unten zur Seite. Ferner in der Höhe drei Rosetten und über der mittleren zwei kleinere rundbogige Doppelfensterchen. Als Abschluß dient ein Spitzbogenfries über eingelegten runden, kleinen Marmormedaillons. Offenbar stammt die Hauptsache von einem Umbau, der nach einer Notiz Pietro Lamos der Familie der Guastavillani verdankt wird und daher wohl in das Ende des 14. Jahrhunderts zu setzen ist, da die Stifter vermutlich dieselben waren, die 1388 bei den Brüdern Massegne den reichverzierten Altar bestellten. Vielleicht bezieht sich die Angabe des Guida von 1792: die Kirche sei 1383 wieder gebaut worden, auf die Fassade.

Der Gesamteindruck des Innern ist ein sehr harmonischer, dabei so nordisch-gotischer, wie ich ihn in keiner andern italienischen Kirche erhalten. Die Verhältnisse sind schlank, das Aufstreben ist deutlich ausgesprochen, das Mittelschiff überragt hoch die Seitenschiffe, das Ganze entspricht deutlich den frühgotischen Kirchen Frankreichs, an die nicht allein das Chorsystem, sondern auch die sechsteiligen Gewölbe und die Details, die Pfeilerbildung, die Strebesysteme, die Kapitäle auf das entschiedenste erinnern. Und zwar muß ich das direkte Vorbild in französischen Zisterzienserbauten wie denen in Clairvaux und Pontigny sehen. Hier findet sich die seltene, sonst mir nicht bekannte Eigentümlichkeit, daß der halbkreisförmige Chor neun Radialkapellen hat, welche die Gestalt von sphärischen Vierecken haben und zusammen außen eine fortlaufende halbkreisförmige Außenmauer bilden Grundrisse bei Viollet-le-Duc: Dict. rais. de l'architecture française I. B. S. 267 (Clairvaux) und S. 272 (Pontigny).. Die Übereinstimmung gerade in dieser Eigentümlichkeit der Form und Anlage der Kapellen läßt für mich keinen Zweifel übrig, daß hier eine direkte Entlehnung stattgefunden hat – ein besonders interessantes und schlagendes Beispiel mehr dafür, daß die Bettelmönche in ihrer Bautätigkeit treue Nachfolger der Zisterzienser sind.

Dabei könnte nur die eine Frage entstehen: haben die Franziskaner direkt entlehnt, oder schließt sich ihre Kirche nicht an die ältere Kirche S. Domenico in Bologna an? Ich glaube, daß die letztere Annahme ausgeschlossen ist, da es von vornherein nicht wahrscheinlich ist, daß das Bauwerk, wäre es so vollendet und reich gewesen, eine so vollständige Umwandlung erfahren hätte, wie Francesco Dotti sie 1730 vornahm. Was aber vom alten Bau erhalten ist: der Chorschluß, der allerdings nach meinem Dafürhalten die allergrößte Verwandtschaft mit S. Francesco zeigt, ist zweifellos viel später, wohl erst im 15. Jahrhundert entstanden. Damals hat man offenbar geplant, die ältere Kirche auszubauen und zu erweitern und für den Chor sich an das Vorbild der Minoritenkirche zu halten. Der Chor scheint neunseitig beabsichtigt gewesen zu sein mit Umgang und neun Radialkapellen, von denen an der Nordseite außen noch drei erhalten sind, eine vierte in den Neubau hineingezogen wurde. Das ausladende Querschiff sollte polygonen Abschluß erhalten, wie der achtseitige Schluß am nördlichen Arm beweist, der, wie in S. Francesco, kräftige 3/8 Strebepfeiler, die rundbogig verbunden sind, aufweist. Das krönende Gesims ist durchaus antikisierend und stammt wohl aus der zweiten Hälfte des Quattrocento. Aus dem allen geht hervor, daß der Franziskanerkirche die Priorität zukommt.

Wenige Jahre vor dem Beginn von S. Francesco in Bologna war in Padua der Grundstein zu S. Antonio, der gewaltigen Kirche des 1231 gestorbenen, 1232 kanonisierten größten Anhängers des Franz: Antonius gelegt worden. Die durch Ezzelino erregten Unruhen hemmten jedoch den Fortgang des Baues, bis 1256 Alexander IV. einen Ablaß zu dessen Gunsten erließ, der nun in den folgenden Jahren, in denen verschiedene Baumeister erwähnt werden 1263 Egidius murarius, Sohn des Mag. Gracius; Ulbertinus, Sohn des Lanfranchus; Nicolaus murarius, Sohn des Johannes; Pergardus, Sohn des Hugo, alle aus Mantua. 1264 Benedictus murarius aus Verona und Zambonus aus Como. 1266 Albertus de Pinalto. 1292 Fra Clarello. 1307 Fra Jacopo von Pola. Vgl. die ausführliche Baugeschichte bei Mothes S. 460 ff., der alle älteren Arbeiten, unter denen ich nur Gonzatis vorzügliche Monographie: la Basilica di S. Antonio, Padua 1853, Essenwein in M. der C. C. 1863, S. 69 ff., erwähne, anführt. Schnaase VII, 133 ff. (Abb.), Lübke S. 442 (Abb.), Guida della Bas. di S. Antonio und die bei S. Agostino erwähnte Literatur der Guiden sowie Abb. bei Gally Knight II, 21. Runge II, 14. Nach Lübke: Breite 112 F., Länge 316 F., rüstig vorwärts gebracht wurde. Am 27. September 1267 wurde der Grund zum Chorschluß gelegt, 1310 der Heilige übertragen. 1350 war die Kirche vollendet. 1377 beginnt Magister Andriolo aus Venedig die Capella S. Felice. 1424 wird die siebente Kuppel gebaut, 1434 der Kreuzgang von Christoph von Bozen. 1448 restauriert man die Fassade. 1481-90 entsteht der Kreuzgang des Noviziats. 1470 wurde die Kapelle des Heiligen von Bartolomeo da Ponte und 1498 von Agostino da Bergamo nach Entwurf des Pier Antonio von Modena, dann 1500 und 1532 ausgeschmückt. 1519 wird der große Kreuzgang von Giovanni Minello und Francesco di Cola gebaut, 1651 der Chor umgestaltet und 1745 die Reliquienkapelle hinter dem Chor vollendet. 1862 findet Restauration durch Valentin Schmidt statt. Eine eingehende Beschreibung des bekannten Bauwerks wäre überflüssig, wohl aber muß darauf hingewiesen werden, daß Essenwein doch nicht so ganz recht hat, wenn er sagt, die Kirche sei weniger ein Bau des Ordens als der Stadt Padua, ebensowenig wie Mothes, der noch weitergehend meint, daß sie als Bau nicht der norditalienischen Tiefebene, sondern ganz Italien angehöre. Eine so wunderbare Wirkung die Verbindung der großartigen byzantinischen Kuppelanlage mit dem französischen Chorsysteme hervorbringt, so läßt sich diese doch auf den bestimmenden Einfluß, den zwei norditalienische Kirchen in dem Verlauf ihrer langen Baugeschichte auf sie gehabt, zurückführen. So wie sie uns jetzt erscheint, gehört sie der allgemeinen Anlage nach in den Kreis der Bettelmönchkirchen, die sich mit S. Francesco in Bologna an das reiche Zisterziensersystem anschließen. Welcher Art der ursprüngliche Plan gewesen, ehe man 1263 den Bau über das Querschiff fortführte und nun für den Chor jene Kirche zum Vorbild nahm, ist jetzt wohl sehr schwer zu bestimmen. Schnaase nimmt an, daß an die sechste Kuppel sich eine einfache Koncha anschließen sollte. Das ist denkbar, doch würde dies nicht vielleicht schon eine Erweiterung des ersten Planes bedeuten, und bestand nicht vielleicht dieser bloß in einem Längsschiffe und Querschiffe, an das sich ohne weiteres der Chorraum – der wie immer gestaltete Chor – anschloß? Oder war die Kreuzgestalt tatsächlich vollständig durchgeführt? Mit S. Marco in Venedig hat S. Antonio schließlich doch nur die Kuppeln gemein: der Grundriß der Kirche scheint mir zu verschieden, als daß man ihn nur als eine Erweiterung des Längsschiffes von S. Marco auffassen könnte, bei der man dem lombardischen Gewölbesystem gefolgt wäre. Ist nicht in dem letzteren doch schon von vornherein der Charakter der Bettelmönchkirche ausgesprochen? Ich glaube dies bejahen und damit ein stärkeres Gewicht auf die Grundrißanlage, als auf die Kuppeln legen zu müssen.

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S. Francesco in Padua

Zur Bekräftigung meiner Ansicht ziehe ich die Kirche S. Francesco in Padua zum Vergleich heran, die in der allgemeinen Disposition wenigstens noch den alten Bau erraten läßt, wenn sie gleich im Jahre 1420 auf Kosten des Baldo Piombino von Urbino und seiner Gattin Sibilla einen gründlichen Umbau erfuhr Vgl. Moschini: Guida per Padova, Venezia 1817, S. 106, der das Testament vom 9. Sept. 1410 anführt gegen Rossetti: Descrizione etc. di Padova 1776, der den Stifter Bonifacio Piombino nennt. Auch Selvatico: Guida di Padova. 1869. S. 156. In Brandoleses Guida von 1795 nichts über den Bau. – Mothes S. 462. – Maße: Msch. 10,80 m, Ssch. 5,40 m, Säulendist. 4,75 m.. Wann sie gegründet, wissen wir nicht genau, doch lassen die erhaltenen Teile: die Seitenfassade, Kreuzgang und Turm mit Bestimmtheit auf die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts schließen. Ebenso bestimmt läßt sich von außen die Kreuzform der Kirche bestimmen, im Innern die Gewölbeanlage wenigstens mit großer Wahrscheinlichkeit. Wie heute bestand das Längsschiff jedenfalls auch früher aus zwei quadratischen Jochen im mittleren Teil und doppelt so vielen in den Seitenschiffen. Die Kapellenreihen wurden 1420 hinzugefügt. Das Querschiff hat eine quadratische Vierung und quadratische Arme, alle drei jetzt mit sternförmigen Gewölben; der weit hinausgeschobene Chor aber verrät nichts mehr von der alten Gestalt. Als Stützen der Gewölbe im Längsschiffe wechseln jetzt Pfeiler mit gotischen, auf hohen Postamenten stehenden Säulchen ab, welch letztere nach Rossetti von einem Bartolommeo Campolongo geschenkt wurden. Die Seitenfront hat, wie der schlanke Glockenturm, dessen Aufsatz achteckig ist, Lisenen und Rundbogenfries, der Hof Rundbogen auf gotischen Säulen mit niedrigen Kapitälen (mit Eckblättern). Der Grundriß, wie wir ihn rekonstruiert, zeigt eine auffallende Verwandtschaft mit dem des älteren Baues von S. Antonio. Fraglich bleibt es freilich noch immer, wie der Chor gestaltet gewesen. Suchen wir aber nach ähnlichen Anlagen in Norditalien, so treffen wir, strenge genommen, nur auf eine einzige, die zeitlich vorangeht. Es ist die Zisterzienserkirche Chiaravalle bei Mailand, auf deren unten folgende Beschreibung hier verwiesen werden muß. Bei ihr allein, so viel mir bekannt, findet sich damals die gleiche Anlage des Längsschiffes, verbunden mit dem aus drei quadratischen Jochen gebildeten, vortretenden Querschiff, eine Eigentümlichkeit, in welcher das eigentlich Wesentliche jener Bauten in Padua zu sehen ist. In Chiaravalle jedoch bildet der Chor ein quadratisches Joch. Man könnte einwenden: aber das Charakteristische dieser Zisterzienserkirche liegt doch in den neben dem Chor angelegten sechs rechtwinkligen Kapellen, die zweifellos an S. Francesco in Padua sich nicht befanden? Ich kann darauf nur erwidern, daß Chiaravalle ursprünglich jene Kapellen nicht hatte, dieselben vielmehr, was bis jetzt noch nicht bemerkt worden ist, aber später nachgewiesen werden soll, höchst wahrscheinlicherweise erst Zutaten einer späteren Zeit sind. Damit aber gewinnt meine Vermutung, daß der Grundriß der Paduaner Kirchen sich an den des Zisterzienserbaues anlehnt, sehr an Glaubwürdigkeit, zumal wir ja fast überall bei den Franziskanerbauten den Anschluß an den früheren Ordensstil bemerkt haben. Daß das Langhaus dort vier, hier nur zwei Joche aufweist, ist von keiner Bedeutung Ein gleiches kurzes Längsschiff findet sich in der 1208 gestifteten Zisterzienserkirche S. Maria d'Arbona in den Abruzzen. Schnaase VII, S. 538. Mothes S. 698, der die Seitenkapellen am Chor wie am Seitenschiffe für 1257 entstanden hält..

Damit aber hätten wir für die ursprüngliche Disposition von S. Antonio wie S. Francesco, gleichviel welcher Bau den anderen beeinflußt hat, einen befriedigenden Aufschluß durch den Nachweis des Zusammenhangs mit der lombardischen Kunst gewonnen und können nun getrost S. Marco seinen Einfluß in der gewaltigen Kuppelanlage äußern lassen. Das Wesentliche bleibt, daß also S. Antonio ursprünglich als Ordenskirche der Minoriten, wie die meisten anderen, der Zisterzienseranlage folgt, und zwar der einfacheren; merkwürdig genug, daß dann später der Chor die reichere Form erhält. Und hier kehren wir zurück zu der Betrachtung dieses Chores, der, wie erwähnt, jenem von S. Francesco in Bologna nachgebildet wurde. Er ist sieben- oder vielmehr neunteilig geschlossen, hat gleichfalls einen Umgang und dieselbe nicht ganz glückliche Disposition der neun viereckigen Kapellen. Die Pfeiler mit vorgelegten Halbsäulen sind nicht ganz so konsequent angelegt wie dort. Das Gewölbe des Chores ist hier ein stern- oder kuppelförmiges fünfzehnteiliges Wohl nachgebildet in dem jüngeren Gewölbe von S. Francesco zu Padua.. Das Äußere der merkwürdigen Kirche bezeichnet einen nicht glücklichen Kompromiß zwischen den verschiedenen stilistischen Elementen des Baues und braucht uns hier nicht länger zu beschäftigen. Wir wenden uns vielmehr gleich zu einigen anderen Kirchen, die, obgleich nicht den Bettelmönchen eigen, doch an dieser Stelle, als mehr oder weniger freie Nachahmungen von S. Francesco in Bologna, genannt zu werden verdienen.

Schon Schnaase hat darauf hingewiesen, daß die Kirche der Servi, sowie S. Martino maggiore und S. Giacomo maggiore ähnlich angelegt sind, vermochte aber nicht den Vergleich treffend durchzuführen, da er eine falsche Anschauung von dem Chorsystem in S. Francesco hatte. Die älteste ist die 1267 begonnene, 1315 eröffnete, 1483 von Pietro da Brensa veränderte S. Giacomo maggiore zu Bologna, die jetzt modernisiert, ursprünglich, nach der dreigeteilten Fassade zu schließen, wohl drei Schiffe, ein nicht ausladendes Querhaus und einen neunteiligen Chor mit Umgang und viereckigen Kapellen hatte, wie S. Francesco. Der Chorumgang und die Kapellen sind außen in reicherer Weise mit Spitzgiebeln gestaltet Man vergleiche für die Details Mothes S. 473, der irrtümliche Angaben hat: dreischiffiges Langhaus, dreischiffiges Querhaus!. Die Servitenkirche, 1383 vom frate Andrea Manfredi, und zwar vom Chor aus begonnen, entfernt sich weiter von dem Vorbilde. Der Chorumgang hat neun Joche, doch sind von den neun Kapellen nur die drei hintersten wirkliche viereckige Kapellen, die sechs anderen nur nischenartige Räume. Der Langhausbau mit seinen neun Gewölbejochen und seinen Säulen hat nichts mehr mit S. Francesco zu tun. S. Martino aber, eine dreischiffige Kirche ohne Querhaus mit einer polygonen Apsis, hat gar keine Beziehungen zur Bettelmönchkirche.

Wohl aber – und dies ist von größerem Interesse – spielte die Franziskanerkirche wieder ihre Rolle, als man 1388 beschließt, S. Petronio zu bauen, und 1390 von A. Manfredi und Antonius, dem Sohn des Vincentius, die Zeichnung und das Modell entwerfen läßt, nach welchem in demselben Jahre das Werk begonnen wird. Der ursprüngliche, später nicht zur Vollendung gelangte Riesenplan Bei Schnaase VII, 177. Lübke 629. – Vgl. bei Mothes: S. 496 ff. die Geschichte und Literaturangaben., der mit seinem dreischiffigen, von Kapellen begleiteten Langhause und Querhause und mit seiner mächtigen Kuppel an Größe der Raumverhältnisse und Reichtum der Gliederung alles übertreffen sollte, was bisher in Italien geschaffen worden war, zeigt in der Anlage des Chores ein entschiedenes Zurückgehen auf S. Francesco, ein Umstand, der bedeutungsvoll dafür spricht, welchen wichtigen Anteil Manfredi, der schon in den Servi seine Vorliebe für jenes System gezeigt, bei der Konzeption des gesamten Baues gehabt haben dürfte. Dabei freilich blieb er weit entfernt von einer sklavischen Nachahmung, da er anstatt neun Kapellen zwölf, und zwar die ersten drei auf jeder Seite parallel nebeneinander anlegt, entsprechend den zwei quadratischen Jochen, um die er den geraden sechsteiligen Chorschluß hinausschiebt: das eigentlich Wesentliche aber, die viereckige Form der Kapellen und die rund dieselbe nach außen begrenzende Umfassungsmauer behält er bei. So sehen wir in höchst überraschender Weise das französische Zisterziensersystem durch Vermittlung der Franziskaner in dem vielleicht bedeutendsten Bauwerke italienischer Gotik ein neues Dasein gewinnen, freilich nur ein Scheindasein, da ja bis heute S. Petronio noch der Vollendung harrt. Wer, ohne S. Francesco zu kennen, zufällig auf die Verwandtschaft der weit entlegenen Zisterzienserbauten zu Clairvaux und Pontigny mit den Kirchen von Bologna aufmerksam geworden wäre, hätte wahrlich von einem sonderbaren Zufalle reden können – für uns bietet dieselbe vielmehr einen neuen interessanten Beleg für das häufig so Rätselhafte, aber immer doch so Stetige, Gesetzmäßige in der fortschreitenden Entwicklung des Werdens. Unterliegt doch die Kunst denselben ewigen Gesetzen organischer Fortbildung, wie die Natur selbst, Gesetzen, auf deren Wesen wir durch Vergleichung und Zusammenstellung einzelner erkannter Tatsachen mit wachsender Erkenntnis immer mehr und mehr schließen können, deren Entstehung und eigentlicher Gehalt aber dem Menschen stets ein Rätsel bleiben wird.

Eine entferntere Beziehung als die eben erwähnten Bauten hat S. Francesco in Piacenza zu der merkwürdigen Kirche in Bologna. Die Ähnlichkeit liegt hauptsächlich in den verwandten Raumverhältnissen: namentlich der bedeutenden Höhe des Mittelschiffes, sowie in der Fensteranlage des Chores. Doch behält von der eigentlichen Anlage des letzteren der Baumeister nur die allgemeine Idee des Umgangs mit Kapellen bei und versucht sie selbständig zu verwerten, was freilich entschieden mißglückte. Ob sein Plan durch räumliche Verhältnisse bedingt wurde oder für ihn die Absicht maßgebend ward, von dem Längsschiffe aus den Blick in die Kapellen zu ermöglichen, jedenfalls ordnet er vier nach außen vierseitig geschlossene, innen siebenteilig gewölbte Kapellen in einer fast geraden Linie nebeneinander hinter dem Chor an, der selbst in 4/10 geschlossen ist Es sind genau genommen zwei ideelle, durch die Eingangsbögen gegebene, in stumpfem Winkel sich treffende Linien, an denen je zwei Kapellen liegen. Diese selbst aber sind genau der Längsrichtung der Kirche entsprechend gestaltet, so daß sie eine ganz unregelmäßige polygone Gestalt haben.. Dadurch ergibt sich auch für den sechsteiligen Umgang eine große Unregelmäßigkeit in den Gewölben. Vom Querschiff an gerechnet treten zuerst zwei fast quadratische Gewölbe auf, dann folgen zwei fünfteilige, endlich vierteilige. Demnach kommt auf die Mitte des Chores hinten ein Pfeiler und die Wand, welche die zwei mittleren Kapellen scheidet, zu stehen. Die Pfeiler des Chores, welche die an Bologna erinnernden gestelzten, lanzettförmigen Bögen tragen, sind, abgesehen von den zwei vordersten achteckigen, rund und mit einem einfachen Kapitäl, über dem die Rippen direkt aufsetzen, versehen. Vor die Mauerpfeiler der Kapellen sind drei Halbsäulen mit ganz niedrigen Kapitälen gelegt, deren Blätter meist knospenförmig oder spiralförmig an den Ecken gebogen sind. Die runden Dienste der Kapellen haben gleichfalls Blattkapitälchen. Über den in vier eigentümlichen Rundbogen geschlossenen einfachen Fenstern sind wie in Bologna Rundfenster. Das Längsschiff hat vier große quadratische Joche, ebenso viele oblonge Gewölbe befinden sich in den Seitenschiffen. Das Querschiff ladet nicht aus, hat aber die volle Höhe des Mittelschiffes.

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S. Francesco in Piacenza

Die sehr weitgespannten Spitzbögen ruhen auf Rundpfeilern – was an S. Francesco im benachbarten Parma erinnert – und die Gewölbe auf Lisenen, die von zwei Runddiensten begleitet sind. Die Quergurte sind fast rund gespannt; die Rippen zeigen schilfblattförmige Profilierung. An der Oberwand sind in jedem Joche zwei eigentümliche, oben ganz flachbogig endigende (fast viereckige) Fenster mit Maßwerk, das in fünf Bogen oben abgeschlossen ist, geschmückt; unter ihnen je eine kleine spitzbogige Nische, über ihnen je ein Rundfenster. Das Mittelschiff wirkt frei und hoch, in den Seitenschiffen erscheinen die oblongen Gewölbe ebenso störend wie im Dom zu Florenz, doch macht das Ganze einen entschieden monumentalen großartigen Eindruck. – Die durch Lisenen dreigeteilte, mit zierlichen Fialen gekrönte Fassade ragt mit den drei Rundfenstern, wie in Bologna, oben über die Schiffe hinweg. Das rundbogige, reich gegliederte Portal ist alt und zeigt in der Ausführung des Details eine selten hohe Vollendung. Die kleinen im Laubwerke der Kapitäle kletternden, mit Tieren spielenden Putti sind von unvergleichlicher Grazie und Schönheit. Nach ihnen und nach der Lunette mit der Stigmatisierung des Heiligen zu schließen, ist das Portal im 15. Jahrhundert entstanden. Zwei spitzbogige Fenster an den Seiten zeigen wieder das eigentümlich ausgezackte Maßwerk, in dem wie an den Fenstern der Seitenfront eine Neigung zum Kielbogen hervortritt. Die Seitenfassade hat ein ausgebildetes Strebebogensystem.

Das ganze Bauwerk ist eine wunderliche Mischung verschiedener Elemente. Erinnert der Chor an die Bolognesischen Bauten, so verrät die Anlage der Gewölbe und das Detail der Fenster offenbar Kenntnis der venezianischen Kirchen. Es wäre von großem Interesse, Näheres von der Baugeschichte zu ergründen. Ich habe nur in Erfahrung bringen können, daß ein Ubertino Lando für den Bau im Jahre 1278 Häuser und Land hergibt und daß dieser 1806 restauriert wurde. Zur Ausführlichkeit meiner Beschreibung bestimmten mich die vielfach unrichtigen oder unzureichenden Angaben bei Lübke Cattanei: Descr. di Piacenza 1828, S. 13. – Schrabelli Guida. Lodi 1841, S. 57. – Vgl. M. d. C. C. 1860, S. 165. – Schnaase VII, 12. – Mothes S. 476..

Von S. Francesco offenbar beeinflußt ist S. Maria del Carmine in Piacenza, mit vier quadratischen Gewölben im Mittelschiffe, vier oblongen in den Seitenschiffen. Das Querschiff ladet nicht aus. Der Chor ist hier einfach viereckig. Von den bei Lübke und Mothes erwähnten, im halben Achteck geschlossenen acht Seitenkapellen des Längsschiffes konnte ich nichts gewahren M. d. C. C., S. 164. – Mothes S. 476.. Am linken Seitenschiffe sind zwei ziemlich große fünfseitige Kapellen angebaut.

Schließlich begegnet uns noch im Süden ein Franziskanerbau, der, ohne von Bologna beeinflußt zu sein, ein ganz verwandtes, hier gleichfalls direkt von Frankreich übernommenes Chorsystem aufweist: S. Lorenzo maggiore in Neapel.

Diese Kirche bestand schon vor 1234, in welchem Jahre sie die Minoriten erhielten, und wurde, nachdem sie 1232 durch ein Erdbeben zerstört worden war, von Fra Tommaso da Terracina samt der Fassade restauriert. Mit dem Entwurf des 1265 beschlossenen Neubaues betraute Carl I. nach Vasari den Maglione von Pisa, doch wurde die Arbeit erst 1280 in Angriff genommen, 1300 geweiht, 1324 vollendet Ricci II, 64. – Schulz: Denkmäler Unteritaliens III, 38. – Kugler III, 581. – Das obige nach Mothes S. 644. – Schnaase VII. 539. – Ganz falscher Grundriß bei Wiebeking, Bürg. Bauk. Taf. 74.. 1580 ward eine gerade Wand vor den Chor gelegt, im 18. Jahrhundert die Fassade verändert. Es ist eine kreuzförmige Kirche mit flachen Decken im Langhaus und Querschiff, deren einfache Gestaltung an die umbrischen und toskanischen Bauten erinnert und daher wohl mit Vasaris Angaben in Einklang zu bringen ist. Vermutlich hatte Maglione den Chor nach Art der größeren Bettelmönchkirchen in seiner Heimat mit rechtwinkligem Chor und Seitenkapellen versehen wollen, als 1280 eine Veränderung in dem Plane eintrat und der Chor nun nach französischem Muster, vielleicht von einem französischen Baumeister, ausgeführt wurde. Er hat einen Umgang mit neun Radialkapellen, die innen fünfseitig sind und nach außen dreiseitig vortreten. Kräftige Halbsäulen, die vor die Pfeiler gelegt sind, mit zweireihigen Blattkapitälen tragen die Rippen. Die polygonen Kapellen erinnern hier direkt an französische Kathedralen, was uns nicht überraschen kann, da ein Anjou der Stifter des Baues war und sich französische Einflüsse in fast allen gotischen Bauten Neapels geltend machen. War doch dies System des Umgangs mit Kapellen, wie Schnaase und Mothes bemerkt haben, schon in dem Dome zu Acerenza, in S. Trinità zu Venosa und in Aversa aufgetreten, hier freilich noch in der einfacheren romanischen Form mit nur drei Kapellen, wie sie im 11. und 12. Jahrhundert in der Auvergne und in Burgund die verbreitete ist Vgl. von neuerer Literatur vor allem: C. Enlart: Origines françaises de l'architecture gothique en Italie. Toulouse 1893. Acerenza: Grundriß, Schultz XXX. V. (I, 317). Venosa XLIII, 3 (I, 321 f.)..

3. Der einfache Zisterziensertypus

Die Gruppe von Kirchen, zu deren Betrachtung wir jetzt schreiten, hat, worauf Schnaase und Burckhardt im allgemeinen schon aufmerksam gemacht haben, wie die der vorhergehenden sich Ordenskirchen der Zisterzienser zum Vorbild genommen. Sie folgen derselben einfachen Anlage, die, wie wir bereits sahen, schon den Baumeistern in Umbrien vorschwebte, als sie die ersten Bettelmönchkirchen entwarfen. Jedoch wird diese im Norden nicht wie dort vereinfacht, sondern getreu befolgt, ja im einzelnen sogar reicher entwickelt. Als neues Element tritt zuweilen die Kuppel über der Vierung hinzu, für welche die italienische Kunst von jeher eine Vorliebe gehabt, in anderen Bauten erhält das dreischiffige Längshaus Kapellenreihen. Daß aber diese bestimmte Form sich nicht auf Norditalien beschränkte, sondern nach Florenz, Rom, ja Neapel verbreitete, erklärt sich daraus, daß sie auf der einen Seite den Bedürfnissen der Bettelmönche besonders entsprach und andrerseits, geräumig und stattlich zu gleicher Zeit, sich am besten für die größeren Städte eignete, für die sie – im Gegensatz zu den umbrisch-toskanischen – auch zuerst bestimmt und geschaffen war. Innerhalb des Ganzen aber lassen sich wieder zwei Gruppen von Kirchen gesondert betrachten: die venezianischen, die am kürzesten als Säulenkirchen bezeichnet werden mögen, und die lombardischen, welche Pfeilerkirchen sind. Ehe wir jedoch beide näher ins Auge fassen, scheint es geboten, einen kurzen Blick auf die Zisterzienserbauten in Italien zu werfen, die einen so großen Einfluß auf die Entwicklung der gotischen Architektur in diesem Lande gewinnen sollten.

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45. Die Glorie des hl. Franciscus.
Fresko von Giotto. Assisi,
Unterkirche S. Francesco.

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46. Maria mit dem Kinde.
Fresko von Giotto.
Assisi, Oberkirche S. Francesco.

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47. Madonna mit dem hl. Franciscus und anderen Heiligen.
Temperagemälde von Benozzo Gozzoli.
London, Nationalgalerie.

A. Zisterzienserbauten in Italien. Der bedeutendste derselben ist Chiaravalle bei Mailand. Das Kloster ward von Bernhard von Clairvaux, der im Jahre 1134 bis in den Anfang 1135 sich in Mailand aufhielt, gegründet, die Kirche nach einer noch vorhandenen Inschrift 1221 geweiht Sie lautet: Anno gratie MCXXXV XI. Kl' febr' constructu(m) e(st) hoc monasteriu(m) a b(ea)to B(er)nardo abb(at)e Clareval' MCCXXI co(n)secrata e(st) eccl(esi)a Ista a d(omi)no henrico Mediolanensi archiep(iscop)o VI nonnis maji i(n) hono(r)e s(an)c(t)e Ma(r)ie clareval'.. In welchen Jahren, ob noch im 12. oder 13. Jahrhundert sie errichtet worden, geht daraus noch nicht klar hervor Michele Caffi: Dell'Abbazia di Chiaravalle in Lombardia. Milano, Gnocchi. 1842. – Kugler II, 48. – Förster I, 243. – Ricci II, 183 und 212. – Schnaase VII, 102. – Lübke S. 440. – Mothes S. 449. – Neuerdings Eulart a. a. O. Abb. nur des Äußeren: Gally Knight II, Taf. 4, Hinteransicht. – Wiebeking Taf. 76. – Gruner: The terracotta architecture of North Italy 1867. Taf. 3 u. 4. – Mothes: Baulexikon I, S. 534. – Maße: Msch. 8,60 m, Ssch. 3,80, Pfdist. 3,80, Pfdurchm. 1,90.. Sie zeigt die übliche Kreuzform, hat ein Mittelschiff von vier quadratischen Jochen, doppelt so viele quadratische Kreuzgewölbe in den etwa halb so hohen Seitenschiffen, eine Kuppel mit Turm über der Vierung, gewölbte ausladende Querarme, einen quadratischen Chor und zu dessen Seiten je drei Kapellen mit zwei Geschossen. An den rechten Kreuzarm schließt sich die aus drei Gewölben bestehende oblonge Sakristei mit fünfseitiger Apsis, an das südliche Seitenschiff der nur teilweise erhaltene Klosterhof an. Man hat, wie ich glaube, die erste Bautätigkeit von einer im 13. Jahrhundert (wann?) vorgenommenen Restaurierung zu unterscheiden, welche in die ursprüngliche romanische Anlage gotische Elemente brachte, die ersten Arkaden links und rechts im Längsschiffe und die Bogen der Vierung Die alten runden Arkaden sind zugemauert über den Spitzbogen noch zu erkennen., sowie die türartigen Eingänge vom Querschiff in die Seitenschiffe spitzbogig machte: ob die Kapellen zu Seiten des Chores mit den großen rein gotischen Fenstern und dem Kreuzungsbogenfries außen, ebenso wie die Sakristei, die offenbar derselben Zeit gehört, dieser ersten Restaurierung oder einer zweiten, noch späteren angehört, muß fraglich bleiben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß alle diese Veränderungen gleichzeitig sind mit dem interessanten Kuppelturm, der sicher eine zweite Bauperiode bezeichnet. Ursprünglich mag auch die Vierung, wie in den nordischen Zisterzienserkirchen, ein Kreuzgewölbe gehabt haben, oder vielleicht, dem italienischen Geschmack entsprechend, eine einfache Kuppel, wie die Zisterzienserbauten auf römischem Gebiete. Die Kapellen neben dem Chor, die 1613 im Innern ganz verändert wurden, gehören ersichtlich nicht der ersten, sondern der zweiten gotischen Bauperiode an, wie dies namentlich außen sichtbar wird, wo sie sich mit ansteigendem Dache an die Querschiffswand anlehnen. Sie sind ungewöhnlich hoch und auffallenderweise jetzt in zwei Stockwerke geteilt, deren oberes das alte Kreuzgewölbe bewahrt. Offenbar ist die mittlere Decke erst später, vielleicht 1613, eingespannt worden Vgl. übrigens w. u. die gleiche Anlage in S. Francesco zu Ascoli.. Die Stützen sind massige Rundpfeiler, über denen als Gewölbeträger durch drei Halbsäulen gegliederte Pilaster aufsteigen, welche abgeschrägte Würfelkapitäle haben. Die großen Gewölbe sind ziemlich flach zwischen etwas gedrückte Rundbogengurte gespannt. In den Seitenschiffen setzen die Kreuzgewölbe ohne Rippen und Gurte auf Wandpfeilern auf, vor welche eine Halbsäule gelegt ist. Die ziemlich kleinen Oberlichter sind einfach, die drei Fenster des Chores hoch, schlank und rundbogig, die der Kapellen meist modernisiert. Über die niedrigen Seitenschiffe gehen kompakte Strebemauern. Die Querschiffsfassade hat Rundfenster. An der ganz modernisierten Hauptfassade ist nur das alte Hauptportal erhalten. – Der Kreuzgang, von dem nur Reste in einzelnen spitzbogigen Arkaden erhalten sind, ist, wie das jetzt als Schreinerwerkstätte dienende riesige, aus fünf Jochen bestehende Refektorium, wohl in der zweiten Bauperiode entstanden. Den Gesamtbau könnte man am besten als eine italienische Übersetzung eines französischen Werkes kennzeichnen. – Das spezifisch Französische tritt vielleicht am deutlichsten in den kleinen, von italienischer Gewohnheit ganz abweichenden Grabkapellen unfern des nördlichen Querarmes hervor. Angesichts der Gewölbebildung aber und der Disposition, sowie jener eigentümlichen, etwas gedrückten Form des Rundbogens fühlt man sich auf das lebhafteste an S. Ambrogio in Mailand erinnert und ist versucht, einen Einfluß seitens dieser Kirche anzunehmen. Von 1130–60 ward an S. Ambrogio gebaut, um 1200 die Kuppel erneuert und wohl zugleich die Überwölbung der Seitenschiffe – ob auch der Mittelschiffe? – in Angriff genommen. Vor 1184, dem Jahre der Einweihung, scheint auch der Neubau des Domes von Modena, der in der Gewölbedisposition Ähnlichkeit mit den beiden erwähnten Kirchen zeigt, vollendet gewesen zu sein, obgleich es mir nicht ganz unmöglich dünkt, die Gewölbeentstehung später anzusetzen.

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Chiaravalle bei Mailand

Welchen Einfluß diese Bauten – und nicht zum mindesten Chiaravalle – mit der ihnen gemeinsamen Anlage quadratischer Gewölbe auf die lombardische Gotik des 13. und 14. Jahrhunderts gehabt, soll später betrachtet werden, zunächst gilt es, das zweite, zwischen Ancona und Sinigaglia gelegene Chiaravalle kurz ins Auge zu fassen. Dasselbe, im Jahre 1172 gegründet Vgl. Schnaase VII, S. 87. – Ricci: Mem. stor. I, S. 34. – Mothes S. 440. – Eulart. – Abb. bei d'Agincourt Taf. XXXVI, 23-25. XLII, 5. LXIV, 13. LXVIII, 30. LXX, 10. 11. LXXIII, 17, 31, 41, 43., zeigt den vollständig ausgesprochenen Spitzbogenstil, der in diesem Falle, wie ich mit Mothes annehmen möchte, wohl eher auf deutsche, als französische Vorbilder hinweist. Das Langhaus hat hier sechs oblonge Kreuzgewölbe, denen ebensoviel quadratische in den Seitenschiffen entsprechen, die Vierung ein quadratisches, der linke Kreuzarm drei, der rechte zwei oblonge Gewölbe. Neben dem viereckigen Chor liegen nur am nördlichen Querarm drei viereckige Kapellen. Die Pfeiler haben vier Halbsäulen vorgelegt Ein drittes Tochterkloster von Clairvaux ist Chiaravalle von Chienti (gen. di Fiastra)..

An anderen Kirchen der Zisterzienser in Italien, über die man Näheres jetzt in Enlarts Werk über die französischen Ursprünge der italienischen Gotik findet: Fossanuova bei Anagni, Casamari bei Veroli, S. Maria in Ferentino begegnet die Kuppel über der Vierung; neben dem Chor sind zwei oder drei Kapellen angebracht. Die Pfeiler hatten in Fossanuova vorgelegte Halbsäulen Schnaase V, 325. – Mothes S. 691 ff., 697, 689. – Eulart a. a. O.. S. Vincenzo ed Anastasia bei Rom (1221 neu geweiht) hat am Ende des 12. Jahrhunderts den Zisterzienserchor mit vier Kapellen erhalten (Mothes Fig. 20).

 

B. Die venezianischen Bettelmönchkirchen. Die gemeinsame Eigentümlichkeit dieser Gruppe, die neben den zwei großen Bauten der Franziskaner und Dominikaner in Venedig selbst die den Bettelmönchen angehörigen Kirchen in Treviso, Padua, Verona und Vicenza umfaßt, beruht

Erstens auf der Anlage einer gleichen Anzahl von Gewölben im Seitenschiffe wie im Mittelschiffe;

Zweitens in der Anwendung von säulenartigen Rundpfeilern;

Drittens in dem polygonen Abschluß des Chores und der angrenzenden vier oder sechs Altarräume.

Wenn ich in der ersten Auflage dieses Buches die Kirchen der Frari, S. Giovanni e Paolo in Venedig und S. Agostino in Padua als die frühesten Bauten dieses Stiles betrachtet habe, so ist dies nach von mir angestellten archivalischen Forschungen nicht mehr möglich. Vielmehr zeigt es sich, daß diese Denkmäler nur die größten, eine vorangehende Entwicklung abschließenden Erscheinungen sind. Noch vorhandene Kirchen in Verona, Vicenza und Treviso verdeutlichen uns die vorhergehenden Stufen solcher Entwicklung, über die Bestimmtes auszusagen aber vorläufig nicht möglich ist, da wir nicht wissen, welche Rolle in ihr die ursprünglichen im 13. Jahrhundert errichteten Bauten der Frari und S. Giovanni e Paolo gespielt haben. Wir beginnen gleichwohl die Betrachtung mit jenen größten Werken der gotischen Periode im venezianischen Gebiete und lassen die anderen folgen.

S. Agostino in Padua existiert nicht mehr und leider ebensowenig eine ausführliche Beschreibung, die zu endgültigen Schlüssen berechtigen würde. Wir wissen nur, daß sie 1226 oder 1227 gegründet, 1275 um 40 Fuß erweitert und 1303 verändert wurde Nach Rossetti: Descrizione di Padova. Padova 1776, S. 3. – Moschini: Guida, Venezia 1817. – Brandolese: Pitture, Sculture etc. di Padova 1795. – Vgl. Selvatico, Ricci, Marchese. – Schnaase S. 129. – Mothes S. 477. Ob das von Moschini erwähnte Manuskript des p. Maestro Valerio Moschetta: eine Beschreibung der Kirchen v. J. 1585, noch vorhanden? Moschini macht darauf aufmerksam, daß in des p. de Lignamini Buch über die Inschriften eine Stelle sich finde, wonach einer alten Tradition zufolge er für gewiß halte, daß der Baumeister dieser Kirche jener gewesen sei, dessen Grab im Kirchhofe folgendes Epigraph zeige: Magister Leonardus Murarius qui dicitur Rocalica. Selvatico schreibt demselben, den er Boccaleca nennt, S. Steffano in Carrara bei Padua zu. Von demselben Leonardo soll 1284 der Saal des Palazzo della Ragione gemacht sein.. Es ist wohl wahrscheinlich, daß der erste alte Bau, da er 1275 um 40 Fuß erweitert werden konnte, eine andere Disposition zeigte als der Neubau 1313, der in der Anzahl der Joche mit den Frari stimmt, in der Anzahl von Kapellen aber nach der Beschreibung Rossettis, der bei der Aufzählung der Bilder sagt: ›seguono le due cappelle laterali all' altar maggiore‹, mit Giovanni e Paolo Man bemerke, daß er den Altar der einen Kap. 1304 geweiht sein läßt, was vielleicht darauf schließen läßt, daß 1303 zunächst der Chor verändert worden war. Beachtenswert auch, daß er nach einer Mitteilung des P. Domenico Federici auf Kosten des ›Francesco Novello ultimo signore di Padova‹ den Chor von einem Federigo Tedesco 1395 mit Fresken bemalen läßt. Er findet dessen Manier der des Giotto verwandt. Brandolese wendet sich gegen diese Behauptung: dieser Novelli sei erst Anfang des 15. Jahrhunderts gestorben, ein anonymes Manuskript gäbe die Fresken, der Ansicht des Girolamo Campagnola folgend, dem Guariento. Wie es mit dem Novello sich verhält, weiß ich nicht, doch hat Rossetti mit seinem schwerlich erfundenen Federigo Tedesco die größere Glaubwürdigkeit für sich – nur die Jahreszahl dürfte irrtümlich sein. In der Pinakothek zu Forlì findet sich ein »Federigo Todesco« bezeichnetes, 1420 datiertes Bild, das offenbar unter dem Einfluß des Gentile entstanden ist. Vgl. meinen Aufsatz im »Kunstfreund« 1885, S. 313.. Haben wir uns den alten Bau vielleicht im Grundriß S. Francesco und S. Antonio zu Padua ähnlich zu denken?

Daß aber S. Giovanni e Paolo eher auf das Vorbild der Frari zurückgeht als umgekehrt, geht aus der weiteren Distanz der Säulen, der niedrigeren Erhebung der Seitenschiffe, der regelmäßigen Anordnung der Fenster, der vorgeschrittenen Ausbildung der Kapitäle, Gliederungen und Lisenen hervor, sowie aus den von mir im Archiv zu Venedig aufgefundenen Notizen der Grazie, nach welchen die Kirche drei Jahre später als die Frari neu gebaut wurde, nämlich 1333 Vgl. meine »Studien zur ital. Kunstgesch. im 14. Jahrh. Repert. für Kunstw.« XVIII. S. 81 ff.. Zuerst war 1234 von Jacopo Tiepolo der Bauplatz geschenkt worden, auf dem zunächst eine Kapelle S. Daniele erbaut wurde, dann 1246 (nach Ablaßbrief) S. Giovanni e Paolo begonnen ward. Von diesem alten Bau ist vielleicht nichts mehr erhalten, er machte dem Neubau 1333 Platz, dessen Chor und Querschiff 1368 vollendet waren. Erst 1395 wird der östliche Teil mit den Mitteln des Niccolò Leone, erst 1430 das Ganze vollendet Fabbriche Conspicue di Venezia vol. II. – Wiebeking Taf. 72. – Runge II, 13. 21. – Marchese I, 103. (3. Ausg.) – Selvatico: Sulla arch. e scult. in Venezia 1847. S. 104. Maße nach Schnaase: 290 F. lang, 80 F. breit.. So dürfen wir, wie denn bisher meist geschehen, den Franziskanern auch hier die Führung zuerkennen, wie sie eine solche ja vermutlich auch im Süden des Apennin und in Bologna übernommen haben.

Was Sansovino in seiner Venezia uns von der Entstehung der S. Maria gloriosa dei Frari erzählt, gibt uns ein lebhaftes Bild von dem Wetteifer, mit dem die reichsten Geschlechter den neuen Mönchen ihre Kirchen zu bauen begannen. Ein Mitglied der Familie Gradenigo errichtete vier Säulen mit den dazugehörigen Mauern, ein Giustiniani zwei weitere, ein Anguiè eine siebente, der Condottiere Paolo Savello die Gewölbe. Ein Viara, der später Mönch wurde, gab 16 000 Dukaten für den Bau des Turmes, dessen obere Hälfte nach seinem Tode von Mailändern und Leuten aus der Manza vollendet ward. Diese Angaben beziehen sich aber nicht auf den ersten umgekehrt orientierten Bau, der am 5. April 1250 begründet wurde, sondern auf den Neubau, der nach den von mir aufgefundenen Dokumenten 1330 zur Zeit des Dogen Francesco Dandolo begonnen und, nachdem 1361 der Chor und das erste Joch des Längsschiffes vollendet war, erst 1407 ganz ausgeführt war. Jacopo Ceilega fing 1361 den Campanile an zu bauen, den 1396 sein Sohn Pietro Paolo vollendete Sansovino: Venezia descritta. 1581, S. 65. – Boschini. Descrizione 1674. – Dass. 1733. – Ritratto di Venezia 1705 (Baseggio). – Zanotto: Guida 1863. – Selvatico: sulla architt. S. 98. – Ricci II, 168. – Schnaase VII, 127. – Lübke S. 629. – Mothes S. 800. – Pietro Paoletti: l'Architettura del Rinascimento in Venezia. 1893. – Thode im Rep. für Kunstwiss. XVIII. S. 82. – Abb. Willis: remarks pl. VII und Streets Brick and marbles S. 132.. Auf eine genauere Beschreibung der gewaltigen Kirche (Abb. S. 560) brauchen wir uns nicht einzulassen: das Längshaus hat sechs Joche, deren letztes nach Zisterzienserart um drei Stufen erhöht zum Chore gezogen ist, in den Seitenschiffen ebenso viele oblonge Gewölbe, das Querschiff neben der Vierung je drei oblonge Gewölbe in jedem Arme. Die Hauptapsis ist sechsseitig, die drei Kapellen auf jeder Seite derselben (links ist noch eine vierte angebaut) sind vierseitig geschlossen. Die Seitenschiffe sind halb so breit als das Mittelschiff, die Maße im Längsschiffe stimmen fast genau mit S. Giovanni e Paolo überein. Die Rundpfeiler stehen auf achteckigen Basen und haben achteckige niedrige Kapitäle mit Knospenblättern. Die Oberlichter waren ehemals wohl rund. Der Chor zeigt reich gegliederte Bündelpfeiler am Eingange der Hauptapsis sowie die reiche Anlage zweifach und zugleich horizontal geteilter hoher Fenster. Das Betonen des Vertikalen, des Aufstrebens, des nach unseren Begriffen eigentlichen Wesens der Gotik verleiht dem Ganzen bei der echt italienischen Weiträumigkeit einen eigenartig bedeutenden, an die nordisch-deutsche Kunst gemahnenden Charakter.

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S. Maria dei Frari in Venedig

Wie weit die Kirche der Frari den fast gleichzeitigen Bau der Dominikaner beeinflußt hat, kann zweifelhaft bleiben, jedenfalls aber zeigt S. Giovanni e Paolo eine so große Verwandtschaft, daß man sie eine direkte Nachfolgerin von S. Maria gloriosa nennen kann. Das Aufwärtsstreben ist in ihr noch stärker betont, der Gesamteindruck des Inneren ist ein entschieden luftigerer, freierer, die Säulen sind schlanker, die Spitzbogen höher, die Kapitäle entwickelter. Die Oberlichter bilden Gruppen von drei einfachen spitzbogigen Fenstern, die des Chores zeigen die horizontale Gliederung noch reicher durchgeführt. Über der Vierung erhebt sich eine Kuppel, die Zahl der Kapellen, die, wie die Hauptapsis, siebenseitig geschlossen sind, ist hier vier, die Kreuzarme haben einfache Gewölbe, das Langhaus nur fünf Joche. Das Ganze bezeichnet demnach S. Maria gloriosa gegenüber eine Vereinfachung in der Anlage bei fortgeschrittener Ausbildung der Details.

In naher Verwandtschaft mit den Frari steht die herrliche Dominikanerkirche S. Anastasia in Verona, ja, vielleicht ist sie deren Vorgängerin. Der Bau begann 1261, wurde 1295 unterbrochen und 1307 wieder von Guglielmo Castelbarco aufgenommen, dem als Beförderer Domenico Marzari folgte. Erst 1422 war die Kirche vollendet, 1538 erfolgte ein Umbau Vgl. unter den oben (S. 333 bei S. Fermo zitierten Guiden besonders Pergicos Descrizione. – Essenwein, M. d. C. C. 1860, S. 39 ff. (Abb.). – Schnaase VII, S. 129 (Grdr.). – Lübke S. 629. – Mothes S. 477. – Maße nach Schnaase: 285 F. lang, 78 F. breit.. Das sechsjochige Langhaus mit seinen hier auf attischen Basen stehenden Säulen erinnert wie der vierseitige Abschluß der Altarräume an die Frari, während die Anordnung von drei quadratischen Jochen im Querschiffe, die beschränkte Anzahl von vier Kapellen Beziehungen zu S. Giovanni e Paolo zeigt.

Im Jahre 1303 oder 1304 ward mit den vom Papst Benedikt XI. bewilligten und hinterlassenen Geldern S. Niccolò in Treviso begonnen, welche den Dominikanern gehörige Kirche nach einer Unterbrechung von 1318-1348 von Niccolò da Imola, demselben, der an den Frari tätig gewesen war, 1352 vollendet wurde Federici: Memorie trevigiane 1803, S. 173 ff. – Mothes S. 482 f., der auch eine Chronik des Andrea de Redunsio bei Muratori: Rer. Ital. vol. I benutzte. Maße nach Schnaase: 274 F. lang, 79 F. breit.. Das sechsjochige Mittelschiff und das Querhaus des luftigen Baues hat eine flache (jetzt moderne) Decke, die Seitenschiffe sind gewölbt. Die Haupttribuna ist neunseitig, die beiden an dieselbe anstoßenden Kapellen sind sechsseitig, die zwei folgenden Kapellen viereckig geschlossen. In jedem Joche befinden sich zwei schmale hohe Fenster. Der kleineren Stadt entsprechend ist das Ganze einfacher gehalten als die Bauten in Venedig.

In derselben Stadt Treviso entstand 1306 S. Francesco, die, wie die eben erwähnte Kirche, Kreuzform und fünf Kapellen hat. Das Längsschiff wurde, nachdem der Bau unterbrochen worden war, von der Familie der Rinaldi gebaut Federici, a. a. O. S. 207. Ich habe die Kirche nicht selbst gesehen..

Endlich sind in diese Gruppe, worauf noch nicht aufmerksam gemacht worden ist, die zwei Kirchen S. Lorenzo und S. Corona in Vicenza einzureihen. S. Lorenzo existierte schon, bevor sie die Minoriten erhielten, da sie vor 1185 erwähnt wird, doch datiert ihre jetzige Gestalt von dem Neubau im Jahre 1280. Das Portal ward 1344 auf Kosten des Pietro Marano, genannt il Nano, von einem frate Pace da Lugo ausgeführt, 1481 der Klosterhof gebaut. 1796 wurde die Kirche geschlossen, 1838 wieder geöffnet Vgl. Descriz. di Vicenza. (Vendramin) 1779. – Ciscato: Guida di Vicenza 1870. – Mothes gibt die Baugeschichte nicht vollständig, S. 472.. Auch hier sind deutliche Beziehungen zu Maria gloriosa dei Frari. Das fünfjochige Längsschiff hat kräftige Rundpfeiler, deren Kapitäle aus zwei Reihen von Knospenblättern und achtseitigem Abakus bestehen, das Querschiff wird durch drei quadratische Gewölbe gebildet; an die fünfseitig geschlossene Hauptapsis lehnen sich bloß zwei rechtwinklig geschlossene Kapellen. Die Oberlichter sind rund. Die Fassade mit einem gotischen Portal, über welches ein Renaissancegiebel gelegt ist, hat im unteren Teile sieben rundbogige Blenden, in welche unten vier Sarkophage mit Baldachinen gesetzt sind, in dem oberen mit Giebeln abgeschlossenen Stockwerk eine Rosette und fünf kleinere Rundfenster.

Die Dominikanerkirche S. Corona, die 1260 gegründet wurde, 1300 die Fassade erhielt, hat Umbauten namentlich im Chor erlitten. Das dreischiffige Längsschiff hat vier Joche, dann folgte das jetzt mit zu ihm gezogene Kreuzschiff, das früher, wie es scheint, nicht über das Hauptschiff auslud, und auf das vermutlich drei Kapellen sich öffneten, die jetzt ein schmales zweites Querschiff bilden. Die runden Pfeiler haben abgestumpfte Würfelkapitäle. Die Fassade ist durch Strebepfeiler dreigeteilt, hat ein gutes gotisches Portal, links und rechts ein schmales spitzbogiges Fenster, darüber ein Radfenster und zwei kleinere Rundfenster, oben Spitzbogenfries Vgl. dieselben Guiden und Mothes' Beschreibung S. 480, die, was den Grundriß anbetrifft, den späteren Umbau nicht berücksichtigt und ein zweischiffiges Querhaus verzeichnet..

Ob S. Francesco in Rovigo, deren Bau 1296 von Obizzo II. begonnen, 1300, als schon Chor und Querschiff fertig waren, unterbrochen und erst 1430 vollendet wurde, direkte Beziehung zu venezianischen oder mailändischen Bauten hat, kann ich leider nicht sagen, da ich die Kirche nicht kenne. Aus den Bemerkungen bei Bartoli Bartoli: Le pitture etc. di Rovigo, Venezia 1793, S. 58. – Mothes S. 480. kann ich nur entnehmen, daß sie fünf Kapellen an der östlichen Seite des Querschiffes hatte.

 

C. Die lombardischen Bettelmönchkirchen. Die lombardischen Bettelmönchkirchen bilden wie die venezianischen für sich eine Gruppe; lehnen sich diese, wie ich im Hinblick auf den polygonalen Abschluß der Kapellen vermuten möchte, an deutsche Zisterzienserkirchen an, so wird für die ersteren offenbar die Ordenskirche Chiaravalle bei Mailand das Vorbild. Charakteristisch für sie wie für mehrere sich ihnen anschließende Bauten ist die Bereicherung des Grundrisses durch Kapellenreihen am Längsschiffe, die Anordnung quadrater Kreuzgewölbe im Mittelschiff, denen je zwei in den Seitenschiffen entsprechen, der gerade Abschluß des Chores und der Kapellen und endlich die Anwendung des mit Halbsäulen belegten Pfeilers. Wir haben gesehen, wie in verschiedenen Kirchen, namentlich in S. Ambrogio, das quadratische Gewölbe, das durch die sechsteiligen Gewölbe einzelner Bauten vorbereitet worden war, fast gleichzeitig auftritt, wie in Chiaravalle; daß das hier angewandte System des Chores mit seinen Kapellen Beifall fand, bezeugen neben den zu besprechenden Bauten in Pavia auch andere, z. B. die modernisierte Carmine in Mailand. Die Pfeiler mit Halbsäulen aber waren schon in Modena angewandt worden – ob etwa auch ursprünglich, wie in den meisten anderen Zisterzienserkirchen Italiens (Chiaravalle bei Ancona, Fossanuova usw.) in Chiaravalle, so daß die eigentümlich massige runde Form hier aus einer späteren Zeit herrührte wie im Dome zu Cremona?

Leider existiert die bedeutendste Franziskanerkirche in diesen Gegenden, S. Francesco in Mailand, nicht mehr. Man wird wohl nicht fehlgehen, schreibt man ihr, wie den Frari in Venedig, eine besondere Bedeutung für die Entwicklung der lombardischen Baukunst in der nächsten Zeit zu. Zumal wir wissen, daß sie nächst dem Dome die größte Kirche Mailands war, im 13. Jahrhundert also tatsächlich die größte! Was ich aus Latuadas Descrizione di Milano und aus dem Guida vom Jahre 1796 entnehmen konnte, ist folgendes: im Januar 1256 erhielten durch den Erzbischof Leone da Perego die Minoriten, die anfangs S. Maria Fulcorina besaßen, die alte, schon zu Zeiten des heiligen Ambrosius existierende basilica Naborriana, in der die Gebeine des Gervasius, Protasius, Naborre und Felice bestattet lagen. Wann der neue Bau begonnen wurde, ist nicht bekannt, doch dürfte es jedenfalls bald nach der Besitzergreifung geschehen sein. Eine alte, auch von Latuada angeführte Beschreibung von Torri schildert ihn folgendermaßen: »Die Franziskanerbasilika besteht, wie sie heutigentags bewundert wird, aus drei Schiffen, auf beiden Seiten mit zwölf Bogen geschmückt und mit ebenso vielen Säulen aus Backstein (nach einer Berichtigung des in der Ambrosiana befindlichen Manuskriptes: aus Stein) mit roten korinthischen Kapitälen.« Der Chor hatte viereckige Kapellen. In der Nacht auf den 6. September 1688 brachen die Gewölbe ein, und nun wurde sie von neuem gebaut und um drei Joche gekürzt.« In diesem restaurierten Zustande sah sie Latuada, der die Schönheit des korinthischen Stiles in ihr ebenso bewundert wie die Größe. Er klagt nur darüber, daß die Seitenkapellen nicht schön geordnet waren und nicht alle beendet seien und erhofft von den nächsten Jahren die Vollendung. – Der Guida von 1796 erwähnt außerdem, daß die großartige gotische Sakristei 1357 auf Kosten eines Giacomo, genannt Comello, d. h. Giacomello de' Taverni gebaut und ganz mit Fresken geschmückt worden sei, die ein klares Zeugnis davon ablegten, wie hoch schon in jenen Zeiten die Kunst gestanden Torre: ritratto di Milano. Milano 1714. S. 187 ff. – Latuada: Descrizione di Milano 1738. IV, S. 226. – Bianconi: Guida 1787. – Guida di Milano (Sirtori). II. Ausg. 1796. S. 331. – Bossi: Guida di Milano 1818. S. 159.. – So kärglich die Nachrichten sind, so genügen sie doch, uns einen höchst großartigen Begriff von der Kirche zu geben. Ein Längsschiff von zwölf Arkaden! Jedenfalls hatte das Mittelschiff sechs quadratische Gewölbe, die Seitenschiffe die doppelte Anzahl. Waren die Stützen wirklich Säulen mit gotischen Blattkapitälen? oder kann man unter ›colonne‹ auch Pfeiler verstehen? Wie war der Chor? Haben wir ihn uns zu denken wie in S. Francesco in Pavia? Vergebens sieht man sich nach Aufschluß um – die einzige Kirche, die in ihrem abnorm langen Längsschiffe etwas an jene Beschreibungen erinnert, S. Francesco in Cremona, die jetzt als Hospital benutzt wird, hat gerade in den Chorteilen im 17. oder 18. Jahrhundert eine vollständige Veränderung erfahren. Trotz dieser aber lohnt sie den Besuch: es ist ein Längsschiff, das gar kein Ende zu nehmen scheint. Erhalten sind vom alten Bau nur die vierzehn quadratischen Kreuzgewölbe der Seitenschiffe (vielleicht waren es einst sogar fünfzehn, da erst nach dem fünfzehnten, das jetzt zugebaut ist, das moderne schmale Querschiff, das an den Armen ebenso wie der lange Chor rund geschlossen ist, ausladet) und im Mittelschiffe vier sechsteilige quadratische Gewölbe, die auf einen Einfluß der Bauten in Piacenza schließen lassen und ein aus zwei ineinandergreifenden sechsteiligen Gewölben bestehendes Joch, das drei Seitenkapellen entspricht, zunächst der Fassade. Die derben, schmucklosen Pfeiler und rundbogigen Arkaden sind modern, wohl auch die jetzt runden Quergurte. Das Mittelschiff ist ein wenig höher als die Seitenschiffe. Die Hauptfassade ist modern. Die Seitenfront zeigt noch die später zugemauerten einfachen, spitzbogigen Oberlichter. Nach Flaminio di Parma ist die Kirche 1290 erbaut worden, in den Guiden habe ich keine näheren Angaben gefunden Flaminio di Parma: Memorie istoriche delle chiese e della provincia di Bologna. Parma 1760, I, S. 325. – Panni: distinto rapporto delle dipinture etc. 1762. – Guida von Picenardi 1820. – Maisen: Cremona illustrata. Milano 1865..

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S. Francesco in Cremona

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S. Francesco in Pavia

Von S. Francesco in Turin ist nichts mehr erhalten, auch kenne ich keine eingehendere Beschreibung. Es war eine dreischiffige Kirche Guida di Torino 1753. S. 84..

Mit größter Sicherheit läßt sich unter der modernen, wohl im letzten Jahrhundert vollzogenen Verkleidung die alte Gestalt der Kirche S. Francesco in Pavia noch erkennen – offenbar hatte sie ganz denselben Grundriß wie S. Maria del Carmine ebendaselbst: ein Langhaus mit vier quadratischen Jochen, die doppelte Anzahl quadratischer Gewölbe in den Seitenschiffen und ebenso viel rechtwinklige Kapellen. Das Querschiff, nicht über die letzteren ausladend, bestand aus einer oblongen Vierung und aus zwei dem Quadrat sich nähernden Kreuzgewölben. Der viereckige Chor hat vier Kapellen zur Seite. Erhalten sind von den Gewölben nur die der Seitenschiffe und zwei Joche des Mittelschiffes. Als Stützen dienen jetzt schwere Rundsäulen mit barocken Kapitälen, jedoch sind an dem der Vierung nächsten Gewölbe noch vier kreuzförmige Pfeiler mit Halbsäulen zu sehen, nach denen wir uns, dabei S. Maria del Carmine zum Vergleich herbeiziehend, die anderen rekonstruieren können. Die Quergurte waren breitgespannte, der Rundung sich nähernde Spitzbogen, die dem Ganzen einen etwas gedrückten Charakter verliehen haben müssen. Die dreigeteilte Fassade dagegen ist hoch, schlank und mit hohen Fialen und einem Kreuzungsbogenfries geschmückt. In der Mitte befand sich ein jetzt zugemauertes großes, reich mit fünf rosettenverzierten Bändern gerahmtes Fenster, unter dem fünf Scheinrundfenster waren. Die Seitenteile ihrerseits sind durch eine aus drei Rundstäben bestehende Lisene halbiert; über dem unteren Geschosse mit moderner Türe läuft ein den untern Teil der Mittelfenster kreuzender, also später hinzugefügter breiter Streifen, der mit sternförmigen Backsteinornamenten geziert ist. Ein Blick auf die Seitenfront zeigt, daß die Kapellenanlage alt ist, da ihre Details in allen mit dem sonstigen Äußeren übereinstimmen. Jede Kapelle hatte zwei hohe spitzbogige Fenster, das Mittelschiff und der Chor rundbogige Oberlichter Vgl. Förster II, 46. – Kugler III, 560. – Lübke M. d. C. C. 1860, S. 163. – Schnaase VII, 191. – Mothes S. 494. – Abb. Nohl: Tagebuch S. 61. – Street 208. – Lose und Gruner: Terracotta architecture Pl. 12. Maße: Msch. 9,87, Ssch. 4,33. Sdist. 4,05, Querschiffausladung 7,02 m.. – S. Francesco ist offenbar das Vorbild für S. Maria del Carmine geworden, die im Detail, in der reicher gestalteten fünfteiligen Fassade einen Fortschritt bezeichnet, im Grundriß sich genau an die Bettelmönchkirche hält.

Lübke setzt die Entstehung beider Kirchen zu früh. Erst 1260 dürfte S. Francesco entstanden sein, als die Franziskaner den Park von Mirabello, in dem sie bisher gewohnt, verließen und in die Stadt zogen, S. Maria del Carmine nach Malaspina, der sich auf Fornaris Klosterchronik beruft, 1273. Genau denselben Typus muß ferner die jetzt verfallene und zu Wohnungen und Magazinen verwendete Kirche S. Tommaso zu Pavia gehabt haben.

Die Beziehung dieser Bauten zu Chiaravalle ist trotz der reicheren Kapellenanlage, der Vereinfachung der Chorkapellen noch ersichtlich, doch fehlen uns die Mittelglieder. Sollten wir ein solches in dem ältesten Bau der Certosa bei Pavia sehen dürfen Jenen Bau, auf den die Inschrift am Grabe des 1402 verstorbenen Gian Galeazzo hinweist: Collapsa templa restituit, nova magnifice et opulenter coenobia extruxit.? Mir scheint, nicht allein einzelne Details, sondern auch der Grundriß ist dem von S. Francesco merkwürdig verwandt. Nimmt man die letzten zwei Joche der Querarme mit den Apsiden sowie das abschließende Gewölbe des Chores hinweg, so bleibt jene soeben besprochene Anlage eines aus vier quadratischen Jochen und Kapellenanbauten bestehenden Längshauses, ein aus drei Jochen bestehendes Querhaus, viereckige Apsis mit vier Seitenkapellen Deren ersten beide jetzt durch ein Joch erweitert sind.. Beim 1390 begonnenen Neubau wäre dann das Alte zu einem harmonischen Ganzen umgeschaffen, wären die Pfeiler umgestaltet, die Seitenschiffe mit oblongen Gewölben versehen, die Kuppel in erneuter Erinnerung an Chiaravalle errichtet, das Kreuzschiff und der Chor erweitert und reicher gestaltet, endlich alles Detail einheitlich neu gebildet worden. Freilich kann das, solange uns nicht neue Dokumente darüber aufklären, nichts als Vermutung bleiben, und es ist ebensowohl denkbar, daß die Certosa statt ursprünglich für die Bauten in Pavia das Vorbild gewesen zu sein, vielmehr in einer gewissen Beschränkung sich an dieselben anlehnt.

Während so in Pavia, das eine Zeitlang der Hauptsitz architektonischer Tätigkeit in der Lombardei wird, noch im 14. Jahrhundert das quadratische Gewölbe besonders bevorzugt wird, macht dieses in Mailand an Bauten, wie S. Pietro de Gessate (1344 gegründet) und S. Maria delle Grazie (um 1400) dem oblongen Platz, wodurch die Seitenschiffe in den gleichmäßigen Rhythmus hineingezogen werden, doch bleibt die Vorliebe für Kapellenreihen.

Wäre es erlaubt, aus der jetzigen Gestalt der Kirche des heiligen Franz in Ferrara einen Rückschluß auf die ehemalige gotische zu ziehen, so müßte man dieselbe in eine Reihe mit den Bauten in Pavia setzen. Selbst aber wenn der neue Grundriß ohne Rücksicht auf früher Vorhandenes entworfen wäre, so hätte doch eine kurze Erwähnung dieses schönen Renaissancebaues an dieser Stelle ihre Berechtigung, da eine Beziehung zu jenen Kirchen nicht abzuleugnen ist. Die Anlage im Grundriß entspricht, abgesehen davon, daß die Kreuzarme noch über die Kapellenreihen ausladen und die Hauptapsis halbrund geschlossen ist, fast vollständig S. Francesco in Pavia. An Stelle der Kreuzgewölbe befinden sich im Mittel- und Kreuzschiffe flache Kuppeln, ebensolche kleinere in den Seitenschiffen, in den Kapellen Tonnengewölbe. Etwas schwerfällige jonische Säulen mit ornamentiertem Halse tragen die Rundarkaden, korinthische Pilaster die Eingangsbögen der Kapellen. Dieser Neubau wurde unter Ercole I. am 3. August 1494 begonnen, der Tradition nach von Giovanni Batista Benvenuti genannt l'Ortolano, nach dem Guida von 1844 eher von dessen Onkel Pietro, nach Cittadella von Biagio Roselli. Die älteste Kirche war, nach einer Schenkung des Landes durch Giacomo Torello di Salinguerra 1245, errichtet worden; 1264 beschloß man Vergrößerung, die 1344 vollendet war. Unter den Gönnern befand sich ein Alberto d'Este, der von dem Baumeister Bartolini Ploti da Novara eine der Maria und dem heiligen Jakobus geweihte Kirche bauen ließ Pitture e sculture di Ferrara 1770. – Frizzi: Guida 1787. – Avvento: il servitore di piazza. Guida 1838. – Indice manuale di Ferrara 1844. – Lübke S. 694. – Cittadella: Guida 1873. S. 103..

 

D. Die Gewölbekirchen in Mittel- und Süditalien. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstehen in Toskana die ersten gotischen Gewölbekirchen, und zwar zeigt bereits die, soweit bekannt, früheste, dem Niccolò Pisano zugeschriebene S. Trinità in Florenz (1250) die Anlehnung an das durch die Bettelmönche bereits weit verbreitete Zisterziensersystem, nämlich fünf geradlinig geschlossene Chorkapellen, ein aus drei Kreuzgewölben bestehendes Querschiff und auffallenderweise ein aus fünf Jochen bestehendes fünfschiffiges Längshaus mit Pfeilern. Mit S. Maria novella, die an Stelle einer älteren von Fra Sisto und Ristoro nach 1244 errichteten, vermutlich den umbrisch-toskanischen Typus zeigenden Kirche 1278 begonnen, 1307 im Ostteil, 1349 im Innern vollendet wurde, tritt dann zuerst der norditalienische Typus der Bettelmönchkirchen im Süden des Apennins auf. Ohne daß bestimmte Vorbilder angeführt werden könnten, läßt sich doch manche Beziehung zu lombardischen Bauten finden, so in dem Äußeren, in der Anwendung des durch Halbsäulen belebten Pfeilers. Die Gewölbeanlage dagegen entspricht mehr dem venezianischen Systeme: den nicht ganz quadratischen sechs Jochen des Mittelschiffes entsprechen ebensoviel oblonge Seitengewölbe, wie dies gleichzeitig auch am Dome von Arezzo (begonnen 1277), in S. Remigio in Florenz der Fall ist und im ganzen Süden zur Regel wird. Das Querschiff hat drei quadratische Joche und neben den fünf viereckigen Kapellen an der Ostseite auch an den Enden der Arme je eine Kapelle Für die Baugeschichte und eingehendere Beschreibung, die hier überflüssig wäre, vgl. Marchesi I, S. 59, Fantozzis Guida, Richas chiese di Firenze. – Schnaase VII, 141. – Lübke S. 624. – H. Semper: Übersicht der Gesch. Toskanischer Skulptur. Zürich, Bürkli 1869, S. 38. Nach alter Beschreibung von Boselli: le chiese di Firenze. – Mothes S. 757. Abb. Wiebeking Taf. 51 u. 85. Maße nach Fantozzi: 315 F. l. Msch. 40 F. br. Ssch. 10¼.. Daß der Dom von Prato (begonnen 1317) seinen Chor mit den vier Seitenkapellen S. Maria nachbildete, scheint mir sehr wahrscheinlich.

Eine weitere Entwicklung von S. Maria novella bezeichnen die Dominikanerkirchen in Rom und Neapel. Hatten die Minoriten sich begnügt, die ihnen 1250 überwiesene alte Basilika S. Maria in Aracoeli zu Rom 1252 durch Kapellenanbauten am Längsschiff und Neubau eines großen viereckigen Chores zu erweitern, ohne an Stelle der alten Holzdecke Wölbungen zu setzen und ohne die rundbogigen Archivolten zu verändern Wadding: Annal. III. Bd. 1251, S. 261 ff. – Mothes S. 707. – P. F. Casimiro: Memorie istoriche della chiesa e convento di S. M. in araceli. Rom 1736., so führten die Predigermönche an Stelle der alten Basilianerinnenkirche S. Maria sopra Minerva einen vollständigen Neubau auf, der, am 24. Juni 1280 begonnen, vermutlich von den damals in Rom anwesenden Fra Sisto und Ristoro geleitet wurde. Er verrät denn auch entschiedenen Anschluß an die Florentiner Kirche, zeigt eine ähnliche Gewölbeanlage im sechsjochigen Längsschiffe, die gleichen Pfeiler, zugleich aber eine Erweiterung durch die Anlage von Kapellenreihen, die wiederum an die Lombardei erinnern. Die Haupttribune ist dreiseitig geschlossen Vgl. Marchese I, S. 49. – Platner: Beschr. Roms III, 3, 505. – Masetti: S. M. sopra Minerva. Rom 1858. – Schnaase VII, 142. – Lübke S. 624. – Mothes S. 711. – Abb. bei d'Agincourt Taf. XLII, 65, 68 u. 73.. Daß S. Domenico in Neapel darauf den in Rom entwickelten Grundriß übernimmt, ist selbst heute, nach so vielen Restaurierungen und Umbauten in den Jahren 1446, 1455, 1605, 1670, 1732, 1752, 1804, 1853, deutlich zu erkennen. Das Längshaus hat sieben Joche und Kapellenreihen, das Mittelschiff eine Holzdecke, das Querschiff jetzt niedere Tonnengewölbe auf dem Kreuzarme (ursprünglich jedenfalls drei quadratische Gewölbe). Der Chor war ehemals viereckig geschlossen, ebenso vermutlich jede der im 15. Jahrhundert umgebauten vier Nebenkapellen. Der Bau begann 1283, nachdem schon 1255 ein Umbau der 1231 von den Mönchen übernommenen Kirche stattgefunden hatte Förster II, 99. – Lübke: M. d. C. C. 1860, S. 222 (Grundriß). – Nohl S. 273. – Schnaase VII, S. 541. – Mothes S. 645. – Wiebeking Taf. 47..

Von Franziskanerkirchen, die ferner in diese Reihe gehören, weiß ich, bei meiner Unkenntnis der Bauten in Apulien und Calabrien, nur S. Francesco in Ascoli zu erwähnen, die nach dem Grundriß bei Schulze und den Beschreibungen bei Orsini, Mothes usw. ein dreischiffiges, aus fünf Jochen bestehendes Langhaus mit achteckigen Pfeilern, eine Kuppel über der Vierung und ein Querschiff, an das sich im Osten drei, im Norden und Süden je zwei polygone Chorschlüsse legen, hat. Im Äußeren bildet sie durch diese reiche Gestaltung, zu der noch zwei schlanke Türme kommen, ein lebendiges Ganzes. Nach Orsini haben die Tribünen hier, wie in Chiaravalle bei Mailand, ein oberes Stockwerk Schulz II, 5. III, I. – Orsini: descriz. della città di Ascoli. Perugia 1790, S. 105. – Corboni: Memorie 1830. – Ricci: Memorie della arti et del Piceno 1834. S. 42. – Mothes S. 752.. Ob der zum Jahre 1252 in einem Manuskript genannte Antonio Vipera der Architekt oder bloß Protektor der Bauunternehmung war, bleibt zweifelhaft Carducci: Memorie di Ascoli 1853, S. 131..

Dieser Kirche verwandt soll nach Mothes und Ricci S. Francesco in Fermo sein. Überhaupt scheint die Mark Ancona, wie dies sich später auch in der Skulptur und Malerei äußert, starke Einflüsse von Norditalien her erfahren zu haben. Die Kirche des Francesco in Ancona selbst, die, leider jetzt ganz umgewandelt, nur noch in ihrem 1455 errichteten reichen, barock-gotischen Portal von Giorgio da Sebenico Interesse erweckt, war eine dreischiffige gewölbte Pfeilerkirche. Vom Bischof Niccolò gebaut, wurde sie am 15. August 1323 geweiht Baglioni: Storia della chiesa di S. F. – Guida di Ancona 1821, S. 16. – Ricci: Memorie I, S. 76.. Zu den älteren Ordensbauten jener Gegend gehören: die von Maestro Antonio di Jacopo gebaute Kirche in San Severino, die bereits 1247 (Breve Innocenz' IV.) im Bau begriffene zu Osimo, die 1300 begonnene in Treja. Spätere sind: S. Francesco zu Arcevia (1351), Monte Ottone (um 1351), Fallerone mit reicher Backsteindekoration, Ripatransone – die fast alle gänzlich modernisiert sind Ricci: Memorie I, S. 42 und S. 76..

Wie die älteste Kirche der Franziskaner in Rom: S. Francesco a ripa, die ursprünglich den Benediktinern angehörte und 1231 vom Grafen Ridolfo dell' Anguillara vergrößert und hergestellt, später von einer Lelia Biscia erweitert wurde, gewesen, ist aus der jetzigen Gestalt, die sie im 16. Jahrhundert von Mattia de Rossi erhielt, nicht mehr zu schließen. Es ist ein kleiner dreischiffiger Bau mit Kapellenreihen, einem durch eine Kuppel gekennzeichneten, nicht ausladenden Querschiff und einer flachen rechtwinkligen Chornische Vgl. Titi: Ammaestramento utile e curioso di Roma. 1686. – Titi: Descrizione di Roma 1763. – Roma moderna. 1741. – Vasi: Itinerario istruttivo di Roma. 1791. – v. Bunsen u. Platner: Beschr. Roms III, 3, S. 650..


Nachdem wir im einzelnen die Bettelmönchkirchen in den verschiedenen Gebieten Italiens einer Betrachtung unterzogen haben, und es uns gelungen ist, einzelne Gruppen zu sondern, kann es nun, werfen wir einen kurzen Blick zurück, nicht schwer fallen, einen einheitlichen Zusammenhang in der zahllosen Menge der Bauten zu finden. Sie alle, mit Ausnahme der wenigen Kirchen, die dem romanischen Basilikenstile folgen, gehen in ihrer ursprünglichen Gestaltung auf die Zisterzienseranlagen zurück, die sie teils, wie in Umbrien und Toskana, entsprechend den Intentionen der Ordensstifter und dem im Lande entstandenen Ideal vollständig und selbständig vereinfachen und umgestalten, teils fast treulich wiederholen, wie in Venedig, teils erweitern, wie in der Lombardei und einzelnen Kirchen des Südens. Die bewußte Nachbildung ging sogar so weit, daß allerdings an der größeren Mehrzahl der Kirchen in Mittelitalien wie im Norden das einfachere System der östlichen Kapellenanlage befolgt erscheint, die Gruppe bolognesischer Kirchen aber auch die reichere Kathedralenanlage von den französischen Zisterziensern übernimmt. Nur die von letzteren wiederholt namentlich in Deutschland angewandte Form eines eckig geschlossenen Chorumgangs hat keine Nachahmung in Italien gefunden. Diese Tatsache aber des engen Anschlusses an den Orden des Bernhard von Clairvaux darf uns gewiß als äußeres Sinnbild des geistigen Verhältnisses erscheinen, das zwischen demselben und dem Franziskanertum besteht. So können wir es denn auch nicht als Zufall betrachten, daß es die Franziskaner sind, welche im Norden wie im Süden die allgemeine Norm für den Kirchenbau festsetzen, die Dominikaner dieselbe erst von ihnen empfangen. Auch das ist tief begründet: das Dominikanertum ist eben der empfangende Teil, wie auf dem Gebiete der Ordensdisziplin, so auf dem der Bautätigkeit!

Auffallend aber bleibt es, daß wir eine Nachahmung der Zisterzienserkirchen durch die Minoriten nur in Italien finden, während im Norden der Alpen die Bettelmönche, ohne sich Vorbilder zu nehmen, frei einen neuen Stil entwickeln, der, nur den Bedürfnissen Rechnung tragend, vor dem italienischen eine größere Originalität voraus hat. Das Hauptgewicht fällt hier auf den Chor, der, von derselben Breite wie das Schiff, tief und geräumig und meist polygon geschlossen ist. Mehr als in Italien befleißigt man sich, möglichst billig und einfach zu bauen, läßt daher fast immer das Querschiff wie den Turm weg und gestaltet das zuweilen selbst nur zweischiffig angelegte Haus sehr einfach. So sind diese Kirchen in folgerichtiger Weise aus den eigentlichen Anschauungen: aus dem die Predigt in den Vordergrund setzenden Gottesdienst der Bettelmönche hervorgegangen – den größeren Reiz der Mannigfaltigkeit, die vollendetere Schönheit der Verhältnisse haben die italienischen voraus.

In Deutschland bilden ferner die Bettelmönchbauten ein in sich gesondertes Ganze – in Italien haben sie bestimmenden Einfluß auf die Entwicklung des gotischen Stiles ausgeübt, wie wir an vielen Beispielen gesehen haben. Mit ihnen verbreiten sich die Elemente nordischer Gotik, die sich aber schon bei der Aufnahme dem südlichen Raumgefühle, wie dem vorzüglich in der Lombardei heimischen und hier besonders gebildeten stilistischen Prinzipe anbequemen müssen. Man kann wohl behaupten, daß, abgesehen von der an die ältere romanische Kunst sich anschließenden und selbständig sich aus derselben entwickelnden Bautätigkeit, wie wir sie z. B. an den Domen von Siena und Lucca gewahren, abgesehen von der stark nordischen Richtung, die sich bei dem Bau der Certosa und des Domes von Mailand am Ende der gotischen Periode geltend macht, die gesamte in vollem Sinne so zu nennende gotische Architektur Italiens bedingt ist und ihr Gepräge erhalten hat durch die Bettelmönchbauten Norditaliens, ja daß deren Einfluß noch weiter hinaus auf manche Renaissancewerke sich erstreckt. Folgt nicht Brunnellesco, als er mit S. Lorenzo den ersten Schritt in die neue Zeit hineintat, im Entwurfe des Grundrisses dem Vorbilde von Bauten, wie S. Maria novella? Wird man nicht in der Kirche der Servi zu Siena an die venezianischen Kirchen erinnert? Es würde zu weit führen, wollte man einzelne andere Kirchen, wie z. B. S. Pietro in Modena, den Dom von Faenza, S. Maria in vado in Ferrara, S. Agostino in Rom zum Vergleiche heranziehen. Schließlich spielen diese Bauten doch keine hervorragende Rolle in der Renaissancekunst. Das große Streben des 15. Jahrhunderts geht nach anderen Idealen!

Bei weitem bedeutungsvoller – und darauf sei noch einmal am Schlusse hingewiesen – werden die unscheinbaren einschiffigen Kirchen in Umbrien und Toskana, deren künstlerische Schönheit in der einfachsten Harmonie des Raumes, in den Verhältnissen der Höhe zur Breite und Länge beruht. Sie sollten im Quattrocento in glänzender Weise weiterleben. Es ist wohl kein Zufall, daß gerade von Florenz die Baumeister ausgehen, die ihr geniales Können an die scheinbar so wenig lohnende Aufgabe gaben, durch die denkbar größte Einfachheit zu wirken. Es handelt sich hier freilich nicht um eine getreue Nachbildung der den Bettelmönchkirchen eigentümlichen Grundrisse – vielmehr verschwinden jene kleinen, die einfach große Wirkung beeinträchtigenden Kapellen neben dem Chor, um einen neuen Platz an den Seiten des Langhauses zu finden – aber hätte Leone Battista Alberti seine Kirche S. Andrea in Mantua, die gewiß den einen Höhepunkt der Renaissance bezeichnet, wie der Plan Bramantes für S. Pietro den andern, schaffen können, ohne seine Schule in den lehrreichen Kirchen der Franziskaner wie Dominikaner durchgemacht zu haben? Wir haben bereits oben eine Reihe von herrlichen Renaissancewerken, wie S. Francesco in monte bei Florenz, S. Francesco della vigna in Venedig, S. Pietro in montorio in Rom erwähnt. Die Zahl dieser Bauten ließe sich leicht vermehren. Ein Blick auf die Reihe der Kirchen, die Burckhardt als flachgedeckte, einschiffige in seiner Geschichte der Renaissance (S. 130) zusammenstellt, ein Blick auf die Namen ihrer Erbauer genügt, ihre Bedeutung zu erfassen. Da finden wir Giulianos di Sangallo S. Maria Maddalena dei Pazzi, Jacobo Sansovinos S. Marcello, Antonios di Sangallo des Jüngeren S. Spirito in Rom, eine ganze Anzahl Kirchen in Neapel Auch eine Zeichnung des Antonio da Sangallo in den Uffizien (nicht ausgestellt Nr. 503): der Grundriß einer kleinen einschiffigen Kirche mit Kapellenreihen ist für eine Franziskanerkirche (zu Pitignano) bestimmt. (H. Brockhaus: Das Hospital S. Spirito zu Rom. Rep. f. Kw. VII. Bd. S. 443.). Und weiter hinaus eröffnet sich der Ausblick auf jenen Typus der gewölbten einschiffigen Kirche, der, im 16. Jahrhundert von den Jesuiten bevorzugt, der für die ganze katholische Welt gültige wird.

Zu ausschließlich, scheint mir, pflegt man jetzt den Zentralbau als das eigentliche Ideal der Renaissancebaukunst aufzufassen. Mehr noch als die soeben angedeuteten historischen Tatsachen beweist die vollendet großartige Wirkung einschiffiger Kirchen, wie S. Andrea in Mantua, daß gleichberechtigt neben jenen das in diesen ausgesprochene Ideal zu setzen ist. Findet im Zentralbau die nordisch italienische, die lombardische Kunst ihren höchsten Ausdruck, so bezeichnet die einschiffige Renaissancekirche die Spitze der für Toskana charakteristischen Bauentwicklung. Wer aber die letztere in ihrer Bedeutung und Eigentümlichkeit verfolgen möchte, würde seinen Ausgangspunkt von den ersten Kirchen der Franziskaner zu nehmen haben. Und fehlte es ihm nicht an Mut, veraltete Begriffe durch neue zu ersetzen, so würde er angesichts dieser die innersten Eigentümlichkeiten der Renaissance schon vorahnenden und ausgestaltenden Bauten das Wörtlein ›gotisch‹ fallen lassen. Was wollen denn die wenigen Spitzbogen bedeuten, gegenüber der von allem Detail absehenden, allein auf eine freie, harmonische einheitliche Raumwirkung hinzielenden Anlage des Ganzen? Spricht aus jenen oder nicht vielmehr aus diesem der künstlerische Geist des Urhebers wie der Zeit? Im Norden mag man mit Recht von einer italienischen Gotik sprechen, aber im Norden wird auch die neue Ära der Kunst nicht gezeitigt: viel schwächer und daher fremden Einflüssen mehr unterworfen zeigt sich hier der innere Drang nach einem neuen gewaltigen Aufschwung der künstlerischen Anschauung, der unwiderstehlich und unbeirrt in Toskana zum Lichte drängt. Was Wunder daher, wenn jenes reiche, aber eingewanderte Geschlecht der gewölbten Bettelmönchkirchen bald kraftlos ausstarb, die im heimischen Boden wurzelnde schlichte Bevölkerung der holzgedeckten, einfachen toskanischen Bauten aber die herrlichste, kräftigste Nachkommenschaft hatte, die ein wichtiges Glied in dem großen Verband der Kunst einer vorgeschritteneren Zeit bilden sollte. Ja, wenn man freilich Giotto einen gotischen Künstler nennen will, dann hat man auch das Recht, die Kirchen des Franz in Pistoja, in Pisa und sonst in Toskana gotisch zu nennen. Es ist derselbe Geist, der aus ihnen in einer anderen Sprache zu uns spricht, wie aus den Fresken in Assisi – derselbe neue Geist, der künstlerisch sein Höchstes in der Blüte der Renaissance gibt.

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48. Opferung Isaaks.
Fresko aus der Schule Cimabues.
Assisi, Oberkirche S. Francesco.

Betrachten wir in der toskanischen Kunst die Zeit von 1200 bis 1500 als eine einheitliche, eng zusammenhängende Entwicklung, so offenbart sich uns dasselbe Gesetz, das uns aus der Anschauung der antiken Kunst klar geworden: daß die neuen Prinzipien als fundamentale Grundlagen des Ganzen zuerst in der Architektur ausgesprochen werden, durch sie bedingt erst die Skulptur und die Malerei ins Leben treten. Was den Pisani, wie Giotto, als den Vertretern der neuen Kunst vorangeht und als die eigentlichste Grundlage derselben betrachtet werden muß, ist die zuerst schöpferisch von den Franziskanern, dann von den Dominikanern in Umbrien und Toskana ausgeübte Bautätigkeit. Und durch diese wird der Weg für die spätere Entwicklung deutlich genug schon vorgezeichnet – so wenig Platz diese Bauten für Anbringung plastischer Werke boten, so wenig günstig sie für eine gesetzmäßige Ausbildung der Skulptur waren, so vielseitig kamen sie den Bedürfnissen der Malerei entgegen. Die wesentlichsten Bedingungen für diese waren ja in ihnen vorhanden: große Flächen, die eine Belebung verlangten, und ein helles Licht, das die volle Anschauung des Dargestellten ermöglichte. Wir würden nur schon Gesagtes wiederholen, wollten wir darauf hinweisen, wie Cimabue, Giotto und alle seine Schüler ihre Hauptaufgaben und ihre Schulung in den Bettelmönchkirchen gefunden haben, deren Wände noch heute überall den Schmuck zahlreicher Wandgemälde tragen, wie ihnen nicht allein der Raum für die Gestaltung eines großen monumentalen Stiles, sondern auch ein großer neuer Stoff in der reichhaltigen Legende des Franz und in denen seiner Nachfolger von den armen, scheinbar die Kunst so wenig fördernden Mönchen gegeben wurde. Hier kam es nur darauf an, zu zeigen, daß der neuen Epoche der zeichnenden Künste auch ein neuer Baustil vorangeht, mit dem die toskanische Kunst ihren eigentlichen Anfang nimmt. Mag man immerhin mit den Bauten Brunellescos um 1400 die ›Renaissance‹ beginnen lassen, dann aber sich recht bewußt werden, daß diese Renaissance nur das zweite Stadium der großen Kunstbewegung ist, in die damit als neues Element nun die Nachahmung der Antike tritt. Oder man lasse, da man sich gewöhnt hat, eben jene Bewegung Renaissance zu nennen und der Ausdruck durch die Tradition geheiligt erscheint, man lasse sie mit dem Bau von S. Francesco beginnen und scheide deren erste große von fremden Einflüssen unabhängige aus dem Geiste der Zeit und auf toskanischem Gebiete erstehende Phase von einer zweiten, die mit dem erneuten Studium der alten Kunst um 1400 anhebt. Als erste Zeugen und Denkmäler der Renaissance werden dann die Bettelmönchkirchen in Mittelitalien in ganz anderem Lichte als bisher erscheinen, wird in ihm plötzlich ein Etwas uns entgegentreten, was uns bisher kaum aufgefallen ist: ein wunderbar erhabenes, in seiner Kindheit schon die volle Kraft des reiferen Alters versprechendes Gefühl für die in ihren einfachsten Formen erfaßte Harmonie des Raumes und der Verhältnisse.

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49. Jaakob am Lager Isaaks.
Ausschnitt aus dem Fresko von Giotto.
Assisi, Oberkirche S. Francesco.


Anmerkungen als Fußnoten eingepflegt. Re. für Gutenberg

 


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