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Ein Studium der italienischen Bettelmönchkirchen ist fast gleichbedeutend mit einem Studium der gotischen Architektur in Italien. Dem einfach gewaltigen Bau in Assisi, dessen Entstehung und Eigentümlichkeit wir im vorhergehenden Abschnitt betrachtet haben, folgte in schnellem Aufeinander die Gründung von Kirchen in fast allen großen wie kleinen Städten des Landes. Allüberall entstanden Niederlassungen, anfangs nur von wenigen Mönchen bewohnt, klein und unscheinbar, schwer zu entdecken inmitten der großen, reichen Stätten des Kultus und der trotzig ragenden Burgen und Paläste des kriegerischen Adels – als aber bald in einer fast ohnegleichen in der Geschichte dastehenden Weise sich die Zahl der armen, bettelnd von Haus zu Haus ziehenden Brüder mehrte, genügten die dürftigen Zellen nicht mehr, sie aufzunehmen. Aus den ersten eiligen Niederlassungen wurden Klöster, aus den Betkapellen Kirchen, welche bald, um die Menge der Gläubigen fassen zu können, Verhältnisse gewannen, die weitaus die anfangs gewohnten Maße überschritten und mit denen der Kathedralen und Metropolitankirchen wetteiferten. Vergebens traten der alten Einfachheit ergebene, wahre Nachfolger des heiligen Franz der zunehmenden Prachtliebe entgegen – die Macht und Bedeutung des Ordens verlangte ihren Ausdruck auch nach außen hin! Schon Franz selbst hatte gegen das Verlangen nach Repräsentation und Bequemlichkeit zu kämpfen gehabt, gegen die reiche Anlage der Klöster geeifert und war einst in Bologna nicht bei den Seinen eingekehrt, allzuentrüstet über das »Haus der Brüder«, das er sofort selbst den Kranken zu verlassen befahl, wie er selbst auch nie wieder in die Zelle zurückkehrte, die ein Bruder »des Franziskus Zelle« genannt hatte, als läge schon darin ein unrechtmäßiger Anspruch auf Besitz Th. II Leg. III, c. 2–5. S. 92 ff.. »Ist das«, hatte er in Bologna ausgerufen, »der Wohnsitz der armen Evangelischen? Sind das die großen stolzen Paläste der kleinen Brüder? Dies Haus erkenne ich nicht als das unsere an, nicht halte ich die für meine Brüder, die in ihm bleiben. Darum befehle ich ernst, daß alle, die den Namen der Minderbrüder behalten wollen, unverzüglich hinausgehen und den Reichen dieser Zeit ihre Behausung überlassen.« – Es war mit dem Verbote gegangen, wie mit dem der Gelehrsamkeit. Dem einzelnen durfte es ein Herzensbedürfnis, ein Ideal werden, nicht nur arm im Geist zu leben, wie es das Evangelium vorschrieb, sondern auch ohne Besitz äußerer Güter und äußerer Stellung: der Gesamtheit war das nicht möglich. Sie hatte Aufgaben der Menschheit gegenüber, die ohne die Hilfe vielseitig ausgebildeter geistiger Tätigkeit, ohne die Waffen scharfen Verstandes ebensowenig zu lösen waren, wie ohne die Mittel einer imponierenden, Großes versprechenden äußeren Erscheinung. So sehen wir bald die Franziskaner-Gelehrten als voll bewährte Streiter auf dem Kampfplatz der großen Universitäten auftreten, so sehen wir die Franziskaner-Prediger ihres Amtes in mächtigen, weiten Kirchen walten, in die sich zu Tausenden die ihre alten Kultusstätten verlassende Menge drängt.
Die italienische Baukunst des 13. Jahrhunderts läßt sich kurz als die Baukunst der Franziskaner und Dominikaner bezeichnen – in ihren Kirchen ersteht und bildet sich die Gotik aus. Was die Karmeliter und Servilen daneben schaffen, kommt verhältnismäßig wenig in Betracht. Im vorhergehenden Jahrhundert waren es die Zisterzienser gewesen, von denen ein bedeutender und weithin wirkender Impuls ausgegangen war; doch war dieser auch in mancher Beziehung ein sehr eingreifender gewesen, so steht die Zahl und Größe ihrer Kirchen doch weit hinter derjenigen der Bettelmönchbauten zurück. Waren doch die Bettelmönchorden die ersten, die in den Städten ihren eigentlichen Sitz aufschlugen, die, damit die Abgesondertheit des Klosterlebens aufgebend, in enge mannigfache Beziehung zu dem Volke traten, das seinerseits nun die große Aufgabe übernahm, den geistlichen Freunden würdige Stätten der Wirksamkeit zu schaffen und auszustatten. Hatten die besitzlosen Orden nicht selbst das Geld, weit ausgebreitete Klosteranlagen, große Kirchen zu bauen – jeder Bettler schätzte sich glücklich, sein Scherflein dazu beizutragen! Der Reiche hatte wie der Arme die schrankenloseste Verehrung für diese Mönche, welche die liebevollen Berater des einen und des anderen waren. So finden wir denn auch die Kirchen des Franz und Dominikus im kleinsten Flecken ebensogut wie in der größten Stadt und dürfen uns über ihre verschiedenartige Gestalt und Ausdehnung nicht wundern. Der bescheidene einschiffige Bau im Landstädtchen mit seiner Holzdecke, seinen einfachen Mauern, seiner schlichten Fassade ist erklärlich, wie die riesengroße vielschiffige, kapellenreiche Gewölbekirche in der reichen Handelsstadt. Die Ausdehnung und Ausstattung der Kirchen steht durchweg in der engsten Wechselbeziehung zu der Größe, dem Reichtum des Ortes. Man könnte so weit gehen, zu sagen: die Bedeutung, der Wohlstand eines solchen im 13. Jahrhundert läßt sich nach den Kirchen der Bettelmönchsorden bemessen. Von einem in Italien allgemein für die Bauten gültigen formellen Prinzip in dem Sinne, wie es für die Zisterzienser möglich gewesen war, kann daher nicht die Rede sein. Wir werden sehen, daß gleichwohl gewisse Eigentümlichkeiten den meisten Bauten gemeinsam sind, daß sich Gruppen innerhalb des Ganzen ausscheiden lassen, zugleich aber auch, daß wir in der Betrachtung die Franziskaner und Dominikaner nicht gesondert behandeln können, da sie – in ihrer geistigen Richtung und Tätigkeit so verschieden – in dem Bau ihrer Kirchen dieselben Zwecke und Ideale verfolgen. Dabei ist es natürlich schwer zu sagen, welcher der beiden Orden zuerst gewisse Typen des Grundrisses, wie z. B. den umbrisch-toskanischen, aufbringt, schließlich ist dies auch nicht von großer Wichtigkeit. Der erste maßgebende Anstoß erfolgt im allgemeinen doch von Assisi und Umbrien aus, und damit spricht die größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß auf diesem Gebiete die Franziskaner die maßgebenden gewesen sind. Die wechselseitigen Einflüsse zu bestimmen, wird im Verlaufe der Arbeit wiederholt Gelegenheit sein.
Vergleicht man die Mehrzahl der Bettelmönchkirchen in Italien, so stellt sich zunächst heraus, daß ihnen fast durchweg eine gewisse Anlage der Ostteile gemeinsam ist, und zwar ist es jene Anlage eines von Kapellen flankierten Altarhauses, die bereits früher den Zisterziensern eigentümlich gewesen. So kann es auch keine Frage sein, daß die Baukunst der Zisterzienser, nicht allein was den Kirchengrundriß, sondern auch was die Konstruktion einzelner Teile anbetrifft, das Vorbild gegeben hat, an welches sich die Bettelmönche in Italien hielten. Von einer kleinen Gruppe von Kirchen abgesehen, welche den traditionellen Typus der romanischen Basilika beibehält, lassen sich sämtliche Bauten der Franziskaner und Dominikaner, sowohl die gewölbten norditalienischen, wie die holzgedeckten einfacheren umbrisch-toskanischen, auf die Grundformen der Zisterzienser zurückführen. Die nachfolgende Betrachtung der einzelnen Werke kann in dieser Beziehung im großen und ganzen nur bestätigen, was im einzelnen schon Schnaase, Burckhardt und Springer bemerkt haben, dürfte aber auf Grund einer mehr zusammenfassenden und vielseitigeren Vergleichung auch ein allgemeineres Resultat ergeben, nämlich die Tatsache, daß die italienische Gotik überhaupt ihren wesentlichen Charakter der Zisterziensergotik verdankt, daß diese, wenn auch vielfach modifiziert und umgewandelt, doch anregend und bestimmend wird für die italienische Baukunst des 13. und 14. Jahrhunderts. Die Vermittlerrolle aber zwischen Frankreich und Italien spielt der Orden der Franziskaner.
Auch in diesem Falle kann man an Stelle eines scheinbar willkürlichen Spiels des Zufalls das ewige Gesetz innerlich konsequenter Entwicklung erkennen. Weil der Franziskanerorden der Nachfolger und Erbe der Zisterzienser wird, übernimmt er mit vielen Vorschriften und Eigentümlichkeiten der letzteren auch die Grundform von deren Gotteshäusern – und weil er verbunden mit der Dominikanergemeinde die geistige Führung des Volkes und die eigentliche kulturelle Gewalt in Italien für zwei Jahrhunderte erlangt, wird die Baukunst der Bettelmönche, die aus derjenigen der Zisterzienser entstanden ist, die Baukunst ganz Italiens. Den Zusammenhang deutlich zu erkennen, sei es an dieser Stelle vergönnt, einen Blick rückwärts zu werfen und die Beziehungen zu prüfen, die zwischen dem Orden des Bernhard von Clairvaux und demjenigen des Franz vorhanden sind. Offenbar nehmen die Zisterzienser zwischen der aristokratischen Genossenschaft des älteren Benediktinertums, wie es seine vollste Ausbildung in den Kluniazensern erreicht hat, und der demokratischen Gemeinde der Bettelmönche eine Mittelstellung ein. Suchen sie, hierin noch ganz unter dem Banne der Tradition, auf der einen Seite ihr Heil in dem abgeschlossen von der Welt zurückgezogenen, einsamen Leben auf dem Lande, welches der Arbeit und dem Gebete, der inneren Kontemplation geweiht ist, so macht sich andrerseits in ihrer Organisation ein neues demokratisches Prinzip geltend: an Stelle der Regierung eines einzelnen Abtes tritt für sie als gesetzgebender Körper das Generalkapitel, auf welchem die Vertreter der verschiedenen Klöster gleichberechtigt erscheinen. Diese positive Errungenschaft einer neuen Zeit kommt dem später entstehenden Orden zugute: sicherlich ist die Verfassung der Franziskaner nichts als eine Fortbildung der Zisterzienserverfassung. Aber auch die einzelnen Normen der Armut, des Gehorsams, der Aszese finden sich bei den Zisterziensern in einer Weise ausgebildet, die lebhaft an die strengen Satzungen des Franz erinnert, wie ja auch die vertiefte religiöse Auffassung eines Bernhard nur wenig sich von der des Franz unterscheidet. Daß trotzdem eine große Kluft zwischen den beiden Orden liegt, daß ihre eigentliche Tendenz eine ganz verschiedene ist, erklärt sich, wie wir oben gesehen haben, daraus, daß ursprünglich Franz nicht aus den Anschauungen des älteren Ordens, sondern vielmehr aus der Opposition gegen das hierarchische Wesen, aus den Sekten hervorgeht, welche das apostolische Leben und die Tätigkeit der Predigt für sich verlangen. So läßt sich denn der Einfluß der Zisterzienser auf den Franziskanerorden wohl am ersten dahin definieren und erklären: als die Gemeinde des Franz im vollen Bewußtsein ihrer neuen, von allem früheren Mönchswesen verschiedenen religiösen Aufgabe des in Armut verbrachten, der Predigt gewidmeten apostolischen Lebens nach Normen sucht, die für ihre Organisation bestimmend sein sollen, entlehnt sie dieselben dem Orden der Zisterzienser, dessen Strenge und altchristliche Reinheit ihrem Ideale am nächsten kommen dürfte.
Die Satzungen der Betätigung äußerster Armut nun aber, die Franz auch für die Bauten des Ordens gewahrt wissen wollte, gehören mit in die Reihe der bereits von den Zisterziensern normierten. Bekannt sind deren älteste Vorschriften für das Gotteshaus: es soll einfach, ohne jeden Schmuck sein, ohne farbige Fenster, ohne Wandgemälde, ohne kostbare Geräte, ohne Türme. Bekannt sind Bernhards gegen die reiche Ausstattung der Kirchen gerichteten Worte. Bekannt sind endlich zahlreiche Bauten, in denen dieses Einfachheitsprinzip verwirklicht erscheint Vgl. besonders Schnaase V, S. 311 f. und Dohme: Die Kirchen des Zisterzienserordens in Deutschland. Leipzig, 1859. Otte: Handbuch der christl. Kunst-Archäologie. V. Aufl. I, S. 113 f.. Ob auch der Orden der Franziskaner schon während der ersten Jahrzehnte seines Bestehens ähnliche bestimmte Vorschriften für den Bau gehabt, erscheint angesichts der sehr verschiedenen Bauten mehr als zweifelhaft. Jedenfalls sehen wir an den ältesten Kirchen in Umbrien und Toskana das Bestreben nach möglichster Schlichtheit mit Erfolg durchgeführt. Zu gleicher Zeit aber entstehen in Norditalien bereits sehr großartige Gotteshäuser, wie dies bei der rasch zunehmenden Devotion in den reichen großen Städten nicht verwunderlich ist. Die ersten bestimmteren Normen für den Kirchenbau stellt Bonaventura 1260 in seinen »statuta capituli generalis Narbonensis« fest, und diese sind zum Teil geradezu eine Wiederholung der Zisterzienservorschriften: man höre die entsprechenden Paragraphen!
§ 8. Die Kirchen sollen nicht gewölbt werden, außer über dem Hauptaltar und nur mit Bewilligung des Generalministers Rodulphus: Hist. ser. Rel. lib. II, S. 239: § 8. a modo testudinate Ecclesiae non fiant, nisi super altare absque licentia generalis ministri..
§ 15. Da aber eine überflüssige und sehenswürdige Ausstattung der Armut widerspricht, ordnen wir an, daß man je nach dem Brauch des Ortes streng vermeide, die Gotteshäuser durch Bilder, getriebene Arbeiten, Fenster und Säulen, ebenso durch besondere Länge und Breite zu einer Sehenswürdigkeit zu machen Cum autem curiositas et superfluitas directe obvient paupertati, ordinamus quod aedificiorum curiositas in picturis, celaturis, fenestris et columnis et hujusmodi in longitudine latitudine secundum loci consuetudinem arctius evitetur..
§ 16. Auch sollen ferner nirgends Glockentürme in Gestalt von einzelstehenden Türmen errichtet werden Campanilia etiam ad modum turris de caetero nusquam fiant..
§ 17. Auch sollen ferner nirgends mit figürlichen Darstellungen geschmückte oder bunt bemalte Fenster gemacht werden, das eine in dem Hauptfenster hinter dem großen Altare ausgenommen, das die Bilder des Crucifixus, der heiligen Jungfrau, des heiligen Franz und Antonius enthalten darf Vitrine quoque historiate vel picturate de cetero nusquam fiant, excepto quod in principali vitrea post majus altare possint haberi imagines Crucifixi, B. virginis, B. Francisci et B. Antonii..
§ 18. Auch sollen weder auf dem Altare, noch sonst irgendwo kostbare oder sehenswerte Tafelbilder aufgestellt werden. Und falls trotzdem derartige Glasfenster oder Bilder gemacht worden sind, sollen sie durch die Provinzialvisitatoren entfernt werden. Wer aber diese Bestimmung oder diesen Paragraphen übertritt, soll streng bestraft werden, und die Oberen sollen unwiderruflich von den Stellen vertrieben werden, falls sie nicht durch den Generalminister wieder eingesetzt werden Item tabule sumptuosae seu curiosae super latare vel alibi de cetero nulle fiant. Et si de cetero hujus modi vitree vel tabule sic facte fuerint, per visitatores provinciarum amoveantur. Qui autem fuerint transgressores ipsius constitutiones vel Paragraphi, graviter puniantur, et principales de locis irrevocabiliter expellantur, nisi per generalem Ministrum fuerint restituti..
§ 21. Ebenso sollen Räuchergefäße, Kreuze, Kannen und sonstige Gerätschaften oder Bildwerke von Gold oder Silber bei Gehorsam entfernt werden und bei demselben Gehorsam derartiges nicht ferner behalten werden, abgesehen von den Kreuzen oder sonstigen vorerwähnten Dingen, in denen zu verehrende Reliquien sich befinden, und von der Hostienbüchse oder dem sonstigen Gefäß, das, wie es Sitte ist, zur Aufnahme von Christi Leib bestimmt ist; und weiter sollen die Kelche einfach gearbeitet sein und das Gewicht von 2½ Mark nicht überschreiten Item thuribula, cruces, ampullae, et quaecumque vasa, vel imagines de auro, vel argento per obedientiam amoveantur et de coetero per eandem obedientiam nullatenus habeantur, nisi in crucibus vel aliis de praedictis essent aliquae reliquiae venerandae, vel nisi esset pixis, vel aliquod vasculum pro Christi corpore (ut moris est) reponendo, et de caetero calices simplices fiant in opere et pondus duarum marcarum et dimidiae non excedant..
§ 22. Auch soll man nicht mehr Kelche als Altäre besitzen, ausgenommen einen für den Konvent, und dazu sollen die Kustoden und Guardiane beim Gehorsam gehalten sein Nec plures calices quam altaria habeantur, excepto uno pro conventu et ad haec custodes et Guardiani per obedientiam teneantur..
Der praktische Erfolg dieser Anordnungen, die in Deutschland strenger befolgt worden zu sein scheinen, war in Italien offenbar ein geringer. Waren doch gerade am Ende des 13. und am Anfang des 14. Jahrhunderts zahlreiche Maler in S. Francesco zu Assisi tätig, die Fenster, Wände und Altäre der Kirche mit Bildern zu schmücken. Freilich genoß ja diese Hauptkirche des Ordens eine Sonderstellung – aber um nur einige andere Beispiele anzuführen: der ältere Kampanile von S. Francesco zu Bologna stammt aus dem Jahre 1261, um 1278 beginnt man die Gewölbekirche in Piacenza. Was vermochte schließlich die Autorität selbst eines Bonaventura gegen die Ausschmückung der Kirchen mit Gemälden, kostbaren Geräten und Stoffen in einer Zeit, als sich die mächtig emporstrebende Kunst, die von jenem Franziskanertum die höchsten Anregungen erhielt, als sich die Freude der Menschheit an Farbe und Form keine Fesseln mehr anlegen ließ!
In bezug auf die Ausstattung der Kirchen also haben die neu für die Franziskaner ins Leben getretenen Zisterzienserverordnungen keinen dauernden Einfluß gehabt – wohl aber ward beim Bau der Kirchen die Zisterzienseranlage der Ostpartien ein fast durchweg nachgeahmtes Vorbild. Es ist, wie erwähnt, jene Anlage eines geradlinig geschlossenen Altarhauses, das links und rechts von geradlinig geschlossenen Kapellen flankiert ist, jene Anlage, die vielleicht zuerst schon in Citeaux, sicher dann in Fontenay auftrat und die an den Zisterzienserkirchen am häufigsten wiederkehrende ist. Sie findet sich fortan nun auch an den Bettelmönchkirchen in Italien, und zwar im Norden wie im Süden. Der Unterschied der norditalienischen und der umbrisch-toskanischen Bauten besteht nur darin, daß die ersteren auch die dreischiffige Anlage und die Wölbung beibehalten, die letzteren ein einfaches Längsschiff mit hölzerner Decke erhalten, eine Form, die offenbar aus dem Verlangen nach größtmöglicher Einfachheit hervorgegangen ist. Gerade in dieser einfachen Form aber, bei der die Wirkung allein durch die Raumverhältnisse hervorgebracht wird, zeigt sich ein neues architektonisches Prinzip, das mit der Gotik eigentlich gar nichts zu tun hat, vielmehr bereits das eigentliche Prinzip der Renaissancekunst ist. Es tritt als solches in einen gewissen Gegensatz zu der tatsächlich gotischen Baukunst des nördlichen Italiens und will daher gesondert betrachtet sein. Schon an dem nächst S. Francesco in Assisi frühesten Bau: der 1230 gegründeten Kirche S. Francesco in Cortona geht in Toskana das von den Zisterziensern Überkommene in einem neuen Ganzen auf, während es seine Eigentümlichkeit im Norden durchweg noch auf lange bewahrt. Im Norden auch findet eine andere Anlage der Zisterzienser, nämlich die am frühesten in Pontigny angewendete französische Kathedralenanlage, deren Eigentümlichkeit in einem Chorumgange mit radianten Kapellen besteht, Nachahmung. Wir werden in einer Anzahl von bolognesischen Bauten, die sich um S. Francesco in Bologna gruppieren, den schlagenden Beweis dafür erhalten, wie vielseitig bestimmend die Baukunst des älteren Ordens für die der Franziskaner geworden ist.
Nach diesen kurzen, ganz im allgemeinen orientierenden Bemerkungen mag eine Betrachtung der Franziskanerkirchen am Platze sein. Natürlich kann es sich dabei nicht um eine vollständige Aufzählung und Geschichte aller in Italien vorhandenen Denkmäler handeln, sondern nur um eine Würdigung der verschiedenen baugeschichtlichen Entwickelungen nach ihren Hauptmonumenten. Unter den älteren, für diesen Zweck wichtigen literarischen Hilfsmitteln ist neben Waddings Annalen des F. Franziskus Gonzaga Werk: de origine Seraphicae religionis Franciscanae (Venedig 1603) zu berücksichtigen, wenn sich dasselbe auch weniger mit den Bauten selbst, als mit der Gründung der ersten Niederlassungen beschäftigt, ferner die leider zum Teil schwer zugängliche Literatur der Guiden. Unter den neueren Geschichtsschreibern der Architektur bringt neben Ricci, Lübke, Schnaase namentlich Mothes in seiner »Baukunst des Mittelalters in Italien« manches Wichtige bei Eine gewisse Vorsicht bei der Benutzung dieses Buches erscheint allerdings geboten, wenn es auch nicht verwundern darf, daß bei der ungeheuren Fülle der betrachteten Bauten sich im einzelnen bei der Beschreibung und Datierung manche Irrtümer finden.. Wo es nicht ausdrücklich anders bemerkt wird, beruhen meine Beschreibungen und Angaben auf von mir selbst vor und in den Kirchen gemachten Studien. Deren spezieller Aufgabe mußte es natürlich entsprechen, mehr Gewicht auf den Grundriß und die allgemeinen wichtigsten Merkmale, als auf die Details zu legen, deren kritische Würdigung und intime Betrachtung schließlich nur Sache eines praktisch erfahrenen Architekten sein kann. So wollen auch die fast durchweg auf eigenen Aufnahmen beruhenden, schematisch gezeichneten Grundrisse einer Anzahl von interessanten Kirchen nichts als Hilfsmittel zum Vergleich sein Sie sind alle im Verhältnis von 1:1000 gezeichnet.. Eingehender behandelt wurden nur Bauten, die, bisher weniger bekannt und beachtet, einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der Architektur verdienen, insonderheit solche, deren Kenntnis durch ihre jetzige Verwendung zu profanen Zwecken erschwert wird. Es gehören dazu eine Anzahl norditalienischer Kirchen, die in der napoleonischen Zeit in Nutzbauten umgewandelt worden sind. Dienen doch verschiedene dieser ehemaligen Andachtsstätten der friedlichsten aller mittelalterlichen Korporationen heute als Magazine für Waffen und Wehr der italienischen Armee. Bunte Waffenröcke und Ausstattungsstücke jeder Art füllten bis vor kurzem die herrliche Kirche zu Bologna, dichte Reihen von Geschützen diejenige zu Mantua. In anderen, wie in Parma und Bergamo, büßen dort, wo einst in stillen Stunden die Verzeihung für den Sünder erfleht wurde, Zuchthäusler ihre Verbrechen. In der Kirche zu Cremona dagegen, die als Hospital dient, stehen längsgereiht im luftigen Raume die Betten der Kranken – eine Verwendung, gegen welche wohl der Mann selbst, der sein höchstes Glück darin fand, die Aussätzigen zu pflegen, nichts einzuwenden hätte. In manchen Städten endlich, wie in Mailand, Genua, Turin ist nichts mehr von den Kirchen des heiligen Franz zu sehen – leider häufig nicht einmal eine Beschreibung, die genügte, sie vollständig in Gedanken zu rekonstruieren. Besser daran ist der Forscher im mittelitalienischen Gebiete, da hier die Ordenskirchen überall, selbst in den kleinsten Ortschaften, und zwar zum Teil unverändert, erhalten sind und mit wenigen Ausnahmen, wie z. B. die von Pisa und Lucca, noch heute dem Kultus dienen.
Da die Bauten von Umbrien und Toskana gegenüber den norditalienischen eine besondere in sich geschlossene Gruppe bilden, der Süden aber keine besonderen Eigentümlichkeiten aufweist, zerfällt eine Betrachtung der Monumente logisch in zwei Hauptteile, deren erster mit den holzgedeckten, deren zweiter mit den Gewölbekirchen sich beschäftigt. Vorausgeschickt aber muß eine Besprechung der ältesten, von Franz selbst gegründeten und bewohnten Klöster werden, wie der an die Hauptkirche des Ordens sich anschließenden Bauten.