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Dritter Abschnitt.
Die Kirche San Francesco in Assisi


I. Beschreibung des Bauwerks

»In jenen Zeiten«, erzählt Vasari im Leben des Arnolfo di Cambio I, S. 279 ff., Ausg. Milanesi., »da kaum der Orden der Minderbrüder des h. Franziskus, der im Jahre 1206 vom Papste Innocenz III. bestätigt worden, entstanden war, wuchs nicht allein in Italien, sondern in allen anderen Teilen der Welt derartig die Verehrung für denselben, wie die Zahl der Brüder, daß es fast keine Stadt von Bedeutung gab, die ihnen nicht mit den größten Kosten, eine jede nach ihrem Vermögen, Kirchen und Klöster gebaut hätte. So hatte auch Frate Elia zwei Jahre vor dem Tode des h. Franziskus, während der Heilige als General um zu predigen auswärts war, er selbst aber Guardian in Assisi, eine Kirche zu Ehren Unserer Frau gebaut. Als nun der heilige Franz gestorben war und die ganze Christenheit zusammeneilte, den Leichnam des Heiligen zu besuchen, der im Tode und im Leben als solch' ein Freund Gottes erkannt worden war, und jeder nach seinem Vermögen dem heiligen Orte sein Almosen darbrachte, wurde angeordnet, daß die erwähnte, vom Frate Elia begonnene Kirche viel größer und prächtiger gemacht werde. Weil aber Mangel an guten Baumeistern war und das geplante Werk einen ausgezeichneten verlangte, da es auf einem sehr hohen Hügel, an dessen Fuß ein reißender Strom, genannt Tescio, vorbeiströmt, erbaut werden mußte, wurde nach vielfacher Überlegung als bester Baumeister von allen, die sich damals finden ließen, ein Meister Jacopo, ein Deutscher, nach Assisi gebracht. Derselbe, nachdem er die Lage in Erwägung gezogen und den Wunsch der Väter, die zu diesem Zwecke ein Generalkapitel veranstalteten, vernommen, zeichnete einen sehr schönen Entwurf für Kirche und Kloster. Er entwarf nämlich im Modell drei Anlagen. Die eine sollte unter der Erde gemacht werden, die anderen beiden sollten zwei Kirchen werden. Eine derselben auf der ersten Bodenfläche sollte, von sehr großem Portikus umgeben, als Platz dienen, die andere als Kirche; und von der ersten sollte man zur zweiten auf einer möglichst bequemen Treppenanlage hinansteigen, die um die Hauptkapelle herumginge und in zwei Teile geschieden ein Knie bildete, um so gemächlicher zur zweiten Kirche zu führen. Der letzteren gab er die Gestalt eines Τ, machte sie fünfmal so lang als sie breit ist und schied die eine Raumabteilung von der anderen durch große Pilaster von Stein; über diesen führte er dann ausnehmend kühne Bogen auf und zwischen je zweien Kreuzgewölbe. Nach so verfertigtem Modell also errichtete er diesen wahrhaft gewaltig großen Bau und folgte seinem Plane in allen Teilen, abgesehen von den Kreuzarmen oben, die in die Mitte vor die Tribüne und Hauptkapelle gelegt werden und Kreuzgewölbe erhalten sollten. Diese nämlich machten sie nicht so, wie eben gesagt ist, sondern als halbrunde Tonnengewölbe, damit sie stärker wären. Dann errichteten sie vor der Hauptkapelle der Unterkirche den Altar und bestatteten, als er fertig war, unter ihm den mit großer Feierlichkeit übertragenen Leichnam des h. Franz. Und da die eigentliche Grabstätte, welche den Leichnam des glorreichen Heiligen bewahrt, in der ersten, d. h. der untersten Kirche ist, die von keinem betreten wird und vermauerte Türen hat, wurde um den erwähnten Altar ein sehr großes Eisengitter mit reichem Schmuck von Marmor und Mosaik gelegt, das nach dort hinunterschaut. An die Umfassungsmauern lehnen sich auf der einen Seite außen zwei Sakristeien und ein Campanile, der sehr hoch, nämlich fünfmal so hoch als breit ist, begleitend an. Letzterer trug oben eine sehr hohe, achtseitige Pyramide, doch wurde sie weggenommen, da sie einzubrechen drohte. Dieses ganze Werk wurde in einem Zeitraume von nicht mehr als vier Jahren durch das Genie des Meisters Jacopo des Deutschen und die eifrige Betreibung des Frate Elia zu Ende geführt; nach dem Tode des letzteren wurden, damit die so große Baumasse nicht mit der Zeit einmal einstürze, rings um die Unterkirche zwölf sehr kühne Rundtürme aufgeführt und in jedem derselben eine Wendeltreppe, die vom Boden bis zur Spitze steigt. Mit der Zeit dann sind viele Kapellen und andere sehr reiche schmückende Zutaten gemacht worden, von denen es nicht nottut, jetzt noch Weiteres zu erzählen, da dies darauf Bezügliche für jetzt genügt, besonders da ja jeder sehen kann, was alles an nützlichen Dingen, an Verzierung und Verschönerung viele Päpste, Kardinäle, Fürsten und andere große Persönlichkeiten in ganz Europa dem Werke des Meisters Jacopo, wie es ursprünglich war, hinzugefügt haben.«

So viel weiß Vasari von der Hauptkirche des Franziskus, die jetzt noch, seit 1500 fast nicht mehr verändert, eines der merkwürdigsten Monumente der kirchlichen Kunst in Italien bildet und auf die Pilger jeden Standes und jeder Sinnesart eine immer neue Anziehungskraft ausübt, zu erzählen. Von der Bewunderung, die er für die Kühnheit der Konstruktion zeigt, wird jeder ergriffen werden, der, nachdem er schon von dem freien Platze in Perugia aus in undeutlichen Umrissen in der Ferne wie an den Berg gezaubert die Kirche gesehen, sich nach kurzer Fahrt durch das reiche, blühende Tal auf allmählich ansteigendem Pfade der Stadt des heiligen Franz nähert. Da liegt Assisi, ein schmaler, langgestreckter grauer Streifen von Häusern, auf mittlerer Höhe des mit silbern schimmernden Oliven bewachsenen Hügels, der nach Osten sich zu den kahlen mächtigen Massen des Monte Subasio hinaufzieht. Über der Stadt ragt auf höher ansteigender Spitze von starken Mauern umgürtet mit einzelnen aus langem Verfall noch emporstarrenden Türmen die Burg, von alten Zeiten kündend, in denen ein anderes Geschlecht, ebenso stark im Lieben wie im Hassen, nachdem es eben noch die friedensvollen Worte seines Apostels mit Andacht gehört und mit dem Zeichen des Kreuzes vor seinem Altare niedergesunken war, mit bewaffneter Hand hinauseilte, die Rechte der trutzigen Stadt im Kampfe mit den feindlichen Nachbarn zu wahren. Darunter weiter rechts nach Osten zu scheint der Stadt gleichförmige Häusermasse Leben zu gewinnen: da steigen schlanke Türme empor, der Kirchen hohe Dächer heben sich über die umgebenden Bauten, dort liegt der alte Dom des h. Rufinus, dort der große Platz mit dem öffentlichen Palast der Kommune – und dennoch weilt der Blick auch dort nicht lange. Immer wieder kehrt er zum äußersten Ende im Westen zurück, wo jäh an dem Abhange gelegen, in dem der Hügel zum Tale abfällt, auf gewaltigen, in schlanken Arkaden sich öffnenden Substruktionen die Umrisse der Kirche des Franz mit ihrem spitzen Giebel und ihrem Turme sich vom blauen Himmel abheben. (Abb. S. 488.) Nun scheint es, als läge hier der Schwerpunkt des Ganzen, als zöge wie in feierlicher Prozession das gedrängte Volk der Häuser, gefolgt von den Würdenträgern, die sich um den ehrwürdigsten, den Dom, als Mittelpunkt gesammelt, in langem Zuge hin zu S. Francesco, als wende von dieser Stätte des Friedens die Burg das Antlitz nach der anderen Seite zu. Und schallen dann von drüben her alle die kleinen und großen Glocken, denen im Westen die tiefe, mächtig ergreifende Stimme von S. Francesco, sie alle übertönend, entgegenklingt – dann überkommt den Wanderer zum ersten Male das wunderbare, der Zeit und dem Raume entrückende Gefühl, das ihn in dieser Stadt, die nur noch von Erinnerungen lebt, nicht mehr verlassen soll.

Denn tot und leer erscheinen die in Windungen auf- und abklimmenden kleinen Gassen, wie die große Straße, die von der Piazza nach S. Francesco führt. Als wäre kein lebendes Wesen mehr hinter diesen kalten grauen Mauern zu finden, nur selten sieht man ein zum Brunnen wanderndes Mädchen, selten nur einen schwarzen Priester, einen braunen Mönch. Drüben auf dem Platze allein, vor der ernsten, zwischen Häusern eingezwängten Säulenfront des alten Tempels der Minerva, vor dem einst Goethe in herrliche Worte der Bewunderung ausbrach, herrscht einiges Leben. Da sammelt sich das aus der Umgegend gekommene Landvolk und läßt, in eintönigem Gespräch sich findend, die Stunden träge vorüberziehen. Und in den benachbarten winkligen Straßen sitzen in dunklen, aber offenen Räumen die Frauen webend, in mühsamer, nimmer endender Arbeit ihr kärgliches Brot verdienend. Zu strenge hat es die Stadt mit dem Gelübde ihres Heiligen genommen – sie ist so arm geworden, fast wie er es war. In seiner Zeit, da muß es freilich anders hier ausgesehen haben – nur schwer noch kann man sich vorstellen, wie frohe, buntgekleidete Jünglinge reicher Familien, unter ihnen der noch der Welt lebende Franz selbst, von üppigem Gelage heimkehrend die Stadt mit ihrem Singen und Lärmen erfüllt, wie in den Läden fremde, durch ausgedehnten Handel bezogene Waren vornehme Frauen zum Kaufe lockten, wie auf dem Marktplatze die Scharen geharnischter Ritter und Knappen sich sammelten, in Fehde wider Perugia zu ziehen – wie lange ist das her! Nun bringen nur die Fremden noch und die Pilger Abwechslung in das einförmige Leben der selbstvergessenen Stadt, und diese kümmern sich meist wenig um dieselbe, da sie nur gekommen, die Kirche des Franz zu sehen, vor ihren alten Fresken sich zu erstaunen, oder in stiller Verehrung vor seinem Altare zu beten.

Gar manchem mögen die Stunden, die er dort in der dunklen, vom halben Tageslicht und vom Kerzenschein spärlich erhellten Unterkirche zugebracht, für das ganze Leben unvergeßlich bleiben – wohl jedem, der erfahren vom Wesen und vom Leben des hier verehrten Menschen, ein kaum bewußtes, aber ahnend empfundenes Verständnis für dessen Bedeutung aufgegangen sein. »Allen, die sie betreten, weht es wie ein Hauch geheimnisvoller Frömmigkeit entgegen«, sagt schon die älteste Beschreibung der Kirche. Wer aber während längerer Zeit dem großen Wohltäter in seinem Heiligtume nachsinnen darf, den ersten so vieles kündenden und versprechenden Worten einer neuen Kunst, die alle Wände mit ihren Versuchen bedeckt hat, lauscht, in allem, was ihn in Erinnerung und Wirklichkeit umgibt, die Regungen einer über dem Grabe des Heiligen erstehenden neuen Zeit spürt – den weht es nicht wie bloße Frömmigkeit an, nein, wie der frische Windeshauch erwachender, junger Erkenntnis, vor der die dunklen Mauern fallen und der blaue Himmel sich öffnet. Was man beim Klange der Chöre und der Orgel, der mächtig von den Wölbungen widerhallt, empfindet, wenn rings in heißer Inbrunst das schlichte Volk der Landleute auf den kalten Stein niedergesunken ist und durch die Fenster der Tribüne die letzten Sonnenstrahlen blitzen, ist auch Verehrung, wenn auch nicht dem wunderwirkenden Heiligen, so doch dem großen Menschen geweiht, der mehr als irgendeiner die höchste Kraft besessen, sich selbst vergessend andere zu lieben.

Welch starken Einfluß aber auch die an diesem Orte besonders lebhaft geweckte und genährte Erinnerung an Franz auf Gemüt und Geist ausüben mag, einen nicht geringen Teil der innerlichen Bewegung verdankt der Pilger der Wirkung, welche das merkwürdige Bauwerk auf ihn hervorbringt. In wunderbarer Weise ist es dem Baumeister gelungen, auf den mystisch geheimnisvollen Zauber der dunklen, grottenartigen Unterkirche die Erhebung zu einer freieren, lichten und luftigen Atmosphäre in der Oberkirche folgen zu lassen. Befreiter atmet die Brust und schweift der Blick hinauf zu den breiten hochgespannten Gewölben. Nun hieße es freilich zu weit gehen, wollten wir annehmen, der Architekt habe mit Bewußtsein bei dem Entwurfe des Ganzen symbolisch Ideen ausdrücken wollen, die nur dem späteren Beschauer, der seine Eindrücke gern in Worten und Vergleichen wiedergeben möchte, sich aufdrängen. So wenig wie nach einer im 16. Jahrhundert geläufigen Anschauung in der, wie man damals irrtümlich noch annahm, dreifachen Kirche die drei Hauptgelübde des Franziskanerordens versinnbildlicht sind, so wenig dürfte man irgendwelche andere geheimnisvolle Beziehungen zu den Anschauungen des Franz in der Anlage finden. Dem Baumeister galt es einfach, den schwierigen Bedingungen des abfallenden Terrains sich fügend, über einer halb als Unterbau, halb als Kirche selbst gedachten Unterkirche in großen, des großen Heiligen würdigen Verhältnissen demselben einen Tempel zu errichten. Wie er die Not zur Tugend zu machen, in einfach mächtiger Steinwirkung die beiden Bauten selbst in Einklang und in Gegensatz zu bringen wußte, darin tritt sein bedeutendes geniales Können zutage. Betrachten wir etwas näher, wie er verfahren. Einem Architekten freilich muß es überlassen bleiben, mit Sicherheit die einzelnen Bauformen aus den Bedingungen des Terrains zu erklären, eingehend das Detail zu würdigen – fehlt es ja doch neben vielfachen Beschreibungen und anregenden Betrachtungen, unter denen wohl die von Laspeyres die größte Aufmerksamkeit verdient, leider noch immer an genügenden Aufnahmen. Möchte recht bald von berufener Seite diesem Bedürfnis abgeholfen werden und die folgende Beschreibung mit dazu beitragen, auf einige für den Bau und seine Geschichte wesentliche Punkte aufmerksam zu machen Literatur: Vasari I, S. 297 ff. – Rodulphus: Historiarum Seraphicae religionis libri tres. Venetiis 1586. – Wadding: Annalen. Bd. II, 1228, S. 205; 1229, S. 216. 1230, S. 230. 1235, S. 397. – Padre Angeli: Collis Paradisi amoenitas seu sacri conventus Assisiensis libri II. Montefalco 1704. – D'Agincourt. Taf. XXXVI, 39-46. XXXVII, 1-8 (nicht verläßlich). – Fea: Descrizione ragionata della sacrosancta p. basilica di S. Francesco d'Assisi. Roma 1820. Abb. – N. Papini: Notizie sicure della morte sepoltura canonizzazione e traslazione di S. F. Fuligno 1824. – Descrizione di quanto è più notabile nei magnifici sovraposti templi di S. F. Assisi 1835, mit 3 Taf. – Cicognara: Storia della scultura. Venedig 1813. I, S. 345. Oktavausgabe III, p. 178. – Ricci: Storia della Architettura Ital. II, 55. – Kugler: Gesch. d. Bauk. III, 539. – Gailhabaud: Monuments III (Abb.). – Knight: Eccles. Arch. II, Taf. 19 u. 20 (Abb.). – Bruschelli: Assisi città serafica. Orvieto 1824. – Laspeyres in Erbkams Zeitschrift für Bauw. Bd. XXII, 1872, S. 285 ff. – Schnaase VII, S. 107 ff. (Abb.) – Lübke: Gesch. d. Arch., S. 623. – Guardabassi: Indice, S. 15 ff. – Mothes, Die Baukunst des MA. in Italien, S. 454. – Chavin de Malan: Storia di S. F. Übers. von Guasti. Prato 1879. S. 371 ff. – Die nach dem Erscheinen der I. Auflage dieses Buches in neueren Handbüchern der Architektur und Kunstgeschichte gegebenen Besprechungen brauche ich nicht im einzelnen anzuführen. – Die oben im Text gegebenen Grundrisse geben mit einigen Korrekturen die Aufnahmen Gailhabauds wieder.. Da die schriftliche Überlieferung vielfach lückenhaft und verworren, auch nicht ohne manche Widersprüche ist, scheint es gerechtfertigt, wenn wir zunächst die Kirche selbst in Augenschein nehmen und möglichst unbefangen aus ihrer Art ihr Werden zu erkennen versuchen, ehe wir an eine kritische Sichtung der literarischen Quellen gehen.

Die Lage, die sie gegenüber der Stadt einnimmt, wie das Terrain bedingten es zunächst, daß die Eingangsseite nach Osten, der Chor nach Westen gerichtet wurde. (Abb. S. 505.) Vor den letzen Häusern von Assisi breitet sich ein ebener Platz aus, auf dessen Niveau die Oberkirche sich erhebt, während dicht daneben nach Süden das Terrain abfällt zu einem zweiten von der Bergstraße zuerst erreichten tiefer gelegenen Platze, von dem ein südlicher Eingang (unterhalb des ersten Joches der oberen Kirche) in die untere führt. Ein anderes Portal geht westlich in den Vorhof des Klosters, der sich an die Kirche anschließt, eine Doppeltreppe zum höheren Platze. Dieser mit rundbogigen Arkaden auf achteckigen Pfeilern geschmückte untere Vorplatz senkt sich seinerseits wieder nach Osten zu. Unweit der Kirche südlich fällt das Terrain steil ab, und so bedurften die hier weit nach Westen sich hinziehenden Klostergebäude einer mächtigen Substruktion, die vom Tale aus einen festungsartigen Eindruck macht. Dasselbe war im Westen der Fall, nur daß hier zwischen dem Chor der Kirche und dem Absturz des Bodens eine größere Fläche sich ergab, welche nivelliert Platz für zwei große Höfe bot, die durch einen von Süden nach Norden sich ziehenden schmalen Gebäudetrakt getrennt werden. Im Norden der Kirche war genug Raum für die Anlage eines kleinen Kirchhofs am östlichen, eines hofartigen Raumes am westlichen Ende. An letzteren schließen sich dann die begrenzenden, die zwei großen Höfe im Norden abschließenden Klostergebäude an.

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S. Francesco in Assisi. Die Unterkirche

Die Unterkirche (Abb. S. 542, oben) war ursprünglich einschiffig mit Querschiff und halbrunder Apsis, erhielt aber später Kapellenanbauten und ein zweites am östlichen Ende befindliches Kreuzschiff. Vier mächtige, auf etwas flach gespannten breiten Rundbogen ruhende Kreuzgewölbe überspannen das Langhaus. Die Quergurte und Rippen sind breit, bandartig, rechtwinklig und setzen unvermittelt in der geringen Höhe von etwa 2,57 m über dem Boden auf halben Rundpfeilern auf, welche vor die mit Rücksicht auf den oberen Bau sehr massig geformten dicken Mauern gelegt sind. Jene Pfeiler sind übrigens nicht vollständig rund, sondern bestehen aus drei aneinander gelegten, zusammen fast einen runden Umfang ergebenden Drittelrundpfeilern, deren allerdings sehr wenig auffallende und daher bisher nicht bemerkte Gliederung den Rippen ganz allgemein entspricht. Das Kreuzgewölbe über der Vierung liegt etwas tiefer als die Langhausgewölbe, die nicht quadratischen Querarme haben Tonnen-, die Apsis hat ein halbes Kuppelgewölbe. Massive turmartige, vor die Mauer gelegte halbrunde Pfeiler, die bis zum Dach der Oberkirche emporsteigen, dienen als Widerlager für die Gewölbe; es sind zehn am Langhause, zwei in den Ecken der Tribuna. Die beiden zunächst der Fassade befindlichen sind in deren breiter Mauer versteckt und, wohl in der Absicht, über die Konstruktion keinen Zweifel zu lassen, ein Stück über die Mauer, also höher als die anderen emporgeführt. Das erste Joch am östlichen Ende des Langhauses ist um ein weniges kürzer als die anderen und öffnet sich abweichend in Spitzbogen auf das Querschiff. Dies schon ist auffallend und läßt darauf schließen, daß diese Querarme später angebaut sind. Der südliche, versehen mit einem reichen, spätere Gotik verratenden Portale, hat ein sechsteiliges Gewölbe, der weiter ausladende nördliche, an den zwei Kapellen angebaut sind, ein Tonnengewölbe. Zu weit gehen hieße es nun freilich, wollte man mit Papini Notizie sicure S. 191. annehmen, daß das Langhaus ehemals nur drei Joche gehabt habe; wie sollte man sich dann den Unterbau für die Oberkirche hier denken, wie den Eingang zur Unterkirche? Einige wenige Freskenreste an der Ostwand, die wohl derselben Zeit wie die Wandgemälde des Langhauses angehören, beweisen zur Genüge, daß dieses Joch schon ursprünglich vorhanden war; vermutlich trat man vom Platze aus direkt in dasselbe und war an der nördlichen Seite die Mauer des Langhauses weitergeführt. Der späteren Erweiterung zu einem Querhause gehören demnach bloß die Spitzbögen an. Die Veränderung mag wohl in derselben Zeit vorgenommen worden sein, als man an das Querschiff und an das Längshaus die Kapellen anbaute.

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25. Jacopone da Todi. G
emälde von Antonio Vite(?) im Dom zu Prato.

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26. Madonna mit Engeln und dem hl. Franciscus.
Fresko von Cimabue in der Unterkirche S. Francesco zu Assisi

Zu diesem Zwecke wurden spitzbogige Öffnungen in die Mauern eingebrochen, ohne daß man besondere Rücksicht auf die alten Wandmalereien im Langhause genommen hätte, die dadurch zum großen Teile zerstört wurden. So würden sich auf jeder Seite drei größere Räume ergeben, die im Norden auch tatsächlich ausgeführt und durch eine gerade, an den Querarm anschließende Mauer abgeschlossen sind. Zwischen ihnen entstehen durch etwas vorgeführte Mauern drei kleinere Kapellen, in welche von Süden her die turmartigen Pfeiler einspringen. Im Süden verhinderte der Campanile, der in der Mitte von den beiden, dem Querschiff nächsten Jochen vortritt, eine gleich regelmäßige Anlage. Westlich an den Turm ward die oblonge, mit einem kleinen Vorraum auf die Kapelle des südlichen Querarms sich öffnende Sakristei gelegt, östlich entstand zunächst eine unregelmäßige, geradlinig geschlossene kleine Kapelle, dann von dieser durch einen kleinen Raum getrennt die dem dritten Joch entsprechende dreiseitig geschlossene größere Kapelle des h. Martin (H). Wie diese sind auch die an die westlichen Querarme angebauten, am weitesten vorspringenden Kapellen des h. Johannes Ev. (südlich A) und des h. Nikolaus (nördlich B) dreiseitig geschlossen. Alle diese Anbauten zeigen den vollständig entwickelten gotischen Stil, einen sehr feinen Geschmack und sehr sorgsame Ausführung in den Details. Daß sie frühestens aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen, geht aus dem Umstande hervor, daß, wie wir weiter unten sehen werden, die von ihnen zerstörten Fresken des Langhauses kaum vor den sechziger oder siebziger Jahren entstanden sein können. Schwerer ist die zeitliche Begrenzung nach der anderen Seite hin zu bestimmen, doch ergibt sich aus dem Stile ihrer malerischen Ausschmückung mit Fresken und Glasfenstern mit größter Wahrscheinlichkeit, daß sie kaum später als das erste Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts anzusetzen sind – also es vorläufig allgemein zu fassen: etwa um 1300! Daß sie alle einem einheitlichen Plane entsprungen und nicht etwa in verschiedenen Zeiträumen entstanden, geht aus der übereinstimmenden Disposition, wie aus dem in allen durchaus ähnlich gebildeten Detail hervor, das einen ganz bestimmten Charakter trägt und sich wesentlich von dem in der Oberkirche befindlichen unterscheidet. Während hier nämlich die Kapitäle der die Gewölbepfeiler begleitenden Säulchen aus durchaus nordisch gotischen Knospenblättern bestehen, nur ausnahmsweise etwas reichere Weinblattformen vorkommen, sind die Kapitäle der sehr feinen schlanken Gewölbeträger in den Kapellen durchaus antikisierend gehalten, und zwar von einer Akkuratesse und Feinheit der Ausführung, einem Geschmack in der Gliederung und Disposition der kleinen, häufig Spiralen entsendenden Akanthusblätter, die mir so nur an den Arbeiten der römischen Architekten, namentlich denen der Kosmatenschule, vorgekommen ist – abgesehen von den wohl von demselben Meister entworfenen Kapellen von S. Chiara und S. Pietro in Assisi und dem einzigen vom alten Bau erhaltenen Portale des erzbischöflichen Palastes von Perugia, der eine durchaus verwandte Behandlung zeigt. Die nicht abzuleugnende charakteristische Beziehung zur römischen Kunst des 13. Jahrhunderts, die in Kontrast zu der sonstigen nordischen Art des Baues tritt, läßt also auf einen Baumeister schließen, der seine Studien in der eigentlichen Heimat der Antike gemacht. Für ihn charakteristisch ist ferner die Vorliebe für eine Inkrustierung der Wände. Das in der Nähe von Assisi gefundene Material von rotem und weißem Stein verlockte von selbst zu farbig wechselnder Dekoration. So finden wir in allen den erwähnten Anbauten die unteren Wandflächen mit schachbrettartigen oder ausgesprochen gotischen stern- und vierpaßförmigen Ornamenten verkleidet. Diese finden sich dann als besondere Eigentümlichkeit dieser Gegend häufig nachgeahmt, so z. B. an einigen Grabmälern in San Pietro, in dem kleinen Camposanto von S. Francesco, auch in den Kapellen am östlichen Querschiffe und sonst. Man darf daher nicht voreilig aus ihrem Vorkommen auf eine Gleichzeitigkeit der sie aufweisenden Bauten mit jenen Kapellen schließen, in denen sie zuerst erscheinen. Die Fenster sind in den polygonen Anbauten zweifach, in den geradlinig geschlossenen vierfach geteilt.

Auf die Zeit der Erweiterung der Unterkirche und vermutlich auf die Zeichnung desselben Baumeisters wird das schöne Südportal zurückzuführen sein (Abb. S. 523). Es hat zwei im Kleeblattbogen geschlossene, durch zwei Rundstäbe eingefaßte Türen, die von einem hohen Spitzbogen eingerahmt werden, welcher an der innern Seite durch zwei Rundstäbe, an der äußeren durch ein vortretendes mit Weinranken verziertes, von kleinen Konsolen begleitetes Glied abgeschlossen wird. Ein großes, ausnehmend fein und zierlich gearbeitetes Radfenster, das dem Fenster in der Oberkirche und dem in S. Chiara gegenüber einen entschiedenen Fortschritt bezeichnet, und zwei kleinere Fünfpässe beleben die Felder. Die Kapitäle der Säulchen haben zumeist knospenartig geformte Akanthusblätter. Im 15. Jahrhundert ward dann dem Portale eine Vorhalle vorgelegt, deren schmales Tonnengewölbe auf zwei vorspringenden korinthischen Renaissancesäulen ruht, die auf viereckigen Postamenten stehen und durch ein kräftig vorspringendes Band in der Mitte umwunden sind. Über dem breiten Rundbogen, zu dessen Seiten die Figuren der Verkündigung in Relief sich befinden, läuft ein mit Fruchtkränzen verzierter Fries, auf den ein von einem Eierstabe begleitetes Gesims folgt. Eine Inschrift besagt: »Frater Franciscus Sanson generalis minorum fieri fecit 1487.«

Schließlich sind noch die zwei Anbauten im östlichen Querschiff zu bemerken: die am nördlichen Ende gelegene, den erwähnten Kapellen am rechten Querschiff analog dreiseitig geschlossene Kapelle des Kardinals Albornoz (J), deren Details etwas üppiger, aber den oben beschriebenen sehr verwandt sind, und die kleinere und niedrigere östlich davon angebaute Kapelle (K).

Man könnte dieselben vielleicht später entstanden denken als 1300, als eine Nachbildung der früheren Anbauten. Doch bleibt es wahrscheinlicher, daß wenigstens die Kapelle Albornoz gleichzeitig mit diesen ist.

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S. Francesco in Assisi Die Oberkirche

In der Oberkirche (Abb. S. 541) ist die alte einschiffige, kreuzförmige Anlage in ihrer vollen Ursprünglichkeit erhalten. Fanden wir in dem ältesten unteren Bau noch durchgängig den Rundbogen, so zeigt sich hier in einfachster, aber konsequenter Weise die Gotik angewandt. An Stelle der gedrückten dunklen Gewölbe dort herrscht hier freie, lichte Weiträumigkeit. Vier fast quadrate Gewölbefelder bilden das Langhaus, in das man durch einen schmalen tonnengewölbten Raum, der innerhalb der dicken Fassadenmauer ausgespart ist, eintritt, drei quadratische Gewölbe das Querschiff. Die Apsis ist aus fünf Seiten des Achtecks gebildet. Die Gewölbeträger sind halbe Bündelpfeiler, durch fünf Säulen gegliedert, welche die kräftig fünfseitig profilierten Rippen und Quergurte tragen. Die Seitenmauern sind in ihrer vollen Dicke nur bis zu etwa dreiviertel Höhe der Säulen, darüber dünner emporgeführt, so daß hier vor den schwächeren Obermauern Raum für eine einfache Galerie entsteht. Im Querschiff und an den zwei ersten Seiten der Apsis hat dieselbe eine Belebung durch eine Reihe von kleeblattförmigen Arkaden auf Säulchen erhalten. Trotz Schnaase, welcher diese als eine Zutat des 14. Jahrhunderts betrachtet, gehören sie dem ursprünglichen Bau an, da ihre malerische Dekoration, insonderheit die Bemalung der Bögen mit Spitzgiebeln, wie weiter unten gesehen wird, von derselben Hand herrührt, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Oberkirche ausschmückte. Auch stimmt die einfache Form der Knospenkapitäle mit derjenigen der sonstigen Säulenkapitäle überein. Hohe, schlanke zweiteilige Fenster mit ganz einfachem Vierblatt im oberen Bogenfeld gestatten dem Lichte vollen Eintritt, in dem Querschiffe befinden sich entsprechend gebildete vierteilige Fenster. Die einfache Fassade mit großer schöner Rosette und mit dem von einem Konsolensims gesäumten Spitzgiebel, der ein kleineres einfaches Rundfenster enthält, schließt sich an das Vorbild des älteren Domes von Assisi an. Das zweigeteilte Portal, das in der Gliederung dem der Unterkirche entspricht, ist einfacher gebildet und dürfte, der ersten Bauperiode angehörig, jenem nur als Vorbild gedient haben, obgleich die Möglichkeit, daß es später als 1253, etwa auch um 1300 entstanden, nicht ganz auszuschließen ist, da es in der Tat eine etwas vorgeschrittene Gotik aufweist. Ganz romanisierend ist noch der mit Tierfiguren geschmückte untere Sims, sowie die Anordnung der vier Evangelistensymbole zu Seiten der Rosette. Links an die Fassade lehnt sich eine dem Stile nach dem späten 16. Jahrhundert angehörige Loggia mit Ecktürmen an, in deren Mauern noch der alte Strebebogen erkennbar ist, rechts eine einfache Mauer.

Der Campanile erhebt sich in vier durch Lisenen belebten Stockwerken, hat romanische Doppelfensterchen, Rundbogenfries und an dem Glockenstuhle je drei rundbogige Schallöffnungen.

Fassen wir kurz die aus der Betrachtung des Baues gewonnenen Resultate zusammen, so lassen sich im wesentlichen drei verschiedene, den stilistischen Wandlungen entsprechende Phasen unterscheiden: die älteste, noch eigentlich romanische, der die alten Teile der Unterkirche und Strebepfeiler, die einfach gotische, der die Oberkirche, und die entwickeltere gotische, der die Kapellenanbauten, das östliche Querschiff, die Überwölbung des westlichen Querschiffes der Unterkirche und die Portale angehören. Versuchen wir jetzt diese Tatsachen mit der schriftlichen Überlieferung in Einklang zu setzen. Dabei wird sich ergeben, daß, wie das Leben des Franz, so auch die Baugeschichte seiner Kirche eine legendarische Entwickelung seit Jahrhunderten erfahren hat und eine kritische Sichtung der Quellen in den meisten Punkten der Tradition widersprechende Resultate ergibt.

Die einzigen, die den freilich nur spärlichen archivalischen Quellen gerecht geworden sind, waren Papini und neuerdings Fratini, dessen Beschreibung und Geschichte der Kirche wohl im wesentlichen auf des verstorbenen Cristofani Forschungen zurückgehen. Erneute Untersuchungen, die ich im Archive vorgenommen, und die mir bei der längere Zeit in ihm herrschenden vollständigen Unordnung durch die gütige Hilfe des Prof. Alessandri erleichtert wurden, haben verhältnismäßig wenig Neues ergeben und lassen mich befürchten, daß tatsächlich dort kein weiterer Aufschluß über den Bau und die künstlerische Ausschmückung der Kirche in den ersten Jahrhunderten zu holen ist. Sieht es nicht wie eine Ironie des Schicksals aus, daß zahllose Notizen in den Rechnungsbüchern uns über die Tätigkeit von unbedeutenden Handwerkern im 14. und 15. Jahrhundert unterrichten, der Name Giotto oder Cimabue aber kein einziges Mal erscheint, daß wir genau bestimmen können, in welchem Jahre die Bleifassungen der Fenster erneuert worden sind, aber ganz im Ungewissen bleiben, wann jene gewaltigen, für die Geschichte der Kunst so überaus wichtigen Fresken entstanden sind, die alle Wände bedecken? Indessen, was wir erfahren, genügt doch manche Punkte aufzuklären, annähernde Bestimmungen zu machen, wenn wir, was Papini und Fratini in dem Maße nicht vermocht, zugleich die Denkmäler selbst mit in die kritische Betrachtung ziehen. Die mannigfachen Behauptungen, die seit Vasari aufgestellt wurden, alle einzeln zu widerlegen, würde keinen Zweck haben: was positiv beglaubigt ist, mag im folgenden in den Vordergrund gestellt werden.


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