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XVII

Vor dem kleinen Kamin des leeren Gastzimmers im Wirtshof zu Michelet saß Ogle, bemüht, die ganze Wärme, die zwei in der Asche zischende Wurzelstücke ausstrahlten, in seinen Körper aufzunehmen. Er hatte es abgelehnt, Madame Momoro und Hyacinthe zu begleiten, um schneebedeckte Gipfel in Mondscheinbeleuchtung zu bewundern, obwohl sie beteuert hatten, es würde herrlich sein, und selbst der Montblanc könnte nicht eindrucksvoller wirken. Ihm war kalt, die dünne Luft bereitete ihm Unbehagen und die seltsame Wandlung seiner Gefühle für die angebetete Göttin verstimmte und verwirrte ihn. Der Gedanke an die bevorstehende Talfahrt erfüllte ihn mit Grausen. Weder bei Mond- noch bei Sonnenschein oder in irgend einer anderen Beleuchtung wünschte er von diesen Bergen mehr zu sehen, als unbedingt notwendig war, um wieder in die Ebene hinabzugelangen, aus der er sich unseligerweise und ahnungslos entfernt hatte. Und während er fröstelnd vor der verzischenden Glut saß, erinnerte er sich mit bitterem Hohn daran, daß er sich in Afrika, im Land der sengenden Hitze befand!

Kurz nach neun Uhr hörte er Madame Momoros Stimme in heiterem Gespräch mit mehreren unverkennbar englischen Stimmen aus dem Vorhaus. Offenbar war sie im Mondschein anderen Touristen begegnet und hatte Bekanntschaften angeknüpft. Es kam Ogle vor, als hätte er die eine englische Stimme, einen blechernen Tenor, der leicht ins Falsett umschlug, schon einmal gehört.

»Äußerst interessant!« war sie deutlich vernehmbar. »Wirklich äußerst interessant! Für meine Frau, für Miss Crewe, meine Sekretärin, und für mich selbst geradezu eine Offenbarung! Äußerst interessant – Tien-Kah!« Ogle vermutete, »Tien-Kah« sei der Name eines der mondbeglänzten Deschebel- oder Dira-Gipfel, oder wie sie sonst wohl heißen mochten, der von der Gesellschaft eben bewundert worden war. »Tien-Kah« nannten die Kabylen wohl den höchsten und unausstehlichsten ihrer Berge; »Tien-Kah« klang auch ganz so, wie diese Kerle einen Berg nennen würden! Ogle fühlte gegen diese Kabylen und alle ihre Berge und ganz besonders gegen diesen »Tien-Kah«, um dessen Anblicks willen er vermutlich hier heraufgeschleppt worden war, die heftigste Abneigung. Er erinnerte sich, daß Macklyn ihm auf dem Dampfer gesagt hatte, er müsse etwas von diesen Kabylen sehen, und er wünschte, er hätte des Dichters Adresse gehabt, um ihm telegraphieren zu können, daß er in der Tat mehr von diesen Kabylen gesehen hatte als ihm lieb war.

»Interessant – dieser Tien-Kah«, wiederholte General Sir William Broadfeather, während er die Tür öffnete und Madame Momoro den Vortritt ließ. Reizend in ihrem dunkeln Pelz, mit geröteten Wangen, kam sie lachend herein. Aber als sie Ogles Haltung niedergeschlagener Versunkenheit vor den langsam verkohlenden Holzresten sah, stieß sie einen kleinen Ruf des Bedauerns aus und stand, noch ehe er sich erhoben hatte, neben ihm. Teilnahmsvoll berührte ihre Hand seine Schulter.

»Oh, so ein armes, liebes Kind!« rief sie aus. »Nein, nein, nur sitzen bleiben … Er ist ja noch immer ganz erfroren. Ich will gleich dem Lohndiener sagen, er soll ein frisches Feuer machen.« Und während sie zur Türe zurückschritt, rief sie Sir William noch die Worte zu: »Einen Augenblick nur, dann können wir beginnen!«

Der General legte seine abgegriffene karierte Stoffmütze und seinen ebenso abgetragenen Ulster ab und präsentierte sich in einer kurzen, wolligen Golfjacke, Kniehosen und Ledergamaschen. Er blickte Madame Momoro anerkennend nach.

»Prächtiges Weib!« sagte er mit Wärme. »Sie erzählte mir, daß Sie bei der ganzen Fahrt schönes Wetter gehabt hätten; wir kamen in einem kleinen Schneegestöber herauf. Eine nette, kleine Autokletterei, nicht wahr? Ganz hübsche Anhöhen!«

»Anhöhen!« wiederholte Ogle mit höhnischer Betonung. »Hübsche Anhöhen!«

»Ja, sehr hübsch.« Der General schien der Ansicht zu sein, daß der Anstand es erlaube, wieder zu dem Thema zurückzukehren, das ihm offenbar wichtiger war. »Prächtige Frau!« sagte er abermals. »Prächtige, entzückende Frau, Ihre Mutter.«

»Wie?« Ogle starrte ihn mit offenem Mund ungläubig an. »Verzeihung, wie sagten Sie?«

Sir William lächelte ihn beinahe liebevoll an. »Eine entzückende, prächtige Frau ist Ihre Mutter!«

»Herrgott! Madame Momoro ist doch nicht meine Mutter!«

»Nicht? Oh, aber ich glaubte …«

»Nein, nein! Keine Spur, nicht im entferntesten …«

»Nein?« Sir William war überrascht, schien aber zu fühlen, daß er einer unbezweifelbaren Autorität weichen müsse. »Ja, wenn Sie so sagen … dann wohl vermutlich nicht …« meinte er, aber immer noch sichtlich zögernd. »Sehen Sie, wir trafen diese Dame in Begleitung eines jungen Mannes, der lange vor uns in den Gasthof zurückkehrte. Sie sprach von ihm als ihrem Sohn. Genau angesehen hatte ich ihn draußen nicht und so meinte ich, da die Dame vorhin so besorgt mit Ihnen sprach und wegen des Altersunterschiedes, daß Sie es wären. Es war offenbar ein Irrtum; Sie sind natürlich ein junger Freund des Sohnes.«

»Ich … reise mit ihnen«, gab Ogle etwas zögernd zurück. Und er fühlte die Hochachtung, die er nach der flüchtigen Begegnung in Algier vor dem General gehabt hatte, rasch schwinden. »Wir machen die Autotour gemeinsam.«

»O ja. Ganz recht«, sagte Sir William wohlwollend. »Wir sprachen eine Weile mit Madame Momoro, meine Frau, Miss Crewe, meine Sekretärin, und ich. Wir waren so frei, uns ihr vorzustellen, und sie war so liebenswürdig, auch ihren Namen zu nennen und uns etwas über ihre geplante Reiseroute zu erzählen. Da auch wir morgen weiterreisen, wagte ich es, der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß wir unterwegs gemeinsam den Lunch nehmen, daß wir abends in Bougie Tischnachbarn sein und überhaupt so gewissermaßen eine Art Verbindung zwischen unseren beiden Wagen bis Biskra aufrechterhalten würden. Ihre Frau Mutter – pardon – Madame Momoro, zeigte sich zu einer Partie Bridge mit meiner Frau und ihrem Sohn bereit.«

Ogle hatte stets gehört, daß Engländer auf Reisen maßlos exklusiv seien, nur langsam Bekanntschaften schlössen und Fremden gegenüber bis zur Unhöflichkeit abweisend blieben. Nun mußte er einsehen, daß dies ein großer Irrtum war oder daß der General eine unerhörte Ausnahme bildete. Selten in seinem Leben, dachte der Amerikaner, war er einem Mann begegnet, der nach so flüchtiger Bekanntschaft so große Intimität zeigte.

»Spielen Sie auch?« erkundigte sich Sir William.

»Bridge? – Nein.«

»Madame Momoro muß eine ausgezeichnete Spielerin sein. Ihr Sohn allerdings scheint mir zu jung, um einen ernstlichen Gegner abzugeben. Aber Madame Momoro macht sicher alles ausgezeichnet, was sie …«

Eben kam ein Lohndiener mit einem größeren Vorrat Brennholz herein und hinter ihm erschien Lady Broadfeather, in einen großen, dicken Wollschal gehüllt. Sir William unterbrach sich und stellte ihr Ogle gnädig vor: »Mr. Uh, ein junger Freund von Madame Momoros Sohn.« Dann kam Hyacinthe mit seiner Mutter ins Zimmer und brachte Karten und einen Bridgeblock.

Das neuentfachte Feuer verbreitete bald behagliche Wärme und Ogle fühlte sich nach einiger Zeit genügend erholt, um einen ausführlichen Brief an seinen New-Yorker Theaterdirektor schreiben zu können, in dem er sich bitter über das unbegründete Ausbleiben seiner Tantiemen beklagte. Er war eben damit zu Ende und blickte zerstreut und mißbilligend nach den Bridgespielern hinüber, die seine Gegenwart scheinbar ganz vergessen hatten, als General Broadfeather, der so angestrengt in seine Karten sah, als gäbe es nichts anderes für ihn auf der Welt, unerwartet ausrief: »Ach ja – Tien-Kah!« Er schien sich dessen nicht bewußt zu sein, daß er damit an ein Gespräch anknüpfte, das er eine gute Stunde früher schon beendet hatte. Er wiederholte diesen Ausruf und fügte dann hinzu: »Ja, es läßt sich denken, daß Amerika immer interessanter wird. Tien-Kah hat mir mindestens zwei Stunden lang von der enormen Stadt erzählt, in der er lebt, und von seiner Illinois Papier-Gesellschaft. Ich bin mir ganz ungebildet vorgekommen, weder von seiner Heimatstadt noch von seiner Gesellschaft je vorher etwas gehört zu haben. Außerordentlich interessanter Mensch, dieser Tien-Kah!«

Ogle erhaschte einen ganz schnellen, kleinen Seitenblick Madame Momoros. Und dann begriff er, daß »Tien-Kah« nichts anderes war als General Broadfeathers Aussprache des Namens einer Person, die ihm noch widerwärtiger war als selbst der unausstehlichste aller Kabylenberge: Tinker! Also auch er war hier in Michelet gewesen! Nach ein paar Augenblicken der Überlegung kam Ogle zu der peinlichen Erkenntnis, daß diese ganze Expedition, zu der er in der einigermaßen verschwenderischen Beziehung des Gastgebers stand und gegen die seine Nerven und seine physischen Kräfte heftige Abneigung zeigten, eigentlich nichts anderes war, als eine Jagd nach dem Präsidenten der Illinois & Union Paper Company!

Madame Momoro blickte von da ab mehrmals nach ihm, aber er schien damit beschäftigt, die von ihm geschriebene Adresse auf dem Briefumschlag zu betrachten. Nach einer halben Stunde stand er schließlich auf, murmelte einen Gutenachtgruß und verließ das Zimmer.

 

Am Morgen erwähnte er nichts von dem, was sein Gemüt so schwer bedrückte. Es quälte ihn darum nicht weniger als am Abend zuvor und er litt überdies, während sie Abhänge hinunterfuhren, die ihn vor Schrecken erstarren ließen, an seinem Grauen vor diesen Bergen – aber schweigend trug er sein Leid und seine Qual. Er ahnte, daß sie selbst den Gegenstand, um den seine Gedanken kreisten, zur Sprache bringen würde, aber hoffte sehnlichst, daß sie es nicht eher tun würde, als bis der grausigste Teil der Fahrt vorbei wäre. Seine Ahnung bestätigte sich und seine Hoffnung erfüllte sich. Erst als sie unter Fort National von der Straße abbogen und auf einer vernünftigen breiten Chaussee dahinrollten, fragte sie ihn, warum er so still sei: »Wenn Sie so dasitzen und kein Wort mit mir sprechen, muß ich mir eines von zwei Dingen denken …«

»Von was für zwei Dingen?«

»Entweder Sie fühlen sich nicht wohl, oder Sie wollen mir zu verstehen geben, daß Sie mir böse sind.«

»Oh, Sie irren sich. Ich bin vollkommen wohl.«

»So«, sagte sie. »Warum sind Sie also böse?«

»Ich bin nicht böse.«

»Sondern?«

»Nichts.«

Sie wandte sich ihm zu und betrachtete ihn nachdenklich, er aber wich ihren Augen aus und blickte mürrisch vor sich hin.

»Mein Lieber,« sagte sie nach einer Weile, »erinnern Sie sich vielleicht daran, was ich Ihnen einmal über die Wirkung gewisser Orte auf gewisse Menschen sagte? Ich prophezeite Ihnen, daß Afrika Sie verändern würde – nun, das ist schon geschehen.«

»Keine Spur …«

»Sie sagen natürlich nein.« Sie lachte traurig. »Aber Sie sind nicht mehr der gleiche Mensch, der Sie gestern waren, ehe wir in die Berge hinaufkamen. Ich fühle den Unterschied wie einen Faustschlag und ich weiß, daß ein Fremder neben mir sitzt. – Was ist geschehen?«

»Gar nichts. Ich bin bloß nie zuvor in den Bergen gewesen und ich finde, sie greifen meine Nerven ein wenig an. Das ist alles.«

»Das tut mir leid«, sagte sie sanft. »Das tut mir wirklich leid. Sie haben auch so gefroren, Sie zitterten vor Kälte bei dem armseligen kleinen Feuer gestern abend. Ich kann es Ihnen nachfühlen: Sie hassen die Berge, Sie hassen die Kabylen und – Sie hassen mich!«

»Unsinn!« gab er ungeduldig zurück.

»Ja, glauben Sie denn, mein Lieber, ich fühle das nicht?« Sie schwieg einen Augenblick und schien über etwas Sonderbares nachzudenken. Dann lachte sie, als wäre ihr ein ganz absurder Einfall gekommen. »Nein, das kann es doch nicht sein … Nein … so etwas ist doch nicht möglich!«

»Was denn?«

»Sie ärgern sich doch nicht etwa, weil diese Engländer mit uns in Jakuren zu Mittag essen wollen?« Sie blickte durch das kleine Fenster in der Rückwand des Wagens. »Ja, sie sind hinter uns. – Sind Sie verstimmt, weil ich den Vorschlag des Generals angenommen habe?«

»Durchaus nicht«, erwiderte Ogle düster. »Es ist ja ganz gleichgültig, wer in Jakuren oder sonst wo mit uns essen wird.« Dann schämte er sich ein wenig, denn das, was er eben gesagt hatte, klang in seinen eigenen Ohren wie das Schmollen eines Achtzehnjährigen. »Es ist ja nicht Ihre Schuld, daß der alte General gleich bei der ersten Begegnung von Ihnen so fasziniert war. Alle erliegen wir Ihnen, wie alt wir auch sein mögen; wir können nichts dafür und Sie auch nicht! – Soweit ich seinen Zustand beurteilen kann, gedenkt er, sich bis auf weiteres an unsere Fersen zu heften.«

»Sie sind ein komischer junger Mann und er ist ein komischer alter Mann.« Madame Momoro lachte. »Ich war höflich zu ihm – warum nicht? Aber vielleicht hätte ich nicht Bridge spielen sollen, da Sie ja nicht spielen. Ich tat es, um Hyacinthe zu zerstreuen. Er war auf sein Zimmer gegangen, um wieder an diesem langweiligen Bericht zu schreiben, und so meinte ich …«

Ogle unterbrach sie ungeduldig: »Aber bitte, begreifen Sie doch, daß ich nicht das geringste dagegen habe …«

»Wogegen sonst haben Sie etwas?« fiel sie ihm jetzt in die Rede. »Ich bin mit Ihnen gekommen, um Ihnen eine Freude zu machen, aber es scheint mir nicht gelingen zu wollen.« Dann sprach sie wie zu sich selbst: »Was kann es sein? Was kann ich denn verbrochen haben?« Als er abermals »Nichts« sagen wollte, hielt sie ihn davon ab, indem sie warnend die Hand hob. »Warten Sie! Lassen Sie mich nachdenken!« Sie legte ihre Fingerspitzen an die Stirne und grübelte einige Augenblicke. Dann ließ sie einen Laut der Verwunderung hören, als ob sie eben eine erstaunliche Entdeckung gemacht hätte. »Jetzt habe ich es! Sehen Sie mir einmal in die Augen!« Und als er gehorchte, bemerkte er eine unterdrückte Heiterkeit wie kleine Wellen um ihre Mundwinkel spielen und ein spöttisches Flimmern in ihren schönen klaren Augen. »Sie ärgern sich, weil Tinker auch in Michelet gewesen ist. Sie sind ein kleiner Narr und glauben, daß ich nur deshalb hinaufgefahren bin, um ihn dort zu treffen. Gestehen Sie!«

»Nennen Sie das ein Geständnis?« fragte Ogle und hielt seine Augen düster auf sie gerichtet. »Natürlich hat er Ihnen gesagt, er wolle hinfahren und Sie haben sich lediglich um ein, zwei Tage verrechnet.«

Bei diesen Worten lachte sie laut auf, und ihr Lachen klang diesmal ganz echt. »Ja, wie hätte er mir denn sagen können, wo er hinfahren würde?«

»Wie er es hätte sagen können?« rief Ogle entrüstet. »Vermutlich mit seiner Stimme.«

»Nein, das konnte er nicht,« rief sie, immer noch lachend, »weil er es selbst nicht wußte.«

»Wollen Sie behaupten, daß er nicht wußte, wohin sein Auto fahren würde?«

»Er hatte keine Ahnung davon!«

»Und das soll ich Ihnen glauben?«

»Keine Ahnung!« beharrte sie und der Gedanke an Tinker, der da durch Afrika geschleift wurde, entzückte sie. »Cayzac hat ihm einen Kurier mitgegeben, der ihn überall hinführen sollte, wo es, wie Tinker sagt, ›etwas zu sehen gibt‹. Die Namen der Orte hat er nie zuvor gehört und aussprechen kann er sie erst recht nicht. Wie hätte er mir also sagen sollen, was er selbst nicht wußte? Ihr Amerikaner seid wirklich sonderbare Leute!«

Ogle glaubte ihr. Das sah Tinker ganz ähnlich, dachte er, aber ihr letzter Satz reizte ihn.

»Es wäre mir lieber, Sie würden nicht so oft ›Ihr Amerikaner‹ sagen«, meinte er unwillig. »Wir sind ungefähr hundertzwanzig Millionen, glaube ich, und alle sind einander wirklich nicht gleich. Ich sage auch nicht ›Ihr Franzosen‹, um den Valet de chambre, der mir heute morgen das heiße Wasser brachte, und Sie zu bezeichnen. Es wäre mir viel lieber, wenn auch Sie Tinker und mich nicht als ›Ihr Amerikaner‹ zusammenfassen wollten.«

Er hatte den unsympathischen Namen mit heftigem Widerwillen ausgesprochen. Madame Momoro wies, als er geendet hatte, immer noch lachend, durch das Fenster.

»Sehen Sie dort hin!« rief sie. »Schauen Sie sich die Leute dort auf dem Felsen an! Rasch!« Ogle wandte sich zum Fenster und erblickte ein Dutzend Kabylen, Männer und Knaben, die aus einem Gewirr von Steinhütten hervorgekrochen waren und sich auf einem nahen Felsen zusammendrängten, um das Vorbeifahren der Automobile zu beobachten. Regungslos, mit gefurchten Stirnen, starrten sie auf den Wagen und seine Insassen und auch ihre Augen hatten wieder jenen harten, abweisenden Blick, den Ogle schon so gut kannte.

»Diese Kabylen sind nicht bemerkenswerter als alle andern«, wandte er sich an Madame Momoro zurück. »Warum sollte ich sie ansehen?«

»Um sich an diese Augen zu erinnern«, sagte sie ernst. »Ihre eigenen Augen hatten eben ganz den gleichen Ausdruck, als Sie mich baten, Sie und Tinker nicht in einem Atem zu nennen.«

»Wirklich? Sonderbar«, erwiderte Ogle und lächelte ein wenig. »Eine andere Dame hat mir in Algier dasselbe gesagt.«

»Eine andere Dame?«

»Ich glaube nicht, daß Sie sie kennen.« Er befriedigte ihre Neugierde in diesem Punkt nicht weiter.

Obgleich er sich den Anschein gab, als würde er ihre Kritik nicht allzu tragisch nehmen, ärgerte er sich doch, und während der weiteren Fahrt mußte er immer wieder daran denken. Das amerikanische Provinzmädchen und die welterfahrene Französin hatten beide die gleiche unangenehme Bemerkung über den Ausdruck seiner Augen gemacht. Erfreulich war ein solches Urteil von keiner der beiden, aber leichter hatte er es doch noch von der ›kleinen Amerikanerin‹ hingenommen.


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