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Aus dem Klosterdorfe Langholt.
Vor langen, langen Jahren kamen die Heiden ins Land. Es waren gar mächtige Männer in eisernen Wämsern, vom Kopf bis zur Fußsohle geharnischt und versehen mit schrecklichen Mordwaffen, die sie gar wohl zu führen wußten. Wo sie ans Land stiegen, da nahmen sie alles, was ihnen gefiel. Sie behaupteten, das Land gehöre ihnen, die Früchte, die darauf wüchsen, ständen ihnen zu, und die Leute, die es früher zu eigen besessen, mußten für sie zu Frohn kommen. Das wollten unsere Landsleute zwar anfangs nicht gutwillig zugestehen und setzten sich zur Wehr; allein in dem blutigen Kriege, der nun erfolgte, behielten die Fremdlinge die Oberhand, daß sie des Landes mächtig wurden, daß alle Leute ihnen dienen und zinsen mußten. So schalteten sie viele Jahre hindurch mit großem Übermut. Es wurde mit den Frohnleuten je länger, desto ärger, und kein Retter wollte sich zeigen, so daß eine große Unlust und ein tiefes Wehklagen anhub unter den Landeskindern, die früher frei und ungestört von dem ihrigen gelebt hatten, jetzt aber wie geringe Knechte behandelt wurden. Mit jedem Jahr wurden neue Fröhner aufgeboten, und diese mußten für die fremden Herren alles verrichten, was sie befahlen. Sie mußten pflügen, säen, ernten, dreschen, Holz herbeifahren und alle nützlichen Dienste leisten. Da geschah es, daß einst ein gar hochgewachsener, wilder Knabe zur Frohn gerufen wurde. Derselbe war wohl über sechs Ellen hoch, breitschulterig und stark gebaut, dabei aber träge und gutmütig, so daß er kaum zum Zorn gereizt werden konnte, dazu einfältig, wie es schien, daß er harmlos alles tat, was man ihn tun hieß. Er war aus den Dünen zu Hause, ein einziger Sohn, und hieß der starke Harm. Man sagt, er habe volle sieben Jahre seiner Mutter Brust getrunken und davon sei er so groß und stark geworden. Er war kaum zwanzig Jahre alt, als er zur Frohne kam. Die Fremdlinge waren des kräftigen Gesellen erfreut und gedachten, der werde ihnen ein schön Stück Arbeit verrichten. Als aber der Arbeitstag kam und die übrigen Frohnleute schon lange in der Scheune am Dreschen waren, da lag der träge Harm noch auf dem Stroh und schnarchte, von der Reise des vorigen Tages ermüdet. Man rief ihn auf und schalt ihn einen trägen Tagedieb, der gewiß hinter seinen Gesellen zurückbleiben werde; aber der junge Harm ging in die Scheune, sah nach, was die anderen gedroschen hatten, sah sich den Fruchtvorrat einmal an und sprach mit Lachen, daß es wohl nicht notwendig sei, um so ein wenig Arbeit willen gar frühe aufzustehen; er wolle noch vor Mittag mit dem ganzen Vorrate fertig werden, wenn man ihm nur einen Karren mit Stroh, so hoch er sich laden lasse, für sein Lager, und Brot und Fleisch, so viel er essen möge, zur Kost gebe. Dies wurde ihm zugesagt, und Harm ging hinaus in den Wald, holte sich einen Eichenstamm, den dicksten, den er fand, und befestigte denselben mit einem Schiffseil an eine ausgewachsene Tanne. Dies war sein Dreschflegel, damit kam er in die Scheune, hob das Dach davon, daß es ihn nicht hindere, und drosch wacker darauf zu, daß das Stroh nicht anders umher stob, als habe es ein Wirbelwind ergriffen. In einer halben Stunde hatte er den ganzen Vorrat leer gedroschen. Darauf nahm er das starke Strohdach zur Futterschwinge und schwang sie, daß die Spreu stob, wie dichte Schneeflocken, und im Nu war das Korn gereinigt, das er in großen Bettsäcken auf den Speicher trug und dort aufschüttete. Die Heiden sahen dies mit freudigem Erstaunen. Als aber Harm jetzt den ausbedungenen Lohn, nämlich den Karren mit Stroh, zurecht setzte, da fingen die Herren doch scheel zu sehen an, denn Harm lud den Karren so voll, daß die beiden vorgespannten Ochsen ihn nicht fortzubewegen vermochten, und da schlug er die Tiere mit der Faust zusammen, schirrte sie ab, warf sie oben auf das Stroh und zog dann den Wagen selber fort. »Ei«, rief er, »so bin ich denn mit dem Fleische auch schon besorgt; nun die Semmel noch!« Dies wurmte die fremden Herren und sie sahen ein, daß der stets willfährige Harm ihnen ebenso gefährlich als nützlich werden könnte. Darum gingen sie damit um, daß sie seiner los würden, und hielten untereinander einen Rat, wie sie ihn aus dem Wege räumen möchten. Man hatte ihm am Abend ein paar Malter Mehl gegeben, woraus er für seine Gesellen Brot backen und selber satt davon essen sollte; allein als man am Morgen nachsah, da lag der Schlingel im festen Schlaf, der Ofen war kalt und weder Brot noch Mehl zu finden. Man störte ihn empor und fragte ihn darüber. Da besann er sich noch lange, die Augen reibend, und sagte endlich: »Ich habe die Brode, so wie ich sie aus dem Ofen genommen, zu dem Ochsenbrätlein für Semmel gegessen; um solch eine Abendmahlzeit möcht' ich euch wohl alle Tage arbeiten, so viel ich vermag.« Da sprach einer der Fremden zu ihm: »Geh hinab, Harm, in unsern Hof, dort sollst du einen Brunnen reinigen, der seine fünfzig Klafter tief ist, und dafür sollst du ein Nachtmahl haben, wie du begehrst.« – Harm stieg in den Brunnen hinab und fing an, den Schlamm heraufzuwinden. Die fremden Gesellen aber wälzten eine Menge dicker Steine an den Rand des Brunnens, und als sie deren einen großen Haufen aufgeschichtet hatten, stießen sie denselben herunter, in der Meinung, daß Harm dadurch zerschmettert würde. Der sang eben ein recht lustiges Lied zu seiner tiefen Arbeit. Anfangs ließ er sich durch die herabfallenden Steine nicht einmal stören in seinem Gesange. Endlich aber rief er: »So jagt doch die Hühner weg von dem Brunnenrande, denn sie scharren und scharren mir den Kiessand hier in die Augen, daß ich nicht fortarbeiten kann.« – Ei, dachten die droben, nennt er die Wackensteine noch Kiessand, so wollen wir ihm den Spott noch verleiden. Und flugs holten sie einen gewaltigen Mühlstein, woran zehn Mann mit Hebebalken fortschieben mußten, und ließen denselben in den Brunnen hinabstürzen. Da jubelten sie und riefen: »Nun hat er seinen Teil!« Aber der Harm lachte und rief noch lauter: »Dank für den schönen, dauerhaften Kragen, den ihr mir beschert!« Und als sie hinabschauten in den Brunnen, sahen sie ihn ruhig fortarbeiten und dabei den Mühlstein um den Hals tragen, ein feines Kräglein! Da entsetzten sich die Heiden und wurden noch zorniger. Sie spannten acht Rosse vor einen Lastwagen und fuhren eilig eine große Glocke herbei, so groß, wie jetzt die Domglocken sind. Diese warfen sie in den Brunnen und dachten, sie müsse den groben Burschen wohl zerschmettern; aber der ließ sich dadurch noch nicht stören in seiner Arbeit und in seinem Gesange und rief: »Großen Dank, gestrenge Herren, für eure schöne Schlafmütze, die ihr mir auf den Kopf gesetzt habt!« Und als sie hinabschauten, gewahrten sie, wie er unter der Glocke munter hervorguckte, wie ein Tyroler aus seinem breiten Hutrande, und wurden so verzagt, daß sie davonliefen. Der starke Harm aber, der jetzt den Brunnen gereinigt hatte und hervorgestiegen war, lief ihnen nach, beruhigte sie und beteuerte, daß er auch einen kleinen Spaß verstehe und gar nicht übel deute, was sie ihm auf solche Weise zum Geschenke machten. Als sie sich ihm aber wieder näherten, da sagte er: »Sie möchten ihm doch noch ein Stückchen Arbeit auftragen, da er einmal im Zuge und der Abend noch ferne sei, und das versprochene Essen ihm erst nach voller Tageslast recht wohl gedeihe.« Da gingen die Heiden aufs neue wieder zu Rate, und hießen den starken Harm hinabgehen in die Teufelsmühle, damit er dort das zu seinem Nachtmahl notwendige Getreide mahle.
Die Teufelsmühle war aber ein verwünschtes Gebäude, wo der Böse seit Jahren sein verderbliches Wesen getrieben und alle, die hinkamen, umgebracht hatte, so daß Haus und Getriebe seit langer Zeit nicht mehr benutzt wurden. Als nun Harm mit einigen Bettsäcken voll Roggen hinabging, hofften die Heiden, der Teufel werde ihn ergreifen und ihm den Hals brechen, wie er dort schon manchem guten Gesellen getan. Aber Harm, der von Gespenstern noch nichts wußte, übrigens aber auch den Teufel selber nicht fürchtete, schüttete auf und setzte den Mahlgang in Bewegung. Kaum fing es an zu rauschen und zu klappern, so kam ein Unhold in furchtbarer Gestalt heran und griff mit seinen ellenlangen Klauen nach dem Mahlknechte. Dieser jedoch wurde des Unholdes mächtig und setzte ihn so fest auf den mahlenden Stein, daß ihm das Feuer aus den Knochen sprühte, und er ganz jämmerlich um Freilassung anhielt; allein Harm ließ ihn nicht eher los, bis ihm das ganze linke Bein samt dem halben Gesäß abgeschliffen war. Da trollte sich der Böse hinweg, mit Geheul und Fluch auf einem Bein im Kreise umherhüpfend. Die heidnischen Herren wunderten sich höchlich, als sie Harm mit seinem Mehl am Abend wohlbehalten aus der Teufelsmühle ankommen sahen. Noch mehr erstaunten sie, als sie vernahmen, wie er den Teufel ausgetrieben habe. Sie mußten nun dem Fröhner das bedungene Abendbrot, sowie auch zwei Ochsen überlassen, und indem dieser nach der Mahlzeit mit seinem Steinkräglein und seiner Metallmütze sich aufs Ohr gelegt hatte, sannen sie auf neue List, wie sie seiner los werden könnten. Denn, sagten sie, wenn der Bursche einmal seine Kräfte und auch uns recht kennen lernt, so sind wir allesamt verloren, und darum ist es die höchste Zeit, mit ihm aufzuräumen.
Da riefen sie ihn auf mit dem Anbruche des Tages und sprachen: »Harm, wenn du noch länger bei uns bleibst, so machst du uns zu armen Leuten; darum sollst du hinabgehen in die Hölle und dem Teufel sagen, daß er dir einen Sack voll Geld gebe, so schwer du tragen kannst; dann sollst du auch gute Tage bei uns haben, wenn du das Verlangte bringst.« Harm aber erwiderte: »Ich weiß weder Weg noch Steg dahin, aber wenn ihr mir einen Wegweiser mitgebt, so will ich wohl hingehen und dem Geizhals die Ohren reiben, auf daß er euch willfahre.« Da gaben sie ihm einen Jungen mit, der führte ihn bis an den Heidenkeller zu Hahnentange, und als der Junge wieder heimkam und erzählte, daß Harm in die Teufelshöhle hinabgestiegen sei, da frohlockten die Heidenherren und riefen: »Jetzt haben wir gewonnen Spiel! Harm kommt nun nicht wieder; denn der Hahn ist nirgends so frech, als auf seinem Miste, und der Teufel nirgends so mächtig, wie in der Hölle, und es ist so klar wie die Sonne, daß er dem ungeschlachten Burschen jetzt den Garaus macht, der Schlingel ist gar wohl aufgehoben.« So sagten, so jubelten die Heiden; aber Harm stieg hinab in den Heidenkeller und kam durch einen langen, düstern Gang, wohl eine Stunde Weges, immer tiefer, bis er endlich zu einer verschlossenen Tür gelangte, die ihm den Weg versperrte. Da trat er mit aller Macht gegen die Eisentür, daß sie mit großem Gepolter hinstürzte, und er blickte hinab in den großen Raum, der, soweit er nur sehen konnte, von unzähligen Feuern erhellt wurde. Da gewahrte er allerlei wundersame Gestalten in der Ferne umherschweben und große Fledermäuse stoben ihm um den Kopf. Die schlug er mit dem Sack, den er mitgenommen, links und rechts um sich nieder und schritt keck die große Treppe hinunter. Aber ihm entgegen hüpfte der Teufel, dem er am vorigen Tage das Bein samt dem Hinterbacken abgeschliffen hatte. Dieser hatte das Krachen der Tür vernommen und kam mit Wutgebrüll und in grimmiger Gestalt heran, um zu sehen, was es dort gebe. Kaum jedoch hatte er Harm erkannt, da floh er, um sein einziges Bein besorgt, heulend so schnell hinweg, daß die Luft davon pfiff, und rief seinen Herrn, den obersten der Teufel, der noch viel grimmiger aussah. Der fragte Harm, was er wolle, und zugleich griff er hin, ihn beim Halse zu fassen. Aber der schlug ihn auf die Finger, daß ihm die Knochen brummten, und trug kecklich vor, weshalb er hergekommen sei. Darauf sagte der Oberteufel, er wolle drei Stücklein um die Wette mit ihm tun. Wenn er die gewinne, so solle er das Geld haben; verliere er die aber, so solle er ihm mit Leib und Seele zugehören ewiglich.
Nur heraus damit! sagte Harm. Da holte der Teufel ein großes Jagdhorn, das war wie ein Färberkessel so weit unten, und da sollte es nun drum gehen, wer am stärksten hineinblasen könne. Der Teufel blies einen Ton, daß der Boden zitterte, und sechs Feuer, die am nächsten standen, auslöschte. Darauf blies auch Harm, und da gab es keinen Ton, sondern einen Knall; das Horn zersprang wie eine Seifenblase, und dem Teufel flog ein Stück von dem Metall an den Kopf, daß ihm die Hörner wackelten und die Nase davon blutete. Wohl hundert Feuer waren von dem Luftzuge erloschen. Da wunderte sich dessen der Höllenfürst und er holte einen großen Stein, der war wie ein Backhaus so dick, und warf ihn steilrecht in die Höhe wohl zwanzig Ellen hinan. Als aber Harm nun auch nachwerfen sollte, da wog er den Stein erst lange in der Hand, wie einen Federball, und dann sagte er: »Ich will, bevor ich werfe, schnell hinausspringen in den Wald und mir einige Eichenstäbe holen, die dicksten Stämme, die ich finden kann.« »Und was wolltest du damit? wozu das?« fragte der Teufel. »Damit wollte ich das Gewölbe stützen«, erwiderte Harm, »denn sonst werfe ich, daß es losbricht, und dann sind wir alle hier verloren!« Da wurde der Teufel so gar verzagt, daß er seine Wette verloren gab und sich zum dritten Male nicht wollte beschämen lassen. Er mußte dem Burschen seine Schatzkammer öffnen. Da packte Harm den großen Bettsack, den er mitgebracht hatte, so voll Gold und Silber, als es anging, und brachte alles glücklich herauf zu den Heidenherren, die sich über seine Wiederkehr mehr ärgerten, als sie das Geld froh machte; denn sie sagten: »Der Bursche wird uns über kurz oder lang alle totschlagen!« Und wiederum machten sie einen Anschlag, wie es Harm ans Leben gehen sollte.
Da es eben Vormittag war, sandten sie den Teufelsbändiger in den Wald hinaus, wo er mit andern Frohnleuten Holz fällen und herbeifahren sollte. Um nun etwas Erkleckliches zu leisten, nahm Harm ein Schiffstau, umstrickte damit eine Eichenwaldung und zog sie dann, ohne die Axt zu gebrauchen, mit der Kraft seiner Fäuste zu Boden. Da ihn dabei ein Fuhrmann hinderte, welcher sich mit einem Holzwagen vor einem Berge festgefahren hatte, setzte er die Pferde oben auf den Wagen und schob den Wagen mit Holz und Rossen gleich einem Schiebkarren vor sich auf die Höhe.
Dann hielt er seiner Gewohnheit gemäß das Mittagsschläfchen, bei welchem er in so tiefen Schlummer zu sinken pflegte, daß auch das stärkste Geräusch ihn nicht zu wecken vermochte. Da schichteten nun die Heiden große Haufen von Holz und Stroh um ihn her, zündeten diese an und jubelten und jauchzten um das Feuer, das sich mit wachsender Glut erhob und den starken Harm zu verzehren drohte. Lange hatte dieser von den nun sich verbreitenden Flammen und von dem Dampfe nichts gewahrt, bis es ihm doch endlich unter seiner Glocke warm wurde und ihn der Husten überkam. Da richtete er sich auf, sah, daß Kleidung und Haar schon versengt waren, und das machte ihn zornig. Er sprang über den Feuerkreis, wurde derer ansichtig, die sich seiner Niederlage erfreuten, aber sich nicht lange mehr freuen sollten. Er riß einen Eichenbaum aus der Erde und schlug damit unter die Fremdlinge. Er verschonte nun keinen, den er erreichen konnte. Die sich nicht zeitig über die Grenze begaben, kamen alle ums Leben, und man hat seitdem von diesem frechen Heidenvolke nichts mehr in unserer Heimat gesehen.