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Radbods Geschichte ist bekannt, wenn auch in vielen Partien noch aufklärungsbedürftig. Er trat 690 als Führer der Friesen auf, lag hart im Kampfe mit dem Franken- und Christentum, und soll nach einem sturmbewegten Leben 713 gestorben sein. Um seine Heldengestalt wob die Sage ihren Duft, und sein Name, seine Tat lebt unter uns in Lied (Andreä, Bodenstedt u. a.) und Wort verschieden gestaltet fort.
Es wäre die Sage vom Hinweise Radbods auf seine Vorfahren bis in die Quellen nachzuweisen. Ich habe sie bis etwa 1200 n. Chr., wo mir weitere Quellen in den 60er Jahren nicht zu Gebote standen, durchgesehen, aber alles legendarisch gefunden. Die ganze Geschichte von 800 bis 1200 n. Chr. ist »geistlichen Daseins«.
Im Norderlande nannte man seinen Wagen den Robolius- oder Robolus-Wagen; in Esens bezeichnet man ein Hünengrab nahe dem Dorfe Dunum als den Rabbelsberg und verlegte in der Sage dorthin das Grab des hohen Kämpen; im Emslande um Emden hat man uralte Konrebberswege, deren Spuren zum Bundesstuhl Ostfrieslands, dem Upstalsboom bei Aurich, führen. Auch finden sich an verschiedenen andern Orten Spuren und Reste von König-Radbods-Wegen, die freilich ihm wohl nicht ihr Dasein, vielleicht und wahrscheinlich aber ihre Sicherung und Erhebung zu Königswegen (freie Heerstraßen) verdanken. Im Radboldsholz des Norderfehns bei Norden hat dann noch der Name seine neueste Verwendung gefunden.
In der ostfriesischen Literatur ist viel über Radbod zu finden. Von Geschichtsbüchern und gelegentlichen Erwähnungen abgesehen, sind interessante Stellen und Abhandlungen diese:
Eine von 1860-68 von mir angelegte Sammlung der Radbods-Erinnerungen in Friesland ist ungedruckt geblieben. Aus sämtlichen Abhandlungen stelle ich kurz das Sagenhafte bezüglich des Stürmers Radbod zusammen.
J. ten Doornkaat führt zunächst über den Robolius-Wagen folgendes vor: »Robolius-, Robolus-Wagen, der Wagen des Königs Robolius oder des altfriesischen Königs Radbod, der nach dem hier jetzt noch herrschenden Glauben in der Sylvesternacht um 12 Uhr auf demselben durch zwei in der Westermarsch (bei Norden) liegende Plätze unsichtbar in fliegendem Galopp hindurchfährt und wobei die Scheunentüren dieser Plätze oder Höfe von selbst auffliegen und sich nachher auch wieder von selbst schließen, und wovon die alten Leute hier in Norden (z. B. meine verstorbene Schwiegermutter) auch glaubten, daß derselbe in der Sylvesternacht hier durch die Straßen fuhr, indem sie von einem um Mitternacht der betreffenden Nacht plain carriere durch die Straßen rasselnden Wagen sagten: dâr fârd König Robolius (oder König Robolius sîn Wagen) hen. – Möglicherweise liegt aber hier eine Verwechselung oder Identifizierung von Radbod mit Wodan vor, der bekanntlich dem alten Volksglauben nach auch in der Mitternacht des Julfestes im brausenden Sturm durch die Lüfte fuhr.«
Und der tüchtige Volkskenner Rose sagt von Radbod, dem Stürmer: »Und wenn der Sturmwind wütet und der Donner rollt und der Regen gegen die klirrenden Fensterscheiben schlägt und das Meer laut heult, dann stürmt noch jetzt der gewaltige König auf schäumendem Rosse einher und gibt, wie einstmals, an der Knock (das ist die Spitze des Emsigerlandes an der Ems b. Emden) seinem vor dem tosenden Meere sich bäumenden Renner die scharfen Sporen und fliegt durch den zischenden Schaum weit über den Dollart (Meerbusen an der Ems) hinweg.«
Diese Lesart der Sage scheint durch die aus der Tradition geschöpfte Angabe E. Beningas entstanden zu sein (Chronik S. 54), daß Radbod eine Residenz auf der in der Osterems zwischen Borkum-Juist und dem gegenüberliegenden Festlande liegenden Insel Bant (seit 1750 vom Wattenmeer überspült) gehabt habe.
Nach andern Schriftstellern hätte die Wohnung auf Ameland, Juist, Fosetiland oder Fostiland gelegen. Auch Helgoland wird als der Zufluchtsort des vor Kaiser Karl (!) flüchtigen Königs Radbod genannt. Charakteristisch ist, daß er von allen diesen Orten, die doch als Küsteninseln immerhin vom Wattenmeer umgeben liegen, stets zu Pferde kommt und geht.
Die von Rose mitgeteilte Lesart wurde vor reichlich 70 Jahren (1849) von meiner Urgroßmutter (oll' Beppe genannt) zu Nesse im Norderland folgenderweise variiert: König Rowolt auf schneeweißem Renner saust im Sturm über das Meer nach Engelland und kommt auf pechschwarzem Rappen wieder daher, Sturm und Regen mit sich führend. Wenn er reitet, darf kein Kind über die Straße gehen, oder es muß vor sich niederblicken. Ist eines frech und will Rowolt sehen und sieht dreist in die Höhe, so bekommt es einen Stoß vom Pferdehuf, daß es in den Kot fällt. Auch vorm Fenster darf man nicht stehen, sondern muß im »Hüske« bleiben, bekanntlich das Häuschen zwischen den Knieen der Alten.
Die Sage in der Theener (Norderlandsmarsch) lautete so: In der alten Zeit fuhr man von hier nach Engelland mit Pferd und Wagen. Da war ein König Rittwold (Ridewold, Rüdewold in anderer Munde), der kam von Engelland nach Wengeland (Wanger- oder Jeverland?) mit Roß und Troß. Seine Feinde aber gruben den Weg auf, so daß er schwimmend durchs Wasser mußte. Da befahl er allen Deichsleuten (Küstenbewohnern), den Weg wieder herzustellen. Aber die See war schon zu stark geworden und ließ dies nicht zu. Da befahl der König, von den Niederlanden her Deiche zu bauen, daß er trocken reiten könne. Dies geschah; wo aber ein Fluß hindernd strömte, da setzte er mit wildem Gewüte hindurch. Aber noch heute stürmt den Deich entlang in den Osten hinein der geisterhafte König Rittwold in stürmischen, finstern Nächten, Grausen verbreitend.
Den Namen »Rüdewold« führt auch J. ten Doornkaat an (Ostfr. Wörterb. Bd. III, S. 60), doch bezieht er ihn nicht auf Radbod.
Im Auricher Lande ist der Sturm zum Mythus vom jagenden Abte von Meerhusen ausgebildet worden. Das Moormerland hingegen kennt den fliegenden Focko, der in Sturmesnächten mit einem wütenden Heere durch die Luft saust. Unter den Meerhuser Äbten finde ich keinen historischen Namen von Bedeutung; der fliegende Focko Südost-Ostfrieslands scheint mir indessen mit dem gewaltigen Leu, dem Häuptling Focko Ukena zu Leer († 1436) in Beziehungen zu stehen.
Von den Kon- oder Kunrebberswegen wird »tradiert«, daß der König Rabbold auf ihnen von Stavoren, seiner Burg, durch Westfriesland, Gröningerland, Rheiderland usw. nach Fosteland gezogen sei. Es scheint, daß seine Heereszüge allmählich in Sturmeszüge umgewandelt worden sind.
Zum Schlusse sei gestattet, das Kuriosum mitzuteilen, daß einige »Altertumskundige« vor etwa 70 Jahren hier eine Ruhestätte für Radbod erfanden. Rose (a. a. O.) sagt davon: »Schließlich ist noch das Radbodsgehölz auf Berumerfehn (einer Kolonie mit Kanalanlagen im Hochmoor des Norderlandes) zu erwähnen. Wenngleich auch die ganze Gegend um Berumerfehn herum durchaus keine heidnischen Altertümer aufzuweisen hat, so hat man doch in dem dortigen (dem Anfang dieses Jahrhunderts angehörenden) Gehölz eine Ruhestätte für den König Radbod erfunden. Das Gehölz, wohl das schönste in Ostfriesland, läßt nichts zu wünschen übrig: schlanke, hohe Bäume breiten ihre schattigen Zweige über schön gruppierte Sitze aus; saubere, breite Wege schlängeln sich überall unter grünen Laubengängen hin; eine mit einem Graben umgebene Anhöhe trägt das Denkmal der Gründer des Norderfehns, und auf dem gegenüberliegenden Teiche ladet ein zierlicher Nachen zur Spazierfahrt nach dem jenseitigen Ufer ein, wo auf einem Vorsprunge vier mittelmäßig große Steine ruhen, von denen der eine die verbesserungsfähige Inschrift trägt:
Radbod Rex Frisiae. Ao DCCVIII.
So bildet denn das Radbodsgehölz ein schönes Denkmal für unsern großen König, und noch dazu ein treffendes. Wie jenes aus der rings mit Moor, Heide und ödem Sande bedeckten Gegend feenhaft emportaucht, so strahlt auch hervor aus dem trüben Felde der Vergessenheit, umschlungen von den rankenden Zweigen der Sage, die Gestalt Radbods, des großen Friesenkönigs.
Rudolf Christoph Gittermann.
Unfern von Schoo ein Hüne stand,
Durchgrabend dort den dichten Sand.,
Sich mühend, einen Schatz zu finden,
Verborgen in den alten Gründen.
Er grub, seitdem die Nacht entflohn,
Bis an den hohen Mittag schon.
Tief auf reißt er den festen Grund;
Bald gähnt um ihn ein großer Schlund.
Heraus wirft er die hohen Schollen,
Daß sie weithin landeinwärts rollen.
Noch überragt, wie tief sein Stand,
Der große Kerl der Grube Rand.
Und zeigen will sich nicht der Schatz;
Doch wühlt und bleibt auf seinem Platz,
Ob fluchend und mit finstrer Miene,
Der unermüdet starke Hüne.
Eins nur, was ihm beschwerlich fällt,
Daß grimmig ihm der Magen bellt.
Längst ist des Mittags Ziel vorbei.
Da kommt daher mit einem Brei:
Sein Weib von Dunums wilden Höhen,
Wo jetzt die reichen Ähren stehen;
Da wölbten tief und schauerlich
Damals der Hünen Höhlen sich.
Der Recke sieht den Brei und schreit:
Was soll mir diese Flüssigkeit
Für meinen aufgeregten Magen?
Du Unholdin, wie darfst du's wagen,
Mir anzubieten solchen Wind,
Als wär ich noch ein kleines Kind?
Und hastig schleudert er den Topf
Mit Wut nach seines Weibes Kopf,
Dem dieses ausweicht, rasch sich beugend.
Dann aber, ihm die Zähne zeigend,
Trotzt sie dem Zürnenden mit Hohn,
Auflachend laut im Pferdeton.
Wart! sprach der Recke, flog der Topf
Vorüber deinem Schlotterkopf,
So sollen ein paar tiefe Schollen
Bald über deinen Balg hinrollen; –
Er setzt mit Macht den Spaten an,
Und sticht voll Wut so tief er kann.
Das Weib ergriff bereits die Flucht;
Er aber hat in seiner Schlucht
Zu tief den Spaten eingeschoben;
Schwer wird der große Spitt gehoben. –
Das Eisen überbiegt sich fast,
So ungeheuer ist die Last.
Und weithin ist das Weib entflohn,
Sich nahend Dunums Höhen schon;
Schnell, wie ein Füllen aus der Weide,
Rennt sie leichtfüßig durch die Heide.
Der Recke kaum sie noch ersieht,
So schnell das rasche Weib entflieht.
Ha! brummt er zähneknirschend, doch
Treff ich dich, Bübin, immer noch. –
Und aus der Grube wirft der Tolle
Ihr nach die ungeheure Scholle.
Es ist, – als höb aus tiefer Kluft
Ein Berg sich fliegend in die Luft.
In einem großen Bogen steigt
Der Schollen brausend auf, und neigt
Dann pfeifend sich zur Erde wieder,
Fallend in weiter Ferne nieder,
Schwer, mit verdoppeltem Gewicht;
Doch – die Erzielte trifft er nicht.
Sie, hochgestaltet auch und schlank,
Weiß bald geradezu, bald schwank,
Sich seitwärts lenkend, fortzuschreiten.
Sie sieht den großen Wurf von weitem;
Und leicht genug weicht sie ihm aus;
Dahin stürzt er in Schutt und Graus. –
Doch ragt, ein Hügel hoch und weit,
Die Riesenscholle noch zur Zeit.
Unfern von Dunums alten Höhen
Ist er dort auf der Flur zu sehen,
Ein Denkmal in der Harrel-Land;
Der Rabbelsberg daselbst genannt.n