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Es war draußen ein so stiller und sonniger Tag, wie ihn die ewig windgepeitschten, nebligen, von Regenhuschen überduschten britischen Inseln nur ein paar dutzendmal im Jahr kannten. Aber die Kricket- und Golfplätze lagen verödet, die Jagdpferde träumten im Stall, Fuchs und Forelle hatten gute Stunden. England feierte durch stumpfes Nichtstun den Tag des Herrn. Man konnte das Völkerrecht brechen. Aber nicht den Sabbat. Auf dem Festland mochten die Kanonen donnern, im Britenreich klimperte keine Taste eines Klaviers. Die Jugend Europas stieg im Abenddämmern zur Ablösung in den Schützengraben, die Blüte Englands ging zur gleichen Zeit zum Abendgottesdienst in die Kirche, nachdem sie sich vorher um die fünfte Stunde noch ausgiebig mit Tee und Backware gestärkt.
Bei diesem Tee saß unten in der einen großen Halle Mister Charles Lumley aus Illinois zwischen mehreren Ladies. Als höflicher Mann hatte er sich nicht die Gesellschaft junger, flirtbereiter Misses, sondern die einiger alter Damen ausgesucht, die trotz des Maienwetters draußen sich bis beinahe in das Kaminfeuer hineingesetzt hatten. Johanna Ter Meer hörte, als sie in den Saal trat, sofort seine helle, nach Yankeeart gequetschte Stimme.
»Ja, ich war früher in Geschäften in Deutschland, Madam«, sagte er laut. Denn die alte Lady neben ihm war schwerhörig. »Ich kenne das Land.«
»Wie erklären Sie sich den teuflischen Scharfsinn, mit dem es immer noch über die Kraft des Christentums und der Zivilisation triumphiert?«
»An dieser betrüblichen Erscheinung, Madam, sind nur Englands Bescheidenheit, seine zu große Nächstenliebe und Uneigennützigkeit schuld.«
»Oh, hören Sie, Mrs. Graham, was der Gentleman sagt!«
»Wie denken Sie sich Deutschlands Bestrafung?«
»Ernste Zeichen deuten auf einen baldigen Sturz in die Hölle! Ich hatte eben erst durch amerikanische Freunde Nachrichten aus Deutschland.«
»Ach, lassen Sie hören . . .«
»Böhmen steht vor seinem Abfall vom Deutschen Reich. Niemand in Prag möchte mehr preußisch sein.«
»Wie gut!«
»Bayern hat bereits eigene Briefmarken eingeführt, als einen stummen, aber ernsten Protest gegen Potsdam.«
»Es ist glorreich!«
»In Bremen wächst die Zahl der Republikaner reißend. Die dortige Regierung ist dagegen machtlos.«
»Welch erquickende Nachrichten, Mr. Lumley . . . noch etwas Tee?«
»Danke – nein, Madam.«
Mr. Lumley stand freundlich lächelnd auf, ließ die alten Ladies sitzen und trat zu Johanna Ter Meer in die andere Ecke des großen, sonst ganz leeren Saales.
»Ich hab' den Ollschen ein lüttes Garn gesponnen«, sagte er zu ihrem Entsetzen ganz gemütlich auf deutsch. Es war unmöglich, daß jemand es hören konnte. Aber ein kalter Schauer lief ihr doch über den Rücken.
»Um Gottes willen . . . Sprechen Sie doch englisch wie ich.«
»Oh yes!« Wie geht es Ihnen, Mrs. Ter Meer? Sind Sie auch in solch andächtiger Sabbatstimmung wie ich? Man wird ein besserer Mensch unter den guten Engländern.«
»Wo waren Sie? Ich suchte Sie den ganzen Tag.«
»Ich machte einen Ausflug nach den Hügeln, wo die großen Steine stehen. Dort haben die alten ehrlichen Druiden wahrscheinlich auch schon anderen Leuten die Hälse abgeschnitten!«
»Was taten Sie denn dort?«
»Oh – es ist ein köstlicher Aussichtspunkt«, sagte Mr. Lumley laut und lebhaft, denn die alten Ladies kamen eben vorbei und bewegten sich nach dem Ausgang. »Man sieht weithin über das Land und manche Möglichkeiten, den Weg nach London zu verfolgen!«
Der Saal war jetzt leer. Nur der Teekessel summte noch über dem Spiritusflämmchen in der Ecke, und daneben züngelte es im Kamin.
»Wollen Sie fort von hier?«
»Ich habe dringende Geschäfte in der City, Mrs. Ter Meer. Hier ist das Treiben für einen ernsthaften Finanzmann wie mich zu weltlich. Der reine Taubenschlag! Das kommt und geht. Jeden Augenblick kann der Hausfreund Englands – ich meine der Deubel – mir jemanden auf den Hals schicken, der mich erkennt . . .«
»Wenn es das Unglück wollte, daß das geschieht, dann ist meine letzte Hoffnung der Lord Saint Asaphs.«
»Danke!«
»Er kann Ihr Schicksal nicht ändern, aber wenigstens durch seine mächtige Fürsprache es sehr mildern!«
»Da möchte ich mich doch lieber des Teufels Großmutter anvertrauen. Die alte Dame hat jedenfalls noch mehr Sympathie für uns als der edle Lord.«
»Saint Asaphs und ich sind Freunde . . .«
»Meinen Glückwunsch!«
»Machen Sie doch nicht so grimmige Augen! . . . Freunde in dem Sinn, daß wir beide dasselbe wollen: ein gutes Einvernehmen zwischen Deutschland und England . . . ich schöpfe neue Hoffnung, wenn ich seinen guten Willen sehe . . .«
». . . aus Deutschland ein großes Arbeitshaus zur Verarbeitung britischer Rohstoffe unter Aufsicht der Menschheit zu machen . . . nach der Einrichtung der Sträflingsinseln im Indischen Ozean, wie er gut gelaunt bemerkte . . .«
»Wann?«
»Jetzt eben, auf unserem kleinen Bummel durch den Park.«
»Unmöglich!«
»Mylord hat sich, wie er mir gestand, wiederholt vor der Bibel gefragt, ob es nicht Gottes Wille sei, die Deutschen überhaupt auszurotten Aber er hat gefunden, daß die Hälfte genügt. Er meinte in seinem gesunden britischen Verstand, da man ja künftig jeden Ackerbau in Deutschland verbieten würde, könne man doch, ebenso wie in Irland, immer noch später so viel Leute verhungern lassen, als nützlich sei.«
»Das kann er nicht gesagt haben!«
»Doch. Ich sage Ihnen die Wahrheit, wie sie Ihnen nur ein stiller Mann von der Waterkant sagen kann. Ich habe hier schon eine gesegnete Arche Noah von Ladies und Gentlemen kennengelernt, und sie haben mir offenherzig jeder seine Methode erzählt, wie sie Deutschland in die Hölle wünschen. Aber gegen Ihren ›Freund‹ St. Asaphs sind es blutige Anfänger.«
»Es ist unmöglich. Ich habe Beweise, daß er ein Freund Deutschlands und des Friedens ist.«
»Wirklich?«
»Schwarz auf Weiß!«
Er nahm den Brief an den Mr. Knox, las ihn durch, las ihn noch einmal und sagte dann langsam vor sich hin:
»Was hat der Mann damit vor . . .?«
»Sie sehen, er legt sich da in einem Schreiben an einen Nicht-Engländer beinahe öffentlich auf die gleichen Ansichten fest, die auch ich . . .«
Erich Lürsen achtete, im Gegensatz zu seiner sonstigen trockenen und etwas feierlichen Höflichkeit gegen Damen, ihrer Worte so wenig, als ob ein Kind sie gesprochen hätte. Er sagte in tiefem Nachdenken:
»Hätte ich mal das geheime Signalbuch für diesen Brief . . .«
Das humoristische Zwinkern in seinen Augen war wie weggeblasen. Sie versenkten sich hart und forschend in die steilen, großen Schriftzüge. Er las mit zusammengepreßten Lippen die Worte des Briefes von hinten und schüttelte den Kopf. Er fügte die Anfangsbuchstaben der Worte zusammen und schüttelte wieder den Kopf. Er suchte nach Zeichen hinter einem Wort, hob das Papier gegen das Licht und fand nichts.
»Was wollen Sie denn nur mit dem Brief?«
Er machte eine abwehrende Bewegung und sagte, halb geistesabwesend in seinem Nachdenken:
»Das ist ein höllsches Ding!«
Er nahm das Schreiben wieder vor, versuchte einzelne Buchstaben durch andere zu ersetzen, indem er sie um ein paar Stellen im Alphabet vorwärts schob. Zuckte die Schultern. Überlegte von neuem.
»Geben Sie mir den Brief doch wieder. Es ist doch lächerlich«, sagte Johanna Ter Meer.
»Da möchte ich Ihnen lieber eine Treibmine zum Spielzeug geben!«
Er brummte es nur, betrachtete aufmerksam Wasserzeichen und Wappenkrone oben auf der ersten Seite, hielt sie gegen den Spiegel, schnalzte unbefriedigt mit der Zunge.
»Ich sollte den Brief die Nacht über haben. Dann wüßte ich vielleicht bis morgen früh, was der Mann durch Sie nach Deutschland hineinschmuggeln möchte.«
»Es steht ja deutlich darin geschrieben.«
»Aber wenn ich heute nacht abgeklappt werden sollte, darf man das Dings nicht bei mir finden, sonst kommen Sie in meine Geschichte mit hinein. Dabei habe ich Sie doch bis jetzt noch nie im Leben gesehen. Wir beiden haben keine Ahnung voneinander! Merken Sie sich das ja, für alle Fälle.«
»Geben Sie mir den Brief!«
»Der kommt nicht nach Deutschland!«
Kapitän Lürsen sagte das mit der gleichmütigen Bestimmtheit, mit der er sonst einen Dienstbefehl geben mochte. Er beschäftigte sich jetzt mit dem Umschlag und Aufschrift, musterte das dicke, elfenbeinfarbige Papier, ob da vielleicht Doppelblätter aneinander geleimt seien. Ließ es zwischen den Fingern knistern. Seufzte. Nichts.
»Sie wollen mir doch nicht mein Eigentum vorbehalten?«
»Selbstverständlich.«
»Mit welchem Recht?«
»Mit Kriegsrecht! Ich beschlagnahme es.«
»Hier – mitten in England?«
»Oh – ich habe schon andere Dinge mitten in englischen Gewässern beschlagnahmt!« sagte der Korvettenkapitän Erich Lürsen gleichmütig. »Aber ich glaube, kein gefährlicheres . . . Wenn der Mann den Brief schreibt, dann hat er doch einen Zweck – nicht?«
»Natürlich! Er will eben dort . . .«
»Er will damit Deutschland irgend 'ne kleine Überraschung bereiten, nicht?«
»Das wäre ja eine Schurkerei!«
»Ja – was dachten Sie denn?!« rief Erich Lürsen verwundert.
»Der Gedanke, daß ich irgendeine Gefahr über Deutschland bringen sollte, ohne es zu wissen . . .«
»Sind Sie Engländerin? Nein! Also stört das den Mann doch nicht. Ob Ausländer oder Kaninchen – das ist den Engelschen ganz gleich . . .«
»Sehen Sie mich doch dabei nicht so mitleidig an! Das kann nicht richtig sein. Ich bin doch auch ein erwachsener, vernünftiger Mensch . . .«
»Erwachsen, ja. Und ein Mensch auch!«
»Und Sie reden zu mir wie zu einem Kinde . . . und sind dabei selber vor Haß gegen die Engländer nicht mehr so recht zurechnungsfähig. Es ist ja kein Wunder, nach allem, was Sie durchgemacht haben . . . nach den Heldentaten, die Sie vollbracht haben . . . weiß Gott, die bewundere ich, wie nur eine Frau einen Mann bewundern kann! Aber eben als Frau sehe ich doch auch wieder reiner und klarer in diesem gegenseitigen, furchtbaren Haß . . .«
Drüben, in dem vorspringenden Mittelbau des Schlosses, hatten sich die efeuumrankten Spitzbogenscheiben der Kapelle erhellt. Frische, junge Soprane schwangen sich glockenklar über den Chorgesang der Gemeinde durch die offenen Fenster zum verblassenden Himmel. Überall auf dem Inselreich sangen und beteten jetzt die Briten und Britinnen fromm in ihrer Abendandacht für sich und alle anderen Menschen, einschließlich der Feinde.
»Ja, das gute alte England!« sagte Erich Lürsen tiefsinnig. Dabei sah sie, daß er, als sie vorhin von ihrer Bewunderung sprach, merklich rot geworden war.
»Lange stecken die Seeräuber und ihr Herrgott abends nicht beisammen«, fuhr er fort. »So'n alter Sabbat macht den Vettern zu sehr Hunger. Jetzt sind wir noch allein. Jetzt wollen wir unterdessen man fix mit dem Brief Schluß machen.«
»Ja. Geben Sie her!«
»Ich kann den Brief nicht behalten. Sie dürfen ihn nicht behalten. Dort ist das Kaminfeuer!«
»Sie wollen ihn verbrennen?«
»Schade, daß man den Schreiber des Briefes nicht mit ins Feuer stecken kann!«
»Macht euch der Haß so blind?«
»Der macht die Augen blank!« sagte Erich Lürsen und trug den Brief nach dem Kamin. Sie ging erregt neben ihm.
»Da ist das Feuer! Und das wird mir nun mein Leben lang bis zum Großvadding leid tun, daß da so 'ne ausgewachsene neue englische Niedertracht gegen die Menschheit ungesehen aus der Welt kommt!«
»Großer Gott – kann man Sie denn nicht belehren . . .? Statt daß die Menschen einsehen, daß sie viel besser sind, als sie voneinander glauben, und Deutsche und Engländer sich die Hand geben . . .«
»Donnerwetter, ja . . . an dem Tage habe ich aber 'nen bannigen Schnupfen und bleibe zu Hause . . .«
»Ich lasse mich durch keinen Hohn beirren! . . . Ich glaube an die Menschheit . . .«
»Und an die Engländer!« sagte Erich Lürsen trocken. Er stand vor dem Kamin neben dem Teetisch, an dem er vorhin mit den alten Damen gesessen. Die Spiritusflamme brannte noch unter dem brodelnden Kessel. Er hob den Deckel auf. Eine weiße Dampfwolke kräuselte sich empor, und zugleich lief eine abenteuerliche Erleuchtung über sein glattrasiertes, nüchternes Gesicht.
»Das wäre noch ein Versuch«, murmelte er, »ehe wir den Wisch verbrennen . . .«
»Was machen Sie?«
Er antwortete nicht, sondern entfaltete den Brief und hielt ihn behutsam über den aufsteigenden Wasserdampf. Das dicke Elfenbeinpapier erwärmte sich und wurde weich. Die großen steilen Buchstaben begannen zu zerfließen. Eine atemlose Pause. Er flüsterte:
»Sehen Sie einmal . . .«
»Was kommt denn da heraus auf den Blättern?«
»Violette Linien . . .«
Sie flüsterten beide. Atemlos. Mit starren Augen.
»Die Linien laufen über das ganze Papier . . .«
»Jung . . . Jung . . . nu kommen wir doch hinter deine Krakelfüße . . .«
»Aber es werden keine Worte daraus . . .«
»Nein. Das ist etwas anderes . . .«
Plötzlich zitterte der Brief in Erich Lürsens Fingern. Johanna Ter Meer hätte nie geglaubt, daß ein Mann von seinen Nerven so zusammenfahren könnte.
»Jetzt wird es schon etwas«, sagte er leise, so leise, als könnte ein Hauch das violette Gewebe von Strichen und Schlängellinien im Entstehen stören.
»Was denn um Gottes willen?«
»Eine Karte. Die Karte einer Gegend . . .«
»In Deutschland?«
»Wahrscheinlich!«
»Es sind keine Namen darauf . . .«
»Nur ein paar dicke Punkte . . . da . . . und da . . . ah . . .«
»Was denn?«
»Lassen Sie mich . . . nur noch einen Augenblick . . . jetzt fängt es an zu dämmern . . .«
»Sie wissen jetzt . . .?«
»Nun kommt die Bescherung zu Tage! . . . Oh, du verfluchter Hund . . . dich möcht' ich bloß mal unter vier Augen sprechen . . . Aber an einem recht s–tillen Ort . . .«
»So reden Sie doch . . .«
»Sehen Sie da nicht?«
»Etwas wie einen Fluß . . .«
»Aber überall gleich breit – nicht?«
»Ja . . . ja . . .«
»Und da eine Seebucht . . . und drüben auch eine?«
»Ja.«
»Erst läuft der Kanal gerade. Dann biegt er schief nach unten in einen viel größeren Fluß . . . dicht vor der Bucht links . . .«
»Ja, aber was sind nur die dicken schwarzen Punkte daneben?«
»Die sind die Gefahr! . . . Deswegen sind sie in die Gegend hineingezeichnet.«
»Kennen Sie denn die Gegend?«
»Da müßte ich ja wohl ein toller Seemann sein, wenn ich mich nicht im Stockfinstern zwischen Brunsbüttel und Holtenau zurechtfände!«
»Das ist . . .«
»Das ist der Kaiser-Wilhelm-Kanal, und die schwarzen Punkte sind die Stellen für den Plan, den Kanal in die Luft zu sprengen und damit unsere Verbindung zwischen Nordsee und Ostsee!«
»Oh yes.«
Heitere englische Stimmen tönten draußen. Näherten sich rasch.
»Ins Feuer mit dem Zeug!«
Der Plan mit dem Angriff auf den Nord-Ostsee-Kanal flog in die Flammen, flackerte auf. Der Kapitän Lürsen stand mit Johanna Ter Meer vor dem Kamin und deckte, während er sich behaglich den Rücken wärmte und lächelnd die Hände rieb, die verkohlten Fetzen da drinnen, die der Luftzug in die Esse hinaufwirbelte, vor den Blicken der Eintretenden.
Es war der Marqueß Harald von St. Asaphs mit einigen Gästen. Er kam aus dem Abendgottesdienst. Unterwegs hatte er seine ausgezeichneten Freunde, den Botschafter Barandiaran und den Yonkheer Ter Meer, getroffen. Er war gegen sie die Liebenswürdigkeit selbst, nachdem er auf dem Wege zur Anglikanischen Kapelle dem Reverend Craven noch gesagt, es sei unchristlich, was zur Zeit hier an Papisten, Orthodoxen, Methodisten und Calvinisten auf diesem ehrbaren Eiland herumlaufe. Seine frische, gesunde Herzlichkeit spiegelte sich auf den geschmeichelten Gesichtern der Ausländer wider. Er hatte ein Blatt in der Hand.
»Eben brachte mein Kurier dies Ding da aus London. Das Bild dieses Marineoffiziers werden Sie von morgen ab in ganz England an allen Straßenecken auf Schritt und Tritt sehen!«
Der dicke weißbärtige Franzose betrachtete den groben Holzschnitt eines bartlosen, ernsthaft, beinahe sorgenvoll dreinschauenden Mannes in Mütze und Bordjacke eines Seeoffiziers.
»Wie finden Sie den Burschen?«
»Ehrlich gesagt, mein Lord Markgraf, es ist das Bild eines Engländers, wie man ihn überall in Ihrer glorreichen Flotte und sonst im Lande sieht.«
»Und doch das Bild dieses verdammten Kapitäns der ›Heidelberg‹, nach einer Aufnahme, die einer der Gentlemen auf dem ›Acheron‹ unterwegs machte.«
»Man wird viele Unschuldige daraufhin verhaften, fürchte ich.«
»Schadet nichts! Der Mann bereitet uns zu viel Pein. Vorhin erst hat Warrington, der Admiral, seine Ankunft hier für heute abend angezeigt, um sich auf dem Lande zu erholen.«
»Was fehlt denn Seiner Ehren?«
Ladies um Lord Asaphs herum frugen es. Er lachte.
»Sir James war doch dabei, als der Captain Lürsen unseren Gentlemen vor der Nase entwich, und wurde krank vor Wut. Ich möchte wissen, wen der Pirat in diesem Augenblick zum besten hält! . . . Oh, guten Abend, Mr. Lumley . . . Wie geht's? Immer heiter, ihr Amerikaner?«
»Gesellschaft von Briten stimmt mich stets froh. Euer Herrlichkeit!«
»Oh, ja, ihr habt nicht unsere Sorgen mit den verwünschten Germans! Warum nur hat Gott diese gottlose Rasse geschaffen?«
»Damit es der Menschheit nicht zu wohl wird, Mylord!«
»So ist es! Wunderbar, wie britische Meinungen und die eurer großen Vereinigten Staaten übereinstimmen! . . . So predigte der Clergyman eben auch von dem Potsdamer Skorpion und der Gottesgeißel von Essen . . .«
Er brach ab. Er erblickte ein paar Schritte entfernt Johanna Ter Meer. Sie hatte seine Worte nicht gehört. Er trat auf sie zu.
»Oh – wie bleich sind Sie, Mrs. Ter Meer!«
»Die Lady klagt, sie sei von heftigen Kopfschmerzen geplagt.«
»Ach – ich hoffe, daß es nichts von Bedeutung ist! Warum blicken Sie mich so an, Madam?«
»Es ist nichts, Lord Asaphs.«
»Auf ein Wort . . .« Er dämpfte lächelnd seine Stimme und beugte seine brünette Riesengestalt mit athletenhafter Leichtigkeit vertraulich zu ihr hinunter:
»Ich erhielt eben neue Nachricht von meinem Freund Knox aus der Schweiz. Er ist dort eifrig mitten in der Friedensarbeit. Sobald er Sie in Deutschland weiß, wird er dorthin reisen, um Sie zu sehen. Der wackere alte Bibelmann freut sich schon von Herzen auf Sie! Er ist noch ein gut Stück von einem Pilgervater aus der guten alten Zeit. Ein Mann wie ein Kind. Bringen Sie ihm nur volles Vertrauen entgegen, Mrs. Ter Meer.«
»Ja.«
»Ich tue es auch. Er verdient es. Sie werden den schlichten alten Gentleman liebgewinnen wie ich. Kein Menschenfreund der Welt hat die Methoden des Friedens besser studiert als er.«
»Ja.«
»Neues aus London, Saint Asaphs?«
»Ihr Kurier kam doch eben an.«
Der Marqueß St. Asaphs verabschiedete sich von Johanna Ter Meer und trat zu den Briten in die Ecke. Dort sagte er finster, zwischen den Zähnen:
»Neues von diesen blutigen Iren! Von den amerikanischen Feniern. Es scheint, daß einige ihrer schärfsten Geheimbündler unentdeckt von New York in London gelandet sind.«
»Mr. Lumley, wie ist das mit euren Feniern?«
»Ich lernte vor Jahren durch Zufall in New York einige ihrer Führer kennen.«
»Was halten Sie von dieser Sorte Iren?«
»Es sind verzweifelte Burschen, Gentlemen. Gegen England zu allem fähig. Beinahe schon wie die Deutschen!«
Johanna Ter Meer stand allein. Schaute in einem leisen Schwindelanfall durch den Saal. Traf mit dem Blick drüben ihren Mann. Er saß in einem Klubsessel am Fenster, ein Blatt in der Hand. Ihr Herz stand still. Er hielt den Steckbrief des Kapitäns Lürsen vor die Augen! Sein Antlitz zeigte einen starren und ungläubigen Schrecken. Niemand beachtete ihn. Die Ladies und Gentlemen drängten sich lachend um Mr. Lumley, der irgendeine Schnurre aus seinen Erlebnissen mit den Feniern in New York zum besten gab. Sie ging langsam an ihm vorbei, trat zu dem Yonkheer Ter Meer. Er sah sie mit seinen weit aufgerissenen grauen Augen kommen und ließ das Blatt in seiner Rechten sinken. Es lag offen auf seinen Knien. Er warf einen Blick auf den Steckbrief, dann auf seine Frau, dann hinüber auf Mister Lumley. Es war ein Schweigen, daß beide ihr Herz klopfen hörten.
»Jantje . . . er ist's . . . Wer es nicht schon ahnt, mag es nicht gleich erkennen . . .«
»Still!«
». . . der gefährlichste Feind, den England im eigenen Lande hat! Großer Gott . . . überall suchen sie ihn!«
»Still, um Himmels willen!«
»Und dort ist er, mitten unter ihnen!«
»Noch ein Wort, und sie hören dich!«
»Sie müssen es hören . . .«
»Cornelis!«
Von drüben kam ein herzliches Lachen.
»Oh – Mr. Lumley! . . . Geben Sie uns noch einen irischen Schwank!«
»Gern, Madam.«
Der Yonkheer Ter Meer stand schwer auf und holte tief Atem.
»Jantje . . . geh auf dein Zimmer!«
»Warum?«
»Du sollst nicht dabei sein. Jetzt muß es geschehen.«
»Was denn?«
»Es ist meine Pflicht gegen meine Gastfreunde. Ich muß vor diesen Mann hintreten und sagen, wer er ist!«
»Gut, ich komme mit!«
Cornelis Ter Meer hatte schon zwei Schritte getan. Jetzt blieb er entsetzt stehen.
»Was willst du dort?«
»Ich bin doch auch eine Deutsche. Ich weiß seit vierundzwanzig Stunden, daß er hier ist, und hab' ihn nicht verraten!«
»Jantje!«
»Das war sicher strafbar von mir. Es sind strenge Gesetze im Krieg . . . die Engländer werden es dir hoch anrechnen, daß du mich ihnen überlieferst.«
»Ich bin sonder Rat!«
»Komm, Cornelis.«
»Jantje . . . du sollst aus dem Weg gehen! . . . Oh, was ist mit dir? Wirst du krank?«
Drüben wurde man aufmerksam.
»Oh seht, die Lady schwankt!«
»Sie wird ohnmächtig . . .«
»Ihr Mann fängt sie auf . . .«
Der Yonkheer Ter Meer hielt seine Frau in den Armen.
»O . . . es ist nichts . . . Ladies und Gentlemen«, sagte er heiser. »Beunruhigen Sie sich nicht, es ist nichts.«
Er schien selbst geistesabwesend, während er Johanna Ter Meer halb zur Tür trug, halb führte.
»Ich bringe Mrs. Ter Meer auf ihr Zimmer. Dort wird sie sich bald erholen.«
Oben in seinen vier Wänden lief Cornelis Ter Meer verstört von der einen Wand zur andern, blieb stehen, trocknete sich den Schweiß von der kahlen Stirn, murmelte:
»Groote God! . . . Groote God! . . .«
Dann, sich umwendend, zu seiner Frau, die, wieder ganz zu sich gekommen, starr und blaß, ohne sich zu rühren, in dem riesigen Drachenstuhl aus schwarzem Eibenholz saß.
»Jantje . . . was für ein Ongelük . . .«
»Hoffentlich wird es ein Unglück.«
»Für uns?«
»Nein. Für England!«
Er griff sich an die Ohren, als wollte er sie sich entsetzt zuhalten, als dürfe es kein Mensch hören, daß man England Unglück wünsche.
»Jantje . . . ich weiß niet, wie mir ist! Die Kammer dreht sich um mich . . . in was für eine Lage hast du mich gebracht?«
»Du hast mich hierhergebracht. Ich wollte es nicht.«
»Nu ist es geschehen . . . nu muß ich dabei staan und sehen, wie er da unten England beschädigt . . .«
»Ich bete zu Gott, daß er es gründlich tut.«
»Aber wenn es herauskommt, wer er ist . . .«
»Möchten sie es zu ihrem Schaden merken!«
». . . und wenn es herauskommt, daß du gewußt hast, wer er ist . . .«
»Wenn ich ihm nur nützen könnte!«
»Wir müssen gleich abreisen . . . noch heute abend . . . God Dank . . . wir haben unser Auto hier!«
Er riß die nächsten Schubladen auf. Fing mit zitternden Händen wahllos an zu packen.
»Cornelis . . .«
»Genug! Ich bin erst wieder rüstig, wenn ich mit dir und Jan in Nederland bin!«
»Cornelis . . . bist du das wirklich?«
»Du verhinderst mich, den Engelschen unten wahrzuschauen, daß ihr Todfeind mitten unter ihnen sitzt . . .«
»Ich lasse meinen Landsmann nicht im Stich.«
»Du hast die Verantwortung, wenn sie sich an uns rächen! . . . Weißt du niet, was das heißt, die Engelschen zum Feind haben? Wem das geschieht, der ist ein verspielter Mann!«
Johanna Ter Meer sah, wie Rasierzeug, Pantoffeln, Frack, Zigarren, Füllfeder, Plätthemden wie Kraut und Rüben in den Koffer flogen, und sah die Veränderung in ihrem Mann. Das war bei ihm nicht mehr wie vorhin die Angst um England. Das war jetzt die Angst vor England. Die Angst aller Völker und Menschen vor England. Ihr war, als packte da nicht der Yonkheer Ter Meer seine Sachen, sondern die Menschheit selber, als sei die Sorge und Aufregung auf seinem sonst so ruhigen Gesicht nicht sein Teil, sondern ein Gemeingut aller Seelen und Gedanken, ein Ding, das alles bedingte: England.
»Ja. Jetzt kenne ich England«, sagte sie. »Das wird furchtbar sein, wenn alle Menschen einmal aufwachen, so wie ich jetzt . . .«
»Deutet das auf mich, Jantje?«
». . . und England so sehen, wie es wirklich ist . . .«
»Ich kann niet begreifen!«
». . . dann ist es mit England zu Ende! . . . Das möchte ich noch erleben!«
»Jantje . . . laat mich deinen Pols fühlen . . .«
»Das Strafgericht möchte ich erleben . . .«
»Ich soll den Doktor holen . . .?«
»Nein, ich bin nicht krank! . . . Ihr seid von England krank!«
Der Yonkheer stand stumm neben dem Koffer auf dem grellen weißbunten indischen Teppich. Sie schwiegen. Er und seine Frau. Sie sagten sich beide nichts mehr, weil sie beide plötzlich, zum ersten Male ganz deutlich, in ihrer Ehe merkten, daß sie mit zwei unverständlichen Sprachen sich am Ohr vorbeireden würden. Sie schauten, zwei fremde Menschen, erschrocken und still und schwer atmend voneinander weg. Unten tönte eine Hupe. Ein Auto schoß hinaus in die Dunkelheit in der Richtung nach der Eisenbahnstation. Ein unterdrückter Schreckensruf des Yonkheer Ter Meer folgte ihm.
»Es ist alles aus, Jantje. Der Admiral Warrington kommt. Lord Asaphs sagte vorhin unten, daß er ihn erwartet.«
»Warum fürchtest du dich vor ihm?«
»Seine Herrlichkeit fügte hinzu, Admiral Warrington sei dabei gewesen, als dieser erschreckliche Mann vorgestern in Portsmouth entfloh . . . er wird ihn hier sofort wiedererkennen!«
»Und er weiß, daß du auch eine Deutsche bist. Der Verdacht fällt auch auf dich. Auf uns beide!«
»Wer denkt jetzt an uns! . . . Herr im Himmel . . . das Auto ist schon unterwegs, um ihn abzuholen!«
»Die Station ist nur ein paar Meilen entfernt. In zehn Minuuts ist er da . . .«
»Großer Gott . . . schon in zehn Minuten . . .«
»Ich wäre jetzt lieber in Holland im Siechenhaus als hier im Schloß in England!«
Beide verfolgten rasch und verstört im Geist den Weg der grünen Limousine. Wie sie dort vor der Station hielt. Wie der Londoner Schnellzug heranbrauste. Wie der kupferbraune, vierschrötige Admiral mit dem bartlosen Bulldoggesicht ihm entstieg, in dem Innern des Autos Platz nahm. Jetzt fuhr das wohl schon wieder wie der Wind nach Schloß Ogmore zurück. Der Yonkheer Ter Meer schrak aus seinem Brüten auf.
»Ich soll lieber naar beneden loopen, Jantje, und unser Auto vorfahren lassen. Vielleicht können wir noch vorher von hier weg. Es ist am besten!«
Der Yonkheer Ter Meer rief es, schon unter der Tür, seiner Frau zu und stürzte die Treppen hinab. Kaum war er aus dem Zimmer, so verließ auch sie es, eilte durch die weitläufigen Gänge und Hallen, in deren einer, wie in jedem englischen Schloß, einmal die Königin Elisabeth übernachtet, in einer andern Heinrich VIII. sich mit einer seiner vielen Frauen getroffen, in einer dritten irgendein Mitglied der Familie Glun die Nacht vor seiner Hinrichtung verbracht hatte, und erreichte den großen Saal im linken Flügel.
»Der Gentleman aus Illinois?« sagte der Reverend Craven, der da wartend und reisefertig stand. »Er war eben noch hier, Mrs. Ter Meer. Es wurde davon gesprochen, daß der Admiral Warrington gleich kommen würde. Ich will mit dem Auto, das ihn bringt, sofort zur Bahn fahren und nach London. Als ich mich von Mr. Lumley verabschieden wollte, war er weg.«
»Er bekam plötzlich heftige Zahnschmerzen, Mrs. Ter Meer!«
»Amerikaner leiden immer an den Zähnen!«
»Haben Sie sich schon ganz erholt, Mrs. Ter Meer?«
»Oh – sprechen wir nicht davon.«
Johanna Ter Meer hatte nicht mehr die Kraft, wegzugehen. Es legte sich ihr ein Nebel vor die Augen. Um sie drehte sich der Kreis der plaudernden Gäste.
»Kommen Sie denn noch zurecht zum Londoner Zug, Craven?«
»Der Mann draußen weiß, daß er sehr scharf fahren muß.«
»Am Sabbat spart der Herzog mit der Mühewaltung seiner Leute. Ein Wagen muß genügen.«
»Eben fährt er vor!«
»Ich höre Warringtons heisere Stimme . . .«
»Warum schnappt sie denn plötzlich ab?«
»Hallo, Warrington!«
»Sir James!«
»Er steht in der Halle, mit offenen Augen . . .«
Die Herren traten lachend hinaus.
»Ist Ihnen ein Geist erschienen, Warrington?«
Das Kupferbraun in dem brutalen Gesicht des Admirals war um eine Schattierung gelber geworden. Eine Mischung von respektablem Unwillen und ungläubigem Widerwillen lag auf den Zügen.
»Ich hoffe ernstlich, Gentlemen, daß es ein Geist war und nichts Schlimmeres«, sagte er feierlich. »Seit meinen Etoner Knabenjahren verkehre ich hier in Ogmore Castle und habe den Geist dieses Schlosses, von dem man mir immer sprach, niemals zu Gesicht bekommen.«
»Wie sieht er denn aus?«
»Man sagt, daß er oft seine Gestalt wechselt . . .«
»Ja. Das finde ich auch!« sprach der Admiral Warrington. »Und für mich hat er, so scheint es, seine zynischste Erscheinungsform gewählt, denn das Ding, das da soeben im Halbdunkel rasch durch die Halle an mir vorbei zum Ausgangstor ging . . . nein . . . ich möchte es lieber nicht beim Namen nennen . . .«
»Erschrecken Sie die Ladies nicht!«
»Sprechen Sie doch!«
»Gentlemen, wenn ich nicht genau wüßte, daß ich hier unter wahrhaften Briten bin, im Schloß des elften Herzogs von Chichester . . .«
»Oh . . . was dann?«
»Dann würde ich vor dem Friedensrichter beschwören, daß in diesem Augenblick der Kommandant der ›Heidelberg‹ leibhaftig an mir vorbeigegangen ist!«
»Oh . . . oh!«
»Sie lachen, Gentlemen. Mir ist wahrlich nicht zum Lachen zumute!«
»Sahen Sie die Erscheinung deutlich?«
»So deutlich, wie ich Sie jetzt sehe. Er schritt sehr rasch, den Mantel umgehängt, den Hut auf dem Kopf, nach dem Tor und da hinaus!«
»Armer Sir James!«
»Ein Deutscher hier in Ogmore Castle! . . . Welch absurder Gedanke!«
»Der Schofför müßte den Geist draußen doch gesehen haben!«
»Wir wollen ihn fragen.«
»Er ist schon mit Craven weggefahren.«
»Nein. Da kommt ja Craven erst!«
Der athletische junge Reverend begab sich, den Diener mit einer Handtasche hinter sich, eilig und auf die Uhr sehend, durch die Halle zur Vorfahrt hinaus und blieb da verblüfft stehen.
»Wo ist denn der Wagen?«
»Schon fort, Sir«, meldete ein Footman, der da stand.
»Fort? Ohne mich?«
»Es war dem Schofför doch gesagt, daß ein Gentleman einsteigen würde, den er so schnell wie möglich nach der Station fahren sollte. Der Gentleman kam und stieg in den Wagen, und der Wagen fuhr in einer guten Renngeschwindigkeit davon.«
»Wie sah er aus?«
»Ein jüngerer Gentleman, Sir. Im Abendanzug, mit Hut und Mantel!«
»Wohl, Sir.« Ein zweiter der baumlangen Lakaien trat heran. »Ich erkannte ihn. Es war der Gentleman aus Amerika.«
Der Admiral Sir James Warrington trat erschöpft hinzu. Er hatte den Steckbrief mit dem holzgedruckten Kopf des Kapitäns Lürsen aus der Tiefe eines Klubsessels gerissen und schwenkte ihn:
»Ist es dieser Mann hier oder nicht?«
»Lassen Sie schauen.«
Die Köpfe drängten sich über das Blatt, verglichen die trocknen Linien um die Mundwinkel, das humoristische Zwinkern um die Augen, fuhren zurück, ungläubig, zweifelnd . . .
»Er ist's!«
»Saint Asaphs führte ihn ein!«
»Oh, Saint Asaphs, nehmen Sie den Druck von den britischen Herzen. Sagen Sie, daß Sie Mr. Lumley so gut kennen wie Ihren Bruder.«
Der Marqueß Harald von St. Asaphs trat, die Hände in den Taschen, gleichgültig zu seinen Gästen. Er sah im abendlichen Frackanzug beinahe noch riesenhafter aus als beim Sport des Tages. Er lächelte freundlich. Er ahnte noch nichts.
»Mr. Lumley?« meinte er. »Ich traf ihn gestern beim Rennen . . .«
»Aber Sie kannten ihn von früher?«
»Einer seiner Landsleute machte mich einst mit ihm bekannt.«
»Aber Sie sahen Mr. Lumley seitdem schon häufig, Mylord?«
»Lassen Sie mich nachdenken . . . nein . . . dies hier ist das zweitemal in meinem Leben . . .«
»Und wo das erste . . .?«
»In Cadix. In der Nacht, als die verdammte ›Heidelberg‹ dort uns vor der Nase ankerte, da saß er neben mir.«
»Der Kommandant der ›Heidelberg‹ selbst saß neben Ihnen und zwischen uns allen hier in Ogmore Castle!«
»Was sagen Sie da? . . . Einen Eisbeutel für Warrington!«
»Oh – nein, nein! Sir James hat recht!«
»Warum stürzte dieser Mr. Lumley plötzlich aus dem Schloß?«
»Ließ alles stehen und liegen?«
»Fuhr in die Nacht hinaus?«
»Weil er wußte, daß ich kam, der ihn kennt!« keuchte der Admiral.
Jetzt wurde der Markgraf von St. Asaphs plötzlich sehr ernst.
»Telefoniere nach der Station, Charley«, sagte er zu seinem Freund Craven und prüfte die Uhr. »Es sind noch anderthalb Minuten bis zum Abgang des Londoner Zuges.«
»Und was soll man dort tun?«
»Ihn nicht abreisen lassen! . . . Unter irgendeinem Vorwand . . . Sagt ihm, Briten ließen ihre Gäste nicht am Sonntagabend ohne Abschied aus dem Haus . . . Wenn wir ihn erst wieder hier haben, sehen wir uns den Mann näher an!«
Es vergingen zwei Minuten. Eine dritte. Der Clergyman kam zurück.
»Nun?«
»Der Zug nach London ist durch.«
»Und er?«
»Da war kein Auto, kein Mann. Nichts von Ogmore Castle!«
»Der Wagen ist nicht angekommen!«
»Er hat unterwegs eine andere Richtung eingeschlagen!«
Es war ein großes Schweigen. Das englische Schweigen. Das britische Allheilmittel. Das lächelnde »Alles in Ordnung« hinter verschlossenen Türen. Skelette im Schrank waren nichts für das Volk und nichts für die Neutralen.
Als der Yonkheer Ter Meer ein paar Stunden später in den Kreis der Gentlemen um den Marqueß von St. Asaphs herum trat, verblüfften ihn die phlegmatischen und freundlich in das Kaminfeuer starrenden Gesichter.
»Wie froh bin ich. Sie zu sehen, Yonkheer Ter Meer. Sie waren nicht beim Dinner?«
»Ich pflegte Mrs. Ter Meer, Eure Herrlichkeit.«
»Ich hoffe, es geht der Lady schon besser?«
»So ist es! Und doch möchte ich mir die Erlaubnis ausbitten, morgen früh mit ihr abzureisen. Ich wollte es eigentlich heute abend schon tun, aber mein Auto war nicht gerichtet.«
»Wie traurig bin ich, das zu hören! Sind Ihre Geschäfte wirklich so dringend?«
»Mrs. Ter Meer und ich wollen unseren kleinen Jan in Eastbourne abholen, um ihn mit nach Holland zu nehmen. Ich eile mich, heimzukommen. Mrs. Ter Meers Nerven sind sehr angegriffen.«
»Oh – wodurch?«
»Wollen wir etwas beiseite treten, Marqueß Saint Asaphs? Danke . . . Wir sind hier unter uns, Mylord . . . Sie sehen mich tief erschüttert . . .«
»In der Tat, Ihr Gesicht ist das eines hart angepackten Mannes, Yonkheer Ter Meer . . .«
»Sie wissen, Mylord, Mrs. Ter Meer ist von Herkunft eine Deutsche. Sie kann es nicht ändern.«
»Niemand verlangt das!«
»Sie sind sehr gütig, Mylord . . . Mrs. Ter Meer befindet sich immerhin hier halb in Feindesland . . .«
»Nichts wäre mir unerwünschter, als daß die Lady dies irgendwie in diesem Hause empfinden sollte.«
»Sie ist aufrichtig dankbar für das Zartgefühl, das man ihr entgegenbringt. Um so mehr – lassen Sie mich in meiner Sorge offen sprechen, Mylord . . .«
»Ich erwarte es, Sir. Unter Briten sein heißt offen sein!«
»Ja, wahrlich . . . Um so mehr bin ich durch den Gedanken beunruhigt, die deutsche Abkunft meiner Frau könnte diese wider Willen in die Gerüchte verwickeln, die hier im Schloß umlaufen . . .«
»Gerüchte . . .?« Der Markgraf von St. Asaphs hob so gespannt und ahnungslos den brünetten Kopf, als käme er geraden Weges vom Mond. »Oh – lassen Sie hören!«
»Ich wage es gar nicht zu wiederholen, Euer Herrlichkeit. Wenn ich nicht aus dem Munde des Monsieur Barandiaran selbst vorhin die Vermutung gehört hätte . . .«
»Was plauderte der alte Gentleman?«
»Es sei ihm ein Gemunkel zu Ohren gekommen, als ob ein Deutscher heimlich im Schloß sei . . . oder gewesen sei . . .«
Der Marqueß von St. Asaphs lachte so herzlich, daß die Zähne unter seinem schwarzen kleinen Schnurrbart weiß aufblitzten.
»Vielleicht gleich ein Ulan? . . . Oh, Sie kennen doch die Einbildungskraft der Franzosen . . . Aus einem Moorhuhn machen sie einen Tiger und aus einem harmlosen Yankee einen German! Nun ja – der arme Lumley fuhr uns in Frack und Hut davon. Er ist nun einmal ein närrischer Bursche. So kenne ich ihn seit seiner frühesten Jugend . . .«
»Mylord!«
»Amerikaner wissen nicht, wie ihr Großvater hieß, und wissen nicht, wie man Erbsen ißt. Es sind keine Leute von sorgfältiger Erziehung. Mrs. Ter Meer kennt sie ja auch.«
»Aber . . .«
»Sagen Sie der Lady von mir, ich bäte sie inständig, sich zu beruhigen. Sie habe keinen besseren Freund in England als mich hier, ihren gehorsamen Diener . . .«
»Ich werde es ihr ausrichten, Mylord!«
». . . und ich sei aufrichtig glücklich, Mylady, wo es irgend not tun sollte, beschützen zu dürfen. Ich erachtete es für meine Pflicht, das zu tun, nachdem die Unterhaltungen, die ich mit ihr zu führen die Ehre hatte, eine so erfreuliche Übereinstimmung unserer Ansichten ergaben . . .«
»Sie sind sehr gnädig, Lord Saint Asaphs!«
». . . eine Übereinstimmung, die, wie ich hinzuzusetzen wage, die wilden Männer beider Länder bitter beschämen würde! Bitte, sagen Sie Mrs. Ter Meer, daß ich bereit bin, alles aufzubieten, um ihr den Aufenthalt in England sorglos zu machen . . .«
»Es wird ihr ein Stein vom Herzen fallen, Mylord!«
». . . und daß ich jederzeit bereit bin, mich für Mrs. Ter Meer um besondere Reiseerleichterungen nach dem Festland zu bemühen.«
»Sie würden Ihre Güte nicht so weit steigern, mein Lord Markgraf, wenn Sie wüßten, daß Mrs. Ter Meer – ich sage es offen – die Absicht hat, von Holland zum Besuch ihrer Eltern nach Deutschland zu gehen . . .«
»Oh – ich wünsche Mylady aufrichtig Glück zu dieser Reise! Meine besten Hoffnungen begleiten sie! Vergessen Sie ja nicht, teurer Herr, ihr das zu sagen! Und fügen Sie hinzu, sie brauche sich über Mr. Lumley nicht zu beunruhigen. Ich kenne ihn wie meine Tasche. Ein ganz harmloser, spaßhafter alter Junge! Würden Sie das tun – ja?«
»Sie überhäufen uns mit Güte, Lord Asaphs!«
»Und ich verstände vollkommen die Gefühle, die Mrs. Ter Meer nach Deutschland treiben, und würde froh sein, sie dort zu wissen.«
»Ich bitte, Ihnen die Hand reichen zu dürfen, Mylord . . .«
». . . Und ich bitte, meinen freundschaftlichen Händedruck an Mrs. Ter Meer weiterzugeben!«
Als der Yonkheer Ter Meer wieder bei seiner Frau eintrat, war die Unruhe aus seinen welterfahrenen und wohlwollenden Zügen gewichen. Nur waren sie nicht so lebensheiter wie sonst, sondern zeigten einen feierlichen Ernst.
»Nun weiß ich, was England ist!« sagte er.
Johanna Ter Meer lag halb ausgestreckt, den Kopf auf die Hand gestützt, auf einer Ottomane. Unter ihrem blonden Haar und weißen Kleid flimmerte die schwarzgelbe Decke eines bengalischen Tigers. Am Boden vor ihr leuchtete ein weißes Eisbärfell. Nordpol und Äquator trafen sich hier auf Schloß Ogmore. Mensch und Tier und Pflanze waren für England da. Ihm dienten Wasser und Erde.
»Kannst du dir vorstellen, Jantje, daß Lord St. Asaphs, nur um dich und deine Gefühle als Deutsche zu schonen, mir lächelnd ins Gesicht hinein ableugnet, es sei ein Deutscher im Schloß gewesen?«
»Das sieht ihm ähnlich!«
»Nicht wahr? Es ist die feinste Höflichkeit des Herzens gegen einen Ausländer, gegen einen Gast. Ich zweifle, ob eine andere Nation das fertigbringt.«
»Ich glaube es auch nicht, Cornelis!«
»Er läßt dich grüßen und stellt uns seinen ganzen Einfluß zur Verfügung – ein Mann wie er! Er überwindet in diesem Augenblick jede Verbitterung. Jede begreifliche Regung des Unmuts. Er tut, als sei nichts geschehen. Großherziger kann man nicht die Kluft zwischen zwei Völkern überbrücken. So ist Großbritannien!«
»Er läßt dir sogar gute Reise nach Deutschland wünschen . . . Warum lachst du?«
»Du bist ja auch so froh!«
»Ja. Daß ich recht hatte, dem Edelmut Englands zu vertrauen.«
»Und aus deinem Mund, Cornelis, spricht die ganze Welt!«
»Was heißt das?«
»Der Teufel hat euch alle am Genick, und ihr merkt es nicht!«
»Mit dem Teufel meinst du England?«
»Ja.«
»Da können wir nicht weiter miteinander reden, Jantje!«
Beide waren still . . .
»Treibt nur diesen blutigen Ausländern den Verdacht aus dem Fell«, sagte zur gleichen Zeit unten in der Halle der Marqueß von St. Asaphs zu seinem sich rings um ihn in den Klubsesseln räkelnden Gefolge.
»Keiner von den verwünschten Neutralen darf wissen, was hier geschah.«
»Wohl, Craven: Neish soll sorgen, daß nichts in die Blätter kommt . . .«
»Das sind keine Neuigkeiten für kleine Nationen!«
». . . wenigstens nicht, bis wir den Deutschen wieder haben.«
»Noch keine Nachricht von ihm, Craven?«
»Nichts! Wir können auch nichts tun, bis das Auto, das wir ihm zur Verfügung gestellt haben, wieder zurückkommt. Wir wissen ja gar nicht, wohin es mit ihm in die Nacht hinausgefahren ist . . .«
Die Scheite im Kaminfeuer des Raumes nebenan knisterten. Der Herzog von Chichester beugte sich etwas aus dem Sessel vor und schob nach seiner Gewohnheit die glimmenden Stücke sorgfältig zurecht, bis ihre Gruppierung ihm als die richtige für ihn und England erschien. Sein stilles bärtiges Gesicht mit den eisblauen Augen war so unbewegt wie die Bilder seiner Vorfahren an den Wänden. Um ihn saßen drei oder vier der Größten des Größeren Britannien, Mitglieder der Londoner Reichskonferenz und jetziger oder früherer Ministerien, und der eine dieser steinernen Gäste sagte, das unterbrochene Gespräch fortsetzend, hier im engsten Kreise, vor dem die Weltkugel nicht viel größer erschien als der Globus drüben auf dem Tisch:
»O ja . . . doppelte Rückversicherung . . . nichts wäre stümperhafter, als das nicht einzusehen, daß ein Druck, der von der City um die Erde läuft, wieder in der City enden muß.«
»Er tat es immer!«
»Die Methode hatte Mängel. Viel Druck geht unterwegs verloren. Oder auf anderem Weg . . .«
». . . weil manche Verbindungsstrecken dazwischen fehlten . . .«
»Darum haben wir jetzt zum erstenmal den Erdball organisiert«, sagte der Mann mit dem angegriffenen Totenkopf, in dessen rechter Augenhöhle das Einglas funkelte. »Vor hundert Jahren organisierten wir Europa gegen Bony . . .«
». . . und statt Bonaparte haben wir nun Yankee und Jap!«
Der diese beiden verhaßten Worte zwischen den Zähnen kaute, sah einem dicken Londoner Porterkrösus ähnlich und war zugleich ein Peer des Hauses der Lords.
»Darum eben genügt es nicht mehr, Europa auf den Druck der City zu balancieren, sondern die Welt!«
»So ist es!«
»Alle Kräfte der Welt sollten sich gegenseitig so ineinander aufheben, daß der Fingerdruck eines Schulkindes in Wales sie regieren mag«, sagte ein Gentleman mit den schmalen, glattrasierten Lippen und den scharfen Zügen eines Schauspielers, und schon seine Art, die Rede wie einen dünnen, unzerreißbaren Seidenfaden des Verstandes zu spinnen, verriet einen der königlichen Emporkömmlinge aus den Courts und Jims der Londoner Rechtsanwaltschaft. »Kein Handikap eines Rennens mag sorgfältiger ausgewogen werden als der Gewichtsausgleich zwischen unseren Verbündeten. Jede Berechnung wäre falsch, bei der sich nicht jeder Vorteil eines unserer Verbündeten von selbst in den Nachteil eines anderen unserer Verbündeten verwandelt.«
»Ein Sieg Rußlands mag Japan schwächen.«
»Ein Sieg Japans schwächt Amerika.«
»Ein Sieg Amerikas schwächt Europas Westmächte.«
»Ein Sieg der Westmächte schwächt Rußland.«
»Das ist die Rückversicherung dafür, daß keiner unserer Verbündeten trotz aller Opfer zum Siege gelangt«, sagte der Mann mit dem Totenkopf.
»Und daß es dabei nicht England ist, das einen von ihnen am Siegen zu hindern scheinen mag, sondern der nächste Verbündete . . .«
». . . so daß sich der Haß der Verbündeten, richtig gerechnet, nicht gegen England, sondern gegeneinander kehren sollte . . .«
». . . und in den erschöpfenden Kämpfen, die sie dann gegeneinander führen werden, mag England die Seekontrolle der Welt vollenden!«
Die Welt verwandelte sich in eine Arena. Die Völker der Erde lösten sich in einzelne Gladiatorenpaare auf. Und oben, auf der purpurnen Tribüne, saß der Cäsar und die City, Und es war, als glichen die bleichen und schlaffen Züge des Größenwahnsinnigen da oben dem schattenhaften Antlitz Eduards VII.
Der schweigsame Herzog von Chichester strich sich durch seinen wirren, rötlich-grauen Vollbart.
»Es ist weiser, größere Völker immer paarweise in den Krieg zu bringen und ausbluten zu lassen«, sagte er. »So bleiben sie immer im Gleichgewicht untereinander . . .«
»Und die kleineren Nationen?«
»Oh – da ist nicht viel Blut! Da genügt die Überwachung durch den Hunger.«
»So mag der Krieg noch drei Jahre dauern!«
»Er muß es. Früher ist die Erde nicht erschöpft.«
»Und nichts wäre lästiger als ein Verbündeter, der beim Friedensschluß noch Lebenszeichen gibt«, sagte der Mann mit dem Totenkopf.
Von Deutschland war nicht die Rede. Es war für die fünf Männer um den Kamin nichts als der Hexenspiegel, mit dem sie die Völker des Erdballs blendeten. Den Geheimschlüssel zum Erdball hielten sie in der Tasche. Eduard VII. hatte ihn ihnen vererbt. Der Gentleman mit den grausam dünnen Rednerlippen sprach hier, im letzten Bund der Wissenden, das letzte Ende britischer Dinge aus.
»Nichts besser als ein Kreis von Völkern, der rundum steht, jedes Volk den Hintermann im Rücken. Sie glauben Krieg gegen Deutschland zu führen . . .«
»Oh – laßt sie dabei!«
». . . und stoßen sich dabei gegenseitig den Dolch in den Rücken . . .«
». . . und verlieren gleichmäßig Blut . . .«
». . . und lassen uns Zeit zu nützlicher Arbeit für England.«
»Bis sie einmal erwachen!«
»Sie werden zu matt sein, um aufzuwachen . . .«
». . . und wir haben inzwischen unser Werk getan!«
»Neues?«
In der Gruppe jüngerer Gentlemen nebenan hob der Marqueß von St. Asaphs den gebräunten Kopf. Der Reverend Craven stand vor ihm.
»Wie ist's mit dem Captain?«
»Der Mann, der ihn fuhr, kam soeben mit dem leeren Auto zurück.«
»Wohin fuhr er ihn?«
»Nach London.«
»Oh – verwünscht!«
Der Marqueß von St. Asaphs und seine Freunde traten hinaus zu dem dort harrenden Wagenführer.
»Ich kann nichts dafür. Euer Höchste Ehren! . . . Unterwegs, auf der Fahrt nach der Station, flog dem Gentleman sein Hut vom Kopf. Es dauerte lange, bis wir ihn in der Dunkelheit wiederfanden. Inzwischen fuhr in der Ferne der Zug an uns vorbei.«
»Ein heller Bursche!«
»Da wurde der Gentleman unruhig. Er sagte, es sei ihm unerwünscht, wieder in das Schloß zurückzukehren . . .«
»Das glaube ich ihm!«
». . . nichts sei dringender als seine Geschäfte in London, und ich möge ihn rasch im Auto hinfahren. Ich hatte genug Benzin im Tank, und so konnte ich es tun.«
»Es war ganz richtig von Ihnen, Thompson«, sagte der Marqueß von St. Asaphs, ohne eine Miene zu verziehen. »In welchem Hotel stieg der Gentleman dort ab?«
»In keinem. Euer Höchste Ehren. Er befahl mir, nach Charing-Croß Station zu fahren. Aber ehe ich noch zum Strand kam, gab er mir auf Trafalgar Place ein Zeichen, zu halten. Er hatte da einen Freund vorübergehen sehen . . .«
»Einen Freund?«
»Einen Gentleman mit rotem Haar und rotem Schnurrbart. Es war ein Ire, Euer Herrlichkeit!«
»Woher wissen Sie das?«
»Er sprach irische Mundart.«
»Ein Ire!«
»Wahrscheinlich aus den Vereinigten Staaten!«
»Ein Fenier!«
»Ein Verschwörer gegen England!«
»Still!«
»Erst war er erstaunt, den Gentleman, den ich fuhr, zu sehen. Dann war der irische Gentleman sehr erfreut. Beide schüttelten sich die Hand, und so gingen sie zusammen fort. Vorher gab mir der amerikanische Gentleman noch ein gutes Trinkgeld.«
»Sagte er dabei nichts?«
»Doch! Er ließe herzlich grüßen und denke mit wahrem Vergnügen an seinen Aufenthalt in Ogmore Castle zurück . . .«
»Oh . . . man möchte . . .«
». . . und er hoffe, daß er bald Gelegenheit haben werde, weiter von sich hören zu lassen!«