Rudolph Stratz
Das freie Meer
Rudolph Stratz

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4

Von der Nordsee her gellte es durch das kahle Parkgehölz des Scheveninger Weges wie ein Hohngelächter der Windsbraut um das Vredes-Palais, den vom Land der Granatenlieferungen zu Ehren des Zaren erbauten Friedenstempel, der einsam, von schrägen Regengüssen triefend, unter den ersten Häusern des Haag stand. Die Böen fegten weiter über die niederländische Hauptstadt, der Sturm pfiff um die Ecken, die Menschen drückten sich die Hüte fester in die Stirn und standen doch überall mit flatternden Mänteln in Gruppen beisammen, die letzten Zeitungen in der Hand.

»Das Stoomboot von Harwich ist vorhin erst in Hoek angekommen! Sie telefonieren von dort, in England habe man vorigen Mittwoch nacht starken Kanonendonner nahe der schottischen Küste gehört!«

»Haben die Engelschen wieder aufeinander geschossen?«

»Nein. Es heißt, es sei ein deutscher Blockadebrecher durchgekommen!«

»Wenn eine Flunder zu mir bis hierher in diese Kammer kommt, dann möchte auch ein solches Schiff die weite See gewinnen. Aber anders nicht!« sagte in seinem reichen Hause in der Javastraat der Yonkheer Cornelis Ter Meer, dem der Diener die Zeitung gebracht. Er saß mit seiner Frau und seinen Freunden beim »Kaffee«, dem Mittagsfrühstück. In seinem Ton lag die ruhige Anerkennung britischer Allmacht zur See.

»Aber hier steht: von ›Lady Jones‹, ›Adolphus‹ und ›Essex‹ fehlt in Liverpool seit achtundvierzig Stunden jede Funkspruchverbindung aus dem Atlantik.«

Der Yonkheer Ter Meer machte eine wohlgelaunte, ablehnende Handbewegung zu seinem Schwager Staal van Lith, der das gesprochen. Er war hier in der Mitte seiner Landsleute so, wie die Holländer alle miteinander verkehrten, frisch und froh und ohne Zwang, viel lebhafter in der Sprache als im Wesen, immer bereit, einander zu foppen und die kleinen Dinge des täglichen Lebens komisch zu nehmen. Sein ruhiges und verständiges Gesicht mit dem leicht angegrauten Schnurrbart und den kühlen grauen Augen unter der kahlen Stirn hatte den heiteren und zufriedenen Ausdruck eines Mannes, dem es im Leben gut ging und der das auch wußte, weil er viel von der Welt gesehen hatte und ihre Güter miteinander vergleichen konnte. Er sagte, mit Rücksicht auf seine beiden neutralen Gäste am Tisch, den norwegischen Reeder Pedersen und den Großhändler Holm aus Kopenhagen, in deutscher Sprache, die sie alle verstanden:

»Nederland ist niet groß . . .«

»Malheureusement . . . notre pays est petit«, ergänzte Mynheer van Ysselt, nach der Sitte der feinen Welt im Haag auf französisch.

». . . und Nederland ist doch groß! Durch seine Historie und durch seine Kunst und durch seine Kolonien und durch seinen Handel und durch seine Menschen. Darauf sind wir alle stolz.«

»Ja, seker!«

»Und Nederland soll groß bleiben! Das kann es nur, wenn es sich dem Orlog zwischen Franschmann, Duitschen und Engeland fernhält . . .«

»Das spricht von selbst!«

»Die Neutralen müssen sich alle zu einem Weltbund zusammentun, der sie schützt.«

»Und wer schützt den Weltbund, Cornelis?«

Der alte Colonel a. D. van Meerkerk war ein Spötter. Er hegte als Soldat eine Schwäche für die deutschen Waffen und was an deutschem Wesen damit zusammenhing.

»Groot-Britannie . . .«

Es klang beinahe feierlich, wie der Yonkheer Ter Meer das aussprach. Er fuhr fort:

»Groot-Britannie ist auf der Welt, was der Politieagent da vor dem Fenster ist. Es hält Ordnung und sichert jedem ehrlichen Menschen Arbeit und Eigentum.«

»Besonders, wenn es die Zweep über dem Inder schwingt«, versetzte der unverbesserliche Colonel. Mynheer van Ysselt neben ihm, der selber früher Rat von Indien gewesen und als solcher hier im Ruhestand den sonst im Haag nie gesehenen Zylinder trug, räusperte sich mißbilligend. Wo blieben die Sunda-Inseln, wenn es England einfiel, die Zufahrt zu sperren?

»Groot-Britannie hält überall auf der Erde seine Hand über jeden weißen Mann . . .«

»Deswegen hat es euch wohl Kapland und Ceylon weggenommen«, sagte Johanna Ter Meer zu ihrem Mann.

»Oh – still doch, Jantje.«

Davon sprach man nicht. Die Mienen verdüsterten sich beim Gedanken an den Verlust dieser schönen Perlen aus der Krone von Übersee.

»Immerhin, Groot-Britannie hat für diese Länder sein Bestes getan.«

»Ob die zwanzigtausend Burenfrauen und Burenkinder, die Kitchener verhungern ließ, auch so gedacht haben?«

Die Buren waren von Stamm und Blut und Sprache der Niederlande. Wieder umwölkten sich die Stirnen. Der Yonkheer Ter Meer zuckte die Achseln.

»Groot-Britannie – das ist die Freiheit!«

»Cornelis . . . wann reisen wir zusammen nach Irland?«

»Ihr habt zu viel getrunken, Colonel. Ihr werdet morgen Haarpein haben.«

»Er hält es mit den ›Mofs‹!«

Kaum war dem Munde des einen Mynheers das beliebte Wort »Mof« statt »Deutscher« entfahren, so entstand ein verlegenes Stillschweigen. Aber Johanna Ter Meer blieb gelassen.

»Gott – sagt doch ›Mof‹! Mir ist es gleich. Ihr wißt doch so gut wie ich: ›Mof‹ heißt Macht!«

»In dieser Stimmung ist sie aus Deutschland zurückgekommen«, sagte der Yonkheer Ter Meer gedämpft zu seinem Schwager und dann lauter und freundlich:

»Macht ist bei den großen Völkern. Um so mehr ist bei den kleinen die Kultur.«

»Dat is juist!«

»Die großen Völker kennen jedes nur sich selbst. Wir kennen jedes von ihnen und nehmen von jedem von ihnen das Gute. Sonst hätte ich hier nicht meine Frau aus Deutschland geholt.«

Er nickte lächelnd Johanna zu. Jeder am Tisch wußte es: die Ehe war glücklich. Aber dann fuhr der Yonkheer Ter Meer mit der unbeirrbaren Zähigkeit seines Wesens fort:

»Wir sind friedlich, wir wollen zur See fahren und Geld verdienen. Wir sind auf dem Meer wie eine Kerze. Groot-Britannie kann uns ausblasen!«

»Das käme uns niet zupaß!«

Wie der grimmige Atemzug eines Seeriesen fegte von der Scheveninger Küste her der Sturm durch das tiefe Abenddunkel über Willemspark und Plants und Buitenhof und Binnenhof. Windstöße kräuselten die Wasserfläche des Wijver. Durch ihr Pfeifen klangen die Rufe der Zeitungsverkäufer. Die letzten Nachrichten vom Weltbrand draußen und seinen lockenden, phantastisch wie Elmsfeuer auf den Meeren gaukelnden Irrlichtern, den unerhörten, nie dagewesenen Kriegsgewinnen der Neutralen zwischen Haparanda und Vlissingen.

Im Ter Meerschen Salon standen die Herren, die Zigarren in der einen Hand, die Blätter in der anderen. Die Stimmen schwirrten.

»Prins der Nederlanden« mit 1309 Lasten Javaleder in Amsterdam eingelaufen . . . Ein Aufatmen – Leder! Die Kriegführenden zahlten für Leder jeden Preis.

»Pedersen . . . etwas für Sie. Die ›Solveig‹ ist aus Surabaya!«

»Wir haben ihr noch gekabelt: Nehmt noch eine Partitje Ficus Bosch-Produkte an Bord. Zwölftausend Kilo oder so viel ihr bekommen könnt. Hier steht der Preis schon auf zweihundertfünfzig Gulden.«

»Heute!«

Wer weiß, wie morgen! Die Kurse tanzten. Seit Kriegsausbruch kaufte man in allen Häfen der Erdkugel auf, was die kämpfenden Weltmächte brauchten und nicht mehr voneinander bezogen, und führte es ihnen unter neutraler Flagge zu.

»Kakao! Sag mir eins, Willem, wie steht Kakao?«

»Der Kaffee . . . Mynheer Holm ist ängstlich um den Preis . . . Nein – da unten! Java – Robusta 2457 Tonnen! Sumatra . . . Nein . . . Brasilien! . . . Brasilien! . . . Die Stimmung in Santos kritisch. Die Terminpreise steigen.«

Das Gesicht des Dänen glänzte. Er riß ein Notizblatt heraus und schrieb ein paar Worte.

»Kann ich eine Eildepesche nach Kramers Hotel schicken?«

Kramers Hotel in Malmö, der Sitz des wildesten Wirbelspiels der Gulaschpreise und Ausfuhrkonzessionen, der Tummelplatz der Millionäre, die vor einem Vierteljahr noch Steuerleute und Metzgermeister gewesen . . .

Cornelis Ter Meer hatte einen Diener mit dem Telegramm entsandt und wandte sich angeregt und voll Eifer an seine Frau.

»Die Geschäfte gehen gut.«

»Als unser Münchener Regiment List und die jungen Berliner Regimenter bei Ypern angriffen«, sagte Johanna Ter Meer, »da sangen die Jünglinge im Granatfeuer aus voller Kehle: ›Deutschland, Deutschland über alles!‹«

»Ja, aber was hat das hier mit den Geschäften zu tun?«

»Gar nichts . . . Das ist es ja eben!«

Der Yonkheer Ter Meer sah sie verständnislos an und schüttelte den Kopf. Um ihn herum überflogen prüfende, geschäftsgewohnte Augen die Kurse . . . die Börse . . . die Steuern auf dem Belastungskontor, dem Zollamt, und immer wieder de Zaak . . . die Sache . . . das Geschäft . . .

Zweiundneunzig Waggons Käse in Utrecht . . . der »Theseus« mit Sumatra-Tabak in London . . . die Zucker-Raffinadeure . . . Pferdehandel in Gouda . . . Javareis . . . Butter in Nymwegen für englische Regierung bis zu anderthalb Gulden . . . große Eieraufkäufe für Wien . . .

»Bei Sluis, an der Grenze, haben gestern wieder alle Scheiben vom Kanonendonner gezittert«, sagte Johanna Ter Meer in die Geschäftsstille hinein.

»Wohl. Und . . .?«

»Nun, ich meine . . . da draußen ist Krieg!«

Es hemmte einen Augenblick die wilde Jagd von Kupfer und Konserven und Kursen. Es war doch in all den Seelen hier eine Sehnsucht nach Frieden, schon aus Sorge um das eigene Land und die Zukunft, die so dunkel war wie die stürmende Nacht da draußen. Die Verkündigung der englischen Blockade vor einigen Wochen – das war das Donnergrollen in dem Goldregen, der märchenhaft aus den schwarzen Wetterwolken des Krieges über die Inseln der Neutralen niederging.

»Die Engländer sind unerbittlich. Sie legen einen eisernen Riegel vor die See.«

»Ich denke, England ist die Freiheit?« sagte Johanna Ter Meer.

»Ich möchte wohl wissen, wer dir in Deutschland diesen Widerspruch eingegeben hat!« Der Yonkheer Ter Meer war verdrießlich und lenkte dann doch ein:

»England wird mit sich reden lassen.«

»Wir haben einen Anspruch darauf.«

»Wir besitzen das Recht des Schwächeren!«

»Was wird telefoniert, Cornelis? In Liverpool fehlt schon Nachricht von sieben atlantischen Steamers? Ein Jammer! . . . Nun – wir wollen gehen!«

Als die Gäste sich empfohlen, saß der Yonkheer Ter Meer eine Weile in seinem Lehnstuhl, ohne, wie er es sonst um diese Stunde tat, die vor ihm liegende Riesennummer der »Times« bedächtig und sorgsam, den goldenen Zwicker auf der Nase, von Anfang bis zu Ende wie eine weltliche Bibel durchzulesen. Seine Gedanken waren noch bei den rätselhaften Schiffsverlusten im Atlantischen Ozean.

»Da vergeht einem Eßlust und Ruhe«, sagte er. »Was mag da draußen los sein?«

»Was ich schon lange mir denke: ein deutsches Schiff, das durch die Blockade gebrochen ist!«

»Woher willst du das wissen, Jantje?«

»In Deutschland hört man mancherlei . . .«

Cornelis Ter Meer saß und rauchte mit der Ruhe eines Mannes, den, Gott sei Dank, Krieg und Kriegsgeschrei nur von außen kümmerten, mit der Sicherheit des Angehörigen eines friedlichen Landes, das inmitten der Völkerdämmerung, von beiden Seiten geachtet, seiner nützlichen Arbeit nachging wie im Mittelalter der pflügende Bauer zwischen den kämpfenden Rittern. Durch die duftigen Ringel der Havanna sah er drüben wie in einem feinen, blau zerfließenden Heiligenschein den Blondkopf seiner Frau und freute sich, wie jeden Tag, daß sie schön und anmutig und die zarte Zierde seines Hauses war. Gerade über ihr hing an der Wand ein Meisterbild von Cornelius Cornelis: ›Christus treibt die Händler aus dem Tempel.‹ Ihr Blick fiel darauf, und sie sagte unvermittelt:

»Ihr seid auch wie die Pharisäer. Ihr sprecht vom Frieden und verdient am Krieg.«

»Nur weil wir müssen, Jantje. Ich möchte nur den Tag erleben, wo die Klock den Frieden einläutet . . . Du weißt, ich liege manche Stunde in der Nacht wach und sorge, wie wir hier im Frieden durch den Orlog kommen. Meine Angst gehört nicht den Deutschers und nicht den Engelschen. Meine Angst gehört Nederland. Ich will nur Frieden auf der Welt, und jedermann ist mir ein guter Mann, außer die Japs!«

Gegen die Japaner hegte er eine tiefe und mißtrauische Abneigung. Sie richteten nun einmal ihre geschlitzten Augen begehrlich auf die Sundainseln. Und was war Holland ohne Java und Sumatra, Borneo und Celebes? Die einzige Rettung vor dieser Gefahr schien ihm John Bulls starke Hand in Tokio. Er horchte auf, ging zu dem Fernsprecher, der ihn angerufen, sprach langsam, ungläubig hinein:

»Wie? . . . Ich habe nicht verstanden . . . nein . . . immer noch nicht . . . ich kann mir nicht helfen . . . ich höre immer ›Nigeria‹ . . .«

Dann kam er zurück, so erregt, wie es ihm bei seinem kaltblütigen Wesen überhaupt möglich war.

»Jantje . . . Der Achtundzwanzigtausend-Tonnen-Dampfer ›Nigeria‹ ist mit einer ungeheuren amerikanischen Munitionsladung im Atlantik versenkt!«

»Das ist recht!«

So jäh wie ihre Worte stießen ihre Augenpaare und in ihnen ihrer beider Gedankengänge gegeneinander.

»Wenn womöglich Menschen umgekommen sind, Jantje?«

»Durch die Munition würden noch mehr Deutsche umgekommen sein!«

Er schüttelte unbehaglich den Kopf und rieb sich vor dem Kaminfeuer die Hände. Beide waren sich auf einmal fremd.

Johanna Ter Meer hob den Kopf.

»Sonderbar, an Deutschland denkt ihr nie!«

»O freilich, Jantje. Wie oft war ich dort.«

»Aber hast du es jemals mit Ernst angesehen? . . . Schon im Frieden war dir alles in Deutschland komisch . . . der Schutzmann . . . oder der Parademarsch . . . oder daß die Herren zu tief voreinander den Hut abnehmen . . .«

»Ja. Es ist belachlich!«

»Warum war dir denn in England nie etwas belachlich, wie du es nennst?«

»Wahrscheinlich, weil da nichts derlei war«, sagte der Yonkheer Ter Meer ärgerlich, nahm wieder die »Times« zur Hand und vertiefte sich mit beinahe ängstlicher Spannung in den Bericht über die Vorbereitung der Tulpen- und Rosenausstellung in Chelsea im nächsten Mai. Er war wie alle Holländer ein großer Blumenfreund. Dem Verstummen seiner Frau schenkte er keine Beachtung, bis der Diener in der Türspalte erschien: »Mynheer van Wijk am Telefon.«

»Die Passagiere der ›Nigeria‹ gerettet«, sagte er. »Aber schon neue Schiffsverluste. Wall-Street in Unruhe! Lloyds Versicherungen steigen sprunghaft. Viel Volk steht vor der Londoner Admiralität und grunzt.«

»Laß sie grunzen . . .«

»Funksprüche von gejagten Dampfern von der Südroute, Handelsabfahrten aus allen Häfen vertagt! Viele Kriegsschiffe der Alliierten sind unterwegs, um das Kaperschiff zu fangen.«

»Und das wäre dir recht?«

»Wir sind ruhige Leute und brauchen ruhige See! . . . Was ist das? Oh, Jantje . . . Herr Pedersen schickt vom Hotel eine Depesche, die er eben aus Christiania bekam! Ik dank u zeer! . . . Oh . . . sehr interessant . . .«

Cornelis Ter Meer las mit gespanntem Stirnrunzeln die paar englischen Worte.

»Jantje . . . ein gelandeter Passagier der ›Nigeria‹ hat den Kapitän des deutschen Blockadebrechers erkannt. Er war mit ihm vor Jahren in Ostasien zusammen. Es ist ein Korvettenkapitän . . .«

»Lürsen . . .?«

»Ja, bei Gott! Woher weißt du das? Kennst du ihn, Jantje?«

»Ja.«

»Was ist das für ein Mann?«

»Ein Seemann, wie wir viele haben.«

»Dabei leuchten deine Augen . . .«

». . . wenn wir Deutschen zeigen, was wir können?«

»Wir Deutschen! . . . Du bist die Frau eines Neutralen . . . Ich begreife dich! . . . Aber sage es nicht vor anderen!«

»Hörst du: da pfeifen sie draußen schon wieder den ›Tipperary‹. Warum soll ich denn dann still sein?«

»Die Menschen sind jetzt alle kranksinnig, Jantje. Es sollen auch andere Zeiten kommen. Dann wird alles gut.«

»Nun, wenn dann Deutschland nicht mehr mit dabei ist, wäre es dir auch recht!«

»Nein. Was dir schmerzelich ist, ist auch mir schmerzelich!«

Cornelis Ter Meer legte seiner Frau die Hand auf die Schulter. Innere Ergriffenheit konnte er nach seiner Stammesart nur durch gutmütigen Spott zum Ausdruck bringen. Wo der wie hier nicht am Platz war, fehlten ihm die Worte. Aber sie empfand doch dankbar die Höflichkeit des Herzens, mit der er immer mit ihr verkehrte. Sie fühlte: Er hat mich wirklich lieb, er will überhaupt niemandem ein Leid zufügen, er ist ein gutmütiger Mensch.

Es litt ihn jetzt nicht mehr daheim. Er mußte in die »Witte Societeit«, seinen Klub an der »Lange-Poten«-Straße, um bei einem holländischen Dämmerungslikör die Vorfälle auf dem Atlantik mit seinen Freunden zu besprechen. Er hatte viele Freunde. Er war trotz der Kühle seines Wesens heiter und umgänglich, betrachtete Holland eigentlich als eine große Familie und thronte wohlgelaunt in ihr. Ein Mann von sicherem Besitz und Selbstbewußtsein auf alles, was niederländisch war. Er küßte seine Frau und ging. Sie blieb allein zurück.

Draußen tobte der Sturm. Sie hörte den Mann, der die frischen Schellfische aus Scheveningen brachte, in der Diele berichten, das Meer ginge rauh und hoch. Und in der Ostdüne, an einem der Querdeiche unter der drahtlosen Station, liege eine angeschwemmte Treibmine, so schwarz und dick und rund wie ein ersoffenes Farken. Die Wacht habe einen Notzaun darum gemacht . . .

Der Krieg . . . er war in der Luft . . . er war im Wind . . . er war in den Wellen . . . er war in den Worten . . . er war in den Seelen . . . er war überall . . . Johanna Ter Meer fühlte das Frösteln der Einsamkeit im fremden Land. Was ihr sonst Freude machte, all die Schätze des reichen Hauses um sie, ihre in allen Weltteilen gesammelten Stickereien, die indischen Waffen und Geräte, die Delfter Vasen und Teller, die friesischen Uhren und Stühle, die feist lächelnden Daibutsus auf dem Lotossockel, die japanischen Kunstblätter hatten ihre Farbe verloren. Ein blutigroter Flackerschein übergoß sie . . . der Krieg . . . der ferne Krieg . . .

Im Flur dröhnte das tiefe Gong der Hausglocke. Sie vernahm die Worte des öffnenden Mädchens: »Dag, Mynheer!« Eine englische jugendliche Männerstimme, und wieder ihr: »Mynheer is niet thuis!« Aber trotzdem brachte Betje gleich darauf eine Karte. Es stand nichts auf ihr als The Marquess of St. Asaphs.

Johanna Ter Meer schaute überrascht auf den Namen, vor dessen paar Buchstaben jedem Briten das Herz in Stolz und Ehrfurcht schwoll.

»Laat den Heer binnenkommen«, sagte sie, und während sie im Salon auf ihn wartete, dachte sie auch selbst, in einem unwillkürlichen Rückschlag angelsächsischen Empfindens, daran, daß dies wohl der vornehmste Besucher sei, der je hier in der Javastraat oder in irgendeinem Erdteil ihre Schwelle überschritten.

Der Lord Harald von St. Asaphs füllte beim Eintritt in seiner Riesenlänge fast völlig den Türrahmen aus. Im Haag wie in ganz Holland waren Häuser und Zimmer an sich klein. Jetzt schien der Raum, in dessen Mitte er stand, neben ihm plötzlich wie eine Puppenstube. Er zeigte, unbefangen über das bräunliche Gesicht lächelnd, die großen weißen Zähne unter dem kurzen schwarzen Schnurrbart und sagte, während er ihr kräftig wie einem Mann die Hand schüttelte, mit dem herzlichen Freimut eines guten Bekannten: »Ich hatte Geschäfte in diesem Lande und fahre jetzt über Vlissingen zurück. Ich habe noch Zeit bis zum Zug.«

Ihre erste Sorge bei seinen Worten war: möchte nur das Rundsesselchen aus schwarzem indischem Eisenholz, das er sich in englischem Instinkt gleich dicht an die Kaminglut herangerückt hatte, nicht unter ihm zusammenbrechen! Er bemerkte selbst die Gefahr, lehnte sich lieber, mit der Nachlässigkeit des Engländers in Damengesellschaft, ein Bein über dem anderen, die Hände halb in den Taschen, in den Kirchenstuhl daneben zurück und meinte ungezwungen und rasch:

»Sie gaben uns die Ehre und waren in Ogmore Castle zu Gast. Es war so gut von Ihnen. So hoffe ich ernstlich, daß ich hier auch in Ihr Heim kommen darf?«

»Es ist eine Auszeichnung, die meinen Mann glücklich machen wird, mein Lord Marqueß.«

»Erwarten Sie ihn bald zurück?«

»Ich denke so.«

Sie merkte an dem Aufblitzen seiner südländisch dunklen, der Wirkung auf Ladies gewohnten Augen, daß ihm das Ausbleiben des Yonkheer Ter Meer ganz willkommen war. Sie fragte sich im stillen: Was will er? Sie, die Diplomatenfrau, kannte zu genau die eisige Höhe, in der sonst der englische Adel über der Menschheit wandelte, wenn er sich nicht plötzlich, wie Jupiter aus den Wolken, zu Londoner Tanzmädchen, Pariser Circen, Neuyorker Dollarprinzessinnen oder sonst einer glücklichen Sterblichen herniederließ.

Aber der Markgraf von St. Asaphs schien ihr gegenüber nichts derlei im Sinn zu haben. Er dünkte sie ernster als im Herbst drüben in England.

»Was ich mache, Madam?« sagte er auf ihre Frage. »Ich glaube kaum, daß ich auch nur von Dover bis nach London komme. Ich werde wahrscheinlich gleich weiter nach Calais und durch Frankreich nach Ägypten reisen. Es ist nützlich, sich dort umzusehen. Briten dürfen jetzt nicht schlafen . . .«

Sie las es auf den leichten Furchen seiner Stirn: da war nicht mehr ganz die göttliche Sorglosigkeit von damals . . .

»Und fürchten Sie nicht die Gefahr, Euer Herrlichkeit?«

»Gefahr, Madam?«

»Die U-Boote im Kanal!«

»Oh – haben die Deutschen U-Boote?« fragte er so erstaunt, daß sie beinahe lachen mußte.

»Aber Mylord . . .«

»Wenn Sie es sagen, mag es welche geben. Aber in England weiß man nichts von ihnen.«

»Auch nichts von versenkten Schiffen?«

»Manche tausend Schiffe kommen und gehen wöchentlich in britischen Häfen. Ob einmal eines im Sturm versinkt oder durch die Korsaren – Seefahrer sind das gewohnt. Niemand spricht weiter davon.«

»Auch nicht von dem neuen Kaperschiff im Atlantik?«

»Mein Gott – es sind Nadelstiche, Madam! Es mag einen Cityman interessieren, der bei Lloyds unterschrieben hat . . . Seeräuber gibt es auch im chinesischen Meer. Ich sah sie selbst in Hongkong an den Rahen baumeln . . .«

Es war, als unterdrücke er dabei ein Gähnen über einen Gesprächsstoff, der unter seiner Würde war. Johanna Ter Meer konnte sich nicht helfen: aus dem unerschütterlichen Cäsarenwahnsinn wehte sie wieder der Geist von früher, aus der weiten Welt draußen, an, jenes gleichgültige, leidenschaftslose Herrscherbewußtsein, das jedes fremde Urteil lähmte, einen beinah zum Zweifel an sich selbst brachte. Seine Höchste Ehren der Marqueß von St. Asaphs sprach auch in dieser leisen, langsamen und wenig betonten Art des vornehmen Engländers, der seine Verachtung aller Dinge unter sich sogar darin zeigte, wie er nachlässig die Worte durch die Zähne zog. Plötzlich beugte er seinen athletischen Oberkörper etwas gegen sie vor und sagte lebhaft und lachend, frisch wie ein Etonboy, der er auch einmal gewesen:

»Sie waren indes in Deutschland? . . . Oh – werden Sie jetzt auch sagen: ›Gott strafe England!‹?«

Er sprach die Worte deutsch aus. Er saß freundlich lächelnd mit der Sicherheit eines Halbgottes da, prüfte sie rasch mit seinen dunklen Augen und setzte hinzu:

»Sie sind keine Lady wie andere, Madam! . . . Sie haben den Yonkheer Ter Meer zehn Jahre lang auf seinen Staatsgeschäften rund um die Erde begleitet. Sie sind jetzt bald hier, bald bei uns, bald drüben bei den Deutschen. Sie wissen und sehen mehr von Dingen als sonst die Damen. Sie sagen sich, ohne daß ich es ausspreche, daß ich nicht über den Kanal gekommen bin, um hier eine Pfeife zu rauchen. Ich habe guten Sport drüben im Stich gelassen. Sogar meine Erfindung der Landrobbe! . . . Kennen Sie sie?«

Plötzlich kam in dem Markgrafen von St. Asaphs wieder der hochgeborene Dilettant des Lebens heraus, dem alles ein Spiel war, der sich sein Spielzeug wählte und fallen ließ, wie es ihm paßte, ohne viel Unterschied zwischen Weltkrieg und Entenjagd.

»Nichts mühsamer, als auf flachem Strand ans Land zu waten«, sagte er lebhaft. »Mein Motorboot hat einschaltbare breite Schaufeln wie jetzt die dicken Kanonen. Es klimmt mit ihnen spielend aufs Trockene und ebenso zurück. Ich hab' es von den Krokodilen in Äquatoria«.

Noch während er sprach, legte sich über sein Gesicht eine Art Ernst der Erinnerung, daß die Welt zur Zeit nicht nur ein großer Sportplatz für Britenvolk sei, und er begann von neuem:

»Sie kommen aus Deutschland? Ich bin ängstlich, zu hören, wie es dort steht. Waren Sie an vielen Orten?«

»In Bayern. In Württemberg. In Berlin. In Bremen . . .«

»Wie ist die Stimmung?«

»Gegen England, Mylord! Ich gab überall meiner Meinung Ausdruck, Deutschland und England sollten sich lieber heute versöhnen als morgen . . .«

»Oh – nicht wahr, Madam? Männer sollten sich an allen Punkten der Welt sagen: Hallo, alter Bursche, was hast du gegen mich? Laß schauen, vielleicht kommen wir zusammen . . .«

»Wenn nur alle Landsleute Eurer Herrlichkeit so dächten!«

»Oh . . . wir haben in unserer Sprache das Wort vom ›ehrlichen Spiel‹. Dies Wort ist Britannien selbst. Vor allem müssen wir mehr voneinander wissen, hüben und drüben der deutschen See. Wir kennen uns zu wenig! Es ist ein langer Weg von Potsdam nach Trafalgar Square . . .«

»Sehr wahr!«

Er lachte mit einem herzlichen und freimütigen Schimmer über dem trotz des schwarzen Schnurrbarts urenglisch geschnittenen Antlitz.

»Sie sind doch eine geborene Bayerin, nicht wahr?«

»Gewiß.«

»Wie denkt man in Ihrem Volk über die Dinge? Steht Bayern vor dem Abfall?«

»Ich glaube, ich höre nicht recht!«

»Fordert nicht dies sanfte und ruhige Volk bayerischer Hirten den Sonderfrieden, von Innsbruck bis Stuttgart?«

»Die werden euch was malen!«

Es war ihr im Ärger auf deutsch herausgefahren. Aber er verstand es – er konnte sehr gut Deutsch, wenn er wollte – schaute sie einen Augenblick verwundert an und fuhr fort:

»Seien wir doch offen. Wir wollten doch Freunde sein, Mrs. Ter Meer. Sie fuhren durch das Rheingebiet?«

»Jawohl.«

»Es konnte einen Menschen wohl düster stimmen, diese ausgestorbenen Fabriken?«

»Ich sah sie alle in vollstem Betrieb. Mehr als im Frieden.«

»Ohne Rohstoffe? Wir wissen von den Selbstmorden Ihrer verzweifelten Industriekapitäne!«

»Jetzt möchte man sich aber wirklich an die Stirn fassen . . .«

»Amerikaner sagen uns, daß die Berliner City, die Frankfurter Börse, der Hamburger Kaufmann all ihr Geld auf Neuyork überschreiben . . .«

»Auch davon ist mir nichts bekannt.«

»Sie sind hartnäckig, Mrs. Ter Meer . . . Übrigens . . . Sie sehen gut aus! . . . Sie haben die Hungersnot in Deutschland gut überstanden.«

»Die Hungersnot?«

»Well, in allen Städten . . . Sie mußten doch dort jedenfalls auch von Pferdefleisch leben?«

»Marqueß Saint Asaphs: wer hat Ihnen denn alle diese ungeheuerlichen Bären aufgebunden?«

»Oh, ich sehe . . . Man hat auch Ihnen das Schweigen auferlegt, Madam. Man merkt, Sie kommen aus Deutschland, dem Lande der Organisation!«

»Waren Sie je in Deutschland?«

»Wahrlich, nein. Nie! Ich habe mich auch früher nie damit beschäftigt. Aber jetzt nach diesem belgischen Zwischenfall schien es mir nützlich, mich in London mehrere Tage von unseren gründlichsten Deutschenkennern unterrichten zu lassen . . .«

»Die möchte ich mal sehen . . .«

Johanna Ter Meer brach ab. Der Anflug von Zorn, der ihre Züge gerötet hatte, verschwand. Statt dessen war ein ungeheures Staunen: Man wird förmlich unsicher, traut seinen eigenen fünf Sinnen nicht mehr gegenüber diesem riesigen Engländer, der so kaltblütig dasitzt und das alles so selbstverständlich sagt, als ob gar kein Zweifel wäre . . .

»Ein andermal müssen Sie mir mehr berichten«, versetzte der Lord St. Asaphs. »Heute wollen Sie nicht. Aber Sie müssen einmal wieder nach England kommen! Nicht auf so kurze Zeit und voll Sorge um Ihre Verwandten wie das letztemal. Sie müssen sehen, daß kein Unterschied zwischen Alt-England im Frieden und Alt-England im Krieg ist. Sie werden vom Krieg drüben nichts merken. Ich verspreche es Ihnen.«

»Ich denke, Sie sind in Ägypten?«

»Nicht auf lange, Madam. Auf ein paar Tage in Alexandrien bei meinem Oheim Norton, der dort das Khediviale Ministerium kontrolliert. Dann treffe ich mich in Kairo mit meinem Bruder Francis. Er kommt aus Südarabien vom Scheich Idriß. Er behält auch den tollen Mullah im Somaliland und den neuen falschen Mahdi im Sudan im Auge. Es ist da allerhand Volk zu überwachen.«

»Ich bildete mir ein, der Bruder Eurer Lordschaft sei in Gibraltar.«

»Das ist Charles, der ältere. Der gute Bursche reitet jetzt drüben in Marokko mit Tips für Raisuli. Die Franzosen werden ohne uns im Süden nicht fertig. Es sind Krämer. Sie haben nicht die offene Hand von Timbuktu bis Kalkutta. Vielleicht fahre ich unseren indischen Truppen bis Aden entgegen. Es sind da einige Maharadschas persönlich mit ihrer Kavallerie auf dem Weg nach Flandern, die ich vorbereiten möchte, ehe sie in Frankreich landen. Ihre Hoheiten wundern sich sonst, daß dort nicht Englisch gesprochen wird. Es ist ihre Meinung, daß die ganze Erde eine englische Kolonie ist.«

Der Marqueß von St. Asaphs lachte, stemmte die Beine gegen den Kamin, steckte die Hände in die Taschen und fuhr fort:

»Solche Auffassung fand ich auch bei unseren Freiwilligen aus Neuseeland. Es waren Burschen, die schon im Burenkrieg mitgefochten hatten. Sie sagten, den Aufstand in Deutschland würden sie schon rascher niederwerfen als den der Buren.«

»Ich weiß manchmal nicht mehr, ob ich wache oder träume, Lord Saint Asaphs.«

»Oh – unsere Australier denken ebenso. Ihr Minister sagte mir neulich in London, nach allem, was er höre, scheine ihm Deutschland kein Land, das so reif sei wie Australien. Die Kanadier stimmten ihm bei.«

»Und Sie auch?«

»Ich habe mich wenig mit europäischen Dingen beschäftigt, Madam. Ich war immer bei den großen Fragen der Welt. Der freie Markt in China, die Bodenschätze in Südafrika, die Tarifpolitik der Vereinigten Staaten, Homerule . . . mit Deutschland habe ich mich nie befaßt.«

»Man merkt es, Mylord!«

»Aber es ist nicht schwierig, über ein Land, das klein ist, ein gesundes Urteil zu gewinnen. Sie müssen mir ein andermal mehr von Deutschland erzählen . . . drüben in englischer Luft, wenn Sie Ihren Sohn wieder besuchen . . .«

»Ich hole ihn im Frühjahr zurück.«

»Dann sehen Sie England wieder mit den alten Augen!« Der Markgraf von St. Asaphs erhob sich. »Wir werden alle Freunde zu Ihnen sein! Wer Briten zu Freunden hat, hat Freunde auf der ganzen Welt!«

Und es war Johanna Ter Meer bei seinen Worten, als stiege hinter ihm wieder die ganze Welt auf, mit Pagoden und Pyramiden, Palmen und Leuchttürmen, schwarzen, braunen, gelben und roten Menschen und überall dazwischen ein flackernder Kamin wie dieser hier, überall davor am Abend ein paar Gentlemen im Frack und weißer Binde und ein paar Ladies mit bloßen Schultern, die »O yes!« und »Thank you!« zueinander sagten. Überall, in allen Erdteilen, Leute, die es ihnen nachmachten, überall, auf allen Meeren, der rot-blaue Union Jack und überall an den Engen aller Meere die drei Abendschüsse von der Gouverneurzitadelle, die den Weltverkehr bis zum Morgen sperrten.

Der Marqueß von St. Asaphs stand vor Johanna Ter Meer und hielt ihr freundlich und offenherzig seine große und nervige Sporthand zum Abschied hin.

»Kommen Sie zu uns nach England und sagen Sie uns, was Deutschland will. Wir werden sagen, was England will. Nur das Wohl der Menschheit!«

Der Markgraf ging. Im Hotel warteten seine beiden Reisebegleiter auf ihn, der hagere Londoner Zeitungsmann Mr. Neish und neben dem Sohn der Lüge aus Fleetstreet, ewig beweglich, glattrasierten und scharfgeschnittenen Gesichtes, Sir Frederick Bacharach. Der Finanzmann sprang auf:

»Nun, Mylord?«

»Ich habe nichts aus ihr herausgebracht!«

»Verwünscht!«

»In England würde es besser gehen. Hier ist sie Deutschland zu nah. Sie will nicht verraten, wie es drüben steht.«

»Aber sie weiß es?«

»Jedenfalls besser als wir.«

»Wie meinen Sie das, Saint Asaphs?«

»Ich meine«, sagte der Lord mit umwölkter Stirn, »daß man einen Tipster von der Rennbahn weggrunzen würde, der seiner Kundschaft so falsche Informationen verkauft, wie ihr es uns für diesen Krieg getan habt!«

»Oh . . .«

»Dieser Krieg sollte ein City-Krieg sein. Paris und Petrograd sollten ihn für uns führen und wir uns unterdessen den Welthandel für weitere hundert Jahre sichern. Statt dessen hört man nicht nur in Capel Court, sondern auch schon in Mayfair Stimmen: Gehen wir lieber aus dem schlechten Geschäft heraus!«

»Oh, niemals!«

»Briten sind zäh. Aber es wäre nützlich, schnellere Methoden zu finden.«

»Wir sind dabei, unser Bestes zu tun«, sagte der Baronet Bacharach. Die Blockadetabellen, in denen er den ganzen Tag gerechnet, schwellten ihm die Brieftasche über dem runden kleinen Körper.

»Wir müssen Deutschland vernichten!«

»Ich schätze, Neish, wir sollten nicht davon sprechen. Das mag schädlich sein. Sondern wir sollten es tun.« Der Marqueß von St. Asaphs entzündete seine kurze Stummelpfeife und hielt sie beim Weiterreden lässig zwischen den Zähnen. »Wir müssen alle Mittel der Welt, alle Farbigen der Welt, alle Fabriken der Vereinigten Staaten, alle Männer unserer Verbündeten, alle Schiffe, alle Zeitungen, alle Politiker, alle Neutralen, alles auf diesen Krieg verwenden, um ihn zum bitteren Ende zu führen.«

 


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