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Der Mönch Don Pomporio wird beim Abte wegen seiner Unmäßigkeit im Essen verklagt, er schafft sich jedoch die Klage vom Halse, indem er dem Abt durch ein Gleichnis, das er erzählt, einen Hieb versetzt.
Vor Zeiten hielt sich in einem berühmten Kloster ein bejahrter, aber ansehnlicher Mönch auf, der ein großer Esser war. Dieser rühmte sich, bei einer einzigen Mahlzeit ein Viertel eines schweren Kalbes und ein paar Kapaunen essen zu können. Sein Name war Don Pomporio. Er besaß einen Teller, dem er den Namen »Hauskapelle der Andacht« beigelegt hatte und der sieben große Näpfe Suppe faßte. Und abgesehen von der Zuspeise, die er genoß, füllte er ihn zum Mittag- wie zum Abendessen mit Fleischbrühe oder sonst einer Suppe und ließ auch nicht einen Tropfen davon umkommen. Und alle Reste, welche die anderen Mönche übrigließen, mochten es nun viel oder wenig sein, stiftete er in seine Hauskapelle und unterwarf sie seiner Andacht. Und mochten sie auch unsauber und ekelhaft sein (denn alles kam ihm für seine Kapelle gelegen), so verzehrte er sie doch ohne Ausnahme wie ein ausgehungerter Wolf. Als die anderen Mönche seine maßlose Verfressenheit und Schlinglust sahen, verwunderten sie sich gewaltig über sein unwürdiges Betragen und tadelten ihn bald mit guten, bald mit bösen Worten. Doch je mehr die Mönche ihn mit Worten straften, desto größer wurde sein Verlangen, die Fleischbrühe seiner Kapelle zuzuführen, unbekümmert um jede Zurechtweisung. Der Vielfraß hatte aber die gute Eigenschaft, daß er nie in Zorn geriet und jeder gegen ihn sagen konnte, was er mochte, ohne daß er es übelnahm. Eines Tages nun wurde er beim Vater Abt verklagt, und als dieser die Beschwerde angehört hatte, ließ er ihn vor sich kommen und sagte zu ihm: »Don Pomporio, man hat mir dringende Vorstellungen wegen deiner Taten gemacht, die nicht nur sehr schimpflich sind, sondern sogar das ganze Kloster in schlechten Ruf bringen.« »Was haben mir diese Ankläger denn vorzuwerfen?« fragte Don Pomporio, »ich bin doch der sanftmütigste und friedfertigste Mönch in Euerem Kloster, ich belästige und hindere niemand, sondern lebe ruhig und beschaulich, und wenn andere mich beleidigen, so ertrage ich es geduldig und gerate darüber nicht in den Harnisch.« Da fragte ihn der Abt: »Scheint Euch das etwa ein löbliches Verhalten? Ihr habt einen Teller nicht wie ein Mönch, sondern wie ein übelriechendes Schwein, auf dem Ihr außer Euerem Deputat alle Reste zusammenhäuft, welche die anderen übriglassen, und verschlingt diese ohne Scheu und Scham, nicht wie ein menschliches Wesen oder gar ein Mönch, sondern wie ein ausgehungertes Tier. Geht es Euch denn nicht wider die Ehre, Ihr ungeschliffener und gemeiner Mensch, daß Euch alle als ihren Hanswursten ansehen?« Da antwortete Don Pomporio: »Wie sollte ich mich denn schämen, Herr Abt? Wo findet sich heutzutage Scham auf der Welt? Und wer fürchtet die Schande? Aber wenn Ihr mir erlaubt, frei herauszureden, so werde ich Euch antworten, wenn nicht, so verzichte ich in schuldigem Gehorsam darauf und schweige.« »Sagt, was Ihr wollt, wir haben nichts dagegen«, erklärte der Abt. Also ermuntert, sprach Don Pomporio: »Vater Abt, wir sind in der Lage von Leuten, die den Tragkorb auf dem Buckel haben; denn jeder sieht den seines Genossen, seinen eigenen sieht er aber nicht. Wenn ich ebenfalls üppige Speisen essen würde, wie die großen Herren es tun, so würde ich gewiß weniger essen als ich tue. Da ich aber ganz gewöhnliche Speisen verzehre, die sich leicht verdauen, scheint es mir nicht schimpflich, viel zu essen.« Der Abt, der sich mit dem Prior und anderen Freunden schlemmerhaft an Kapaunen, Fasanen, Haselhühnern und anderen Vögeln ergötzte, merkte, worauf der Mönch hinauswolle, und da er fürchtete, er möchte sein üppiges Leben an die große Glocke hängen, absolvierte er ihn und forderte ihn auf, zu essen, wie es ihm passe, wer sich von den anderen im Essen und Trinken nicht dranzuhalten verstehe, der habe es sich selbst zuzuschreiben. Nachdem Don Pomporio absolviert war und den Abt verlassen hatte, verdoppelte er täglich seine Portion und erhöhte die Andacht, die er der heiligen Kapelle des stattlichen Tellers entgegenbrachte. Und als die Mönche ihm die schwersten Vorwürfe wegen dieses tierischen Betragens machten, bestieg er die Kanzel des Refektoriums und erzählte ihnen schmunzelnd folgende kurze Fabel:
Vor sehr langer Zeit fanden sich der Wind, das Wasser und die Scham in einem Wirtshaus ein und speisten zusammen. Im Verlauf des Gesprächs sagte die Scham zum Wind und zum Wasser: »Wann, lieber Bruder und liebe Schwester, werden wir wieder einmal so friedlich beisammen sein, wie jetzt?« Da antwortete das Wasser: »Die Scham hat wahrhaftig recht; denn Gott allein weiß, wann sich je wieder eine Gelegenheit für uns finden wird, zusammenzukommen. Aber sag', Bruder, wo ist Deine Wohnung, für den Fall, daß ich dich aufsuchen wollte?« »Liebe Schwestern«, sagte darauf der Wind, »immer wenn ihr mich zum Schmausen oder Zusammensein haben wollt, so geht durch irgendeine offenstehende Tür oder eine enge Straße und Ihr werdet mich alsbald finden; denn dort hause ich.« »Und du, Wasser, wo wohnst du?« »Ich wohne«, antwortete das Wasser, »in den Sümpfen, die am tiefsten liegen, zwischen den Binsen, und mag die Erde noch so trocken sein, so werdet Ihr mich dort doch immer finden.« »Aber du, Scham, wo ist deine Behausung?« »Das weiß ich wahrhaftig nicht«, erwiderte die Scham; denn ich bin ein armes vertriebenes Wesen. Wollt Ihr mich unter den Großen der Erde suchen, Ihr würdet mich nicht finden; denn sie wollen nichts von mir wissen und machen sich lustig über mich. Suchtet Ihr unter dem niederen Volk: es ist so schamlos, daß es sich kaum um mich kümmert. Forschet Ihr unter den verheirateten Frauen, Witwen und Mädchen, würdet Ihr mich gleichfalls nicht finden, denn sie fliehen mich wie etwas Abschreckendes. Geht Ihr zu den Mönchen, so werdet ihr finden, daß ich ferne von ihnen weile, denn sie verjagen mich mit Stöcken und geschwungenen Holzpantoffeln, so daß ich bis jetzt keine feste Wohnung habe. Und wenn ich mich nicht an Euch anschließe, sehe ich mich jeder Hoffnung beraubt.« Als der Wind und das Wasser dies vernahmen, wurden sie von Mitleid bewegt und nahmen sie in ihre Gesellschaft auf. Sie waren noch nicht lange beisammen, als sich ein gewaltiges Gewitter erhob und das unglückliche Wesen, vom Wind und vom Wasser geängstigt, sich, da es nicht wußte, wohin sich retten, ins Meer stürzte. Und so suchte ich die Scham an vielen Orten und suche sie noch, vermochte sie aber nicht zu finden, und niemand konnte mir sagen, wo sie sei. Da ich sie also nicht fand, kümmere ich mich gar nicht oder wenig mehr um sie und deshalb werde ich nach meiner Weise leben und Ihr mögt's auf die Eure tun; denn heutzutage findet sich die Scham in der Welt nicht mehr.