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Isotta, die Frau Lucaferros di Albani von Bergamo, die durch List Travaglino, den Kuhhirten ihres Bruders Emilliano, glaubt zum Lügner werden zu lassen, verliert das Besitztum ihres Gatten und kehrt mit dem Kopf eines Stiers mit vergoldeten Hörnern heim, den sie auf schimpfliche Weise erworben hat.
In Bergamo, einer alten Stadt der Lombardei, lebte vor noch nicht langer Zeit ein reicher und angesehener Mann namens Pietromaria di Albani. Dieser hatte zwei Söhne, von denen der eine Emilliano, der andere Lucaferro hieß. Dazu besaß er zwei Landgüter, die Ghorèm und Pedrènch hießen. Als nun Pietromaria gestorben war, teilten sich seine beiden Söhne in die Güter und Emilliano fiel Pedrènch, Lucaferro Ghorèm zu. Emilliano besaß eine sehr schöne Herde Schafe und eine große Anzahl munterer, junger Rinder und milchreicher Kühe, welche ein gewisser Travaglino, ein überaus treuer, gewissenhafter Mensch hütete, der keine Lüge gesagt hätte, auch nicht um den Preis seines Lebens, und seine Herden so treu behütete, daß er nicht seinesgleichen darin hatte. Travaglino hatte in der Kuhherde viele Stiere und darunter einen, der sehr schön anzusehen und Emilliano so lieb war, daß er ihm die Hörner mit feinstem Golde hatte überziehen lassen; und jedesmal, wenn Travaglino in die Stadt kam, fragte ihn Emilliano nach seinem Stier mit den goldenen Hörnern. Als sich Emilliano nun einmal mit seinem Bruder Lucaferro und einigen seiner Freunde im Gespräch befand, erschien Travaglino und machte ihm ein Zeichen, daß er mit ihm sprechen wolle. Dieser stand sogleich auf, verließ den Bruder und die Freunde und ging, um mit Travaglino zu sprechen und unterhielt sich lange mit ihm. Weil Emilliano aber schon mehrmals seine Freunde und Verwandten hatte sitzenlassen, um sich mit einem Viehhirten zu unterhalten, wurde dies Lucaferro nachgerade zu bunt und er wollte es unter keinen Umständen weiter dulden. Er sagte daher eines Tages ganz glühend vor Zorn zu Emilliano: »Ich muß mich sehr über dich wundern, Emilliano, daß du dir mehr aus einem Schurken von Viehhirten machst, als aus deinem Bruder und all deinen guten Freunden. Denn nicht einmal, sondern ich möchte fast sagen tausendmal hast du uns mitten auf der Straße oder beim Spiel wie Vieh, das zur Schlachtbank geht, allein gelassen und bist zu dem einfältigen, tölpelhaften Travaglino, deinem Knecht, hingelaufen, um mit ihm zu reden. Man sollte wahrhaftig glauben, du hättest die wichtigsten Geschäfte von der Welt mit ihm abzumachen, und sie sind doch nicht einmal einen Pfifferling wert.« »Bruder«, versetzte Emilliano, »du brauchst nicht so heftig auf mich erzürnt zu sein und so beleidigende Reden gegen Travaglino zu führen, denn er ist ein rechtschaffener, junger Mann und mir sehr teuer, einmal wegen seiner Tüchtigkeit, und dann wegen der Redlichkeit, die er mir gegenüber übt und drittens wegen einer besonderen einzigartigen Tugend, die ihn auszeichnet, nämlich daß er nicht um alles in der Welt eine Lüge aussprechen würde. Außerdem hat er noch viele andere Eigenschaften, um derentwillen er mir lieb ist, und darum wundere dich nicht, wenn ich ihn schätze und wert halte.« Diese Antwort brachte Lucaferro noch mehr auf, die Brüder gerieten in einen heftigen Wortwechsel, und es fehlte nicht viel, so hätten sie zu den Waffen gegriffen. Da nun Emilliano seinen Travaglino so sehr gerühmt hatte, sagte Lucaferro zu ihm: »Du streichst deinen Kuhhirten so gewaltig heraus wegen seiner Tüchtigkeit, seiner Redlichkeit und seiner Wahrheitsliebe; ich sage dir aber, er ist der unbrauchbarste, treuloseste und lügenhafteste Schurke, den es je gegeben hat, und ich erbiete mich, es dir zu beweisen und dich hören zu lassen, daß er dir ins Gesicht lügt.« Nachdem sie sich noch lange gestritten, setzten sie ihre Güter zum Pfande und kamen dahin überein, daß, wenn Travaglino eine Lüge sagen würde, das Gut Emillianos Lucaferro gehören solle, würde er dagegen nicht bei einer Lüge erwischt werden, sollte Emilliano Lucaferros Gut bekommen. Und dieses Übereinkommen machten sie durch einen notariellen Vertrag rechtsgültig und bindend mit aller dazu erforderlichen Förmlichkeit. Als sie einander verlassen hatten und der erste Zorn sich gelegt, fing Lucaferro an, zu bereuen, daß er sein Gut zum Pfand gesetzt und die Sache notariell hatte festmachen lassen, ja, er bedauerte den Streich lebhaft und befürchtete, des Gutes verlustig zu gehen, aus dem er den Unterhalt für sich und seine Familie zog. Als er nun zu Hause war und seine Frau, die Isotta hieß, ihn so niedergeschlagen sah und den Grund nicht wußte, fragte sie ihn: »Was habt Ihr, mein lieber Gatte, daß ich Euch so traurig und verstimmt sehe?« »Ich bitte dich, Isotta, schweig«, erwiderte Lucaferro, »und mach mich nicht noch verdrießlicher als ich schon bin!« Allein Isotta, begierig zu erfahren, was dahinterstecke, wußte es doch zu erreichen, daß sie erfuhr, worum es sich handelte. »Wie!« rief sie, sich mit heiterer Miene zu ihm wendend, »dies ist der Grund deines tiefen Kummers? Deswegen bist du so betrübt? Sei nur ganz ruhig, ich nehme es auf mich, Travaglino nicht zu einer, sondern zu tausend Lügen gegen seinen Herrn zu bringen!« – Ein Versprechen, das Lucaferro zu großer Befriedigung gereichte. Da nun Isotta wohl wußte, daß der Stier mit den goldenen Hörnern ihrem Schwager Emilliano überaus lieb war, gedachte sie ihn als Mittel zu ihrem Zweck zu gebrauchen. Sie kleidete sich auf sehr dirnenhafte Art, schminkte sich das Gesicht, verließ ganz allein Bergamo und ging nach Pedrènch, wo Emillianos Landgut lag und trat, dort angekommen, in das Haus ein, wo sie Travaglino bei der Bereitung von Käse und Topfen fand. Sie grüßte ihn und sagte zu ihm: »Lieber Travaglino, ich bin hierhergekommen, um dich zu besuchen und mit dir Milch zu trinken und Topfenkäschen zu essen.« »Seid willkommen, liebe Herrin«, antwortete Travaglino, bat sie dann, sich zu setzen, deckte den Tisch, und brachte Schafkäse und andere Dinge herbei, um sie zu ehren. Er wunderte sich aber gar sehr, daß die schöne Frau auf so ungewöhnliche Weise und ganz allein komme, ihn zu besuchen, und es wollte ihm gar nicht in den Sinn, daß dies wirklich Isotta, die Schwägerin seines Herrn sei. Da er sie jedoch schon mehrmals gesehen hatte, behandelte er sie mit all der Achtung und Ehrerbietung, die einer Frau ihres Standes zukamen. Als Isotta von Tisch aufgestanden war und Travaglino mit der Herstellung von Käse und Topfen bemüht sah, sagte sie zu ihm: »Lieber Travaglino, ich will dir ein wenig bei deiner Arbeit helfen.« »Wie es Euch beliebt, Herrin«, antwortete er. Und ohne weiter ein Wort zu verlieren, streifte sie ihre Ärmel bis zum Ellbogen auf und entblößte die weißen, weichen, gerundeten Arme, die aussahen wie weißer Schnee und half ihm auf das eifrigste beim Käsemachen. Und häufig ließ sie ihn dabei die leicht gewölbte Brust mit den beiden Brüsten sehen, die kleinen Äpfeln glichen. Überdies kam sie listigerweise mit ihrem geschminkten Gesicht Travaglino so nahe, daß sie das seine beinahe berührte. Travaglino war zwar nur ein Kuhhirt, aber doch eher schlau als einfältig. Als er nun das Gebaren der Frau sah, das ihre unkeusche Liebe zu erkennen gab, hielt er sie mit Worten und Blicken hin, indem er immer so tat, als verstünde er sich nicht auf Liebesangelegenheiten. Aber die Frau, welche glaubte, daß er in sie verliebt sei, verliebte sich ihrerseits so heftig in ihn, daß sie sich nicht mehr zu zügeln vermochte. Und obwohl Travaglino die unkeusche Liebe der Frau nicht entging, wagte er doch nichts zu ihr zu sagen, da er beständig fürchtete, sie zu erzürnen und zu beleidigen. Doch die lichterloh brennende Frau merkte die Zaghaftigkeit Travaglinos und fragte ihn: »Warum bist du so nachdenklich, Travaglino, und wagst nicht mit mir zu sprechen? Solltest du vielleicht Sehnsucht nach irgendeiner Gunst von mir haben? Verbirg deinen Wunsch ja nicht, denn du würdest dich dadurch nur selbst kränken, und nicht mich, die ich mich deinen Wünschen zur Verfügung stelle.« Als Travaglino dies hörte, war er sehr erfreut und gab zu erkennen, daß er ihr zugetan sei. Wie ihn die törichte Frau nun heftig verliebt sah, schien es ihr an der Zeit, mit ihrem Anliegen herauszurücken und sie sagte daher zu ihm: »Lieber Travaglino, ich möchte dich um einen großen Gefallen bitten; würdest du mir meine Bitte abschlagen, so hätte ich gewiß ein Recht zu sagen, daß du dir wenig aus meiner Liebe machst, ja, du würdest dadurch vielleicht schuld an meinem Verderben, ja an meinem Tode sein.« »Herrin«, erwiderte Travaglino, »ich bin bereit, Euch zuliebe nicht nur Hab und Gut, sondern auch das Leben hinzugeben, und solltet Ihr mir selbst das Schwerste befehlen, so wird doch meine Ergebenheit gegen Euch und die Gewogenheit, die Ihr mir bezeigt, es mir zum allerleichtesten machen.« Da wurde Isotta noch zuversichtlicher und sagte zu Travaglino: »Jetzt werde ich erkennen, ob du mich liebst, wie ich glaube und du mir zu zeigen scheinst.« »Befehlt nur, Herrin«, antwortete Travaglino, »und Ihr werdet Euch vollkommen davon überzeugen!« Da sagte Isotta: »Weiter will ich nichts von dir als den Kopf des Stieres mit den goldenen Hörnern, dann magst du über mich verfügen, wie es dir gefällt.«
Als Travaglino dies hörte, stand er wie versteinert, doch von der Fleischeslust und den Schmeicheleien des schamlosen Weibes überwunden, antwortete er: »Nichts weiter verlangt ihr von mir, Herrin? Nicht allein den Kopf des Stieres, sondern auch den Rumpf und mich selbst lege ich in Eure Hände.« Und nach diesen Worten faßte er sich ein Herz und umschlang das Weib und genoß mit ihm die letzten Freuden der Liebe. Dann schnitt er dem Stier den Kopf ab, steckte ihn in einen kleinen Sack und überreichte ihn Isotta, die, befriedigt über die Stillung ihres Liebesdranges, wie die Erfüllung ihres Wunsches mit mehr Hörnern als Landgütern heimkehrte. Als sie fort war, wurde Travaglino sehr nachdenklich und es ging ihm gewaltig im Kopf herum, wie er den Verlust des Stieres mit den Goldhörnern entschuldigen sollte, von dem Emilliano, sein Herr, so entzückt war. In seiner großen Herzensangst verfiel der arme Travaglino, der nicht aus noch ein wußte, auf den Gedanken, einen Zweig eines gestutzten Baumes zu nehmen, ihn mit einigen seiner ärmlichen Kleidungsstücke zu behängen und sich einzubilden, dies sei sein Herr, und zu versuchen, wie er sich benehmen müsse, wenn er vor Emilliano stünde. Er putzte also den Ast heraus, hing ihm seine Kleider über, setzte ihm die Mütze auf und stellte ihn in einem Zimmer zurecht; dann ging er zur Tür hinaus, kam darauf wieder herein, grüßte den Ast und sagte: »Guten Tag, Herr!« Und sich selbst antwortend, sagte er darauf: »Willkommen, Travaglino, wie geht's, was gibt's draußen, du hast dich ja so lange nicht blicken lassen?« »Mir geht's gut«, antwortete er, »ich hatte soviel zu tun, daß ich nicht zu Euch kommen konnte.« »Und was macht der Stier mit den goldenen Hörnern?« »O Herr, der Stier ist im Walde von den Wölfen gefressen worden.« »Und wo ist das Fell und der Kopf mit den vergoldeten Hörnern?« Aber hier blieb Travaglino mit der Antwort stecken, wußte nichts weiter zu sagen und ging betrübt wieder hinaus. Dann trat er wieder ins Zimmer und begann von neuem: »Gott mit Euch, Herr.« »Willkommen Travaglino, was machen unsere Geschäfte und wie geht es dem Stier mit den goldenen Hörnern?« »Mir geht's gut, Herr, aber der Stier lief mir einmal aus der Hürde weg, schlug sich mit den anderen Stieren herum und wurde von ihnen so jämmerlich zugerichtet, daß er einging.« »Aber wo ist der Kopf und die Haut?« Da wußte er wieder nicht, was er antworten sollte. Und so machte Travaglino es noch mehrmals, konnte aber immer keine rechte Entschuldigung finden. Unterdessen war Isotta nach Hause gekommen und sagte zu ihrem Mann: »Wie wird sich Travaglino helfen können? Will er sich bei seinem Herrn entschuldigen, daß der Stier mit den Goldhörnern tot ist, den er so lieb hatte, so muß er ihm irgendeinen Bären aufbinden. Seht, hier ist der Kopf, ich habe ihn mitgebracht, damit er zum Zeugnis gegen ihn diene, wenn er eine Lüge sprechen sollte.« Sie erzählte ihm jedoch nicht, daß sie ihm zwei Hörner aufgesetzt hatte, größer als das Geweih eines starken Hirsches. Lucaferro freute sich wie ein Schneekönig, als er den Kopf des Stieres erblickte und glaubte nun, seine Wette gewonnen zu haben, aber das Gegenteil erfolgte, wie Ihr weiter unten hören werdet. Travaglino hatte sich inzwischen mit seinem Holzmann unterhalten, hatte geredet und geantwortet, nicht anders als wäre es der Herr selbst, mit dem er spräche, und es wollte ihm trotz aller seiner Bemühungen nicht gelingen, wie er es wünschte. Da beschloß er, ohne sich weiter den Kopf zu zerbrechen, zu seinem Herrn zu gehen, mochte kommen, was da wollte. Er ging also nach Bergamo, suchte seinen Herrn auf und grüßte ihn ganz vergnügt. Emilliano erwiderte seinen Gruß und fragte: »Was hast du denn angefangen, Travaglino? Du bist ja mehrere Tage nicht hiergewesen, noch hast du eine Silbe von dir hören lassen.« Da antwortete Travaglino: »Die viele Arbeit hat mich zurückgehalten, Herr.« »Und was macht der Stier mit den vergoldeten Hörnern?« fragte Emilliano. Da geriet Travaglino in die größte Verlegenheit, wurde feuerrot und wollte erst eine Entschuldigung vorbringen und die Wahrheit verhehlen. Doch da er seiner Ehre Abbruch zu tun fürchtete, faßte er sich ein Herz, fing die Geschichte von Isotta an und erzählte ihm Punkt für Punkt alles, was er mit ihr gemacht und wie es mit dem Tode des Stieres zugegangen, worüber Emilliano nicht wenig erstaunte. Weil nun Travaglino bei der Wahrheit geblieben war, behielt er den Ruhm eines aufrichtigen Menschen und hatte sich großer Schätzung zu erfreuen. Emilliano hatte seine Wette und damit das Gut gewonnen, Lucaferro dagegen ein paar Hörner; die verworfene Isotta aber, die andere zu betrügen gedachte, wurde selbst betrogen und trug Schande davon.