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Madonna Modesta, die Frau Messer Tristane Zanchettos, erwirbt in ihrer Jugend von Liebhabern eine große Menge Schuhe. Alt geworden, teilt sie diese an Bediente, Lastträger und andere heute niederen Standes wieder aus.
Pistoja ist, wie Euch bekannt, eine alte toskanische Stadt. Dort lebte in unsern Zeiten eine junge Frau namens Madonna Modesta, ein Name, der ihr wegen ihrer tadelnswerten Sitten und ihres unehrbaren Lebenswandels nicht zukam. Sie war sehr schön und anmutig, aber von niederer Herkunft und hatte einen Mann, Messer Tristano Zanchetto geheißen – ein Name, der ihm wirklich entsprach – der umgänglich und rechtschaffen war. Er war mit Leib und Seele Kaufmann und seine Geschäfte gingen ganz nach Wunsch. Madonna Modesta, deren ganzes Sinnen und Trachten nur auf Liebe ging, wollte, da ihr Gatte Kaufmann war und seine Geschäfte mit großem Fleiß betrieb, auch ihrerseits einen – allerdings seltsamen – Handel anfangen, von dem Messer Tristano nichts wissen sollte. Sie stellte sich also jeden Tag zu ihrer Unterhaltung bald auf den, bald auf jenen Balkon und betrachtete alle, die dort auf der Straße vorüberkamen, und alle Jünglinge, die sie vorbeigehen sah, lud sie durch Winke und Gebärden ein, mit ihr der Liebe zu pflegen. Und so eifrig war sie darauf bedacht, ihr Geschäft in Schwung zu bringen und über sein Aufblühen zu wachen, daß es niemand in der Stadt gab, mochte er nun reich oder arm, vornehm oder gering sein, der nicht von ihren Waren nehmen und sie kosten wollte. Als nun Madonna Modesta zu großem Rufe gelangt war, nahm sie sich fest vor, jedem, der zu ihr kommen würde, um einen kleinen Preis gefällig zu sein, und zwar wollte sie für ihre Ware keinen anderen Entgelt von ihnen haben als ein Paar Schuhe, die dem Rang und dem Vermögen jener entsprechen sollten, die sich mit ihr dem Minnespiel ergaben. Wenn nämlich der Liebhaber, der sich an ihr erletzte, von Adel war, wollte sie von ihm Schuhe aus Sammet, war er ein Bürgerlicher, sollten sie von feinem Tuch, war er ein Handwerker, aus bloßem Leder sein. Infolgedessen hatte die gute Frau derartigen Zuspruch, daß ihr Laden niemals leer war. Und da sie jung, schön und stattlich und der als Entgelt geforderte Preis gering war, besuchten sie alle Männer von Pistoja mit Freuden, ergötzten sich mit ihr und pflückten die begehrten letzten Früchte der Liebe. Madonna Modesta hatte nachgerade mit den Schuhen, die sie zum Lohn für ihre vielen süßen Mühen erhalten hatte, ein sehr geräumiges Magazin angefüllt, und so groß war die Zahl der Schuhe aller Art, daß, wenn einer in Venedig alle Läden abgesucht hätte, er nicht den dritten Teil von denen gefunden hätte, die in diesem Magazin aufgestapelt waren. Nun geschah es, daß Messer Tristano, ihr Gatte, des Magazins bedurfte, um dort einen Teil seiner Waren unterzubringen, die gerade zufällig von verschiedenen Seiten gleichzeitig eingetroffen waren. Er rief daher Madonna Modesta, sein geliebtes Weib, und verlangte von ihr die Schlüssel zum Magazin. Und schlau, ohne sich irgendwie zu entschuldigen, reichte sie sie ihm. Der Gatte öffnete den Lagerraum, den er leer zu finden glaubte, fand ihn aber, wie wir bereits gesagt haben, voll von Schuhen mannigfacher Art. Da wußte er gar nicht, wie ihm geschah und konnte sich gar nicht denken, woher eine solche Menge Schuhe käme. Er rief also seine Frau herbei und fragte sie nach der Herkunft der vielen Schuhe, die das Magazin füllten. »Nun, was sagt Ihr dazu, Messer Tristano, mein Gatte?« fragte Madonna Modesta dagegen. »Ihr glaubtet wohl der einzige Kaufmann in dieser Stadt zu sein? Da habt Ihr Euch aber gründlich getäuscht; denn auch die Frauen verstehen sich auf die Kunst des Handeltreibens. Und wenn Ihr Großhändler seid und viele und umfängliche Geschäfte abschließt, so gebe ich mich mit diesem kleinen zufrieden und habe meine Waren in diesem Magazin niedergelegt und eingeschlossen, damit sie sicher seien. Widmet Ihr Euch also mit allem Eifer und Fleiß Eurem Handel, und ich werde mich mit aller erforderlichen Hingabe und Lust wacker dem meinen widmen.« Messer Tristano, der weder wußte, was dahintersteckte, noch sich Gedanken darüber machte, gefiel der aufgeweckte Verstand und die große Klugheit seiner gescheiten und überlegenden Frau und er ermunterte sie, ihr begonnenes Unternehmen unverdrossen fortzusetzen. Als nun Madonna Modesta ihre Liebestänze im geheimen fortsetzte und der Betrieb ihres wollüstigen Handelns ihr guten Gewinn brachte, wurde ihr Reichtum an Schuhen so groß, daß sie nicht allein Pistoja, sondern die allergrößten Städte reichlich damit hätte versehen können. Solange Madonna Modesta jung, schön und reizvoll war, flaute ihr Handel niemals ab, doch da die zerstörende Zeit über alle Dinge Macht hat und ihnen Anfang, Mitte und Ende setzt, veränderte Madonna Modesta, die einst frisch, voll und schön war, ihr Aussehen, aber nicht ihre Begierde, und ihr jugendliches Feuer: ihr Äußeres mauserte sich, ihre Stirn wurde runzlig, ihr Gesicht häßlich, ihre Augen triefend, und ihre Brüste waren ebenso schlaff wie leere Schweinsblasen. Und wenn sie lachte, zeigte sie solche Falten, daß jeder, der sie ansah, darüber lachte und den größten Spaß daran hatte. Als nun Madonna Modesta gegen ihren Willen alt und grau geworden war und niemand mehr fand, der sie wie ehemals liebte und umschwärmte; als sie sah, daß ihr Schuhhandel sehr ins Stocken geraten war, empfand sie darüber große Betrübnis. Und da sie sich von ihrer frühen Jugend bis zu ihrem jetzigen Alter der häßlichsten Ausschweifung, dieser Feindin des Körpers und der Börse, hingegeben hatte und so an sie gewöhnt und in ihr aufgewachsen war, wie nur je eine Frau auf der Welt, bestand keine Möglichkeit, daß sie diesem Laster entsage. Und obwohl ihr der Lebenssaft, durch den alle Pflanzen Wurzel fassen, wachsen und gedeihen, täglich mehr mangelte, wollte doch der Drang, ihre schlimme und zügellose Brunst zu stillen, nicht aufhören. Als Madonna Modesta nun sah, daß ihr die Gunst der Jünglinge gänzlich verlorengegangen und die anmutigen und schönen jungen Leute sie nicht mehr wie ehedem umschwärmten und umschmeichelten, faßte sie einen neuen Plan. Sie setzte sich auf den Balkon und fing an allen Bedienten, Lastträgern, Bauern, Kaminkehrern und Taugenichtsen, die vorüberkamen, verliebte Blicke zuzuwerfen, und so viele von ihnen sie habhaft werden konnte, so viele zog sie zu ihrem Minnedienste ins Haus und verlustrierte sich an ihnen in der gewohnten Weise. Und wie sie ehemals von ihren Liebhabern als Lohn für ihre unersättliche fleischliche Begier je nach ihrem Stand und Vermögen ein Paar Schuhe gefordert hatte, so schenkte sie jetzt im Gegenteil denen unter ihnen ein Paar zum Entgelt für ihre Mühen, welche sich am kräftigsten regten und ihr am weidlichsten das rauhe Büschlein klopften. Bald war Madonna Modesta so tief gesunken, daß das ganze schlechte Gesindel von Pistoja zu ihr strömte, teils um sich mit ihr einzulassen, teils um sich über sie lustig zu machen und mit ihr Schindluder zu treiben, teils um den schimpflichen Lohn, den sie austeilte, zu erlangen. So dauerte es denn nicht lange, und das einst ganz mit Schuhen angefüllte Magazin war beinahe leer. Eines Tages nun wollte Messer Tristano insgeheim nachsehen, wie es mit dem Handel seiner Frau stand, nahm ohne ihr Wissen die Schlüssel des Lagers und öffnete es. Wie erstaunte der Brave aber, als er beim Eintreten entdeckte, daß fast sämtliche Schuhe fort waren. Nachdenklich stand er da und überlegte, wie seine Frau es wohl fertig gebracht habe, alle die Schuhe, die sich im Magazin befanden, loszuwerden. Da er jedoch überzeugt war, daß seine Frau durch ihren Verkauf Gold in Hülle und Fülle besitzen müsse, machte er sich weiter keine Sorgen darüber und dachte bei sich: Wenn ich einmal Geld brauche, so weiß ich ja jetzt, wo ich mir solches holen kann. Dann rief er sie und sagte zu ihr: »Modesta, mein kluges und gescheites Weib, ich habe heute dein Magazin geöffnet und wollte nachsehen, was für Fortschritte dein Handel macht, während ich aber dachte, die Schuhe müßten sich seit jener Stunde, da ich sie zum erstenmal sah, bis heute vervielfältigt haben, fand ich, daß sie sich verringert hatten, was mich mit nicht geringem Erstaunen erfüllte. Dann dachte ich, daß du sie wohl verkauft und infolgedessen ein gut Stück Geld in der Hand haben wirst und beruhigte mich. Wenn dem so wäre, würde ich es nicht wenig begrüßen.« Da antwortete ihm Madonna Modesta nicht ohne einen schweren Seufzer, der aus ihrem innersten Herzen drang: »Messer Tristano, lieber Gatte, wundert Euch nicht darüber: jene Schuhe, die Ihr seinerzeit in solcher Menge im Magazin gesehen, sind denselben Weg gegangen, den sie gekommen waren, und seid überzeugt, daß die schlecht erworbenen Dinge in kurzer Zeit zerrinnen. Ihr dürft daher keineswegs erstaunt sein.« Messer Tristano, der nicht wußte, was sie damit sagen wollte, wurde nachdenklich, und da er fürchtete, es möchte mit seinem Handel ähnlich gehen, wollte er nicht näher auf die Sache eingehen, er bemühte sich vielmehr nach Kräften und wandte allen Scharfsinn auf, damit sein Geschäft nicht zurückgehe, wie das seiner Frau. Als sich Madonna Modesta nun von allen Männern, auch von den gemeinsten, verlassen und der mit soviel Wollust erworbenen Schuhe gänzlich beraubt sah, empfand sie darüber solchen Schmerz und solches Herzeleid, daß sie in eine schwere Krankheit verfiel und bald darauf an der Schwindsucht starb. Auf diese Weise endigte Madonna Modesta auf schimpfliche Weise ihren Handel und ihr Leben und hinterließ andern zum warnenden Beispiel ein schmachvolles Gedenken.