Adalbert Stifter
Witiko
Adalbert Stifter

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In dieser Zeit kam Heinrich, der Vater Berthas, zu Witiko in das Gezelt. Er redete von dem Siege des Königs Wladislaw, und lobte, was Witiko getan hatte, und Witiko freute sich mit seinem Schwiegervater. Es kam auch Gebhart, der Bruder Heinrichs, und pries die zwei Tage. Es kamen noch Heinrich von Oftering, dann die Ritter vom Kürenberge, Udalrich von Marbach, Werinhard von Brun, Chunrad von Asparn, Hartung von Ruhenegk, Marchard von Hintberg, Wolftrigil von Stein, Thiemo von der Aue, es kamen Wolfgang von Ortau, Rudolph von Bergheim, Hans vom Wörthe und Adalbert von der Au. Sie jubelten über den Ruhm, den Witikos Taten verdienten, und Thiemo schloß ihn in die Arme und rief: »Du bist fast so tapfer, wie wir in der alten Zeit gewesen sind, nur nicht so lustig. Und das ist schade. Wenn alle, die da singen und sagen, von euerm Ritterkönige singen und sagen werden, von Odolen, von Bernard, von dir, von Welislaw, und von andern, deren Namen ich nicht aussprechen kann, so werden sie von dir nicht sagen können, er war fröhlich und ausgelassen wie die Blume der Ritter, und das herrliche Bildwerk ist dann nicht vollendet.«

»Ich bin ein ländlicher Mann«, sagte Witiko, »und stehe weit hinter dir, Thiemo, und von mir wird niemand singen und sagen.«

»Wie weißt du das?« sprach Thiemo. »Von uns allen werden sie singen und sagen: von dem zierlichen Degen, dem Kaiser Friedrich mit dem roten Barte, von dem Könige von Böhmen, von dem erlauchten Herzoge von Österreich, und von dem von Kärnten und Dalmatien und Zähringen und Schwaben und von den Fürsten und Bischöfen und Erzbischöfen, und was so da ist. Und von uns und von dem berühmten Kriege gegen die Mailänder werden die Menschen bis zu dem letzten Gerichte Gottes reden, und wir andern, Rudeger, der Degen, und die Chunringe, und ich und alle werden bei Mailand schon auch etwas tun, das der Rede wert ist. Und in euerm Lager ist ja schon ein frommer friedfertiger Mann, der alles aufschreibt, was getan wird, Vincentius, der der Schreiber eures Bischofes ist. Der fromme Mann ist, da die Gefahr auf der Brücke war, von ihr weg bei uns vorüber zu dem Herzoge von Kärnten gegangen, und hat die Nacht dort gewartet.«

»Nach meiner Hoffnung, Witiko, wird unser Herzog sorgen«, sagte Marchard von Hintberg, »daß wir Österreicher nicht zu weit zurückstehen. Wir haben noch den Weg nach Mailand, und wir haben die Arbeit vor Mailand.«

»Ihr werdet wohl Größeres tun als wir«, sagte Witiko, »die wir über einen brückenlosen Fluß schwammen, weil wir schwimmen können, die wir uns wehrten, da Mailänder daher kamen.«

»Und in dem Lager des Kaisers wird wohl auch vergönnt sein, zu wirken«, sagte Wolfgang von Ortau.

»Und des Herzogs von Schwaben«, sagte Hans vom Wörthe.

»Und des von Zähringen«, sagte Adalbert von der Au.

»Wir werden noch alle genug erhalten, ihr aus Franken und Schwaben und Burgund und wir aus Österreich«, rief Thiemo von der Aue, »der Kaiser scheint nicht darnach angetan, uns ohne Arbeit zu lassen, daß wir Kurzweil treiben wie heute.«

»Gehabe dich wohl, Witiko«, sprach Marchard von Hintberg, »vielleicht ist doch vor Mailand eine Stunde, in der wir uns wieder sehen.«

»Es wird mir eine Freude sein, dich zu sehen, Marchard, und, wenn es sein kann, komme ich in euer Lager«, sagte Witiko.

»Du brüderlicher Mann«, sagte der Ritter vom Kürenberge, »wenn wir einmal graue Haare haben, werden wir mit Bechern bei einander sitzen, und von der Vergangenheit reden und singen; jetzt jagen wir fröhlich in die Gegenwart.«

»Und sei uns allen ein Freund, wie wir deine Freunde sind«, rief Heinrich von Oftering, »und gehabe dich wohl, und komme, wenn alles aus ist, bald wieder in unser Oberland, das jetzt ein Stück lustigen Österreichs ist, und betrachte sein Getreide und sein Obst, du magst nun zu den Eltern deiner Gattin auf die Burg Schauenberg bei der Stadt Eferdingen gehen, oder ein wenig links davon nach Oftering oder auf den Kürenberg. Und wir werden wohl wieder auch in deinen Wald kommen, und da eure Berge und Schluchten und Wasser und Felsen betrachten.«

»So können wir tun, wenn wieder der Frieden ist«, sagte Witiko.

»Und so gehabe dich wohl«, sprach Heinrich von Oftering.

»Gehabe dich wohl«, riefen die andern.

»Gehabt euch wohl«, sagte Witiko.

Und sie entfernten sich, und begaben sich in ihre Lager.

Und als die Heere sich durch eine kurze Ruhe und durch Nahrungsmittel erquickt hatten, zog der Kaiser noch an diesem Tage vor die Veste Trezzo, um sie zu belagern.

Am fünften Tage der Belagerung mußte sich die Veste ergeben.

Von da zog das Heer nach Lodi. Dort lagerte es. Der Kaiser lagerte in den Trümmern der Stadt, die von den Mailändern zerstört worden war. Die rosenroten Banner des Königs Wladislaw ragten auch von diesen Trümmern empor. Die andern waren weithin an dem Lambro ausgebreitet.

Hier hielt der Kaiser mit dem Könige Wladislaw und den Fürsten einen Rat, um den Zug gegen Mailand zu ordnen.

In diese Versammlung kamen Abgesandte derer, die Lodi bewohnt hatten, und flehten den Kaiser um Hilfe an.

Der Kaiser sagte, es werde ihnen geholfen werden.

Dann kamen auch noch einmal Abgesandte von Mailand, welche unter dem Schutze des Kaisers zugelassen wurden.

Sie sprachen vor der Versammlung: »Die Stadt Mailand sendet dem hocherhabenen Kaiser die untertänige Verehrung. Die Stadt Mailand möchte den Frieden aufrecht erhalten, und daß der Frieden bleiben könne, will die treue Stadt Mailand unterwürfig sein, sie will die Hoheit des Kaisers unverbrüchlich ehren, und dem Kaiser die volle Genugtuung leisten.«

Der Kaiser fragte: »Bringet ihr die unbedingte Unterwerfung, oder habet ihr Bedingungen in Bereitschaft?«

Die Abgeordneten antworteten: »Wir bringen zuerst die Unterwerfung, dann werden die erscheinen, welche die Bedingungen bringen.«

»Und was sprechen die Herren, die in dem Rate sind?« fragte der Kaiser.

Berthold, der Herzog von Zähringen, sagte: »Wenn Mailand eine giltige Bürgschaft gibt, daß es die volle Genugtuung leisten wolle, so könnte wohl der Frieden wieder hergestellt werden.«

»Es muß eine vollständige Gewähr gegeben werden«, sagte der Herzog von Kärnten.

Konrad, der Pfalzgraf am Rheine, sprach: »Sie sollten unverzüglich verkündigen, welche Gewähr sie für die volle Genugtuung bieten, und dann möge beschlossen werden, ob die Gewähr anzunehmen ist oder nicht.«

»Wir sollten alles tun, den Frieden zu errichten, und das Blutvergießen zu enden«, sagte der Bischof von Eichstätt.

»Und du sprichst nicht, erlauchter König von Böhmen?« fragte der Kaiser.

»Ich hätte später gesprochen«, antwortete Wladislaw, »jetzt aber sage ich: in dieser Zeit kann eine volle Gewähr nicht gegeben werden. Sie hätte sollen früher gegeben werden, oder sie muß gegeben werden, wenn noch größere Dinge geschehen sind.«

»Das ist wahr, das ist wahr«, riefen mehrere Stimmen.

»Und es ist auch der Wille gar nicht vorhanden, eine giltige Gewähr zu geben«, sagte der Markgraf von Montferrat.

»Sie geben keine«, rief der Führer derer von Pavia.

Nun stand Anselm, der Erzbischof von Ravenna, auf, und sprach: »Es erlaube mir deine Hoheit, erhabener Kaiser, daß ich zu denen, die gesendet sind, und daß ich zu den erlauchten Fürsten einige Worte rede.«

»Rede«, sagte der Kaiser.

Und Anselm wendete sich zu den Abgesandten Mailands, und sprach: »Ihr habt süße Worte in dem Munde, und den Fuchs in dem Herzen. In der Versammlung von Brescia habet ihr Forderungen der Herrschaft gemacht, ihr wolltet euch den König und die Obrigkeiten wählen, ihr wolltet euch Gesetze geben: und nun bringt ihr Unterwerfung. Seid ihr zur Erkenntnis gekommen, daß eure Forderungen ungerecht sind? Und wodurch seid ihr zu der Erkenntnis gekommen? Ihr seid nicht zu ihr gekommen, oder ihr seid immer bei ihr gewesen, und habt nur nicht nach ihr gehandelt, sondern habt Gewalt und Herrschaft gewollt, und hättet gerne die Herrschaft des Königs und Reiches über euch ferne gehalten. Ihr redet jetzt, wie ihr redet, um in der Gegenwart dem Übel zu entgehen, das euch droht. Warum habt ihr keine Bedingungen des Friedens bei euch? Daß Zeit vergeht, daß dem großen Heere in derselben irgend wie Abbruch geschehe, daß sich etwas ereigne, das euch günstig ist, und wie es sonst noch in der Zeit sein kann. Der erlauchte Markgraf von Montferrat hat gesagt: sie wollen keine Gewähr geben, und die Weisheit des hohen Königs von Böhmen hat gesagt: sie können keine geben. Und sie können auch keine geben. Sie hätten sie früher aus Gerechtigkeit geben müssen, und sie müssen sie später aus Ohnmacht geben. Ich rede zu euch, ihr hohen Herren der Versammlung. Welche Bürgschaft werden sie geben, die gilt? Sie werden aus ihrem Reichtume viel Gold darbringen, sie werden sich allem, was der hocherhabene Kaiser verlangt, fügen, und werden versprechen, alle seine künftigen Befehle zu befolgen, und sie werden Geiseln stellen. Und wenn der Kaiser seine Einrichtungen in dem lombardischen Lande gemacht hat, und wenn er seine Stellvertreter und seine Obrigkeiten eingesetzt hat, wenn er dann über die Alpen zurückgekehrt ist, wenn der Frieden gesichert scheint, und die Geiseln entlassen worden sind: dann wird Mailand handeln, wie es früher gehandelt hat, es wird die Oberherrschaft führen, wo es kann, es wird die kaiserlichen Mahnungen nicht befolgen, und, wenn es auf Sieg hofft, den Kaiser bekriegen. Wann hat Mailand seine Versprechen gehalten? Ich rede nicht von früheren Kaisern; ihr wißt, wie es war. Ich rede nur von dir selber, hocherhabener Herr. Hat nicht Mailand die treue Stadt Lodi zerstört? Hat es nicht Como zerstört, und die Bewohner gezwungen, außerhalb der Stadt zu leben? Hat es nicht die getreue Stadt Pavia mit schwerem Kriege überzogen? Und hat es auf deine Mahnungen Reue gezeigt? Nein. Als du verlangtest, Lodi und Como sollten wieder hergestellt werden, boten sie dir viertausend Mark, wenn du ihnen die Herrschaft über diese Städte gewährest. Sie begehrten auf die Weise Herrschaft über andere sogar von dir. Haben sie vor vier Jahren ihr Versprechen, dein Heer zu verpflegen, gehalten? Sie haben dich in eine Gegend, die schon ausgezehret war, geführt. Am ersten Tage fehlte es den Pferden an Futter, und in den zwei folgenden litt in Rosate das Heer Hunger. Die Mailänder hatten dort große Vorräte, du botest ihnen dafür Bezahlung, und sie verweigerten sie. Das taten sie, als du mit einem großen Heere in dem Lande warest, was werden sie tun, wenn du mit dem Heere ferne bist? Hat dir nicht Tortona getrotzt, weil es mit Mailand im Bunde war, und auf dessen Sieg hoffte? Und ist es nicht, da du es zerstört hattest, von Mailand wieder aufgebaut worden? Die Mailänder werden deine Hoheit nur ehren, wenn sie nicht mehr anders können. Du mußt ihnen die Macht nehmen. Und selbst dann, wenn ihnen nur ein Schein von Hoffnung zum Siege kömmt, werden sie wieder gegen dich aufstehen, und dich zu einem neuen Zuge gegen sie zwingen. Mögest du nicht, wenn du einmal Güte gegen sie üben solltest, in einer Zeit erfahren, wie übel sie angewendet war, und möge nicht einst viel Blut die Sache heilen müssen, die jetzt weniges heilet. Jetzt kann die Entscheidung gebracht werden. Jeder Frieden, er sei, wie er wolle, schiebt sie auf, und macht sie schwer. Sie haben Gewalt geübt, so mögen sie nun Gewalt erfahren. Mit dem Maße, mit dem sie gemessen haben, soll ihnen wieder gemessen werden. So rede ich, der ich die Leute der Stadt Mailand und ihre Hoffnungen und ihre Wünsche und ihre Begierden kenne.«

»Es ist so«, »ja so ist es«, »so ist es«, riefen viele Männer.

»Sie haben die wilden Forderungen gestellt, da du schon die große Kriegsmacht gegen sie führtest, und sie sagen die demütigen Worte, um alles zu verwirren. Ihre letzte Waffe muß zerbrochen werden, daß sie nicht mehr schaden«, rief Friedrich, der Herzog von Schwaben.

»Sie haben immer Tücke geübt, und zu uns kam sehr oft die Kunde«, sagte Heinrich, der Herzog von Kärnten.

»Und sie haben Grausamkeiten geübt, wie sie die Heiden in den alten Zeiten nicht geübt haben. Um uns herum, wie wir versammelt sind, stehen die Überreste der Stadt Lodi, einer Stadt des nämlichen Landes wie Mailand, einer Schwester von Mailand, die sie zerstört haben. Die traurigen Trümmer sehen zu dem blauen Himmel empor, und schreien zu dem Himmel um Rache, und zerreißen uns das Herz«, sagte der Bischof von Würzburg.

»Und so sind auch die Trümmer von Como, und von mancher Kirche und von manchem Schlosse und von mancher Veste, die dem Kaiser treu war, und so wären die Trümmer von Pavia, wenn sie die Stadt erobert hätten«, rief der Führer von Pavia.

»So ist es, so ist es«, riefen mehrere Männer.

Heinrich, der Herzog von Österreich, sprach: »Sie bringen nur Worte, und wollen durch Lockungen von dem Weg abführen. Ich denke, wir sollen auf ihm zur Entscheidung gehen, wie wir sie erstreben.«

»Ja, wie wir sie erstreben, und wie sie auch nur gerecht ist«, sagte der Erzbischof von Mainz.

»Wozu wir ausgezogen sind, und was wir erstreben«, sagte Otto, der Pfalzgraf in Bayern.

»Der hocherhabene Kaiser ist dem Reiche und wir sind den Ländern entfremdet, wenn wir durch Verhandlungen hingeschleppt werden«, sagte Ludwig, der Landgraf von Thüringen.

»Zur Entscheidung«, riefen mehrere der Herren.

»Und was ist die Folge des Beschlusses?« fragte der Kaiser.

»Der Bann«, sagte der Erzbischof von Mainz.

»Der Bann«, sagte der Erzbischof von Trier.

»Der Bann«, sagte der Erzbischof von Köln.

»Der Bann«, sagten die Herzoge und Bischöfe und Fürsten.

Dann sprach der Kaiser zu den Abgesandten von Mailand: »Ihr habt den Krieg gegen mich dem Gehorsame für meine Worte vorgezogen, und mich zu dem Zuge nach Italien genötigt. Ihr seid mir mit aufrührerischen Forderungen entgegen gekommen, und habt dann die Waffen gegen mich gebraucht. Es ist sehr viel Blut vergossen worden, und daß es nicht ungerecht vergossen worden ist, muß vollendet werden, was begonnen worden ist. Wir führen den Krieg weiter, den ihr erhoben habt, und wir schließen die Empörung, in der ihr verharren wollt. Und so banne ich mit der Zustimmung der Fürsten und der Herren des Reiches eure Stadt.«

Und er warf nach dem Brauche sein Szepter auf die Erde.

Dann sprach er zu den Abgesandten: »Verkündiget dieses denen, die euch gesandt haben, und sagt ihnen, wir werden die Gesetze des Friedens bei ihnen machen, daß er daure. Jetzt entfernt euch.«

Die Abgesandten verließen die Versammlung.

An dem folgenden Tage, dem fünften des Erntemonates, ging das Heer in sieben Zügen gegen Mailand. Den ersten Zug führte Konrad, der Bruder des Kaisers, der Pfalzgraf am Rheine. Den zweiten Zug führte Friedrich, der Herzog von Schwaben, den dritten Wladislaw, der König von Böhmen, den vierten Heinrich, der Herzog von Österreich, den fünften der Kaiser, den sechsten Otto, der Pfalzgraf in Bayern, den siebenten Friedrich, der Erzbischof von Köln.

An diesem Tage ritt Eckbert, der Graf von Pütten, mit fünfhundert Reitern und einem Gefolge bis nahe gegen Mailand. Aber da es Abend wurde, und da er der Gegend unkundig war, ritten mailändische Scharen gegen ihn aus der Stadt, erreichten ihn, und besiegten ihn, und er verlor sein Leben. Die Mönche der Abtei Chiaravalle begruben ihn. In dem Heere entstand Trauer um den Mann, weil sie ihn als sehr edel und tapfer geachtet hatten. Der Kaiser aber gab das Gesetz, daß keiner Anordnungen treffe, als unter dem Befehle des Feldherrn, es sei denn, daß er zum Kampfe gezwungen würde.


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